Wir stehen in einer dramatischen Wirtschaftskrise, in einer nicht bewältigten Pandemie, vor gewaltigen Herausforderungen im Bildungsbereich, vor einem völligen Einbruch der kommunalen Einnahmen. Konkrete Maßnahmen und Handlungsschritte von Ihnen? - Heute leider Fehlanzeige, Herr Ministerpräsident!
Sie sagen ganz allgemein, Arbeitsplätze würden bei Ihnen auch zukünftig im Mittelpunkt stehen. Wer wollte da widersprechen? Das klingt ja sehr salbungsvoll. Aber was heißt das denn konkret für Ihre Politik?
Herr Weil, Sie wissen es: Auch die Klimakrise macht keine Corona-Pause. Wir müssen gleichzeitig mit der Pandemiebekämpfung natürlich auch den Klimaschutz weiter vorantreiben.
Wie stehen denn Sie und Ihre Regierung zu den Forderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Niedersachsen nach einem Investitionsfonds des Landes für Investitionen in sozialen Wohnungsbau, in Krankenhäuser, in Digitalisierung und in die Energiewende? Dazu kein Wort von Ihnen!
Die Krise muss doch als Chance begriffen werden, die sozial-ökologische Modernisierung unserer Gesellschaft voranzutreiben. Der DGB liefert hier sehr konkrete Vorschläge. Auch wir haben Ihnen Vorschläge unterbreitet. All das scheinen Sie zu ignorieren - oder Sie können sich gegen Ihren kleineren Koalitionspartner in dieser Frage nicht durchsetzen.
Herr Ministerpräsident, Sie sagen, Sie machen sich Sorgen um die Zulieferindustrie. Zu Recht! Die machen wir uns auch. Aber die Lösung für diese Branche kann doch nicht sein, mit Autokaufprämien quasi am Vergangenen hängen bleiben zu wollen. Die Lösung kann doch nur sein, den notwendigen Umbau der Automobilindustrie noch zu beschleunigen.
Wo bleibt denn beispielsweise ein Landesladesäulenprogramm? Wo bleibt die Unterstützung der niedersächsischen Fahrradindustrie? Wo bleibt ein Radwegeausbaukonzept? Wo bleiben Investitionen in die Umstellung z. B. von Taxen auf E-Mobilität?
Diese Vorschläge und viele weitere liegen auf dem Tisch. Sie müssen nach vorne gehen, anstatt ständig Vergangenes zu betrauern.
Dass Sie leider weitgehend in alter Industriepolitik verharren, Herr Ministerpräsident, zeigt sich auch am Beispiel der Meyer-Werft. Für Kreuzfahrtschiffe, also für die Branche, die nicht nur einen Großteil der Klimaschäden zu verantworten hat, sondern auch an der weltweiten Verbreitung von Covid-19 maßgeblichen Anteil hat, wollen Sie mal eben 20 Millionen Euro lockermachen.
Demgegenüber lassen Sie z. B. die Veranstaltungsbranche weitgehend am langen Arm verhungern. Herr Ministerpräsident, zur Veranstaltungsbranche gehören mehr als Bundesliga, Kinos und Weihnachtsmärkte!
Seit Wochen versuchen die Veranstalter von Messen und Großveranstaltungen unter dem Hashtag #AlarmstufeRot, auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Sie wollen mit Ihnen ins Gespräch kommen. Sie wollen gehört werden, ihre Konzepte und ihre Ideen vorstellen, wie auch in der Pandemie Veranstaltungen möglich sind. Bislang stoßen sie damit bei Ihnen weitgehend auf taube Ohren. Dieses Nichtreden ist leider ebenfalls symptomatisch für Ihr Agieren, Herr Ministerpräsident.
Oder nehmen Sie den Bereich der Hochschulen und Universitäten! Niedersachsen ist auch Wissenschaftsland. Die Hochschulen des Landes aber sind dem Ministerpräsidenten in seiner Rede keine einzige Silbe wert. Vielleicht liegt das daran, Herr Weil, dass Sie in diesem Bereich einfach nicht viel anzubieten haben. Ihr Wissenschaftsminister hat nach Wochen der Ungewissheit immerhin angedeutet, dass er sich vorstellen könne, das Sommersemester 2020 nicht auf die Regelstudienzeit anzurechnen. Elf andere Bundesländer sind da längst viel weiter und haben diesen eigentlich selbstverständlichen Schritt bereits getan.
