Dazu will ich betonen: Die Aufklärung der Umstände der Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes ist ein erforderliches und äußerst wichtiges Anliegen, und natürlich rechtfertigte genau das nach dem, was wir wussten und wissen, das damals eingesetzte Löschungsmoratorium. Es geht schließlich darum, alle Möglichkeiten unseres Rechtsstaates zu nutzen, damit sich so etwas nicht wiederholen kann.
Zum heutigen Zeitpunkt, acht Jahre nach Bekanntwerden des NSU und drei Jahre nach Aufhebung des Löschmoratoriums in Niedersachsen, besteht aber nun einmal kein weitergehender Aufklärungsansatz mehr, der sich aus dem noch vorliegenden Aktenmaterial ergeben könnte. Nach Bekanntwerden der Verbrechen des NSU sind in Niedersachsen umfangreichste Maßnahmen zur Aufklärung ergriffen worden.
Nochmals erwähnen will ich hier, dass allein die AG NSU im niedersächsischen Verfassungsschutz 750 Akten der Jahre 1990 bis 2011 zu den verschiedensten Bereichen des Rechtsextremismus ausgewertet hat. Die Ergebnisse dieser Auswertung wurden dem Generalbundesanwalt und den Untersuchungsausschüssen im Bund sowie in verschiedenen Ländern ausnahmslos zur Verfügung gestellt und liegen dort vor.
Im Zusammenhang mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages zur Terrorgruppe NSU wurde von den Ländern ein umfassendes Löschmoratorium für sämtliche Unterlagen mit Bezug zum Rechtsextremismus angeordnet. Sämtliche Akten und Dateien des Verfassungsschutzes und der Polizei waren danach so lange aufzubewahren, bis die Untersu
Den Untersuchungsausschüssen im Bund und in den Ländern sowie dem Generalbundesanwalt standen damit - ich wiederhole das - alle Erkenntnisse zur Verfügung, die in Niedersachsen durch umfangreiche Recherchen zusammengetragen
Im August 2013 hat der Bundestagsuntersuchungsausschuss zur rechtsextremen Terrorgruppe NSU einen Schlussbericht vorgelegt. Auf knapp 1 400 Seiten wurden Versäumnisse und Fehler der deutschen Sicherheitsbehörden dokumentiert und Reformvorschläge erarbeitet. Nach Abschluss der Untersuchungsausschüsse wurde das Löschmoratorium dann mit meiner Entscheidung vom 14. September 2017 für Niedersachsen endgültig aufgehoben.
Ich sage gern das, was auch Herr Dr. Birkner angesprochen hat - wir sind nicht immer, aber manchmal einer Meinung -: Im Hinblick auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten und die vorzunehmende Abwägung auch mit den Kontrollrechten des Parlaments aufgrund der bereits erfolgten Zulieferung an die Untersuchungsausschüsse und schließlich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in Niedersachsen kein eigenständiger Untersuchungsausschuss eingerichtet wurde - was sicherlich richtig war -, war eine weitere Aufrechterhaltung des Löschmoratoriums schon zum damaligen Zeitpunkt schlichtweg eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen. Es hatte zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Jahre Bestand.
Mit der Aufhebungsentscheidung ist Niedersachsen im Übrigen - das will ich abschließend noch sagen - keineswegs allein. Eine Abfrage im Mai dieses Jahres in den anderen Bundesländern hat ergeben, dass die dortigen Löschmoratorien zum größten Teil bereits aufgehoben wurden. So hatten neben Niedersachsen bereits acht andere Bundesländer das dortige Verbot zur Löschung aufgehoben, als da wären Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein
Westfalen, das Saarland und Sachsen-Anhalt, also auch einige Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung. In den übrigen Ländern lagen noch landesspezifische Gründe für eine Aufrechterhaltung vor, u. a. noch nicht abgeschlossene Untersuchungsausschüsse.
Infolge dieser Aufhebung des Moratoriums im Jahr 2017 wurden zur Löschung anstehende personenbezogene Daten vernichtet. Dies betraf die ge
sperrten Daten, die während des Moratoriums ausschließlich für die parlamentarische Kontrolle der einberufenen Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder noch vorgehalten waren. Für diese Daten stand bereits zum Zeitpunkt der Sperrung fest, dass sie für die Aufgabenerledigung des Verfassungsschutzes nicht mehr erforderlich waren. Das liegt zum einen daran, dass aus Niedersachsen bereits zum Zeitpunkt des Auffliegens der NSU-Terrorzelle aufgrund geringer Betroffenheit nur sehr wenige eigene Erkenntnisse beigesteuert werden konnten. Zum anderen betrifft dies den Abschlussbericht und die Dokumentation des behördlichen Handelns. Mit der Abarbeitung der Untersuchungsausschüsse war der Zweck einer weiteren Vorhaltung der Akten nun einmal eindeutig weggefallen. Für eine weitergehende Speicherung bestand keine rechtliche Grundlage mehr, und mit Aufhebung des Löschmoratoriums war eine Löschung damit unabdingbar.
