Protokoll der Sitzung vom 15.09.2020

Eine vollständige Isolation von Kindern innerhalb der familiären Haushalte wird weder verlangt noch vorgeschrieben. Die häusliche Quarantäne stellt das einzig wirksame Mittel dar, um das Virus nicht weiterzuverbreiten. Bei dem Verdacht einer Infektion kleiner Kinder oder bei einer tatsächlichen Infektion empfiehlt das Land Niedersachsen, dass mindestens einem Elternteil gegenüber ebenfalls eine Quarantäne ausgesprochen wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass eine kindgerechte Betreuung möglich ist. Für den betreuenden Elternteil sieht das Infektionsschutzgesetz eine Lohnersatzleistung vor.

Meine Damen und Herren, ohne Frage stellt die quarantänekonforme Betreuung von Kindern und Jugendlichen eine besondere Belastung für Familien dar. In der Pandemie stehen Heranwachsende und Eltern vor großen Herausforderungen.

Aber auch unsere Gesundheitsämter sind teils an der Belastungsgrenze. Fehler sind da menschlich und fast unvermeidlich. Aus einzelnen Fehlleistungen aber eine Strategie herauszulesen, ist pure Panikmache und trägt erheblich zur Verunsicherung der gesamten Bevölkerung bei.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Volker Meyer [CDU] - Stefan Henze [AfD]: Das müssen Sie mal der HAZ erzählen!)

Ich möchte an dieser Stelle dem öffentlichen Gesundheitsdienst in Niedersachsen meine Anerkennung und meinen Respekt aussprechen. Ohne die Arbeit der Gesundheitsämter wäre das Infektionsgeschehen in Niedersachsen niemals unter Kontrolle gebracht worden. Ihr Einsatz unter erheblicher Mehrbelastung kann gar nicht genug gelobt werden.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE] und Jochen Beekhuis [fraktionslos])

Meine Damen und Herren, es drängt sich der Verdacht auf, dass die AfD mit diesem Antrag versucht, in gewohnt populistischer Manier Misstrauen in der Bevölkerung zu schüren. Dabei ist es gerade diese Partei, die durch ihr verantwortungsloses Agieren Verschwörungstheorien befeuert und

Menschenleben gefährdet.

(Stephan Bothe [AfD]: Es gibt doch dieses Schreiben!)

Ihre Strategie in der Pandemie ist dabei so schlicht wie durchschaubar: Durch die Skandalisierung von Einzelfällen, gepaart mit einer Rhetorik der Verharmlosung, soll das Vertrauen in die Regierung erschüttert werden. Dieser Agitation werden wir nicht auf den Leim gehen.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und von Vol- ker Meyer [CDU])

Wir können uns glücklich schätzen, dass die Niedersächsische Landesregierung uns mit Vorsicht und Augenmaß durch diese weltweite Krise steuert. Ihr gilt mit mein Dank.

Ich bitte Sie daher, diesen Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Schütz. - Jetzt kommen wir zum Beitrag der Abgeordneten Susanne Schütz von der FDP-Fraktion.

Danke. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle kennen in letzter Zeit zunehmend auch in unserer Umgebung Fälle, dass Kinder unter Quarantäne gestellt werden. So ist vor gar nicht allzu langer Zeit auch die kleine Tochter meiner Freundin und Kollegin Sylvia Bruns zu einem solchen Quarantänefall geworden. Deshalb durfte ich Frau Bruns mehrfach im Sozialausschuss vertreten, damit die Mutter das Kind betreuen konnte.

Lina musste also zu Hause bleiben und in der Wohnung auf ihr - glücklicherweise negatives - eigenes Testergebnis und die Aufhebung der Quarantäne warten. Das war sicher auch organisatorisch eine harte Zeit, vor allem für Lina, aber streckenweise auch für die Familie, den großen Bruder und den Dackel.

Doch mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand war es zu organisieren. Der Bruder hat nicht mit der Familie gegessen, um sich selber zu schützen - wahrscheinlich hat er streckenweise die Ruhe genossen, die er dadurch hatte -, und man ist sich weitgehend aus dem Weg gegangen.

Ja, anfangs der Epidemie haben wir alle von solchen Schreiben - sie wurden hier schon zitiert - gelesen, die auf dieser Empfehlung des RKI basierten. Das war drastisch formuliert. Es kamen Gerüchte auf, es könnten Kinder aus den Familien genommen werden, wenn sich Familien nicht an die Quarantäneauflagen hielten.

Aus diesen anfänglichen Problemen und zum Teil Missverständnissen haben nun mittlerweile alle gelernt. In der vergangenen Woche fand z. B. die Unterrichtung des Jugendhilfeausschusses der Stadt Braunschweig statt. Auf Nachfrage einer Kollegin schilderte unsere Sozialdezernentin, wie das auszugestalten sei und dass die Quarantänemaßnahmen natürlich altersgerecht - und das ist das Zauberwort - zu gestalten seien.

Mir liegt glücklicherweise - und ich darf daraus zitieren - das aktuelle Schreiben, das die Region Hannover verschickt hat, vor.

(Zuruf von der AfD)

- Wissen Sie was? Das ist das Schreiben an Familie Bruns. Darum habe ich es.

