Protokoll der Sitzung vom 14.09.2020

(Helge Limburg [GRÜNE]: Lapidar? Ich habe sehr ausführlich dazu ge- sprochen! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Er hat es immerhin behandelt!)

- Das will ich schon sagen.

Sie setzen auf die Solidarität der Menschen. Das hat der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht. Dass wir so weit sind, wie wir sind, und Gott sei Dank so dastehen, haben wir der Solidarität der Menschen zu verdanken.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! Aber nicht den Bußgeldern!)

Diejenigen, die sich nicht daran halten, müssen dann aber auch merken, dass sie diese Solidarität brechen. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Deswegen ist es genau der richtige Weg, einen Bußgeldkatalog zu verabschieden. Ich weiß nicht, was Sie daran kritisieren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Aber wa- rum heben Sie denn dann die Min- deststrafen an? - Christian Meyer [GRÜNE]: Schwarzfahren 60 Euro, Maske nicht tragen 150 Euro!)

Meine Damen und Herren, wie komplex und vielschichtig die aktuelle Situation immer noch ist, hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht. Dafür danke ich ihm.

Das Coronavirus ist immer noch präsent. Es ist noch mitten unter uns. Die steigenden Infektionszahlen nach den Sommerferien auch in unserem Bundesland haben das gezeigt. Viele Menschen in unserem Land sind auch stark beunruhigt über die Meldungen der Reiserückkehrer z. B. aus den Risikogebieten. Auch die Sorglosigkeit der Menschen bei manchen privaten Zusammenkünften oder vielleicht auch Feiern machen viele besorgt.

Viele Eltern, aber auch Lehrkräfte haben sich Sorgen um den Schulstart gemacht, die Frage, ob das unter diesen Bedingungen überhaupt gelingen kann, und natürlich auch die Frage einer zweiten Welle, wie wir sie jetzt in Italien, Frankreich oder auch Süddeutschland erleben, wobei die kalte Jahreszeit noch bevorsteht. Diese Angst der Menschen müssen wir ernst nehmen.

Vorab möchte ich mich für die überaus große Solidarität der Menschen in unserem Land bedanken. Die Menschen müssen wegen der Pandemie tiefe Einschnitte hinnehmen. Und es sind diese Menschen, es sind genau die, die mit ihrer Solidarität für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sorgen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Wie hat es unsere Bundesjustizministerin Christine Lamprecht in der Aktuellen Stunde des Bundestages formuliert? Ich zitiere:

„… diese solidarische Mehrheit ist nicht laut und aggressiv, sie ist rücksichtsvoll und friedliebend. Diese solidarische Mehrheit schafft es daher nur selten auf die Titelseiten. … Heute möchte ich diese solidarische Mehrheit würdigen …“

Meine Damen und Herren, wie recht sie hat! Wir schließen uns diesem Dank sehr herzlich an.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Eine große Mehrheit in unserem Land steht hinter den Maßnahmen, hält sich an die Regeln und beherzigt die sogenannten AHA-Regeln: Abstand, Hygiene, Alltagsmasken. Sie wissen, dass wir es nur gemeinsam geschafft haben, dass sich die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt hat, und dass wir nur dadurch zu weiteren Lockerungen kommen können. Sie wissen aber auch ganz genau, dass wir das Erreichte nicht gefährden dürfen.

Meine Damen und Herren, auch wenn wir auf einem guten Weg sind, sind wir noch längst nicht am Ziel. Das Virus ist noch nicht bekämpft, und die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen des Lockdowns werden uns noch sehr lange beschäftigen. Das wissen wir, glaube ich, alle. Es ist die schwerste Krise unseres Landes seit Bestehen der Bundesrepublik. Ein entsprechender Impfstoff ist noch längst nicht in Sicht. Die Aussagen des Präsidenten des Landesgesundheitsamtes machen mich auch nicht gerade optimistisch; denn er sagt, auch ein Impfstoff sei kein Allheilmittel. Wir werden uns also noch etwas gedulden müssen und noch eine gewisse Zeit auf einen anderen Alltag einstellen müssen, als wir ihn bislang kennen.

Meine Damen und Herren, rückblickend war der niedersächsische Stufenplan genau das richtige Instrument, weil er Orientierung gegeben hat und für viele einzelne Branchen und Bereiche Perspektiven aufgezeigt hat. Dieser Stufenplan hat sich in der Krise bewährt und wird fortgeschrieben. Auch darauf ist der Ministerpräsident eingegangen.

