Frank Henning
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag zur Aktuellen Stunde „100 Jahre Betriebsräte - mitbestimmte Unternehmen gehen stabiler und erfolgreicher durch die Krise!“ wollen wir ein deutliches Zeichen für die Wichtigkeit eines fairen und partnerschaftlichen Umgangs der Sozialpartner miteinander setzen.
Gerade in der Corona-Pandemie zeigt sich deutlich, dass Unternehmen, bei denen der Arbeitnehmerschutz eine große Rolle spielt, besser durch die Krise kommen und bei ihnen Arbeitsplätze erhalten bleiben. Mitbestimmte Unternehmen sind innovativer. Sie sind wirtschaftlich erfolgreicher. Sie sind familienfreundlicher. Letztlich wird dort auch besser bezahlt, um es einmal ganz deutlich zu sagen.
Die betriebliche Mitbestimmung ist aus SPD-Sicht ein Ausdruck demokratischer Teilhabe der Beschäftigten und wesentlicher Baustein für das, was wir Sozialdemokraten unter guter Arbeit verstehen. Die Mitbestimmung schafft gute Arbeitsbedingungen in den Unternehmen, ist ein Faktor des wirtschaftlichen Erfolgs und trägt zu unser aller Wohlstand bei, vor allen Dingen hier in Niedersachsen, was man bei am Beispiel des VW-Konzerns sehr gut sehen kann.
An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, gratuliere ich übrigens dem Betriebsrat von VW, der Ende November vor 75 Jahren gegründet wurde und VW zum größten Automobilkonzern der Welt gemacht hat, mit guten Arbeitsbedingungen, Tariflöhnen und starker Mitbestimmung. Herzlichen Glückwunsch übrigens auch an die IG Metall an dieser Stelle!
SPD und CDU haben sich in ihrer Koalitionsvereinbarung zu Tarifbindung und Tarifautonomie bekannt. Die SPD-geführte Landesregierung hat das klare Ziel, die Mitbestimmung der Betriebsräte zu stärken und die Beschäftigten am Unternehmenserfolg zu beteiligen.
Mitbestimmung erleichtert auch die notwendigen Corona-Anpassungen. In der Stahlindustrie beispielsweise ist es gelungen, die berufliche Ausbildung rasch an die Einschränkungen in der CoronaKrise anzupassen. Das liegt u. a. auch an der Mitbestimmungskultur, die in dieser Branche besonders stark ausgeprägt ist. Einer Beschäftigtenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung im Bereich der
Stahlindustrie zufolge haben die Stahlbetriebe dank der traditionell starken Mitbestimmung flexible Lösungen gerade für die Ausbildung in CoronaZeiten ermöglicht.
Ein anderes Beispiel: Die Firma Sanofi mit Sitz in Frankfurt am Main forscht mittlerweile mit großem Erfolg an einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Für die 8 000 Mitarbeiter von Sanofi gilt der Flächentarifvertrag. Es gibt einen Betriebsrat, Mitbestimmung und gewerkschaftliche Vertrauensleute im Betrieb. Wie es sich gehört, ist der Organisationsgrad der Mitarbeiter bei der IG BCE außerordentlich hoch. Das Unternehmen ist nicht nur mitbestimmt, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich, wie der Impfstoff, der dort entwickelt wird, zeigt.
All das zeigt noch einmal: Mitbestimmte Unternehmen sind innovativer und erfolgreicher als Unternehmer, die beispielsweise in der Art des Manchester-Kapitalismus geführt werden.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Mitbestimmung muss aber - das haben wir bei der gestrigen Unterrichtung durch unseren Finanzminister Hilbers über die erfolgreiche Einigung bei der Messe AG wieder gesehen - trotz aller gesetzlichen Regelungen täglich aufs Neue erkämpft und gesichert werden. Andererseits zeigt das Beispiel der Messe AG auch, dass Mitbestimmungsrechte gewahrt werden, wenn sich die Landesregierung erfolgreich einsetzt. Aber Mitbestimmungsrechte und Arbeitnehmerrechte müssen auch in diesen Verhandlungen verteidigt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ergebnis für viele Arbeitnehmer bei der Messe AG sind Kürzungen der übertariflichen Zulagen, Kürzungen des Urlaubs- und des Weihnachtsgeldes sowie die Einführung der Kurzarbeit - insgesamt natürlich alles belastende Maßnahmen -, und letzten Endes wird auch Personal abgebaut, allerdings aus unserer Sicht sozialverträglich - durch Altersteilzeit und durch normale Fluktuation -, sodass ich an dieser Stelle den Verhandlungsführern des Landes Niedersachsen, insbesondere unserem Ministerpräsidenten Stephan Weil, für dieses Engagement bei der Messe AG ausdrücklich danken möchte.
Sie haben am Ende auch die Mitbestimmung gerettet. Denn dadurch, dass die Mitarbeiterzahl noch weit über 500 bleibt, sind natürlich auch die Mitbestimmungsregeln nach wie vor in Kraft und bleiben auch in Zukunft erhalten. Dafür möchte ich mich
bei der Landesregierung ausdrücklich bedanken, meine Damen und Herren.
Für die SPD-Fraktion darf ich noch einmal festhalten: Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben - zumindest zunächst nicht. Wir müssen gucken, wie sich die Entwicklung dort weiter einstellt. Aber es war unser Ziel, dass dort keine betriebsbedingten Kündigungen erfolgen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie geht es weiter mit der Mitbestimmung und der guten Arbeit? - Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch an unseren Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dafür, dass er mit dem neuen Arbeitsschutzkontrollgesetz durchgesetzt hat, dass Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie endlich verboten werden, meine Damen und Herren.
Ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der CoronaPandemie und natürlich auch für das Thema „Gute Arbeit in Niedersachsen“!
Die Regierungsfraktionen SPD und CDU haben einen Entschließungsantrag in den Wirtschaftsausschuss eingebracht, der zum Ziel hat, das 100 Jahre alte Betriebsverfassungsgesetz an die Erfordernisse der neuen Zeit und an die Digitalisierung anzupassen. Wir wollen das Betriebsverfassungsgesetz weiterentwickeln. Wir wollen, dass die Transformation durch Globalisierung, Digitalisierung und die Energiewende eine Modernisierung der Mitbestimmung zur Folge hat.
Wir machen in diesem Entschließungsantrag konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Mitbestimmung
und die Betriebsräte sollen gestärkt werden. Weitere Rechte bei der Einführung Künstlicher Intelligenz und beim Datenschutz sollen die Folge sein.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.
Zusätzlich sollen der Arbeitnehmer- und Betriebsbegriff erweitert werden und auf neue Formen der globalen, digitalen Arbeit wie Clickwork erweitert werden, und ein Recht auf Nichterreichbarkeit der Arbeitnehmer soll eingeführt werden.
Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist abgelaufen. Ich respektiere selbstverständlich den Hinweis meiner Präsidentin. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Ich glaube, ich konnte deutlich machen, dass das Thema Mitbestimmung der SPD am Herzen liegt.
Herr Bode, vielen Dank, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen.
Bevor ich zu meiner Frage komme, stelle ich zunächst einmal fest, dass Sie die Geschichte des Antrages, den ich auch angesprochen habe, korrekt dargestellt haben - bis auf einen Punkt, aber da waren Sie leider auch nicht anwesend.
Wir haben im Wirtschaftsausschuss eine umfassende Diskussion und Unterrichtung durch das Wirtschaftsministerium gehabt. Dort haben wir die Vor- und Nachteile der betrieblichen Mitbestimmung auf Landes- und auf Bundesebene erörtert. Aber wie gesagt: An diesem Tag waren Sie, wie wir dem Protokoll entnehmen können, leider nicht im Ausschuss.
Ich wollte Sie eigentlich nur fragen, ob Sie sich an diese Unterrichtung erinnern können oder ob Sie an diesem Tag anderweitige Verpflichtungen hatten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zu dieser Kurzintervention gemeldet, um eines klarzustellen:
Der Kollege Schulz-Hendel hat den Wirtschaftsminister aufgefordert, den Lückenschluss der A 33
Nord, die durch meinen Wahlkreis führt, nicht weiterzuverfolgen,
und ihn im Gegenteil aufgefordert, den Bund nicht bei den weiteren Planungen zu unterstützen.
