Protokoll der Sitzung vom 15.07.2020

An dieser Stelle zitiere ich den Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange: Als Sozialdemokraten haben wir eine klare Haltung zum Mercosur-Abkommen.

„Es ist klar, dass wir das Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur nicht unterstützen werden, wenn die MercosurLänder ihre Verpflichtungen auf Klima und nachhaltige Forstwirtschaft nicht einhalten.“

Die Zeit muss genutzt werden,

„um klare Maßnahmen von beiden Partnern in Bezug auf Klima und Entwaldung sowie zum gesamten Kapitel nachhaltige Entwicklung zu fordern und durchzusetzen … Es darf kein Abkommen abgeschlossen werden, wenn von vornherein klar ist, dass die Vertragspartner wichtige Elemente nicht einhalten werden und es kein Konzept zur effektiven Durchsetzung der Bestimmung des Abkommens gibt.“

Was stelle ich fest? - Dem ist nichts hinzuzufügen. Es gibt noch eine ganze Menge zu tun. Wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Frau Logemann. - Für Bündnis 90/Die Grünen erhält das Wort Kollegin Miriam Staudte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Wochen einen Satz seitens der CDU sehr oft gehört. Das war der Satz: Fleisch muss teurer werden! - Er wurde immer wieder erwähnt, wenn es um die Debatte hinsichtlich der Werkverträge, der Fleischindustrie und des Systemwechsels ging.

Selbst die Kanzlerin antwortete in einer Fragestunde im Bundestag meiner Fraktion dahin gehend, dass sie zentrale Schlachthöfe, kleine Handwerksbetriebe schützen möchte. Wir waren eigentlich ganz positiv überrascht. Aber gleichzeitig haben wir jetzt durch eine Unterrichtung im Agrarausschuss erfahren, dass die Bundesregierung es zu einem ihrer obersten Ziele erklärt hat, dieses Mercosur-Abkommen während ihrer Ratspräsidentschaft voranzutreiben.

Das entlarvt das, was hier bisher in Richtung „kleinere Strukturen stärken“ usw. geäußert wurde, wirklich als Lippenbekenntnisse.

Wir waren sehr erstaunt über das, was wir im Agrarausschuss im Rahmen der Unterrichtung erfahren haben. Es ging nicht nur um diese Ratspräsidentschaft und dass Deutschland das nun vorantreiben möchte, sondern es ging eben auch um eine Absplittung dieses Handelsteils.

Das wäre tatsächlich fatal; denn alles, was Sie gerade gesagt haben, Frau Logemann, bezog sich quasi auf ein Gesamtabkommen. Ich kann nur hoffen, dass die SPD da wirklich hart bleibt.

Es soll also so sein, dass das ganze Strittige eben in einem Handelsteil abgearbeitet wird. Dann gibt es noch einen politischen Teil zu Klima, Umwelt, Menschenrechte usw. und einen Dialogteil, bei dem ich mir jedoch derzeit nicht vorstellen kann, was er enthalten soll.

Aber Sinn und Zweck dieser ganzen Veranstaltung, dieses Aufsplittens, ist eben, dass die Mit

gliedstaaten nicht mehr um Zustimmung ersucht werden müssen. Das wäre undemokratisch, das würde das Vertrauen in die europäische Politik erschüttern. Dann ist es auch kein Wunder - das muss ich in Richtung CDU und SPD sagen -, wenn die AfD ein solches Thema aufgreift und versucht, die gesamte EU schlechtzumachen. An der Stelle muss man aber feststellen: Treiber ist die deutsche Bundesregierung, getragen von SPD und CDU. Die sind diejenigen, die diese total irrsinnigen Entscheidungen vorantreiben wollen. Frankreich, Österreich, Irland, Polen haben sich kritisch geäußert. Deswegen müssen wir hier wirklich sehr aufmerksam sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um es an dem Fleischbeispiel zu erläutern. Es wird ja gesagt, Fleisch solle teurer werden usw. Beim Rindfleisch ist es so, dass die Produktion innerhalb der EU im Moment durch hohe Importzölle der EU geschützt ist. Es gibt auch einen hohen Selbstversorgungsgrad von über 100 %. Das bedeutet, dass jedes Kilo Rindfleisch, das wir nach Europa importieren, zu einem Preisverfall führen wird.

Im Gegenteil müsste man eigentlich das Angebot reduzieren, wenn wir höhere und stabilere Preise haben wollen. Danish Crown z. B. geht davon aus, dass bis zu 6 % des Rindfleisches aus den Mercosur-Staaten kommen könnte. Das bedeutet, der Preis wird ins Unwirtschaftliche fallen. Das passt einfach alles nicht zusammen: Auf der einen Seite plädiert die CDU immer dafür, dass wir höhere Standards beim Tierschutz, bei den Arbeitsbedingungen, beim Umwelt- und Klimaschutz brauchen, aber gleichzeitig sollen die Tore für völlig unkontrollierte Importe geöffnet werden.

Die Fleischproduktion in Südamerika hängt direkt mit der Abholzung des Regenwaldes zusammen.

Es ist Frevel an der Biodiversität. Es ist Frevel in Bezug auf die Klimakatastrophe und auch was die Menschen angeht. Alleine in Brasilien sind im Jahr 2017 70 Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und Indigene ermordet worden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es unter Bolsonaro weniger geworden sind. Mit solchen Ländern sollen hier Abkommen geschlossen werden? - Das ist wirklich völlig unwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn die Bundesregierung diese Trickserei mitmacht, wenn Niedersachsen als das Agrarland Nummer eins, das es immer sein möchte, hier

keine klare Position bezieht - - Ich wünsche ich mir von Ihnen, Frau Ministerin Otte-Kinast, dass Sie hier etwas zu der Thematik sagen. Das erwarten die Bäuerinnen und Bauern in Niedersachsen; denn das Thema beschäftigt sie wirklich sehr.

