Protokoll der Sitzung vom 02.07.2020

(Christian Meyer [GRÜNE]: Also stimmen Sie zu!)

- Genau aus diesem Grund, Herr Kollege Meyer, werden wir Ihrem Antrag auf sofortige Abstimmung nicht zustimmen. Wir finden, das Thema hat es verdient, im Wirtschaftsausschuss ausführlich erörtert zu werden.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Auf die lange Bank schieben!)

Wir wollen auch den Zehn-Punkte-Plan der Landesregierung dort noch einmal erörtern.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Un- terstützen Sie doch Ihren Arbeitsmi- nister im Bund!)

Wir wollen deutlich machen, was die Landesregierung tut und was die SPD-Fraktion hier im Hause noch zu tun gedenkt, um diesem Werkvertragsunwesen,

(Christian Meyer [GRÜNE]: Weil die CDU nicht mitmacht!)

liebe Kolleginnen und Kollegen - Sie sind vermutlich gleich noch einmal dran -, ein Ende zu setzen. Im Übrigen haben wir deutlich machen können, dass hier auch noch rechtliche Fragen zu klären sind.

Deswegen beantrage ich - anstelle der sofortigen Abstimmung - die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Henning. - Wir kommen jetzt zu dem Beitrag der CDU-Fraktion durch den Kollegen Karl-Heinz Bley. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, es ist bitterer Ernst, welche Machenschaften in der Fleischindustrie zutage getreten sind. Über Jahre hat es dort eine zu starke Zunahme von Werkverträgen gegeben. Ein Missbrauch ist angesichts dessen, was sich dort entwickelt hat, unverkennbar. Viele seriöse fleischverarbeitende Betriebe sind jedoch zu Unrecht ins falsche Licht gerückt worden und werden in Sippenhaft genommen.

Ja, wir müssen handeln, um Regelarbeitsverhältnisse zu bekommen. Eine menschenwürdige Unterbringung muss gewährleistet werden. Ich verweise auf meine Rede in der Fragestunde heute Morgen; das muss ich nicht alles wieder ausführen.

Werkverträge sind ein dickes Brett, das gebohrt werden muss, um zu verfassungskonformen Lösungen zu kommen.

Bei einem Thema stimme ich mit der Ansicht der Grünen nicht überein. Das betrifft die Zeitarbeit und die Arbeitnehmerüberlassung. Dort gibt es feste Arbeitsverträge, die tarifgebunden sind. Die Zeiterfassung und die Mitbestimmung sind geregelt. Das Instrument kann nicht 1 : 1 mit den Werkverträgen über einen Kamm geschoren werden.

Meine Damen und Herren, besserer Arbeitsschutz in der Fleischindustrie! Hierzu haben wir den Zehn-Punkte-Plan von Niedersachsen und NRW. Ich darf Lob und Dank an die beteiligten Minister aussprechen, die daran mitgewirkt haben.

Ich möchte aus diesem Zehn-Punkte-Plan, von dem wir schon viel gehört haben, den Punkt 3 herausgreifen, von dem Frau Staudte gesagt hat, das sei alles kein Problem. Dieser Punkt betrifft die Absichtserklärung, das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch ab dem 1. Januar 2021 nur noch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des eigenen Betriebes für zulässig zu erklären. Ein derartiges gesetzliches Verbot ist rechtlich nicht unproblematisch. Entgegenstehende Grundrechte können insbesondere die in Artikel 12 des Grundgesetzes geschützte Berufsfreiheit oder das in Artikel 3 des Grundgesetzes normierte Gleichbehandlungsgebot sein. Der Missbrauch von Werkverträgen ist nicht nur ein Problem in der Fleischwirtschaft, sondern in geringem Maße auch in anderen Branchen.

In Artikel 2 des Grundgesetzes steht die allgemeine Handlungsfreiheit. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schützt die allgemeine Handlungsfreiheit auch die Vertragsfreiheit. Der Werkvertrag ist eine zulässige Vertragsart nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch.

Sie sehen, das alles ist zu beachten. Wenn es unterschiedliche Meinungen und Diskussionen gibt, ist es eher eine rechtliche Frage, wie wir da zum Ziel kommen.

Meine Damen und Herren, bei allen Veränderungen wird das Produkt Fleisch teurer. Das darf und muss auch so sein. Noch vor 40, 50 Jahren haben unsere Bürgerinnen und Bürger ca. 40 % von ihrem Einkommen für Lebensmittel ausgegeben. Heute werden gerade noch 13 % für Nahrungsmittel ausgegeben. Der Verbraucher muss bereit sein, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Die Einnahmeverluste für Landwirte und Erzeuger dürfen nicht noch größer werden; denn die Einnahmen sind dort dringend erforderlich.

Meine Damen und Herren, ich möchte ein Beispiel aus meiner Heimatgemeinde Garrel nennen. Die Firma Goldschmaus hat vor zwei Jahren verkündet, alle Werkvertragsarbeiter in eine Festanstellung zu übernehmen. Es handelte sich um ca. 800 Leute. Das ist inzwischen umgesetzt worden.

Darüber hinaus hat das Unternehmen sechs große Wohnblöcke über den Ort verteilt gebaut. Der An

spruch auf menschenwürdigen Wohnraum ist mehr als erfüllt.

Meine Bitte ist, dass alle Schlachtereien nach diesem Vorbild von Goldschmaus handeln. Das geht zwar nicht in ein paar Monaten, dürfte aber in wenigen Jahren möglich sein.

Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich unserem Wirtschaftsminister Herrn Dr. Bernd Althusmann Danke sagen. Er will eine Lösung, er wird eine Lösung bekommen, und er wird es schaffen. Er hat aber auch den Zusatz angemerkt: Bei dem Verbot von Werkverträgen ist die verfassungsrechtliche Problematik zu sehen. - Da hat er recht.

Ich begrüße die Kernforderungen des ZehnPunkte-Plans mit den Verbesserungen für die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in den Schlacht- und Zerlegeindustrien.

Den zuständigen Ministerien und uns allen wünsche ich viel Erfolg, dass wir das Ziel erreichen. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss, wie von Herrn Henning beantragt.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Danke vielmals, Kollege Bley. - Langsam auf den Weg begeben darf sich nun der Kollege Jörg Bode für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss, denn der von den Grünen eingereichte Antrag bzw. das Beschlusspaket der Bundesregierung sind aus meiner Sicht nicht ausreichend, um das Problem zu lösen.

Ich habe das bereits vorhin in der Fragestunde erörtert. Auch wir müssen auf sprachlicher Ebene aufpassen, nicht die Begrifflichkeiten von, wie ich sagen möchte, mit krimineller Energie arbeitenden Beratern und Unternehmen zu übernehmen, die auf diesem Gebiet tätig sind.

Der Werkvertrag, der seit über 100 Jahren ein wichtiges Vertragswerk in der Wirtschaft ist, ist nicht das Problem. Das, was es da gibt, ist kein Werkvertrag. Bei einem Werkvertrag schuldet ein Werkvertragsnehmer die Herstellung eines Produktes, eines Werkes. Wenn wir hier den Begriff „Werkvertragsarbeiter“ mit einführen, dann akzep

tieren wir, dass aus dem Werk, das geschaffen wird, nicht mehr das Produkt wird, sondern der Arbeitnehmer auf einmal das Produkt ist.

Die Art und Weise der Umgehung von Arbeitnehmerüberlassung sowie Leih- und Zeitarbeit ist schlicht inakzeptabel. Wir haben vor etlichen Jahren das Regelwerk der Zeitarbeit und Arbeitnehmerüberlassung exakt so geschärft und verändert, dass diese Situationen so nicht vorkommen können. Dann wurde aus einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag - mit damals nicht ausreichendem gesetzlichen Regelwerk - auf einmal ein sogenannter Werkvertrag gemacht und dieser durch weitere Subkonstruktionen etc. noch weiter perfektioniert.

Das bedeutet für mich: Wenn wir den „Werkvertrag“ - aus meiner Sicht sind das alles Scheinwerkverträge - in der Fleischindustrie verbieten, wird ein anderes Vertragskonstrukt gewählt und werden Betriebsteile anders aufgestellt, und dann kommen wir wieder in die gleiche Situation.

Deshalb ist aus unserer Sicht der Schwerpunkt woanders zu sehen. Wir müssen nicht nur die Kontrollmöglichkeiten deutlich verschärfen, sondern wir müssen auch deutlich verschärfen, dass diese Umgehungskonstruktionen nicht toleriert werden können. Bitte schön, ja, ein Bußgeld von

30 000 Euro klingt vielleicht relativ hoch. In Bezug auf den Bereich, über den wir reden, sage ich es einmal so, Herr Kollege Henning: Die Siegprämie bei Schalke 04 ist höher als das neue Bußgeld.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das wird auch nicht ausgezahlt!)

- Auch wenn Schalke 04 nicht oft gewinnt; sie wird selten ausgezahlt.

Dass das jemanden, der in einem Konglomerat wie dem Unternehmen Tönnies tätig ist, von irgendetwas abschrecken würde, ist schlicht und ergreifend illusorisch.

Wir können aus meiner Sicht nicht akzeptieren, dass die dort gewählten Umgehungskonstruktionen von uns auch noch als Betriebsausgaben anerkannt werden und die Steuerzahllast reduzieren. Nach meiner Vorstellung müssen die Finanzämter das auch rückwirkend zurückverlangen können.

Das würde denjenigen, der vielleicht überlegt, solch ein Konstrukt anzuwenden, abschrecken, weil dann tatsächlich einmal eine schmerzhafte Strafe käme. Ich glaube, ganz ehrlich, dass bei einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt noch

viel mehr Indizien als bisher gefunden werden könnten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mir auch nicht vorstellen können, dass beispielsweise unsere Staatsanwaltschaften solch ein großes Problem damit haben, diese Umgehungstatbestände von Leiharbeits- und Zeitarbeitsregelungen durch solche angeblichen Werkverträge so aufzuklären und anzuklagen, dass man dieses Missbrauchs tatsächlich Herr werden könnte. Das heißt, wir müssen unser Regelwerk anpassen und verschärfen, damit wir dort weiterkommen.

Wir müssen auch dafür sorgen, dass Unternehmen, die derartige Konstruktionen wählen, nicht auch noch gesellschaftliche Achtung und Anerkennung genießen. Alle diejenigen, die so die Menschen aus Osteuropa ausbeuten, sind keine ehrbaren Kaufmänner. Sie haben auch kein gesellschaftliches Renommee und keine gesellschaftliche Anerkennung verdient.

Das sollte für alle, die in dieser Branche die schwarzen Schafe sind - und das sind viel zu viele - eine letzte Mahnung sein, umzukehren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die AfDFraktion spricht nun der Abgeordnete Stefan Henze.