Lieber Kollege Schulz-Hendel, ich widerspreche Ihnen ausdrücklich. Ich fordere den Landeswirtschaftsminister, unseren Kollegen Althusmann, ausdrücklich auf, an seinem bisherigen Kurs festzuhalten. Wir haben dazu schon häufiger im Gespräch gestanden. Die A 33 Nord muss kommen.
Lieber Herr Kollege Schulz-Hendel, es geht nur noch um ein Teilstück der A 33 Nord von etwa 6 bis 7 km Länge. Das ist ein Lückenschluss, und dieser Lückenschluss würde dazu führen, dass wir deutlich weniger Radverkehrstote in der Kernstadt hätten.
Wir haben in der Osnabrücker Kernstadt die Situation, dass die vielbefahrene Bundesstraße B 68 mitten durch Wohngebiete der Stadt führt und sich dort insbesondere relativ viele Radverkehrsunfälle ereignen.
Wir könnten diese B 68 aus dem Stadtgebiet herausführen, wenn wir die A 33 als Lückenschluss bauen würden, um dann den Lkw-Schwerlastverkehr aus der Innenstadt herauszuholen und diese Radverkehrstoten zu vermeiden.
Ich glaube, dass Sie mit Ihrer Haltung einen großen Fehler begehen. Wir sind ausdrücklich der Auffassung, und es gibt einen klaren Ratsbeschluss aller maßgeblichen Fraktionen in Osnabrück dazu, dass dieser Lückenschluss kommen muss.
Herr Althusmann, machen Sie weiter so!
Vielen Dank.
Ich brauche kein Wasser. Frau Präsidentin!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe einmal nachgerechnet: Gestern haben wir ungefähr sieben Stunden Haushaltsberatung gehabt. Heute habe ich, glaube ich, nach fünf Stunden aufgehört zu zählen. Wir gehen in die sechste Stunde. Über zwei Tage verteilt also über zwölf oder 13 Stunden Haushaltsberatung. Ich habe wie im letzten Jahr - das finde ich eigentlich ganz schön - die Ehre, vermutlich als letzter Redner vor dem Finanzminister heute zum Kapitel Finanzen und Hochbau mit Ihnen diskutieren zu dürfen.
Ich habe das, wie gesagt, bereits im letzten Jahr, im Dezember 2019, getan. Bei der Vorbereitung habe ich mich gefragt: Was hat sich eigentlich seit Dezember 2019 alles geändert? Ich konnte Ihnen im letzten Jahr im Rahmen meiner Haushaltsrede verkünden, dass die Regierungsfraktionen von SPD und CDU natürlich ihre Hausaufgaben gemacht haben - wie auch in diesem Jahr. Die Nettokreditaufnahme: 0 Euro. Die Kreditfinanzierungsquote: 0 %. Und die Zinsausgabenquote: seinerzeit mit 3,4 % exorbitant niedrig.
Nur drei Monate später kam Corona. Nach dieser finanzpolitischen Positionsbestimmung konnten wir
feststellen: Corona verändert die Welt. Was ich im letzten Jahr gesagt habe, ist mittlerweile wieder Makulatur. Seither reden wir nicht mehr über Nettokreditaufnahmen von null, sondern versuchen, Strukturen und Unternehmen in diesem Land zu erhalten, Menschenschicksale und Unternehmen zu retten, und wir haben vor allen Dingen das größte kreditfinanzierte Sondervermögen - zur Bekämpfung der Corona-Krise - aufgelegt, das dieses Land jemals gesehen hat.
Ich glaube, dass das gut angelegtes Geld ist, denn die Unternehmen, die Corona-bedingt in die Krise gelangt sind, müssen unterstützt und vor Insolvenzen geschützt werden. Den Menschen in diesem Land muss geholfen werden. Wir wollen - aus unserer sozialdemokratischen Perspektive ganz
wichtig - Strukturen eben nicht zerstören, sondern bewahren.
Ich finde, jetzt - kurz vor der morgigen Schlussabstimmung - ist es an dieser Stelle auch einfach mal Zeit, Danke zu sagen. Ich bedanke mich stellvertretend für die Menschen draußen im Land bei unserem Ministerpräsidenten, bei unserem Finanzminister, beim Wirtschaftsminister, bei unserer Gesundheitsministerin und natürlich bei der gesamten Landesregierung für diese finanziellen Hilfen und zahlreichen Förderrichtlinien, über die man im Detail ja immer gerne streiten kann - das tue ich auch -, die aber im Kern dazu dienen, Menschen zu helfen und Existenzen zu retten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen in der Landesregierung, Sie haben einen guten Job gemacht, wurden trotzdem häufig für Corona-Verordnungen kritisiert, die die Menschen in ihren Rechten einschränken, ihnen aber eben auch gleichzeitig Gesundheitsschutz bieten und finanzielle Absicherung im Einzelfall. Ich erinnere auch noch einmal an die Bundesregierung und möchte mich auch bei dieser bedanken. 75 % des Bruttovorjahresumsatzes als sogenannte Novemberhilfe finde ich schon sehr gut angelegtes Geld für die Gastronomie und Hotellerie. Ich glaube, wir wissen alle, dass das eine sehr großzügige Hilfe ist.
Mir ist es wichtig, heute noch einmal den Dank herauszustellen, denn wir Finanzpolitiker reden in der Regel nur über nackte Zahlen und weniger über die menschlichen Schicksale, die hinter diesen Zahlen und hinter dieser Corona-Pandemie eigentlich stecken. Vor diesem Hintergrund stelle
ich heute fest, dass trotz dieser Krise die Regierungsfraktionen von SPD und CDU noch eine verlässliche und solide Finanzpolitik im Interesse der Menschen machen, und zwar mit Augenmaß. Mit Augenmaß aus der Krise, zurück zu einem ausgeglichenen Haushalt! Herr Finanzminister, so haben Sie es in der mittelfristigen Finanzplanung beschrieben.
Mit unseren haushaltspolitischen Beschlüssen unterstreichen wir die Notwendigkeit von wirtschaftlichem Wachstum, Stabilität und einer daran ausgerichteten und austarierten Finanzpolitik. Der Haushalt beträgt dieses Jahr in Summe 36 Milliarden Euro. Die Investitionsquote war mit 6,4 % so hoch wie nie. Das zeigt: Wir investieren gegen die Krise, und wir sichern auch das, was Herr Wenzel vorhin angesprochen hat: Wir sichern unser öffentliches Eigentum durch eine sehr hohe Investitionsquote ab.
Der Einzelplan 04, über den ich eigentlich heute reden soll, hat ungefähr Einnahmen von 300 Millionen Euro, die sich im Wesentlichen aus Erstattungen des Bundes für Baunebenkosten zusammensetzen. Wichtiger ist aber an der Stelle das Ausgabevolumen: im Wesentlichen gut 1 Milliarde Euro für die Steuerverwaltung, im Wesentlichen, zu 74 %, auch Personalkosten.
Und da der Einzelplan 04 ja bekanntlich das Ressort des Finanzministers abbildet und somit den Kernbereich unserer Finanzpolitiker hier im Hause, möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass wir Finanzpolitiker natürlich auch in diesem Jahr mit gutem Beispiel bei den Beratungen über die politische Liste vorangegangen sind und eigentlich nur eine einzige zusätzliche Geldausgabeposition vorgeschlagen haben, nämlich die bereits erwähnten 500 000 Euro für die Laptops der Finanzverwaltung. Ich finde, auch das ist gut angelegtes Geld. Das haben wir richtig gemacht.
- Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, darin liegt auch ein Teil des Problems. Wir Finanzpolitiker neigen eben doch zur Sparsamkeit, und das kann manchmal das Problem werden, weil die Steuerverwaltungen als tragende Säule der Einnahmeverwaltung des Landes Niedersachsen zurzeit eben leider nicht so im Fokus stehen wie beispielsweise die Lehrer und die Polizeibeamten. Weitere Polizei- und Lehrerstellen bringen viel Applaus in der Bevölkerung. Und wer wollte sich schon in diesem Hohen Haus
gegen Investitionen in die Bildung unserer Kinder aussprechen oder gegen Maßnahmen der inneren Sicherheit?
Aber, meine Damen und Herren, mehr Finanzbeamte, mehr Steuerprüfer, mehr Betriebsprüfer: Seien wir doch mal ehrlich, Herr Bode. Beliebt ist diese Forderung bei Ihnen sowieso nicht,
bei der Masse der Bevölkerung auch nicht, denn wer zahlt schon gerne Steuern?