Es würde auch bedeuten, dass wir aus Corona nichts gelernt hätten. Wir sagen doch alle, dass wir kurze Transportwege benötigen, keine Abhängigkeiten haben möchten und uns stärken müssen. Wenn Sie etwas Sinnvolles zum Welthandel beschließen wollen, dann beschließen Sie im Bundestag und im Bundesrat ein Lieferkettengesetz - das wäre sinnvoll -, aber keine freie Fahrt zu wirklich schlimmen, schlimmen Konditionen

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke, Frau Staudte. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Dr. Marco Mohrmann.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Tierwohl, Umweltschutz, Klimaschutz - wird das Mercosur-Abkommen ohne die Beteiligung der Mitgliedstaaten durchgewunken?“ So werden wir mit diversen Fragestellungen mal von den Grünen, mal von der AfD in steter Regelmäßigkeit in Ausschuss- und Parlamentsarbeit begleitet.

Die heutige Aktuelle Stunde nimmt Bezug auf die Sitzung des Agrarausschusses in der letzten Woche. Ich möchte vorweg eine grundsätzliche Einordnung geben: Freihandel ist per se nichts Schlechtes.

(Zustimmung bei der CDU)

Ganz im Gegenteil, die Ausschöpfung komparativer Kostenvorteile nach Abbau von Handelshemmnissen trägt erfahrungsgemäß zur gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt bei, und zwar auf beiden Seiten der Handelskette.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Und das, meine Damen und Herren, ist VWLBasiswissen.

Ebenso sicher ist: Die heimische Landwirtschaft wird auch zukünftig auf den internationalen Handel angewiesen sein. Wenn wir Einfluss nehmen wollen auf Umweltschutz, auf Klimaschutz und auf

Arbeitsbedingungen, dann geht das nur mit Regeln und Leitplanken.

Damit sind wir direkt bei Handelsabkommen, in diesem Fall mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, und im Speziellen bei den vielen Detailbestimmungen, hier vor allem in Kapitel „Handel und nachhaltige Entwicklung“.

Dass wir Kontrollmechanismen brauchen, die unsere Standards in der Produkt- genauso wie in der Produktionsqualität absichern, haben wir bereits mehrfach sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Das gilt insbesondere beim Fleisch. Klar ist: Auch Importprodukte müssen den Maßstäben für heimische Produkte standhalten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zudem bleibt unsere deutliche Position zugunsten EU-weit verpflichtender Herkunftskennzeichen. Der Verbraucher soll auf den ersten Blick erkennen können, woher seine Lebensmittel kommen.

Ausdrücklich positiv sehen wir beim MercosurAbkommen die zollfreien Quoten für die Ausfuhr von Käse, Milchpulver und hochpreisigem Babymilchpulver. Bei diesen Produkten genießt insbesondere die deutsche Milchwirtschaft ein international hohes Ansehen aufgrund des hervorragenden Qualitätsniveaus, das wir in Deutschland halten.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Miriam Staudte [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, Frau Staudte, im Agrarausschuss haben wir von der Aufteilung des Assoziierungsabkommens in den Handelsteil, den politischen Teil und den Kooperationsteil gehört. Das ist Ausfluss des sogenannten Singapur-Urteils des EuGH vom Mai 2017. In dem heißt es, dass die bisherige Praxis zur Ratifikation von Handelsabkommen nicht weiterverfolgt werden darf.

Die Handelsabkommen wurden bislang ausschließlich auf europäischer Ebene ratifiziert. Die Richter haben aber geurteilt, dass eine Reihe von Passagen in den Abkommen in die nationalen Zuständigkeiten fallen und national ratifiziert werden müssen. Das führt zur Aufsplittung der Abkommen. Die reinen Handelsteile werden wiederum ausschließlich auf europäischer Ebene ratifiziert. Das ist im Übrigen seit Jahrzehnten so; denn Handelspolitik war eines der ersten vergemeinschafteten Politikfelder in der EU überhaupt; genau 1957 ging das los.

Das ist heute aktueller denn je. Ich kann diesen unilateralen Parolen überhaupt nichts abgewinnen. Wenn wir im weltweiten Spiel der Kräfte Gewicht auf die Waage kriegen wollen, dann müssen wir in Europa zusammenhalten, und zwar zu unser aller Wohl.

(Beifall bei der CDU)

Über 20 Jahre wurde über das Mercosur-Abkommen verhandelt, allerdings verhandelt unter der vorhin genannten alten Struktur. Die Signale aus dem EU-Parlament sind eindeutig und klar: Für eine Unterstützung muss der Ratifizierungsprozess an das Urteil des EuGH angepasst werden. Dieser Prozess wird, wie wir von Frau Logemann gehört haben, Ende 2020 intensiv beginnen; dann liegen die Übersetzungen des Abkommens vor.

Hier ist neben dem Europäischen Parlament und der Kommission auch der Europäische Rat gefragt. Ohne die Mitgliedstaaten der EU wird es also auch weiterhin nicht gehen. - Daher die kurze und knappe Antwort auf Ihre Eingangsfrage: Nein, das ist nicht so.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Dr. Mohrmann. - Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Hermann Grupe.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mercosur durch die Hintertür - das geht überhaupt nicht. Das ist völlig inakzeptabel. Einige Länder in der EU haben sich klar zum Gesamtpaket positioniert; Österreich und Frankreich wurden genannt.