Einen abgestimmten Absatz daraus lese ich einmal vor. Da steht jetzt aktuell:

„Die häusliche Absonderung bedeutet weiterhin, dass durch Sie als Elternteil Ihrem Kind in der Wohnung bzw. dem Haushalt altersentsprechend eine räumliche und zeitliche Trennung im Rahmen der Quarantäne ermöglicht wird. Dies bedeutet, dass Ihnen als Erziehungsberechtigter eine alters- und bedarfsgerechte Ausgestaltung der Quarantäne obliegt.“

Da läuft ja viel Verantwortung zu den Eltern. Es wird gar nicht so vorgegeben.

Ich würde es einmal so formulieren, wenn ich mir meine Familie anschaue: Mein pubertierender Sohn hätte es sicherlich nicht als Vernachlässigung empfunden, wenn ich ab und zu mal eine Pizza in sein Zimmer gereicht hätte. Aber mit meiner Tochter im Kindergarten- oder Grundschulalter könnte ich auch in Ruhe ein Brettspiel spielen, ohne dass das Jugendamt oder sonst wer an die Tür klopft.

Der Inhalt des Antrags scheint mir doch weitgehend überholt. Es ist der AfD ja auch prompt nicht gelungen, ein niedersächsisches Beispiel für die angebliche Suche nach Personal zur Betreuung dieser Kinder zu finden. Dafür musste dann NRW herhalten. Und die Kolleginnen Schütz und Jou

maah haben wunderbar dargelegt, um was es sich wirklich bei diesen Fragen handelt.

Eine Bemerkung gestatten Sie mir noch: In der Begründung konnten sich die Kollegen hier rechts außen einen vermeintlichen Seitenhieb auf die Maskenpflicht nicht sparen. Da gehen die Meinungen eben auseinander. Für Sie ist das Tragen einer Maske ein enormer Eingriff in die Grundrechte. Für mich und wohl für fast alle hier im Haus ist es eine Frage der Höflichkeit, der Rücksichtnahme und der Solidarität mit stärker gefährdeten Personen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Herr Bothe hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet.

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin, in Ihrer gewohnten Art haben Sie jetzt alles wieder sehr lapidar dargestellt. Dabei geht es hier eigentlich um eine ernste Sache.

Es gibt dieses Schreiben aus Hannover mit diesen Inhalten. Dass Frau Kollegin Bruns Gott sei Dank ein anderes Schreiben, ein abgeändertes Schreiben erhalten hat, ist ja zu begrüßen.

(Susanne Victoria Schütz [FDP]: Ein aktuelles!)

Sie haben anscheinend auch diesen Antrag nicht genau gelesen; denn darin steht nicht, dass alle Ämter das so gemacht hätten. Vielmehr wurden drei Beispiele genannt, und es heißt, es sollten Vereinbarungen getroffen werden, damit zukünftig alle Schreiben so aussehen wie das Schreiben an die Familie Bruns. Darum geht es in unserem Antrag: dass zukünftig alle vernünftig angepasste, aufs Kindeswohl differenzierte Schreiben vermitteln und somit allen geholfen ist.

So gesehen, sind wir uns also in der Sache einig. Sie wollen uns nur einfach nicht recht geben. Und das ist schwach.

(Beifall bei der AfD)

Frau Kollegin Schütz möchte erwidern.

Herr Bothe, ich weiß nicht, was Sie daran lapidar finden, wenn man konkrete Beispiele aufzeigt, wie es jetzt gerade läuft. Und das ist genau der Punkt. Der größte Teil Ihres Antrags ist in meinen Augen eben überholt. Das jetzige Schreiben sieht so aus, wie ich es vorgelesen habe. Ich habe auch aus einer anderen Gemeinde berichtet, wie es dort gehandhabt wird. Ehrlich gesagt, habe ich keine großen Zweifel, dass das nicht schon überall angekommen ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Danke vielmals. - Jetzt hat der Abgeordnete Volker Bajus für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder blamiert sich bekanntlich, so gut er kann. Herr Bothe, auch das Gesundheitsamt der Region Hannover hat das getan. Das ist ja unbenommen. Mit offensichtlich schlechten Formulierungen ist man dort weit über das Ziel des Infektionsschutzes hinausgeschossen. Eine

Zwangsisolierung von erkrankten Kindern geht natürlich gar nicht. Deswegen wurde der Gesundheitsdienst ja zu Recht vom Kinderschutzbund und auch von der Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendämter deutlich kritisiert.

Braucht es jetzt gesetzliche Änderungen, Arbeitsgruppen oder sonst was? Meine Damen und Herren, das Kindeswohl und der Schutz der Familie haben absolute Priorität. Darüber gibt es doch überhaupt keine Debatte. Das steht übrigens auch im Grundgesetz - Artikel 6 Abs. 3 -, und die Regelungen zur Entnahme von Kindern aus Familien sind streng reglementiert, und zwar in § 8 a SGB VIII. Das wissen Sie doch auch.

(Zustimmung von Susanne Menge [GRÜNE])

Das hat man doch längst auch beim Gesundheitsdienst in der Region Hannover eingesehen. Frau Schütz hat das hier fantastisch ausgeführt, auch anhand eines praktischen Beispiels. Das alles sind nur Empfehlungen gewesen. Zwangsmaßnahmen waren nie vorgesehen und wurden auch nie exekutiert.