Schon gar nicht die FDP!
Dabei wird im Übrigen übersehen, Herr Bode, dass mehr Betriebsprüfer und mehr Finanzbeamte natürlich auch für ein Mehr an Steuergerechtigkeit und für eine gleichmäßige Erhebung der Steuern in diesem Land sorgen und damit auch einen Wirtschaftsfaktor darstellen. So entgehen dem Staat nämlich nach seriösen Schätzungen durch Steuerhinterziehungen jedes Jahr Einnahmen in Milliardenhöhe.
Um diese Zielsetzungen zu erreichen, um also diese Steuereinnahmen zu generieren, die uns rechtmäßig zustehen, müssen wir nicht mal ein Gesetz ändern. Wir müssen einfach die Steuerverwaltung so ausrichten, dass sie ihrer Rolle als tragende Einnahmeverwaltung des Landes eben gerecht werden kann. Das heißt, wir brauchen eine bedarfsgerechte Personalausstattung.
Da komme ich auf unseren Haushalt 04, in den der Finanzminister völlig zu Recht die Mittel für 500 Nachwuchskräfte einstellen will, nämlich 200 Finanzanwärter und 298 Steueranwärter, dazu 165 befristete Einstellungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der anstehenden Grundsteuerreform. Auch das sind wichtige finanzpolitische Akzentsetzungen, die natürlich der demographischen Entwicklung, die ja nun leider auch vor der Finanzverwaltung keinen Halt macht, entgegenwirkt. Es wird nämlich ungefähr ein Drittel der Steuerbeamten in den nächsten Jahren ausscheiden, sodass wir mit diesen 500 Nachwuchskräften natürlich auch sinnvoll gegensteuern.
Ich stelle fest: Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und CDU investieren ins Personal und in die Ausbildung der Steuerverwaltung und natürlich auch in die Digitalisierung. Es ist bereits von meinen Vorrednern erwähnt worden. Die Digitalisierung der Steuerverwaltung wird auch entscheidend vorangebracht.
Meine Damen und Herren, auch heute möchte ich einer Tradition gerecht werden. Ich habe das bereits im letzten Jahr erwähnt. Ich habe noch zwei Minuten Redezeit. Die schenke ich Ihnen an dieser Stelle angesichts der Tagesordnung und angesichts der Uhrzeit. Zwei Minuten Lebenszeit für Sie!
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein schönes Weihnachtsfest. Wir sehen uns wahrscheinlich morgen noch zur Schlussabstimmung. Aber ansonsten: Frohe Weihnachten, und bleiben Sie gesund!
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wann kommen Hilfen für Kultur- und Veranstaltungsbranche?“ - so ungefähr lautet sinngemäß das Motto der heutigen Aktuellen Stunde. Aus meiner Sicht ist die beste Hilfe gerade keine staatliche Subvention, keine verlorenen Zuschüsse, keine Umsatzbeihilfen oder Kredite des Staates, sondern aus meiner Sicht ist die beste Hilfe immer eine vorsichtige Öffnung unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens,
eine vorsichtige Öffnung der erlassenen Schutzvorschriften durch die Corona-Verordnungen des Bundes und des Landes.
Die Unternehmen der Veranstaltungsbranche, aber auch die Kulturschaffenden wollen nämlich in erster Linie keine Staatsknete. Sie wollen selbst Geld verdienen und Umsätze erzielen.
- Liebe Kollegin, hören Sie doch einfach mal zu! Regen Sie sich doch nicht so auf!
In dem Maße, in dem der Staat durch CoronaVerordnungen Schutzvorschriften erlässt, umso mehr ist er natürlich auch in der Pflicht, durch staatliche Zuwendungen - wie beispielsweise verlorene Zuschüsse oder Kredite - diesen Unternehmen zu helfen. Aber, meine Damen und Herren, bitte zunächst die Reihenfolge beachten! Erst prüfen, inwieweit man unter Beachtung des Infektionsgeschehens weitere Lockerungen verantworten kann, damit die Unternehmen und Kulturschaffenden tatsächlich Geld verdienen können. Erst dann, wenn durch Corona-Schutzverordnungen Berufsausübungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, ist der Staat aus meiner Sicht in der Pflicht, mit Steuergeldern unterstützend einzugreifen.
Genau diese Strategie verfolgt die Landesregierung, meine Damen und Herren. Die Landesregierung beobachtet einerseits das Infektionsgeschehen und erlässt Corona-Schutzvorschriften zum Wohle und Schutz der Bevölkerung, aber vor allen Dingen auch, um einen erneuten Lockdown für die Wirtschaft zu vermeiden. Andererseits hilft die Landesregierung immer dann, wenn Umsatzverluste auszugleichen sind, die durch Corona-Verordnungen zwangsläufig entstehen.
Die Unternehmen der Veranstaltungsbranche - darauf ist hingewiesen worden - sind in einer Vielzahl von der Krise beeinträchtigt: Messe-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter, Schaustellerbetriebe, aber auch Landgasthöfe im ländlichen Raum.
Aber bitte!
Lieber Kollege Schulz-Hendel, meines Wissens ist der Minister sehr fleißig im Gespräch mit der Veranstaltungswirtschaft. Im Übrigen sorgt er dafür, dass Veranstaltungen ermöglicht werden. Ich hätte gleich darauf hingewiesen - insofern nehmen Sie durch Ihre Frage meinen Redebeitrag vorweg -, dass diese Landesregierung mit ihren CoronaVerordnungen Veranstaltungen unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens ermöglicht. Beispielsweise sind Messen möglich, wenn ein genehmigtes Hygienekonzept vorliegt. Es gibt den von Herrn Hillmer bereits erwähnten Stoppelmarkt in Vechta, es gibt das Herbstvergnügen hier in Hannover auf dem Schützenplatz. Es gibt übrigens auch in Osnabrück gerade einen Jahrmarkt.
Ich finde, dass diese Landesregierung mit Augenmaß, mit Maß und Mitte, daran geht, Veranstaltungen wieder zu ermöglichen. Ob der Minister jetzt im Einzelfall mit dem einen oder anderen gesprochen hat, entzieht sich meiner Kenntnis; da müssen Sie ihn selbst fragen. Ich habe nur Kenntnis davon, dass er durchaus regelmäßig Gespräche mit den Messe- und Veranstaltungsbetreibern führt.
- Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal auf die Schaustellerbetriebe, die ja auch ein Teil der Veranstaltungsbranche sind, eingehen.
Die Schausteller haben eigentlich zuletzt im Dezember des letzten Jahres richtig Geld verdient. Es geht da wirklich ums Eingemachte. Wir haben Schaustellerbetriebe in diesem Land, die jahrhundertealt sind und in der fünften oder sechsten Generation betrieben werden. Das Volksfest ist Kulturgut - zumindest ist beantragt, es unter das UNESCO-Weltkulturerbe fallen zu lassen. Da gilt es jetzt, zu handeln. Ich finde, dass die Landesregierung mit ihren vorsichtigen Corona-Verordnungen, die einerseits den Infektionsschutz gewährleisten, andererseits aber auch Veranstaltungen zulassen, auf dem richtigen Weg ist.
Ich möchte zudem darauf verweisen, dass wir auch nicht untätig waren, was die Hilfen, die Sie gerade angesprochen haben, liebe Kollegin, betrifft. Diese Hilfen in Höhe von 10 Milliarden Euro aus dem Landeshaushalt haben wir beschlossen. Wir haben im Nachtragshaushalt im CoronaSondervermögen 10 Milliarden Euro aus Landesmitteln bereitgestellt. Der Bund hat ein Konjunkturpaket über 130 Milliarden Euro erlassen. Das sind doch kraftvolle Signale, die zeigen, dass die Landes- und auch die Bundesregierung verstanden haben, worum es hier geht.
Der Bund hilft kleineren und mittleren Unternehmen in der Corona-Krise mit Fixkostenzuschüssen in einer Größenordnung von 25 Milliarden Euro, die hier in Niedersachsen über die NBank ausgezahlt werden. Allerdings bin ich auch hier der Auffassung - das hat das MW ja längst erkannt -, dass die Fördervoraussetzungen beim Bund zu streng sind. Bedeutende Kostenfaktoren wie Abschreibungen oder Kredittilgungen werden eben nicht berücksichtigt. Ebenso werden Kosten für den Lebensunterhalt von Künstlern nicht berücksichtigt. Da wird auf die Grundsicherung verwiesen. Das ist allerdings Angelegenheit des Bundes, und es kann nicht sein, dass das Land den Bund an dieser Stelle, was die Grundsicherung angeht, entlastet.
