Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 29: Fragestunde. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort, mit Ausnahme des Tagesordnungspunktes 35, den wir bereits gestern behandelt haben. Die heutige Sitzung soll gegen 15.05 Uhr enden.
- Wenn Ruhe eingekehrt ist, teilt Ihnen der Schriftführer Herr Onay die zugegangenen Entschuldigungen mit. - Bitte, Herr Kollege!
Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Umweltminister Olaf Lies, von der Fraktion der SPD Dr. Alexander Saipa, von der Fraktion der CDU Clemens Lammerskitten und Laura Rebuschat, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Julia Willie Hamburg.
Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass ich Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
Zoe“ vom Januar 2019, um Unfälle dieser Art zukünftig zu verhindern? - Anfrage der Fraktion der AfD - Drs. 18/2562
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anfang Januar 2019 verlor der ContainerFrachter „MSC Zoe“ auf seinem Weg von Amsterdam nach Bremerhaven vor der Küste Frieslands mindestens 277 Container, die teils mit Gefahrgut beladen waren und auch an der deutschen Nordseeküste anlandeten.
1. Wird die Landesregierung nach Abschluss der Unfallanalyse gegebenenfalls darauf hinwirken, dass das Laschen und Entlaschen zukünftig nur von dafür besonders ausgebildeten Kräften, vorzugsweise durch Hafenarbeiter, und während der Liegezeiten der Schiffe durchgeführt wird?
2. Wie begründet die Landesregierung ihre im Vorfeld der Havarie über die Presse - HAZ vom 27. Dezember 2018 - geäußerte Rechtsauffassung, dass der jeweilige Schiffskapitän für die Ladungssicherung verantwortlich sei, Behörden bzw. der Gesetzgeber also in Fällen der Containerpositionierung, Laschung und Entlaschung kein Eingriffsrecht hätten, und will die Landesregierung ein solches Eingriffsrecht unter dem Eindruck der Havarie nun schaffen oder darauf hinwirken, dass dies geschaffen wird?
3. Hat die Landesregierung im Rahmen ihres Weisungsrechts die zuständige Staatsanwaltschaft angewiesen, Ermittlungen gegen Reeder, Kapitän und verantwortliche Schiffsbesatzung bzw. gegen unbekannt einzuleiten, und wie ist der Stand der Ermittlungen, sofern Ermittlungen weisungsfrei oder weisungsgebunden eingeleitet sind?
Vielen Dank, Herr Henze. - Für die Landesregierung antwortet der Wirtschaftsminister, Herr Dr. Althusmann. Bitte!
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist äußerst bedauerlich, dass es zu dem Unfall der „MSC Zoe“ mit diesem verheerenden Ausmaß an Containerverlust gekommen ist. Es zeigt sich wieder einmal, dass wir mit unseren technischen Möglichkeiten nicht allen Naturgewalten gewachsen sind.
Wir verfügen über fachkundige und kompetente Dienststellen, die bereits in die Ermittlung der Unfallursache und des Unfallverlaufs eingestiegen sind. Zur möglichen Unfallursache gibt es viele Spekulationen. Als eine mögliche Ursache für die Havarie wird in den Medienberichten die unsachgemäße Ladungssicherung, das sogenannte Laschen, genannt. Doch zum jetzigen Zeitpunkt ist diese Vermutung nur eine von mehreren Theorien. Konkrete Gründe sind bislang nicht erkennbar. Daher möchte ich mich an diesen Spekulationen nicht beteiligen. Ob mangelhaftes Laschen tatsächlich eine Ursache für die Havarie war, bleibt ungeklärt, bis die Ermittlungen vollständig abgeschlossen sind.
Zum Thema Laschen fand in den vergangenen Monaten bereits ein umfassender Austausch auf Fachebene zwischen den norddeutschen Küstenländern statt. Außerdem wurden verschiedene Stellungnahmen und Erkenntnisse von unterschiedlichen Verbänden und Fachstellen zum Thema Ladungssicherung eingeholt und bewertet.
Zu Frage 1: Ladungssicherungsarbeiten sollen selbstverständlich von qualifizierten Personen durchgeführt werden.
Anhand uns vorliegender Stellungnahmen sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den qualifizierten Personen nicht zwangsläufig um Hafenarbeiter handeln muss. Vielmehr kann auch bei den Seeleuten von einer hohen Kompetenz für Lascharbeiten ausgegangen werden. Denn das Laschen gehört zu ihren Standardaufgaben und ihren Kernkompetenzen. Sie müssen regelmäßig Nachlascharbeiten auf See vornehmen, auch bei schlechtem Wetter und heftigen Schiffsbewegun
gen. Insbesondere bei mangelhafter Laschung durch Hafenarbeiter ist ein Nachlaschen durch die Schiffsbesatzung erforderlich, um die geforderte Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Zudem hat die Schiffsbesatzung natürlich ein hohes Eigeninteresse an der Schiffs- und Ladungssicherheit.
In den Richtlinien für die sachgerechte Stauung und Sicherung von Ladung bei der Beförderung mit Seeschiffen, dem sogenannten CSS-Code, heißt es, dass weder die Schiffsbesatzung noch Hafenarbeiter gefährdenden Arbeitsbedingungen im Zuge der Ladungssicherung ausgesetzt sein sollen. Der CSS-Code geht dementsprechend davon aus, dass am Laschen und Entlaschen sowohl Hafenangehörige als auch Schiffsbesatzung beteiligt sein können.