Wenn Sie so lange für so kleine Schritte brauchen, dann kann ich nachvollziehen, dass Sie das Thema lieber gar nicht ansprechen und hoffen, dass es keiner merkt.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP - Christian Meyer [GRÜNE]: Die Schnecken auf der Regierungsbank!)
Meine Damen und Herren, Beispiel Kommunen: Kein Wort von Ihnen zur dramatischen finanziellen Lage unserer Kommunen! Dort sind nicht nur die Steuereinnahmen weggebrochen, sondern auch sonstige Einnahmen: Gebühren, Schwimmbadtickets, Fahrkarten im Nahverkehr und Weiteres mehr. Wir brauchen in Niedersachsen jetzt einen kommunalen Rettungsschirm. Wir müssen die finanzielle Handlungsfähigkeit unserer Kommunen gewährleisten.
Wenn, Frau Kollegin Heiligenstadt, die Handlungsfähigkeit der Kommunen einbricht, dann nimmt auch die kommunale Demokratie schweren Schaden. Das dürfen wir alle miteinander nicht hinnehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beispiel Kultur: Sie haben die Kultur immerhin am Rande erwähnt, aber auch nur in Form von Kinos und Bundesligen. Die Kultur in Niedersachsen ist aber viel mehr: Theater, die Kleinkunstszene, Klubs, Soloselbstständige, Künstler, Konzerte - all das findet bei Ihnen keinerlei Kommentar. Es kann nicht sein, dass Musikerinnen und Musiker sowie andere Künstlerinnen und Künstler, die de facto mit Arbeitsverboten belegt worden sind, stumpf auf die Grundsicherung, also auf staatliche Almosen verwiesen werden. Das ist zu wenig, Herr Ministerpräsident!
Auch der Breitensport - wir sind uns doch sonst immer alle einig darin, ihn zu loben, gerade auch für seinen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei uns in Niedersachsen, zum kulturellen Gemeinschaftsleben gerade auch auf dem Land - findet bei Ihnen keine Erwähnung.
Oder nehmen Sie als Beispiel die Pflegekräfte! Die bekommen von Ihnen erneut einen verbalen Dank - zu Recht; dem schließen wir uns natürlich ausdrücklich an. Aber ansonsten kommt von Ihnen nichts Konkretes dazu, wie Sie denn gedenken, die Arbeitsbedingungen in der Pflege nachhaltig und dauerhaft zu verbessern - und das, nachdem jetzt die Entscheidung gefallen ist, die Pflegekammer Niedersachsen aufzulösen. Dann hätten Sie
doch jetzt die Gelegenheit nutzen müssen, Herr Ministerpräsident, um Perspektiven anzubieten, wie Sie sich zukünftig die Interessenvertretung der Pflegenden hier vorstellen. Leider nichts dazu von Ihnen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, langersehnt und pannenbehaftet - aber irgendwann in diesem Sommer war er dann schließlich doch da: der neue niedersächsische Bußgeldkatalog. Es war ja ein bisschen - die Älteren werden sich erinnern - wie beim Warten auf den IKEA-Katalog, nur mit dem Unterschied, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass darin erstens schöne Dinge standen und dass er zweitens immer vollständig angekommen ist und nicht vergessen wurde, die Hälfte mit auszusenden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was steht denn nun im neuen Bußgeldkatalog? - Sie setzen alle Bußgelder herauf, sowohl die Höchstsummen als vor allem auch die Mindestsummen. Bei den Höchstgrenzen gab es sicherlich gute Gründe, zu sagen: Bei hartnäckigen Maskenverweigerern wollen wir auch einen größeren finanziellen Spielraum nach oben bei der Sanktionierung haben. - Aber alle Mindestsummen heraufsetzen? Hier am Redepult loben Sie die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen verbal für ihre Akzeptanz der Maßnahmen und für ihr Durchhaltevermögen, und gleichzeitig holen Sie an anderer Stelle härtere Strafen heraus.