Ich würde jetzt gern zu Ende ausführen, damit ich mit meiner Botschaft zu einem Ende komme.
Frau Viehoff, das können wir vielleicht hinterher im Anschluss klären.
Die Landesregierung versucht, dort, wo es möglich und sinnvoll erscheint, die Lücken in der Förderung des Bundes auszugleichen. Es kann nicht sein, dass wir den Bundeshaushalt entlasten. Aber dort, wo es sinnvoll ist, gehen wir mit Landesgeld rein, um den Künstlern und der Veranstaltungsbranche zu helfen.
So hat die Landesregierung erst am vergangenen Freitag im Wirtschaftsausschuss deutlich gemacht, dass das MW zurzeit intensiv an einer Förderrichtlinie dazu arbeitet, wie man den Notfallhilfefonds des Landes, der immerhin mit 100 Millionen Euro ausgestattet ist, zugunsten der Veranstaltungswirtschaft gestalten kann. Hier stehen, wie gesagt, 100 Millionen Euro zur Verfügung. Beispielsweise wird geprüft, ob es möglich ist, einen anteiligen Ersatz von Umsatzausfällen oder Tilgungen von Krediten im Bereich der Veranstaltungswirtschaft und der Schausteller, die ja sehr kapitalintensive Betriebe haben, aus diesem Notfallhilfefonds zu finanzieren. Wir warten alle gespannt auf die Förderrichtlinie. Sie ist uns noch letzten Freitag im Wirtschaftsausschuss zugesagt worden.
Außerdem verweise ich auf die 120 Millionen Euro Sondervermögen im Bereich Tourismus, Gastronomie und Veranstaltungswirtschaft. Auch insofern hat das MW am Freitag im Ausschuss, wie ich finde, sehr überzeugend dargestellt, dass die Förderrichtlinien kurz vor der Verabschiedung stehen. Wir sind gespannt, wie diese weiteren 120 Millionen Euro - in Summe sind es dann 220 Millionen Euro aus Landesmitteln - aus dem Sondervermögen verausgabt werden.
- Ich komme zum Schluss.
Zusammengefasst: Man erkennt, die Landesregierung hat das Problem erkannt. Sie legt die Hände nicht in den Schoß, sondern versucht, in den engen Grenzen des Landeshaushaltes - wir können hier nicht den Bundeshaushalt ausgleichen - dazu beizutragen, dass die schlimmsten Härten für Künstler und die Veranstaltungsbranche ausgeglichen werden.
Vielen Dank.
Vielen Dank, lieber Kollege Bode, für das Zulassen der Zwischenfrage.
Sie haben eben ausgeführt, die milliardenschweren Programme des Bundes und auch des Landes - in meiner Rede sprach ich von den 130 Milliarden Euro des Bundes und den 10 Milliarden Euro des Landes - reichten bei Weitem nicht aus, um das zu tun, was eigentlich nötig wäre, um die Umsatzverluste usw. auszugleichen. Da bin ich in der Tat bei Ihnen.
Da wir im Wirtschaftsausschuss immer sehr fair miteinander umgehen, muss ich mal fragen: Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass das Konzept der Landesregierung, auf der einen Seite milliardenschwere Hilfen bereitzustellen und auf der anderen Seite Maß und Mitte walten zu lassen und durch Corona-Schutzmaßnahmen auch Veranstaltungen zu ermöglichen - unter Berücksichtigung der AHA-Regeln, unter Berücksichtigung von Hygieneschutzkonzepten -, genau den richtigen Weg darstellt, um den Unternehmen Umsätze zu ermöglichen? Genau das tut doch die Landesregierung! Das müsste doch in Ihrem Sinne sein.
Ist das so?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das COVID-19-Sondervermögen, das wir heute mit dem Zweiten Nachtragshaushalt beschließen, umfasst insgesamt 7 Milliarden Euro. Davon entfallen annähernd 2 Milliarden Euro auf die Säule Wirtschaft. Sie bilden aus meiner Sicht die tragen
de Säule, um die Wirtschaft hier in diesem Lande vernünftig durch die Krise zu bringen.
Herr Dr. Birkner, ich habe Ihrer Rede zum wirtschaftspolitischen Teil außerordentlich aufmerksam zugehört. Sie haben der Landesregierung vorgeworfen, dieser Nachtragshaushalt lasse einen wirtschaftspolitischen Gestaltungswillen der Landesregierung nicht erkennen. Ich kann nur sagen: Ihre Rede glich für mich eher einem wirtschaftspolitischen Amoklauf, Herr Dr. Birkner.
Ich glaube, dass Sie selbst nicht wissen, was Sie wollen. Auf der einen Seite haben Sie uns in Ihrer Rede vorgeworfen, wir würden nur Geld ausgeben. Auf der anderen Seite haben Sie vor drohenden Insolvenzen gewarnt.
Genau darum geht es, meine Damen und Herren: Es geht bei der Säule Wirtschaft um die nackte Existenz von zahlreichen Unternehmen und Wirtschaftsbetrieben in diesem Land. Deswegen ist das sehr gut angelegtes Geld.
Ich halte es da lieber mit Bruno Kreisky. Bruno Kreisky hat mal gesagt - ich zitiere -: „Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als 100 000 Arbeitslose.“ Recht hatte der liebe Bruno Kreisky, meine Damen und Herren.
Genau darum geht es nämlich wirtschaftspolitisch: um die nackte Existenz der Unternehmen, die schlicht und einfach Angst haben, demnächst nicht mehr auf dem Markt zu existieren.
Die Landesregierung verfolgt hier mit dem Nachtragshaushalt eine klare Doppelstrategie.
Wir verfolgen zum einen - je nachdem, ob das Pandemiegeschehen das zulässt - eine Lockerungsstrategie. Mithilfe dieser Lockerungsstrategie versuchen wir, den Unternehmen zusätzliche Umsätze zu ermöglichen und zu generieren. Es ist immer noch besser, dass die Unternehmen Umsätze machen, als durch staatliche Transferleistungen die Insolvenz zu vermeiden. - Das ist der eine Teil des Doppelhaushalts und der eine Teil der Strategie, nämlich für Umsätze und für eine Belebung der Wirtschaft zu sorgen.
Zum anderen werden wir aber auch da, wo es Betriebe gibt, die in wirtschaftliche Notlage geraten, durch Investitionsanreize und durch Liquiditätsbeihilfen entsprechend tätig.
Ich verweise mal auf das Sonderprogramm für Tourismus und Gastronomie - auch Schaustellerbetriebe gehören dazu - mit 120 Millionen Euro. Hier sollen Investitionsanreize und Liquiditätshilfen gegeben werden. Die Schausteller - heute Nachmittag sind übrigens auch Schausteller aus dem Bereich Weser-Ems hier im Landtag zu Gast - haben seit Dezember letzten Jahres keinerlei Einnahmen mehr erzielt. Ihre wirtschaftliche Lage ist schlicht existenzbedrohend.
Damit ist übrigens auch das Kulturerbe Volksfest in seiner Existenz bedroht. Wie Sie wissen, wird seit Jahren versucht, das Volksfest als UNESCO-Weltkulturerbe zu verankern. Wenn wir so weitermachen und die Schausteller im Regen stehen lassen, wird es dieses Volksfest nicht mehr geben und kommt es damit zu einem kulturellen Einbruch in diesem Land.
Genauso geht es um die Landgastronomie und um die Tourismusbetriebe sowie den Bereich der Gastronomie insgesamt. Hierfür sind die 120 Millionen Euro vorgesehen. Der DEHOGA hat uns gegenüber erklärt, dass 80 % der Landgasthöfe in ihrer Existenz bedroht sind und kurz vor der Pleite stehen. Gerade in den ländlichen Regionen - da, wo es eben nicht um das À-la-Carte-Geschäft geht, sondern vielfach noch Feiern, Konfirmationen und Hochzeiten notwendig sind, um den Saalbetrieb auszulasten - gestaltet sich die wirtschaftliche Situation äußerst schwierig. Gleiches gilt für die Schausteller.