Ich bin mir sicher, dass wir uns sehr vorsichtig, immer das aktuelle Infektionsgeschehen im Blick habend, weiter vortasten können. Das will ich gerne auch an einem Beispiel deutlich machen. Es ist z. B. nicht mehr zu erklären - zumindest kann ich das nicht -, dass wir Hochzeitsfeiern mit 50 Personen zulassen, aber die Geburtstagsfeier einer 80-

oder 90-Jährigen mit 50 Personen nicht. Ich glaube, genau das wird auch in den nächsten Stufen zu bereden sein.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Guter Punkt!)

Oder nehmen wir den Bereich der Veranstaltungen, der Saalbetriebe besonders in meiner Region oder die Situation der Schausteller. Hier wäre es wichtig, Planungssicherheit zu geben. Aber der Stufenplan ist ja in Arbeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen auch deshalb sehr dankbar, dass Sie heute, aber auch bereits in verschiedenen Interviews zum Ausdruck gebracht haben, dass es die Weihnachtsmärkte so, wie wir sie kennen, nicht geben wird. Es werden andere Weihnachts- oder Herbstmärkte sein, ein entsprechendes Hygienekonzept natürlich immer vorausgesetzt.

Meine Damen und Herren, den Kampf gegen die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie haben wir eindrucksvoll mit den beiden Nachträgen zum Haushalt 2020 und einer historischen Neuverschuldung von rund 8 Milliarden Euro untermauert. Herr Limburg, ich stelle Ihnen die einzelnen Maßnahmen gerne noch einmal zur Verfügung. Dann können Sie das noch einmal nachlesen, damit Sie wissen, auf welchem Stand wir uns befinden.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ja, bitte!)

Die SPD-geführte Landesregierung hat damit auch unter Beweis gestellt, dass sie dieses Land ruhig durch eine schwere Krise führt.

In diesem Zusammenhang will ich aber auch ausdrücklich die Hilfen des Bundes erwähnen. Auch dieser hat sehr schnell reagiert. Besonders hervorheben will ich - um nur einige Beispiele zu nennen - die Soforthilfen für die Wirtschaft, die Pauschalen für die Pflegekräfte und die pauschale Bonuszahlung von 300 Euro pro Kind, um die Familien zu unterstützen.

Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate ist für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein wichtiges Signal und ein richtiges Instrument zur Sicherung der Arbeitsplätze. Sie gibt den betroffenen Unternehmen eine wichtige Überbrückungsmöglichkeit, um ihre Mitarbeiter trotz Krise im Unternehmen zu halten. Das ist kein Allheilmittel. Auch das ist klar. Aber beson

ders in der Krise ist es wichtig, dass die Arbeitsplatzstrukturen nicht wegbrechen.

Um es noch einmal an Zahlen deutlich zu machen: Im Mai waren in Niedersachsen rund 450 000 Menschen aus 47 500 Betrieben in Kurzarbeit. Ich glaube, jeder von uns kann ein Unternehmen aus seinem Wahlkreis benennen. Auch wenn es die ersten vorsichtigen positiven Signale aus der Wirtschaft gibt, dürfen wir die Augen nicht davor verschließen, dass die Situation für manche Branche wirklich sehr kritisch ist.

Ich will hier aus Zeitgründen nur zwei Branchen aus meiner Region ansprechen, die ich aus meiner Erfahrung heraus gut beurteilen kann. Das ist zum einen die Automobilindustrie und sind insbesondere die Zulieferbetriebe. Denn durch die Folgen der Pandemie weltweit sind auch die Zulieferketten weggebrochen, sodass diese sich zurzeit in Kurzarbeit befinden und gleichzeitig den Strukturwandel, den Transformationsprozess, zu wuppen haben. Das macht die Situation ganz bestimmt nicht einfacher.

Zum anderen - das wird Sie auch nicht verwundern - spreche ich die Schiffbauindustrie an. Herr Limburg, auch Sie sind darauf eingegangen. In meiner Region ist es die Meyer-Werft. Weltweit liegen die 400 Kreuzfahrtschiffe auf. Keiner von uns weiß, wann die Kreuzfahrten wieder losgehen können. Selbstprognosen der Branche werden immer weiter ins nächste Jahr verschoben. Ich muss sagen, ich bin sehr dankbar, dass es der Meyer-Werft gelungen ist, die Aufträge zu halten und zu sichern, dass niemand von einem Auftrag zurückgetreten ist. Aber es besteht das Problem, diese Aufträge zu strecken. Das macht die Situation auch hier nicht einfacher. Deswegen bin ich der Landesregierung sehr dankbar, dass sie auch hier das Signal gibt, dass die Sicherung des Standortes und die Sicherung der Arbeitsplätze höchste Priorität haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Ich könnte jetzt noch einiges zu den Bereichen Gastronomie, Tourismus und zur Kultur- und Veranstaltungsbranche sagen. Wir alle kennen die Nöte und Ängste in diesen Bereichen sehr gut. Eines ist mir in diesem Zusammenhang aber noch wichtig, und ich möchte es hier unbedingt ansprechen. Ich habe die große Bitte, Herr Wirtschaftsminister, bei dem 100-Millionen-Euro-Nothilfeprogramm Ihres Hauses ein besonderes Augenmerk auf den Bereich der Schausteller zu legen. Die

