Vielen Dank, Frau Hamburg. - Weiter geht’s! Jetzt ist die SPD-Fraktion an der Reihe, Kollege Christoph Bratmann. Herr Bratmann, ich erteile Ihnen das Wort!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zwar nicht abergläubisch, aber ich kann mich noch ganz gut an Freitag, den 13. März 2020, erinnern. Das war der Tag, an dem bundesweit die Schulschließungen verkündet worden sind - in Absprache der Kultusministerkonferenz mit der Bundeskanzlerin. Das war für die Bildungspolitik ein ziemlich schwarzer Tag. Ich glaube, das kann man so feststellen. Alles das, wofür auch wir hier im Landtag gemeinsam gestritten haben, zunächst gemeinsam mit der Kollegin Hamburg in der rot-grünen Zeit und später auch
mit den Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nämlich Schulsozialarbeit, Ganztagsausbau, soziales Lernen von- und miteinander von der Krippe bis in die Schule, die Entkoppelung von Bildungserfolg und sozialer Herkunft - sprich: von den familiären Bedingungen zu Hause - und nicht zuletzt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf - alles das konnte nur eingeschränkt oder gar nicht stattfinden. Und das ist natürlich bildungspolitisch - auf Deutsch gesagt - ziemlicher Mist und eine unbefriedigende Situation.
Wir sind uns aber alle einig - vielleicht bis auf eine Fraktion hier im Hause -, dass diesen Umstand nicht die Landes- oder die Bundespolitik zu verantworten hatte, sondern dass das einer globalen Pandemie geschuldet war. Der Gesundheitsschutz stand im Vordergrund, es ging um die Eindämmung des Infektionsgeschehens. Von daher blieb uns kaum eine andere Wahl.
Ich glaube auch, an dieser Stelle feststellen zu können, dass die pädagogischen Folgewirkungen schwieriger sind, sprich: die pädagogischen Versäumnisse aus dieser Zeit wiegen schwerer als versäumter Unterrichtsstoff, meine sehr verehrten Damen und Herren.
braucht, wie es weitergeht. Wie wollen wir jetzt mit der Situation umgehen? Welche Pläne braucht es nach den Sommerferien? Welche Lehren sind aus dem, was bisher geschehen ist, und aus dem, was Politik bisher gemacht hat, zu ziehen? - Ich bin der FDP deshalb durchaus dankbar für diesen Antrag, der aus meiner Sicht sinnvoll und richtig ist, aber auch weniger Sinnvolles enthält. Ich möchte gern aus diesem sehr umfangreichen Machwerk - es sind immerhin fast fünf Seiten, die die FDP aufgeschrieben hat - drei Punkte aufgreifen.
Der erste ist das FDP-Konzept der Sommerschule für Niedersachsen, darüber hinaus geht es um das wichtige Thema Digitalisierung und die Bedingungen für den Abiturjahrgang 2020/2021.
Zur sogenannten Sommerschule: Ich glaube, auch da besteht Einigkeit, dass es in diesen Sommerferien verstärkt Angebote des Lernens und der pädagogisch begleiteten Freizeitgestaltung geben muss. Das muss auf freiwilliger Basis passieren. Von daher liegt der Schlüssel aus unserer Sicht in der Kooperation vor Ort, die aus sinnvollen Bildungs- und Betreuungsangeboten in der Verzahnung von Jugendhilfe und Schule bestehen muss. Und auch hier geht es darum, nicht nur versäum
ten Unterrichtsstoff aufzuholen. Da sind mir der Antrag und das Ansinnen der FDP zu eindimensional. Ich glaube, das Wichtige ist, dass Schülerinnen und Schüler wieder in den Lernmodus kommen. Viele Schülerinnen und Schüler - gerade die, die aus sogenannten bildungsbenachteiligten
Haushalten kommen - haben das Problem, dass sie nicht im Lernmodus waren, dass das, was sie sich beispielsweise hinsichtlich ihres Arbeitsverhaltens, hinsichtlich ihrer sprachlichen Fähigkeiten erarbeitet haben, in der Zeit verlorengegangen ist, in der sie gezwungenermaßen zu Hause waren.
Anliegen einer freiwilligen Ferienschule müsste es also in erster Linie sein, dass das aufgearbeitet wird. Aber da reicht es dann auch nicht, nur Frontalunterricht zu machen und nur in Mathematik, Deutsch und Englisch zu beschulen, sondern da braucht es mehr.
Ich denke, der richtige Weg ist hier das Angebot der „LernRäume“, der Kooperationsprojekte, die das Kultusministerium vorgestellt hat. In diese Richtung sollte es gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ansinnen muss es einfach sein, auch in den Ferien Möglichkeiten und Räume gemeinsamen Lebens und Erlebens für die Schülerinnen und Schüler zu schaffen.