Wir sind der Auffassung, dass neben den 120 Millionen Euro Investitions- und Liquiditätsbeihilfen, die hier im COVID-19-Sonderprogramm manifestiert und festgeschrieben sind, auch der stark kritisierte Notfallfonds von 100 Millionen Euro in Anbetracht der prekären Situation in diesem Bereich natürlich zur Abwehr unzähliger Insolvenzen herangezogen werden muss.
Ich kann den Änderungsantrag der Grünen an dieser Stelle in keinster Weise nachvollziehen. Ich habe ja gesehen, dass Sie diesen 100-MillionenEuro-Fonds streichen wollen. Das trifft genau die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das trifft die Schausteller, die Hotellerie und die Gastronomie. Wir werden das auf keinen Fall mitmachen.
Dieser Notfallfonds dient auch der Kofinanzierung der Bundesmittel. Der Bund gibt weitere Liquiditätsbeihilfen in der Größenordnung von 9 000 und 15 000 Euro bis maximal 150 000 Euro. Was glauben Sie, meine Damen und Herren, wie lange dieser Topf reichen wird?
Deswegen ist es richtig, dass wir noch einen weiteren Notfallfonds auflegen, um diese Unternehmen zu stützen.
Ich verweise auf die Liquiditätsbeihilfen für den ÖPNV. Das ist eine weitere wichtige Säule. 190 Millionen Euro dienen der Kofinanzierung des Rettungsschirms für den ÖPNV-Bereich, den der Bund zur Verfügung stellt. Der Bund stellt nach Textziffer 21 der Koalitionsvereinbarung insgesamt 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir geben 190 Millionen Euro dazu, um die geringeren Fahrgeldeinnahmen der ÖPNV-Unternehmen auszugleichen und den ÖPNV, der gerade im ländlichen Raum auch durch viele private Busunternehmen aufrechterhalten wird, weiterhin am Leben zu erhalten.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Um die Abwärtsspirale aufzuhalten und wirtschaftliche Strukturen hier in diesem Land zu erhalten, investieren wir und sparen nicht gegen die Krise an. Wir glauben, dass wir mit diesen 7 Milliarden Euro gut angelegtes Geld zur Verfügung stellen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Umsatzeinbrüchen begegnen - stationären Einzelhandel in Niedersachsen stärken“. Ja, es stimmt, da sind wir uns einig: Der innerstädtische Einzelhandel steht vor großen Problemen, und das nicht erst seit Corona, sondern schon lange Zeit davor. Onlinehandel macht stationärem Einzelhandel schwer zu schaffen. Man sieht es täglich auf der A 2. Die rechte Spur ist zum Warenlager verkommen. Jüngstes Beispiel: Galeria KaufhofFilialen in Hannover, Braunschweig und Osnabrück sollen geschlossen werden. 300 Arbeitsplätze sind allein in diesen Großstädten in Gefahr. Bundesweit sind 6 000 Arbeitsplätze betroffen. Dazu kommt zusätzlich Corona: Umsatzeinbrüche,
Shutdown, Kurzarbeit.
Ich kann also die 16 Oberbürgermeister niedersächsischer Groß- und Kleinstädte sehr gut verstehen, wenn sie sich in einem Offenen Brief an unseren Ministerpräsidenten Stephan Weil für die Rettung der Innenstädte starkmachen und natürlich auch auf die Situation des Einzelhandels verweisen. Auch aus Arbeitnehmersicht kann eine weitere Öffnung an Sonntagen durchaus sinnvoll sein: Angst vor Arbeitsplatzverlust, Kurzarbeit, deutlich weniger Geld. Ich kann verstehen, dass
auch Arbeitnehmer zusätzlich an Sonntagen Geld verdienen wollen.
Meine Damen und Herren, das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Einerseits gibt es die Oberbürgermeister und die Mitarbeiter - etwa im Textileinzelhandel -, die durch den Lockdown und Gehaltseinbußen schwer mit diesen Schließungen zu kämpfen haben. Andererseits gibt es aber auch die Verkäuferinnen im Lebensmitteleinzelhandel, die über Monate Überstunden gemacht, sich den genervten Kunden gestellt und einer erhöhten Virusgefahr ausgesetzt haben. Diese Verkäuferinnen sollen nun zum Dank zusätzlich auch noch am Sonntag arbeiten. Das sind zwei Seiten einer Medaille, meine Damen und Herren, die es sorgfältig abzuwägen gilt.
Zweifel, meine Damen und Herren, sind angebracht. Der Euro kann nur einmal ausgegeben werden.
Maskenpflicht macht keine Lust auf Einkaufen. Und wo soll eigentlich die zusätzliche Kaufkraft herkommen? Die Mehrheit der Arbeitnehmer bekommt zurzeit 60 % Kurzarbeitergeld.
Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kollegen, sage ich Ihnen sehr deutlich, was mit der SPD-Landtagsfraktion nicht zu machen ist: Wir werden keiner Änderung des Ladenschlussgesetzes zustimmen. Anlasslose Sonntagsöffnungen wird es mit uns nicht geben. An dieser Stelle muss ich die 16 Oberbürgermeister leider enttäuschen.
Das Gesetz, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, aber auch unsere Verfassung - Herr Bode hat es sehr richtig dargestellt - sind eindeutig. Der Sonntagsschutz hat Verfassungsrang. Die Ladenöffnung an einem Sonntag ist nur dann gerechtfertigt, wenn es einen hinreichenden Sachgrund, also einen Anlass dazu gibt. Das wirtschaftliche Interesse der Unternehmen oder auch das ShoppingInteresse einzelner Kunden genügen da nicht. Daran werden wir als SPD-Fraktion nicht rütteln, meine Damen und Herren.
Etwas anderes sind freiwillige Vereinbarungen, wenn Kommunen, Gewerkschaften und Arbeitnehmer sich einig sind. Herr Minister Althusmann, ich spreche Sie direkt an: Warum greifen Sie den Ball von ver.di nicht auf? ver.di hat überhaupt kein
Problem damit, am Sonntag anlässlich von Kunst- und Kulturveranstaltungen zu öffnen, die z. B. auch den Corona-Kriterien genügen: Abstand, kleinere Veranstaltungen und weniger Menschen.
Der Töpfer-Markt in Leer ist ein gutes Beispiel dafür. Anlässlich des Töpfer-Marktes in Leer wurden die Geschäfte mit Zustimmung von ver.di auch am Sonntag geöffnet. Es geht, wenn man sich auf kommunaler Ebene einig ist. Man muss halt miteinander reden, meine Damen und Herren. Das ist letztendlich auch im Interesse des Einzelhandels vor Ort. Denn was nützt eigentlich den Einzelhändlern vor Ort, die mit großem Aufwand Sonntagsöffnungen vorbereiten, wenn ver.di dann dagegen klagt und eine gerichtliche Untersagung in letzter Minute vor der geplanten Sonntagsöffnung eingeht? Das hilft niemandem.
Noch einmal, Herr Minister Althusmann: Greifen Sie den Ball von ver.di auf! Kommen Sie zu freiwilligen, einvernehmlichen Einigungen! Kreieren wir gemeinsam Anlässe, um Sonntagsöffnungen mit gesetzlicher Zustimmung zu erreichen!
Herr Minister, ich sage Ihnen auch als Vertreter der SPD-Fraktion, die sich den Schutz der Arbeitnehmerrechte und die gute Arbeit auf die Fahnen geschrieben hat: Mir ist schleierhaft, wie man in dieser Situation, wo man doch bei Sonntagsöffnungen auf das Wohlwollen von ver.di angewiesen ist, ver.di derartig vor den Kopf stoßen kann. Ich spreche die Verfügung vom Montag an, mit der Sie den Dumpinglohn-Tarifvertrag zwischen GVN und GÖD anerkannt haben.
Das Tariftreuegesetz wird dazu ausgehebelt. Es wird weniger als 50 % Lohndifferenz hoffähig gemacht. Das kann nicht das Vertrauen von ver.di und auch nicht das Vertrauen - das sage ich hier sehr deutlich - der größten Fraktion hier im Hause finden, Herr Dr. Althusmann. Wir haben hier ein Problem miteinander. Das werden wir gemeinsam miteinander besprechen müssen. Ich halte das für eine krasse Fehlleistung an der Stelle.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Abgeordneter Bode, niemand hat hier zum Rechtsbruch aufgerufen. Ich sage das sehr deutlich.