Meine Damen und Herren, ich denke, damit ist deutlich geworden - deswegen habe ich mir ein bisschen mehr Zeit genommen -, dass eine Wiedereinsetzung des Löschmoratoriums wenig Sinn ergibt. Endgültig gelöschte Daten können und dürfen übrigens auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben nicht wiederhergestellt werden. Damit besteht eben keine Grundlage mehr für eine seriöse Darstellung und Bewertung des Sachverhaltes. Daher wiederhole ich es gerne noch einmal: So verständlich und nachvollziehbar das Bestreben einer umfassenden Aufklärung bleibt - das ist es ohne jeden Zweifel -, so wenig erfolgversprechend erscheint eine Wiedereinsetzung des Löschmoratoriums in Niedersachsen als Mittel für diese Aufklärung.
Uns liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher schließe ich die Beratung, und wir kommen zur Abstimmung.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/6000 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die sehe ich nicht. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 9: Abschließende Beratung: a) Sexuellen Missbrauch von Kindern effektiv bekämpfen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/1533 - b) Wir stehen in der Pflicht - Kindesmissbrauch wirksam bekämpfen, Verjährungsregel aufheben - Antrag der Fraktion der AfD - Drs. 18/6817 - c) Sexuellen Kindesmissbrauch bekämpfen - Präventionsarbeit verbessern, Täter konsequent verfolgen! - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/6824 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 18/7378
Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU unverändert anzunehmen und die Anträge der Fraktion der FDP und der Fraktion der AfD vor dem Hintergrund der unveränderten Annahme des Antrages der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU für erledigt zu erklären.
Wir kommen zur Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Abgeordnete Susanne Menge. Bitte, Frau Menge!
Danke schön, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vorfälle in HamelnPyrmont, Lügde und andernorts, bei denen Kinder Opfer von Gewalt und Macht sind, zeigen uns das riesengroße gesamtgesellschaftliche Problem, das wir offensichtlich mit Machthierarchien und Machtausübung - vor allem durch Männer - haben. Diese Gesellschaft hat ein Problem mit diesen Machtstrukturen, die wir überall vorfinden - nicht nur dort, wo sexualisierte Gewalt herrscht. Sexualisierte Gewalt ist immer Ausdruck von Macht und Überlegenheit gegenüber anderen. Ihr mit Strafe zu begegnen, ist eine Form der Hoffnung darauf, Täter ließen sich dadurch abschrecken.
Reicht es aber aus, das Strafmaß für den Besitz und die Beschaffung von kinderpornografischem Material zu erhöhen? Sollen diejenigen, geehrte Damen und Herren, denen sich Betroffene anvertrauen, zur Anzeige verpflichtet werden, weil sie um die sexualisierte Gewalttat wissen? Wenn Op
fer nach Jahren der Aufarbeitung und psychotherapeutischen Behandlung die Tat zwar zur Anzeige bringen können, diese jedoch in den meisten Fällen nicht zur Verurteilung für Gewaltvorfälle aus der Kindheit führt, bedeutet dies, dass wir die Auseinandersetzung um Verjährungsfristen und ihre echten Chancen inhaltlich längst nicht ausreichend geführt haben.
Die vorliegenden Anträge zeigen einmal mehr, dass wir geneigt sind, sofort einen Weg aus einem Problem zu weisen, meistens in Form von Entschließungsanträgen. Sie haben leider den Nachteil, dass sie oft nur einen Bruchteil dessen widerspiegeln, was das Gesamtbild des Problems eigentlich ausmacht. Reicht es also, das Strafrecht zu verschärfen, wenn wir feststellen, dass das Sexualstrafrecht einer kompletten Reform bedarf? Und berücksichtigt der Antrag eigentlich die Perspektive der Opfer?
Gegen die Anzeigepflicht hat sich das Justizministerium im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen ausgesprochen und es sogar für wahrscheinlich gehalten, dass dadurch weniger Straftaten aufgeklärt würden, weil Opfer sich noch weniger öffneten, zumal auch Täter dies als Druckmittel gegen Kinder benutzen würden und kindliche Ängste schürten.
Ihre Begründungen, warum Sie aus SPD und CDU dennoch am Antrag festhalten und ihn nicht - wie von FDP und Grünen beantragt - in die entsprechende Enquete zur Beratung überweisen wollen, sind folgende: Erstens wollen Sie mit dem Antrag den Schwerpunkt auf die Arbeit der Justizbehörden legen. Zweitens: Die Enquete gegen sexualisierte Gewalt sei ja breiter aufgestellt und befasse sich eher nicht mit juristischen Fragen. Drittens: Der Antrag sei lang und breit diskutiert worden. Es habe keine Widersprüche gegeben, sodass man über ihn jetzt auch endlich abstimmen wolle. Und die Enquete sei durch den Antrag in ihrer Arbeit gar nicht eingeschränkt, denn sie könne ja zu einem anderen Ergebnis gelangen.
Zu diesen Argumenten ist zu sagen, dass die Arbeit in der Enquete nicht ausreichend wäre, würde sie nicht die Täter und die Rolle der Opfer auch im Kontext der Rechtsprechung und Strafverfolgung sehen.