Zur Erinnerung: Die Mindeststrafe ist das, was im Regelfall bei erstmaligen oder fahrlässigen Verstößen verhängt werden soll. Da nur auf Ausnahmemöglichkeiten im Einzelfall zu verweisen, reicht nicht aus. Ihr Signal ist: strafen statt überzeugen. Das ist die grundfalsche Herangehensweise dieser Großen Koalition, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Siebels, ich glaube, das war an der Kante des parlamentarisch Zulässigen. Aber ich nehme es Ihnen nicht übel. Wir können das ja nachher in Ruhe klären. Nur so viel, Herr Siebels: Glauben Sie mir, dass ich diesen Bußgeldkatalog sehr sorgfältig studiert habe und dass ich von der Zielrichtung dieser Maßnahmen sehr enttäuscht war, weil sie das konterkariert, was Sie ansonsten im Land verbreiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verschärfung der Strafen im Bußgeldkatalog wird umso absurder, wenn man sich vor Augen führt, dass sich parallel Verkehrsminister Althusmann als Schutzheiliger der Raser aufspielt und sich für niedrige Strafen für Raser und Drängler auf Autobahnen einsetzt. Also Milde für Raser und Härte für die Oma und den Opa, die mal ihre Maske im Bus vergessen haben! Das ist die Politik, die SPD und CDU hier in Niedersachsen offenbar betreiben wollen.
Wo wir im Verkehrsbereich sind: Sie haben auch überhaupt nichts zur Unterstützung des Personennahverkehrs gesagt. Der braucht jetzt im ganzen Land die Unterstützung des Landes. Busse und Bahnen werden erfreulicherweise wieder voller. Aber damit steigt natürlich - das ist uns doch allen klar - auch die Infektionsgefahr. Das heißt, dass wir die Kapazitäten drastisch erhöhen müssen - einmal aus Infektionsschutzgründen, aber natürlich auch, um die Mobilität auch in der Fläche zu gewährleisten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Schulstart war holprig. Wir alle hoffen natürlich, dass es gutgeht. Wir alle bedanken uns bei den engagierten Lehrerinnen und Lehrern sowie den sonstigen Mitarbeitenden in den Schulen für ihre Arbeit. Wir alle hoffen natürlich, dass flächendeckende Schulschließungen mit all ihren schädlichen sozialen und psychischen Auswirkungen auf unsere Kinder vermieden werden können. Aber dafür müssen Sie doch jetzt aktiv werden und dürfen Sie es nicht allein den Kommunen, den Schulträgern und den Schulleitungen vor Ort überlassen! Maßnahmen wären Staffelungen beim Unterrichtsbeginn, den Schulbusverkehr zu entlasten, so viel Unterricht wie möglich im Freien stattfinden zu lassen, Nutzung aller vorhandenen Kapazitäten großer Räume, eine viel stärkere als die von Ihnen angekündigte Unterstützung bei digitaler Bildung, gerade auch für einkommensschwache Haushalte, um nur einige Beispiele zu nennen. Und unsere Schulen brauchen endlich Investitionen in moderne Lüftungsanlagen, damit sie für den Herbst und Winter in der Pandemie gewappnet sind. Stattdessen war Ihnen das Prinzip Hoffnung genug. Das wird der Bedeutung der Bildung nicht gerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
SPD und CDU machen sicherlich nicht alles falsch, aber sie machen vieles gar nicht. Ihre Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident, lässt sich inso
fern in drei knappen Sätzen zusammenfassen: Es ist doch bisher ganz gutgegangen. Wir sind uns immer voll des Ernstes der Lage bewusst. Ansonsten schauen wir mal; dann sehen wir schon. - Das reicht aber nicht. Der Landtag, aber vor allem die Menschen in diesem Land haben mehr verdient.
Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Ihnen folgt für die SPD-Fraktion die Fraktionsvorsitzende, Frau Modder. Bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein paar Worte zu Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Limburg. Ich bin schon sehr verwundert, dass die Sommerpause doch bei vielen, zumindest bei Ihnen, dafür sorgt, dass Sie alles das, was wir hier zum Thema Corona-Pandemie mit den beiden Nachträgen verabschiedet haben - wirtschaftliche Hilfen, Soforthilfen im Kulturbereich, in der Wirtschaft -, nicht mehr präsent haben und erwarten, dass der Ministerpräsident hier noch einmal eine Regierungserklärung abgibt, in der er auf die Kommunen eingeht. Ich glaube, er hätte die wenigsten Probleme damit
nach der Sommerpause alles noch einmal aufzufrischen. Dass er da nicht aufgesetzt hat, tut mir sehr leid. Ihre Kritik finde ich nicht in Ordnung.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Lapidar? Ich habe sehr ausführlich dazu ge- sprochen! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Er hat es immerhin behandelt!)