Auch unser Wirtschafts- und Arbeitsminister, Herr Althusmann, den ich hier ausdrücklich verteidige, hat das nicht getan. Auch ich habe das eben nicht getan.
Ich will Ihnen deutlich sagen, was ich gesagt habe. Ich habe gesagt, dass es innerhalb von Corona möglich ist, anlassbedingt sonntags zu öffnen - und zwar nach geltender Rechtslage -, wenn man sich vor Ort einig ist, wenn sich die Bürgermeister, die Kommunalverwaltung, die Arbeitnehmervertreter mit ver.di zusammensetzen. Wenn man sich vor Ort einig ist, wie man das beim Töpfermarkt in Leer gemacht hat, hat das auch keine Klagen von ver.di zur Folge. Man redet miteinander und erstellt dann ein Konzept, wie es in Corona-Zeiten mit Abstandswahrungen, mit kleineren Formaten, mit Kunst- und Kulturveranstaltungen möglich ist. Dann kann man ganz legal zu einer Sonntagsöffnung kommen.
Es ist mein Ansinnen, dass wir das Gesetz anwenden und hier nicht über irgendwelche Gesetzesänderungen schwadronieren, sondern es im Interesse aller Kaufleute und aller Einzelhändler so rechtssicher machen, dass vor Ort einvernehmlich entschieden werden kann, solche Anlässe zu suchen, um sonntags zu öffnen. Das hat nichts mit Rechtsbruch zu tun, sondern das ist die Anwendung geltenden Rechts.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesinfektionsschutzgesetz sieht, geregelt in § 56, Entschädigungen für Einkommensverluste von im Wesentlichen zwei Fallgestaltungen vor.
Einmal betrifft das den Fall des sogenannten Störers - ein seltsamer Begriff, aber das Gesetz benutzt ihn. Das sind infizierte Menschen, die aus dem Geschehen in die Quarantäne entlassen werden und für Einkommensverluste aufgrund dieser - in Anführungszeichen - Leistung für die Allgemeinheit, keinen anderen mehr zu infizieren, entschädigt werden.
Der zweite Fall betrifft die Fallgestaltung, dass Eltern ihre Kinder betreuen müssen und dadurch Einkommensverluste oder Einkommensminderungen erleiden. Das ist vor Kurzem auf Initiative unserer Bundesfamilienministerin Franziska Giffey in das Gesetz aufgenommen worden. Das ist sicherlich eine gute Maßnahme. Wenn man sich das Bundesgesetz weiter ansieht, stellt man aber fest: Weitergehende Regelungen hat der Bund bewusst nicht treffen wollen, zumindest hat er sie nicht getroffen, ob es bewusst war, weiß ich nicht.
Ich stelle nur fest - das haben wir auch im Ausschuss geklärt -, dass das Land natürlich eigenständige Regelungen und Tatbestände zu weiteren Entschädigungsleistungen schaffen kann, die der Bund nicht vorgesehen hat. Man kann das tun - die Frage ist aber, ob das sinnvoll ist. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Gesetzentwurf der FDP an dieser Stelle nicht sinnvoll ist.
Warum ist er nicht sinnvoll? Im Prinzip aus zwei Gründen. Der erste Grund ist: Das ganze Konstrukt ist äußerst bürokratisch und völlig kompliziert. Ich habe schon einmal vor längerer Zeit hier im Plenum gesagt, dass das „ein bürokratisches Monster“ ist, Herr Bode. Und das ausgerechnet von der FDP! Wir unterhalten uns ja oft über Bürokratieabbau - ich glaube, Ihr Gesetzentwurf ist ein klarer Fall für die Stabsstelle Bürokratieabbau. Ich habe mich schon im letzten Plenum und auch im Ausschuss dazu geäußert, wie die Berechnungsmodalitäten in Ihrem Gesetzentwurf geregelt sind; ich habe mich damit lange beschäftigt.
Ich kann nur feststellen: Die Finanzverwaltung, die sich damit zusätzlich zur Veranlagung zur Einkommensteuer, zur Umsatzsteuer und zur Körperschaftssteuer befassen soll, wird damit überfordert sein. Diese personellen Ressourcen haben wir nicht. Dafür sind der Berechnungsmodus und die Informationen, die Sie zur Berechnung des Schadens erfassen wollen, einfach zu umfangreich.
Warum eigentlich 75 % des entgangenen Umsatzes? So haben Sie es definiert. - Ich gehe nach der Berechnung von 75 % des entgangenen operativen Gewinns aus. Aber auch das, was Sie damit genau meinen, haben wir im Ausschuss letztlich nicht klären können.
Ich jedenfalls halte die Entschädigungsgrenze von 75 % für völlig willkürlich gewählt. Sie unterscheiden noch zwischen vorsteuerbehafteten und nicht vorsteuerbehafteten Aufwendungen. Sie wollen der Finanzverwaltung zumuten, Löhne und sonstige Betriebsausgaben umfangreich zu ermitteln,
um letztlich allen Unternehmen in diesem Land nach einer komplizierten Formel 75 % des operativen Gewinns zu erstatten.
Noch einmal: Was Sie dafür an Informationen brauchen - Löhne, vorsteuerbehaftet, nicht vorsteuerbehaftet, Sachkostenaufwendungen etc. -, bedarf umfangreicher Ermittlungen. Das kann die Finanzverwaltung nicht leisten - es sei denn, Sie sagen, die Steuererklärungen der FDP oder der sonstigen Bürger in diesem Land werden zeitlich zurückgestellt und man zieht lieber die Berechnung vor, die nach dem Infektionsschutzgesetz vorgenommen werden soll.
Das kann nicht ernst gemeint sein. Die Finanzverwaltung hat andere Aufgaben. Es ist an dieser Stelle schlicht falsch angesiedelt. Es müsste möglicherweise durch das Gesundheitsamt oder wen auch immer geregelt werden, aber nicht durch die Finanzverwaltung; denn die schafft es mit Blick auf die personelle Ausstattung schlicht nicht.
Unklar ist auch die Finanzierung. Das ist der zweite Grund, aus dem wir den Gesetzentwurf ablehnen. Sie schreiben im Gesetzentwurf, dass Sie selbst nicht wissen, was die Umsetzung des Gesetzes eigentlich kosten würde. Das ist zwar eine offene und ehrliche Aussage, sie ist aber aus meiner Sicht finanzpolitisch nicht besonders klug oder sinnvoll. Ich bin es gewohnt, dass man, wenn man Gesetzentwürfe vorlegt, klar definiert, was der Spaß kostet.
Sie selbst haben gegenüber dem NDR von Erstattungen in Höhe von 1 Milliarde Euro gesprochen. Ich habe das mal allein anhand der DEHOGABetriebe ausgerechnet. Ich will Sie damit nicht langweilen - ich habe das schon im letzten Plenum vorgerechnet -, aber es gibt 20 000 DEHOGABetriebe, die ungefähr 6,5 Milliarden Euro Umsatz im Jahr haben. Bei einer Schließung von zwei Monaten aufgrund einer behördlichen Anordnung kommt man auf ungefähr 800 Millionen Euro Entschädigungsanspruch nur der DEHOGA-Betriebe.
Das heißt, Herr Bode, mit Ihrer 1 Milliarde Euro kommen Sie bei Weitem nicht hin. Damit werden gerade mal die DEHOGA-Betriebe abgedeckt. Das sind 20 000 Betriebe. Es gibt aber allein in Niedersachsen 300 000 Betriebe. All diese bringen Sie damit grundsätzlich in die Position, Entschädigungszahlungen in Anspruch nehmen zu können, wenn sie aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen waren. Das sind eine ganze Menge Betriebe. Mit anderen Worten: Ihr Gesetzentwurf ist letztlich weder seriös durchgerechnet noch finanziell fürs Land leistbar.
Wir haben in der Unterrichtung des Ausschusses durch das MW am 19. Juni erfahren, dass auch das Ministerium anhand von Schätzzahlen versucht hat, Ihre 1 Milliarde Euro zu überprüfen; ich hatte das beantragt. Ich fasse kurz zusammen - der Kollege Schatta von der CDU hat eben auch schon dazu ausgeführt -: Wenn man die CoronaSoforthilfen als Maßstab nimmt, wird man im Zeitraum von April bis Juni 2020 auf 1 Milliarde Euro kommen. Hinzu kommt der Umsatzschaden im Tourismus, den das MW mit 2,1 Milliarden Euro angegeben hat. Der Einzelhandel ist aufgrund be
hördlicher Anordnung auch geschlossen: 2,3 Milliarden Euro. Der Dienstleistungsbereich: 2,2 Milliarden Euro.