Wir sind uns einig, dass digitaler Unterricht den Präsenzunterricht nicht ersetzt, sondern ihn sinnvoll ergänzt. Die Digitalisierung in der Schule und im Bildungsbereich insgesamt ist ja nicht in erster Linie vorangetrieben worden, um das Lernen zu Hause zu ermöglichen, sondern wurde als sinnvolle Ergänzung des Unterrichts angesehen. Jetzt, in Pandemiezeiten, haben wir gemerkt, wie wichtig die Digitalisierung aber auch für das Lernen zu Hause ist und welche Chancen in der Digitalisierung liegen. Aber natürlich haben wir auch festgestellt, welche Defizite wir - ehrlich gesagt, auch in Niedersachsen - in diesem Bereich noch haben.
Hier trifft ebenfalls zu, dass die Corona-Pandemie nicht nur neue Probleme schafft, sondern auch bestehende Probleme verschärft. Das Kultusministerium und die regierungstragenden Fraktionen haben aber auch hier reagiert. Wir haben relativ schnell die niedersächsische Bildungscloud an den Start gebracht, sodass alle Schulen die Möglichkeit haben, an einer digitalen Lernplattform teilzunehmen. Die Schulen sind insoweit auch schon gut
unterwegs, natürlich in ganz unterschiedlicher Hinsicht: Manche nutzen zusätzliche Konzepte, IServ beispielsweise.
Wir sehen, dass immer mehr Schulen an der niedersächsischen Bildungscloud teilnehmen. Wir sehen, dass die Mittel zur Beschaffung von digitalen Endgeräten nun endlich genutzt und massenhaft abgerufen werden, was für die Schülerinnen und Schüler außerordentlich wichtig ist. Und wir freuen uns darüber, dass die 52 Millionen Euro, die jetzt vom Bund zur Verfügung gestellt wurden, auch genutzt werden, damit die Schulen die Geräte leihweise, insbesondere an bedürftige Schülerinnen und Schüler, weitergeben können. Auch hier stehen wir noch vor großen Herausforderungen, aber die richtigen Schlüsse sind gezogen worden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dafür bin ich durchaus dankbar.
Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes sagen: Ich bin in dieser Zeit häufiger an Schulen unterwegs - das tut der eine oder anderen von uns sicherlich auch - und unterhalte mich mit Lehrkräften und, wenn es irgendwie möglich ist, auch mit Schülerinnen und Schüler und auch mit Eltern, die ohnehin Kontakt zu Abgeordneten aufnehmen. Ich habe durchaus Lob für das Kultusministerium feststellen können. Anwesende frühere Kultusministerinnen und Kultusminister werden vielleicht bestätigen können, dass Lob von den Schulen für das Kultusministerium ein rares Gut ist. An den niedersächsischen Schulen wird vor allen Dingen die unaufgeregte Art, die Klarheit und die Transparenz, die Grant Hendrik Tonne an den Tag legt und mit seinen Briefen an die Lehrkräfte immer wieder bestätigt, geschätzt. Mir hat eine Lehrkraft, die unverdächtig ist, der SPD nahezustehen, gesagt, sie sei froh, dass sie zurzeit Lehrerin in Niedersachsen sei, ganz anders als ihre Schwester, die Lehrerin in Nordrhein-Westfalen sei. - Das könnte damit zusammenhängen, dass die Kultusministerin in NRW von der FDP kommt. Aber das vermag ich nicht zu beurteilen.
Vielen Dank, Herr Kollege Bratmann. Ich will Ihnen das gern bestätigen: Lob für Kultusminister ist ein Akt aus der Sammlung absoluter Raritäten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie geht es nach dem Lockdown mit den Schulen und Kitas weiter? Das ist die zentrale Frage, die wir uns alle stellen und die natürlich auch dieser Antrag aufnimmt.
Nach dem totalen Lockdown entließ der niedersächsische Stufenplan die Kinder wieder Schritt für Schritt in den Kita- und in den Schulbetrieb. Jetzt müssen wir uns fragen, welche Auswirkungen das hatte. Welche Nachholbedarfe sind durch das Homeschooling und auch durch die gewisse soziale Isolation von Kindern entstanden? Denn uns allen ist doch klar, dass der Stufenplan den Präsenzunterricht niemals ersetzen bzw. ein vergleichbares Ergebnis liefern kann.
Was wird aus unseren Schulen und aus der Bildung unserer Kinder, wenn einzelne Schulen oder einzelne Regionen oder wenn sogar wir alle wieder in den Lockdown gehen müssen? Sind unsere Schulen eigentlich ausreichend auf weitere Phasen des Homeschoolings vorbereitet? Trägt das Kultusministerium bereits dafür Sorge, dass Homeschooling auch auf einem höheren Niveau und landeseinheitlich gewährleistet werden kann?
Welche Risiken ergeben sich für Erzieherinnen und Erzieher und auch gerade für Grundschullehrinnen und Grundschullehrer, also für jene, die in Schulformen arbeiten, in denen die Distanz vielleicht schwerer einzuhalten ist? Welchen gesundheitlichen Risiken sind sie ausgesetzt, wenn die Abstandsregelungen fallen? Welches Risiko sind zukünftig Kinder für ihre Eltern, wenn sie wieder in die Schule gehen?