Schausteller stehen in unserem Land wie nichts anderes für Kultur und Brauchtum. Ich habe das Gefühl, dass besonders diese Familienbetriebe dringend unserer Hilfe bedürfen. Deswegen meine herzliche Bitte, auch auf sie noch einmal genau zu schauen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Zu einer ehrlichen Bewertung der aktuellen Situation gehört leider auch, dass es trotz aller Bemühungen, trotz aller Hilfen, trotz aller Überbrückungshilfen Unternehmen gibt, die diese Krise nicht überstehen werden. Das ist bitter, gehört aber zur Wahrheit dazu.

Ein besonderes Augenmerk müssen wir aber auch auf den Ausbildungsmarkt legen. Hier kommt es zu erheblichen Verzögerungen bei Neueinstellungen sowie bei der Übernahme von Auszubildenden. Ich bin sehr froh und dankbar, dass es uns mit der Ausbildungsoffensive des Kultusministeriums gelungen ist, Unternehmen und Auszubildenden eine Perspektive für den Übergang und die Übernahme in die Arbeitswelt zu geben. Auch dafür herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Zum Bereich der Kindertagesstätten und Schulen darf man, glaube ich, feststellen, dass der Start nach den Sommerferien gut gelungen ist. Das ist für viele Eltern, für viele Familien eine riesige Erleichterung; denn sie haben dem Ende der Sommerferien und dem Schulstart mit sehr gemischten Gefühlen entgegengesehen. Auch wenn es regional durch Einzelfälle zu erneuten Einschränkungen des Präsenzunterrichts gekommen ist, betraf dies in der Regel einzelne Klassen oder Jahrgänge. Aktuell ist, soweit ich weiß, eine Schule komplett geschlossen.

In dieser Phase ist es sehr wichtig, behutsam und ruhig auf diese Situation zu reagieren. Das ist nicht zuletzt der guten und frühzeitigen Vorbereitung des Kultusministeriums auf das neue Schuljahr mit verschiedenen Szenarien, aber auch den einzelnen Schulen durch die Vorbereitung mit passgenauen Hygienekonzepten zu verdanken. Auch insoweit haben wir herzlich dankzusagen.

(Zustimmung bei der SPD)

- Ja, da kann man ruhig applaudieren; denn es ist nicht einfach, sich immer wieder auf neue Situationen einzustellen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU] - Christian Grascha [FDP] - zur SPD -: Der Kol- lege Siebels könnte ein Schild hoch- halten, wann sie klatschen sollen! - Gegenruf von Wiard Siebels [SPD]: Das können die schon von alleine!)

- Deswegen müssen wir keine Schilder hochhalten. Sie klatschen in letzter Zeit auch sehr selten.

(Christian Grascha [FDP]: Es gab bis- her auch noch keinen Grund!)

- Sie klatschen auch an bestimmten Stellen nicht, an denen ich Ihnen raten würde zu klatschen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Dass der Schulstart nicht völlig frei von Coronabedingten Vorfällen sein konnte, war uns allen, glaube ich, sehr klar. Jetzt gilt es, so viel Präsenzunterricht wie möglich zu erteilen und die Lernrückstände, die es gibt - dies ist so -, so gut es geht aufzuarbeiten. Auch insoweit hat das Kultusministerium ein Konzept an die Schulen gegeben.

Meine Damen und Herren, zum Schluss will ich noch kurz auf die Corona-Verordnung eingehen. Aus meiner Sicht war es absolut richtig, die Verordnung in einer noch unklaren Situation, als keiner von uns wusste, wie sich die Situation nach der Sommerpause entwickeln würde, bis Ende dieses Monats zu verlängern. Auch die Entscheidung auf Bundes- und Länderebene, Großveranstaltungen bis zum Ende des Jahres zu verbieten, halte ich für absolut richtig.