Um es kurz zu machen: Am Ende sind wir bei ungefähr 8 Milliarden Euro Entschädigungsansprüchen der Wirtschaft hier in Niedersachsen. Das ist schlicht nicht leistbar. Es ist auch nicht sinnvoll, weil es - wir haben es schon häufiger diskutiert - eine Doppelstrategie der Landesregierung gibt. Besser als jede Entschädigungszahlung ist es, dass die Corona-Verordnung gelockert wird - was ja in der letzten Zeit geschehen ist -, dass man den Shutdown beendet und die Unternehmen in die Lage versetzt, Umsätze und Gewinne zu erwirtschaften, um sich sozusagen selbst aus der Misere zu ziehen. Das ist der erste Weg. Diesen hat die Landesregierung schon lange beschritten.
Was - zweitens - die Entschädigungsleistungen betrifft: Wir haben im Rahmen der NBank Soforthilfen geleistet, mit Maßnahmen von Bund und Land, durch KfW-Kredite, aber eben auch durch Kredite der NBank. Ich glaube, dass wir allein mit unserem Gesetzentwurf zum heute beschlossenen zweiten Nachtragshaushalt im Umfang von 8 Milliarden Euro ein hohes Maß an Entschädigungsleistungen vorgegeben haben.
Alles das ist meines Erachtens deutlich besser als das, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf vorgelegt haben. Mehr ist also nicht leistbar. Wir sehen keinen Bedarf für Ihren Gesetzentwurf.
Ich habe meine Redezeit überschritten.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Die SPD-Landtagsfraktion konnte ja bei den letzten Haushaltsberatungen zum Haushalt 2020 eine finanzielle Aufstockung der mobilen Beratungsstellen erreichen. So wurde am letzten Freitag die Beratungsstelle in Osnabrück eröffnet.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: Wie schätzt die Landesregierung ein Werkvertragsverbot hinsichtlich der praktischen Arbeit dieser mobilen Beratungsstellen in Oldenburg, Osnabrück und dergleichen ein?
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschenunwürdige Arbeits- und Wohnbedingungen für Werkvertragsbeschäftigte in der Fleischindustrie sind uns seit Jahren bekannt. Die großen Fleischkonzerne lagern einen Großteil ihrer Kerntätigkeiten an Subunternehmer aus, die ihrerseits Beschäftigte aus Ost- und Südosteuropa anwerben. Gearbeitet wird im Akkord, 12- bis 14-Stunden-Schichten sind keine Seltenheit, und schlecht bezahlt ist es obendrein.
Ich zitiere unseren Bundesarbeitsminister Hubertus Heil aus dem Spiegel:
Werkverträge sind menschenverachtend, sie beuten Menschen aus, und elementare Arbeitnehmerrechte werden verweigert. Der ganze Skandal, der derzeit durch die Gazetten geistert, macht doch deutlich, unter welchen Bedingungen die Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer ihr Dasein fristen müssen. Die Werkverträge begünstigen letztendlich - die Statistik zeigt es auch - den Corona-Ausbruch.
Vor diesem Hintergrund beantworte ich, Frau Staudte, sehr eindeutig die Frage 1 der Grünen für die SPD-Fraktion hier im Hause. Die SPD-Fraktion steht selbstverständlich geschlossen
hinter dem Bundeskabinettsbeschluss vom 20. Mai und unterstützt unseren Bundesarbeitsminister
Hubertus Heil, aber auch unsere Landesgesundheitsministerin Carola Reimann in ihrem Kampf gegen ausbeuterische Werkverträge. Werkverträge gehören schlicht verboten.
Die Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischindustrie sind nicht akzeptabel. Auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen wird in diesem Industriezweig ein gnadenloser Konkurrenzkampf ausgetragen.
Grundsätzlich sind wir als SPD-Landtagsfraktion nicht gegen Werkverträge, wo sie in einer arbeitsteiligen Wirtschaft sinnvoll sind. Wir wenden uns aber dort gegen Werkverträge, wo sie dazu missbraucht werden, Kernbestandteile der Produktion auszulagern, Stammbelegschaften zu entlassen und gut bezahlte Mitarbeiter durch Werkvertragsmitarbeiter zu ersetzen, wo Tarife und Arbeitsbedingungen unterlaufen und Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten ausgehebelt werden und wo es Unternehmen vor allen Dingen darum geht, die Verantwortung für ihre Beschäftigten abzugeben.
Am Freitag - das habe ich bereits erwähnt - ist die Beratungsstelle für mobile Beschäftigte in Osnabrück eröffnet worden. Da haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Beratungsstelle sehr genau über die Zustände in dieser Branche berichtet. Ich kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren, es geht Angst in der Branche um. Es ist die Angst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Werkvertragsarbeitnehmer: Wenn ich den Job verliere, verliere ich in der Regel auch die Unterkunft. - Die Geschichte mit den Mietaufwendungen, die gleich vom Lohn abgezogen werden, hat Herr Althusmann gerade sehr anschaulich verdeutlicht.
Was die Unterbringung der Werkvertragsarbeitnehmer angeht, so hat unsere Gesundheitsministerin, Carola Reimann, ebenfalls bereits gehandelt. Dafür möchte ich Carola Reimann ausdrücklich danken. Das Sozialministerium hat nämlich mit Erlass vom 11. Mai die Kommunen aufgefordert, eine explizite Überprüfung der Unterkünfte durchzuführen und speziell darauf einzuwirken, dass die Bewohner in Einzelzimmern untergebracht werden.
Wenn die Arbeitgeber als Mieter auftreten, ist auch eine Vor-Ort-Inspektion der Wohnungen durch die Behörden jederzeit möglich. Wenn das Gesundheitsamt vor der Tür steht, ist natürlich durchaus auch eine Beratung der Mitarbeiter und auch der Arbeitgeber möglich.
Als zusätzliches Instrument hat die Landesregierung am 24. März das Niedersächsische Wohnraumschutzgesetz in den Landtag eingebracht. Dieses wird künftig greifen, wenn Beschäftigte in entsprechenden Wohnungen leben.
Der vorliegende Entwurf sieht allerdings noch keine Anwendung auf Arbeitnehmer- oder Flüchtlingsunterkünfte vor, die nicht als Wohnungen zu qualifizieren sind. Aber auch dazu haben wir heute gehört - und das begrüßen wir ausdrücklich -, dass die Beratung zum jetzt anstehenden Gesetzgebungsverfahren dazu genutzt werden soll, diese Qualitätsstandards auch auf diese Unterkünfte auszuweiten.
Ich nenne nur mal vier Bereiche aus dem Wohnraumschutzgesetz, die uns persönlich besonders wichtig sind: ausreichende natürliche Belichtung, ausreichende Belüftung, Schutz gegen Feuchtigkeit, Anschlüsse für Energie- und Wasserversorgung, Entwässerung - alles normale Standards, die hier aber erst mal durchgesetzt werden müssen - und vor allen Dingen die gesetzliche Definition der Belegungsdichte mit 10 m² pro Person.
Mit dem Wohnraumschutzgesetz wollen wir sicherstellen, dass es in niedersächsischen Wohnungen keine Überbelegungen mehr gibt und vor allen Dingen dem Geschäftsmodell der Überbelegung Einhalt geboten werden kann.
Gemeinden sollen vor allen Dingen zukünftig die Möglichkeit erhalten, in solchen Fällen gegen Eigentümer und Vermieter vorzugehen. Ebenso nimmt das Wohnraumschutzgesetz jene Vermieter in die Verantwortung, die sich nicht hinreichend um ihre Wohnungen kümmern. Wer sein Eigentum verwahrlosen lässt und damit seine Mieter im Stich lässt, kann aufgrund des neuen Gesetzes verpflichtet werden, bestimmte Mindeststandards wiederherzustellen.
Meine Damen und Herren, Frau Staudte, ich kann Ihre Liste an Bedenken, die Sie hier vorgetragen haben, nicht nachvollziehen. Ich glaube, dass sich sowohl der Ministerpräsident - in den vergangenen Tagen - als auch unser Wirtschaftsminister Althusmann - heute - sehr deutlich geäußert haben. Sie haben sich klar zum Werkvertragsverbot geäußert und klar zum Zehn-Punkte-Programm geäußert. Heute ist noch mal vorgestellt worden, welche zehn Punkte die Landesregierung auf den Weg gebracht hat, um den Werkvertragsmissbrauch zu bekämpfen.