Und - auch das hat Herr Försterling angesprochen - was ist eigentlich mit dem 12. Jahrgang, der zumindest bis jetzt wohl den größten Schaden genommen hat, einfach weil er sich auf das Abitur im nächsten Jahr vorbereitet, aber viel Lernzeit und eine ganze Zeit von Lernchancen weggefallen sind?
All diese Fragen müssen wir beantworten. Ich sehe diesen Antrag durchaus als Versuch, Antworten darauf zu finden. Aber ich habe mich gefragt, was Sie mit diesem Antrag eigentlich genau wollen, Herr Försterling.
Sie versuchen, eine Situation zu meistern, die im Prinzip schon lange gemeistert wird. Viele Ihrer Forderungen sind bereits erfüllt. So lassen es die Rahmen-Hygienepläne z. B. durchaus zu, dass jede geeignete Räumlichkeit für eine Kita genutzt wird. Die Kitas versuchen das, was Sie in Ihrem Antrag fordern: eine größtmögliche Verlässlichkeit für die Eltern herzustellen. Aber angesichts begrenzter Raum- und Personalressourcen ist das momentan nicht so einfach.
Dennoch, so finde ich, enthält Ihr Antrag durchaus Bedenkenswertes, beispielsweise die Frage nach Schutzmaterial in Kitas und Grundschulen. Brauchen wir zukünftig Visiere für Lehrkräfte oder auch für Erzieherinnen und Erzieher, damit sie sich schützen können, wenn die Abstandsregelungen fallen? Und wie soll der Arbeitsschutz im Klassenzimmer aussehen? Auch darauf würde ich mir noch konkretere Antworten wünschen.
Es trifft zu, dass wir als CDU-Fraktion uns als Erste für die Einführung einer Sommerschule ausgesprochen haben. Aber entgegen ihrem Antrag und Ihren jetzigen Ausführungen, Herr Försterling, ist es, glaube ich, gut, dass es mit den „LernRäumen“ eine Reaktion des Kultusministeriums auf diese Forderung gibt. Dieses Angebot ist freiwillig und setzt auf freiwilliges Engagement.
Wir haben in der Zeit der Corona-Pandemie ein hohes Maß an freiwilligem Engagement erlebt. Ich möchte ein Projekt nennen: die Corona School. Hier haben Studierende freiwillig über das Internet in verschiedensten Fächern - natürlich in den Fächern, die sie studiert haben - Schülerinnen und Schülern Wissen vermittelt. Ich hoffe, dass wir auch für das Projekt der „LernRäume“ viele Studierende gewinnen können, die sich an ihm beteiligen.
Die Lehrkräfte sind zumeist erschöpft. Als der Stufenplan in Kraft getreten war, begann auch und gerade für die Schulleitungen eine Phase, in der in der Regel doppelt so viel gearbeitet wurde. Deshalb glaube ich, dass unser Weg der richtige ist. Wir können den Schülerinnen und Schülern ein Angebot machen, Lernstoff nachzuholen, und wir setzen sie nicht unter Druck, indem wir die Leistung messen und auch noch irgendeine Form von Zeugnis vergeben.
Dennoch ist es richtig, dass wir nach den Sommerferien auch darüber reden müssen, welche Defizite entstanden sind und wie wir sie möglichst aufholen können.
Ferner sprechen Sie in Ihrem Antrag über die Digitalisierung. Das wundert mich; denn wir als SPD und CDU haben einen sehr umfangreichen Antrag zur Digitalisierung eingebracht. Aber auch Sie, Frau Hamburg, haben die Digitalisierung doch eigentlich erst entdeckt, als unser Antrag dann im Ausschuss war.
- Hätte Frau Heinen-Kljajić in der letzten Legislaturperiode Digitalisierungsprofessuren auf den Weg gebracht, dann hätten wir jetzt schon die Referendare, die Sie gerade eingefordert haben.
Auch insoweit, glaube ich, müssen wir uns jetzt auf den Weg machen. Wir haben dies schon vor Corona getan und einen sehr umfangreichen Antrag hierzu hier im Parlament diskutiert und auch verabschiedet.
Ihr Antrag ist sehr geräteorientiert. Mir haben Sie in einer Debatte einmal vorgeworfen, wir würden unter Digitalisierung nur W-LAN und Tablets verstehen. Das tun wir mitnichten.
Ihre Geräteorientierung ist meiner Meinung nach auch nicht richtig. Wir gehen stattdessen den Weg des Cloudcomputing. Die niedersächsische Bildungscloud wird der Zugang für die Schülerinnen und Schüler, um sich in einer datenschutzkonformen Umgebung bewegen zu können. Hier können private Anbieter wie z. B. IServ durchaus mit aufspringen, um eine wirklich gute Lernumgebung zu bieten.
Der nächste Schritt ist dann das landesweite Schüler-Management. Das ist ein sehr großes Projekt: eine Schüler-ID, die den Schüler von der Grundschule bis zum Schulabschluss begleitet und dafür Sorge trägt, dass man sich in dieser datenschutzkonformen Lernumgebung bewegen kann.