Die Breite der Themen in der Enquete greifen auch Sie übrigens im Antrag auf und stellen auch den Zusammenhang her. Die Vernetzung zwischen Strafverfolgungsbehörden, dem Landespräventionsrat, den Jugendämtern, Schulen, Kinderärzten, Kinderschutzzentren, Mädchenhäusern - all das sei zu optimieren. Sie möchten Beratung und die Förderung von Projekten stärken, und die Digitalisierung betrachten auch Sie als Herausforderung. Dass der Antrag von SPD und CDU lang und breit diskutiert worden sei, kann widerlegt werden. Sie befassten sich erstmals im Juni damit, es folgte dann die Sommerpause. Bis auf die Stellungnahme des Justizministeriums hat keine Anhörung oder Unterrichtung zu Ihren Forderungen nach Anzeigepflicht, Verjährung und Jugendschutz
Was heißt das für die Politik? - Erst einmal nicht so viel, denn es wiederholt sich eben, was wir alle so gut können: nicht einen Schritt zurückzugehen und nicht unter dem Eindruck des begründeten Zweifels neu zu diskutieren.
Meine Damen und Herren, wenn man nach aufmerksamem Zuhören der Meinung ist, dass man seine Überzeugung noch einmal hinterfragen sollte, dann sollten wir uns alle viel stärker darin üben, die Courage dafür zu besitzen, dies auch zu tun.
Es wäre couragiert, die Enquete befreit von vorher festgelegten Forderungen ihre Arbeit aufnehmen zu lassen, Zusammenhänge zur Justiz herzustellen und strafrechtsrelevante Forderungen mit Fachleuten zu diskutieren. Der Antrag der SPD und CDU entreißt zentrale justizrelevante Aussagen dem Gesamtzusammenhang zur sexualisierten Gewalt. Er will Forderungen durchsetzen, die das Gegenteil dessen bewirken, was Sie eigentlich wollen, nämlich den Opfern Schutz zu bieten. Eine Überzeugung ist kein Indiz für ihre Richtigkeit, eine Festlegung kein Indiz für den richtigen Weg.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Menge. - Für die SPD-Fraktion hat sich die Abgeordnete Wiebke Osigus zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer will, sucht Wege, und wer nicht will, sucht Gründe. Aus meiner Sicht könnte so der Subtext zu diesem Antrag lauten. Meine Damen und Herren, seit einem Jahr befassen wir uns mit dem Thema sexuelle Gewalt. Hätten Sie mich vor einem Jahr gefragt, ich wäre fest davon überzeugt gewesen, dass es heute eine breite Mehrheit im Niedersächsischen Landtag geben würde, gerade für die Punkte „Abschaffung der Verjährung“, „Bestrafung von Mitwissern“ und „Erhöhung des Strafmaßes“. Daneben umfasst unser Antrag den Ausbau von Beratungsangeboten und Therapiemöglichkeiten für Täter. Alles wichtige Vorhaben, alles sehr wichtige Signale!
Die Mehrheit gibt es heute nur durch die klare Positionierung der Großen Koalition aus SPD und CDU, und das ist richtig so.
Meine Damen und Herren, jedes misshandelte Kind ist eines zu viel. Die Forderung meiner Fraktion bleibt: Wir fordern Opferschutz vor Täterschutz. Wir fordern die bestmögliche Transparenz im Umgang mit unseren Kindern. Wir fordern, dass solche Taten nicht verjähren dürfen. Es geht uns um generationsübergreifenden Schutz. Es gibt keine „Ausrutscher“, und es gibt auch kein „ein bisschen Gewalt“. Natürlich ist das kein Kavaliersdelikt.
Nur, wer Kinderschutz fordert, muss dies auch ernst meinen. Ernst meinen, bedeutet, auch zu handeln. Ja, wir müssen reflektieren. Ja, wir müssen abwägen. Ja, es ist gut und richtig zu diskutieren. Sodann aber - das sage ich in aller Deutlichkeit - muss eine politische Umsetzung erfolgen und nicht auf zukünftige Erkenntnisse verschoben werden, die erst noch erarbeitet werden müssen.
Meine Damen und Herren, wir stimmen heute über ein deutliches Signal aus Niedersachsen nach Berlin ab. Das Paket unserer sozialdemokratischen Bundesjustizministerin ist bereits an dieser Stelle ganz deutlich zu loben: Proaktiv besonders Fortbildungen für die Jugendstaatsanwaltschaften und Familienrichter vorzusehen, die Erhöhung der Strafrahmen bis zur Aufwertung als Verbrechen sowie die langen Speicherfristen im Bundeszentralregister bzw. Führungszeugnis sind bereits jetzt Leuchttürme im Bereich Kinderschutz und werden von uns als SPD-Landtagsfraktion sehr deutlich begrüßt.
Meine Damen und Herren, es gibt kein, aber auch gar kein Argument dafür, dass sich Erwachsene an dem Körper oder der Seele der Schwächsten unserer Gesellschaft vergreifen. Es scheint aber zuweilen einen gesellschaftlichen Reflex dahin gehend zu geben, die Ohren und die Augen beim Thema sexuelle Gewalt zu verschließen.