Ich glaube, dass die Landesregierung da auf einem guten Weg ist. Gerade die SPD-Fraktion braucht in dieser Hinsicht keine Belehrungen durch die Grüne-Fraktion.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es klar und deutlich zu sagen: Die Bundesregierung, allen voran Hubertus Heil als unser Bundesarbeitsminister, hat völlig recht: Werkverträge in der Fleischindustrie gehören verboten und abgeschafft, meine Damen und Herren!
Werkverträge sind menschenverachtend, beuten Menschen aus, und elementare Arbeitnehmerrechte bleiben dabei auf der Strecke. Der Skandal, wie Werkvertragsarbeitnehmer untergebracht sind,
zeigt deutlich, wo Änderungsbedarf besteht.
Die Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischindustrie sind absolut inakzeptabel. Auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen dort wird ein gnadenloser Konkurrenzkampf ausgetragen.
Gleichzeitig ist das System der Werkverträge, das in den letzten Jahren sogar noch auf andere Branchen ausgeweitet wurde, hier auf eine unrühmliche Spitze getrieben worden.
Wir wenden uns als SPD-Fraktion gegen Werkverträge, weil sie dazu missbraucht werden, ganze Belegschaften und Kernbestandteile der Produktion auszulagern, weil mit ihnen Tarife und Arbeitsbedingungen unterlaufen und vor allen Dingen Handlungsmöglichkeiten von Betriebsräten ausgehebelt werden und es vielen Unternehmen vor allen Dingen nur darum geht, die Verantwortung für ihre Beschäftigten abzugeben.
Es kann nicht sein, lieber Kollege, dass zwei Drittel der Beschäftigten bei Subunternehmern angestellt sind, die ausschließlich über Werkverträge als Dienstleister für die Fleischindustrie tätig sind. In der Fleischindustrie - das ist eine Ausnahme in den verschiedenen Branchen - wird das Kerngeschäft ausschließlich bzw. jedenfalls überwiegend per Werkvertrag erledigt. Der gesamte Produktionsprozess ist an Externe delegiert. Der Betrieb übernimmt keinerlei Verantwortung mehr für seine Mitarbeiter.
Als SPD-Landtagsfraktion können wir hier nur ganz klar einfordern: Stammbelegschaften müssen wieder eine klare, erkennbare Mehrheit unter den Beschäftigten bilden. Werkverträge dürfen nicht dazu missbraucht werden, Schutzvorschriften abzubauen und zu umgehen, und dürfen schlicht und einfach nicht mehr zum Zuge kommen. Ausbeutung und systematische Umgehung gesetzlicher Mindeststandards gehören hier zum System. Erfahrungen insbesondere aus der Beratungspraxis von „Faire Mobilität“, der Beratungsstelle des DGB in Oldenburg, zeigen, welche Tricks Subunternehmer anwenden, um den gesetzlichen Mindestlohn zu unterlaufen. So werden üblicherweise geringere Stundenzahlen vereinbart, als die Beschäftigten tatsächlich arbeiten, für Urlaubs- und Krankheitszeiten wird dann der geringere vertragliche Lohn ausgezahlt. So sparen Unternehmen Lohnzahlungen und Sozialversicherungsbeiträge. Häufig werden weniger Stunden ausgezahlt, als gearbeitet wurde. Die Beschäftigten können vielfach ihre
echte geleistete Stundenzahl überhaupt nicht nachweisen. Hinzu kommen die Sprachprobleme.
Auf dem Papier ist nach Aussage des Zolls alles in Ordnung. Die Werkvertragsarbeitnehmer bekommen natürlich ihren Mindestlohn. Wenn dann aber für ein Bett im 9-m²-Zimmer ungefähr 300 Euro vom Lohn abgezogen werden, ist das nicht nur eine Lohnkürzung, sondern das ist schlicht eine Umgehung des Mindestlohns und damit auch kriminell.
Meine Damen und Herren, das darf nicht sein. Diese Praxis hat nichts mehr mit der des ehrbaren Kaufmanns zu tun - das haben wir heute Morgen schon einmal gehört; Herr Bode, da bin ich ganz Ihrer Meinung -, sondern das ist Ausbeutung pur, die wir hier bekämpfen müssen.
Wenn es freiwillig nicht geht, dann kann nur noch staatlicher Zwang helfen. Ich zitiere hier erneut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil: „Wir brauchen verbindliche Quoten für die Kontrollen, schmerzhafte Bußgelder bei Verstößen und klare, unmissverständliche Verantwortung eines Arbeitgebers für seine Betriebsabläufe.“ Dem kann ich mich für meine Fraktion nur anschließen.
Übrigens hat auch die SPD-Fraktion hier im Landtag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen mehr Kontrollen gefordert - etwa Kontrollen des Mindestlohns bei öffentlichen Vergaben. So hat der Landtag mit Beschluss aus dem Dezember 2019 das Bestreben des Bundes begrüßt, etwa durch die Bekämpfung von Schwarzarbeit und die Kontrolle des Mindestlohns für mehr Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt zu sorgen.
Flankierend hält der Landtag nach der Entschließung aus dem Dezember 2019 auch die vertragliche Kontrolle bei der Ausführung öffentlicher Aufträge für geboten.
Vor diesem Hintergrund hatte der Landtag die Landesregierung im Dezember aufgefordert, die organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen zur Durchführung von Kontrollen auch durch die Vergabestellen des Landes - auch wir haben insoweit Mitverantwortung - zu verbessern. Finanzminister Hilbers ist hier gefordert, mehr Geld für Kontrollen und mehr Personal im Landeshaushalt 2020/2021 bereitzustellen. Das will ich an dieser Stelle deutlich sagen.
Aber nicht nur die Politik, auch wir Verbraucher und Kunden sind gefordert, dem Werkvertragsun
wesen ein Ende zu bereiten und die Arbeitsbedingungen für die Werktätigen in der Fleischindustrie zu verbessern. Die Deutschen essen gern und vor allem viel Fleisch; man sieht es häufig auch. Knapp 60 kg pro Jahr und Kopf verzehren die Einwohner der Bundesrepublik durchschnittlich. Das sind pro Tag 1,9 Millionen Tiere. 1,9 Millionen Tiere werden pro Tag in deutschen Schlachthöfen geschlachtet! Die Branche boomt: 20 Milliarden Euro Jahresumsatz in den zehn größten Unternehmen. Ein Grund für den Erfolg sind geringe Herstellungskosten: 1,50 Euro kostet die Schlachtung eines Schweins, wenn dafür Subunternehmen mit Werkverträgen engagiert werden.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten - kurz NGG - hat errechnet, dass pro Kilogramm Schweinefleisch 10 bis 20 Cent Preiserhöhung notwendig würden, um vernünftige Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen einzuhalten. Ich finde, das muss es uns wert sein. Diese Preiserhöhung müssen wir alle gemeinsam tragen - im Interesse der Tiere, aber auch im Interesse der arbeitenden Menschen, vor allen Dingen der ausgebeuteten Menschen in dieser Branche.
- Vielen Dank.
Ich komme zum Schluss. Die SPD-Fraktion unterstützt aus vollster Überzeugung den Beschluss des Bundeskabinetts vom 20. Mai ausdrücklich. Den Verbrechern in der Fleischindustrie muss das Handwerk gelegt werden. Werkverträge sind in der Fleischindustrie schlicht zu verbieten.
- Genau aus diesem Grund, Herr Kollege Meyer, werden wir Ihrem Antrag auf sofortige Abstimmung nicht zustimmen. Wir finden, das Thema hat es verdient, im Wirtschaftsausschuss ausführlich erörtert zu werden.
Wir wollen auch den Zehn-Punkte-Plan der Landesregierung dort noch einmal erörtern.
Wir wollen deutlich machen, was die Landesregierung tut und was die SPD-Fraktion hier im Hause noch zu tun gedenkt, um diesem Werkvertragsunwesen,
liebe Kolleginnen und Kollegen - Sie sind vermutlich gleich noch einmal dran -, ein Ende zu setzen. Im Übrigen haben wir deutlich machen können, dass hier auch noch rechtliche Fragen zu klären sind.