Eine gesetzliche Regelung, dass Ladungssicherungsarbeiten nur noch von Hafenarbeitern vorgenommen werden dürfen, ist aufgrund der genannten Aspekte geprüft worden, wird derzeit aber nicht als notwendig betrachtet.
Insbesondere kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass die Ladungssicherungsarbeiten bei einem so großen Containerfrachter wie der „MSC Zoe“ nicht von der Schiffsbesatzung, sondern vom Hafenpersonal durchgeführt wurden. Nach meinem Kenntnisstand lief die „MSC Zoe“ vor dem Ladungsverlust als Letztes den belgischen Hafen Antwerpen an. In dem gestern diskutierten Entschließungsantrag der Grünen wurde beispielhaft benannt, dass die belgische Hafenordnung regele, dass das Laschen ausschließlich von Hafenarbeitern durchzuführen sei. Wurde die Ladungssicherung in Antwerpen tatsächlich hafenseitig durchgeführt, so zeigt der anschließende Ladungsverlust, dass eine solche Regelung keine grundsätzliche Gewähr für sicheres Laschen bietet.
Wie eingangs erwähnt, ist die Vermutung von unsachgemäßer Ladungssicherung nur eine von vielen Theorien zur Unfallursache.
Zu Frage 2: Gegenüber der HAZ wurde keine Rechtsauffassung abgegeben. Vielmehr scheint die HAZ einen Bericht auf Basis einer Landtagsdrucksache verfasst zu haben.
Die Verantwortlichkeit für das ordnungsgemäße und sichere Laschen liegt bei der Schiffsführung und speziell beim Kapitän des jeweiligen Schiffs. Im bereits genannten CSS Code ist u. a. bestimmt, dass der Kapitän nur dann die Ladung für sein Schiff akzeptieren soll, wenn er davon überzeugt ist, dass sie sicher transportiert werden kann. Zudem heißt es, dass von äußerster Wichtigkeit ist, dass der Kapitän große Sorgfalt auf die Planung und Überwachung der Stauung und Sicherung der Ladungsgüter legt, damit ein Verrutschen, Kippen, Deformieren, Zusammenbrechen usw. der Ladung verhütet werden.
Zur Verhütung unsachgemäßer Sicherung der Ladung ist eine schiffsseitige Überprüfung der Stauung sowie gegebenenfalls eine Inspizierung der Laderäume während der Reise durchzuführen. Die Ladungssicherung hat gemäß dem Ladungssicherungshandbuch des Schiffs zu erfolgen. Insbesondere für die Sicherung von Containerladung enthält das Handbuch detaillierte Beschreibungen, welche einzuhalten sind.
In diese geltenden Bestimmungen zur Durchführung und Überprüfung von Lascharbeiten könnte zwar grundsätzlich durch eine zusätzliche Regelung eingegriffen werden. Dies ist jedoch, wie bereits erläutert, derzeit nicht angezeigt. Nach Angaben der Dienststelle Schiffssicherheit der Berufsgenossenschaft Verkehr konnte in der Vergangenheit auch kein Zusammenhang zwischen einem besonderen Unfallgeschehen und der Durchführung von Lascharbeiten durch die Schiffsbesatzungen hergestellt werden.
Daneben gibt es noch ein weiteres Kontrollinstrument: die Seelotsen. Nach dem Seelotsengesetz ist der Seelotse verpflichtet, die zuständige Behörde unverzüglich zu unterrichten, wenn er an Bord Mängel feststellt, die die sichere Fahrt des Schiffes oder die Meeresumwelt gefährden können. Dazu gehört auch die unzureichende Ladungssicherung. Mangels solcher Meldungen für niedersächsische Häfen gab es bisher jedoch keine Veranlassung, weitergehende Regelungen zu treffen oder zusätzliche Kontrollen vorzunehmen.
Welche Maßnahmen zur Verhütung einer Havarie mit diesem Ausmaß an Ladungsverlust letztendlich in Betracht kommen, kann erst anhand der Ergebnisse der Unfallanalyse sinnvoll bewertet werden.
Sobald die Untersuchungsergebnisse vorliegen, werden wir das weitere Vorgehen prüfen, um verheerende Unfälle dieser Art zukünftig nachhaltig zu verhindern.
Zu Frage 3: Nein, es gab keine Weisungen des niedersächsischen Justizministeriums. Die Havarie des von der Schweizer Reederei MSC betriebenen Containerschiffs „MSC Zoe“ hat sich nach entsprechender Prüfung der Staatsanwaltschaft Aurich innerhalb der sogenannten Zwölf-Meilen-Zone vor der niederländischen Küste ereignet. Zudem unterhält die Containerreederei MSC keine Niederlassung im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Aurich. Deswegen hat sie mangels Zuständigkeit von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen.
Nach unseren Kenntnissen haben die niederländischen Behörden eine umfassende Untersuchung zu den Ursachen des Unglücks eingeleitet. Zudem ermitteln die deutsche Wasserschutzpolizei Bremerhaven und die niederländische Staatsanwaltschaft gemeinsam, ob Fahrlässigkeit oder sogar Vorsatz zur Havarie der „MSC Zoe“ geführt haben.
Nach Angaben der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen in Hamburg läuft zudem bereits eine amtliche Untersuchung, die mit einem ausführlichen Bericht abschließen wird. Dieser wird die festgestellten Unfallursachen sowie die konkreten Sicherheitsempfehlungen bezüglich vorzunehmender Maßnahmen enthalten, um zukünftig ähnliche Vorfälle zu verhindern. Nach dem Seesicherheitsuntersuchungsgesetz ist für die Untersuchung ein Jahr vorgesehen.