- Ja, genau. Aber auch das Präsidium sollte immer offen für neue, innovative Ideen sein, die vielleicht die Debatte beleben.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An sich freuen wir uns, dass die Große Koalition die Idee eines Pilotprojekts zur Telemedizin im Justizvollzug aus Baden-Württemberg aufgegriffen hat. Die FDP-Fraktion hat das Thema
Wir unterstützen die Idee aus dem grün-schwarz regierten Ländle nach wie vor. Denn auch in den Justizvollzugsanstalten sorgt - das haben wir schon von den Vorrednerinnen gehört - der Fachärztemangel für eine schwierige medizinische Versorgungslage. Die Landesregierung ist in der Tat dringend gefordert, hier Abhilfe zu schaffen und einen leichteren Zugang zur medizinischen Versorgung zu garantieren.
Ein Pilotprojekt zur Telemedizin in der JVA Hannover und seine Ausweitung auf andere JVAs - das ist ein vernünftiger Ansatz. Die Erfahrungen aus Baden-Württemberg sollten den Start hier übrigens erleichtern können und daher abgefragt und berücksichtigt werden.
Aber mal ganz im Ernst, meine Damen und Herren: Wozu brauchen wir diesen Antrag eigentlich noch? Das Pilotprojekt gibt es doch schon. Geld steht schon im Haushalt 2020. Interfraktionell ist das Projekt politisch gewollt, wie die Beratungen zum FDP-Antrag gezeigt haben.
Neues steht in dem Antrag nicht wirklich. Mit Verlaub: Wenn es ein Nachmittagstee wäre, würde ich von einem zweiten Aufguss sprechen. Mehr ist er nicht, muss ich ehrlich sagen.
Allerdings gibt es eine Sache, die uns doch irritiert. So heißt es im Antrag, das Justizministerium plane jetzt die Umsetzung des Pilotprojekts und treffe entsprechende Vorbereitungen. Der Vertrags
Allerdings konnte man bereits am 5. Juni 2020 einer Pressemitteilung des Justizministeriums entnehmen, dass das Projekt bereits am Laufen ist:
„Zum 1. Juli 2020 startet eine Vereinbarung zwischen der Justizvollzugsanstalt Hannover und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN).“
Sehr geehrte Frau Justizministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, was stimmt denn nun?
Im günstigeren und auch wohl wahrscheinlicheren Fall ist der vorliegende Antragstext veraltet. Dass die Öffentlichkeit mit der Presseinformation vom 5. Juni wirklich getäuscht werden sollte, das mag und kann ich nicht glauben.
Aber ich denke mal, ums Glauben geht es hier nicht. Ich bitte ganz einfach um Aufklärung: Läuft das Projekt nun bereits? Ist der Antrag ein wahrhaftiges Nacharbeiten dessen, was ohnehin schon läuft?
Ein wichtiges Thema ist zweifelsohne die Frage der Qualität der Internetverbindungen in den JVAs. Eine schnelle Internetverbindung ist schließlich die Grundvoraussetzung, übrigens nicht nur für die Telemedizin. Auch darüber haben wir im Unterausschuss schon diskutiert und beraten. Das war Teil der Unterrichtung. Das für den Infrastrukturausbau zuständige Ministerium muss hier dringend einbezogen werden und endlich auch für die JVAs aktiver werden.
Im Rahmen der Unterrichtung haben wir auch schon die Frage diskutiert, ob eine psychiatrische Versorgung telemedizinisch möglich ist. Denn auch hier wächst der Bedarf. Warum soll das eigentlich nicht möglich sein?
Ich freue mich daher sehr auf die Beratungen im Ausschuss, wenn es darum geht, die ersten praktischen Ergebnisse zu diskutieren und das Projekt weiter zu begleiten. Des Antrags hätte es dafür nicht unbedingt bedurft. Aber es schadet ja nicht, wenn man gute Ideen weiter konstruktiv begleitet.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bajus. - Für die FDP-Fraktion liegt uns eine Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Marco Genthe vor. Bitte, Herr Kollege Genthe!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen bereits im März 2019, also vor anderthalb Jahren, einen Antrag zur Einführung der Telemedizin in Justizvollzugsanstalten vorgelegt. Das wurde damals allgemein begrüßt und als vernünftige Idee aufgenommen, auch durch das Justizministerium. Aus diesem Grund gab es diverse Unterrichtungen des dafür zuständigen Unterausschusses durch das Justizministe
rium. Das Ministerium hat sich in anderen Bundesländern umgeschaut, Gespräche geführt und erste Initiativen ergriffen. In der Sitzung des Unterausschusses „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ im Mai dieses Jahres kamen wir alle dann überein, dass das Ministerium zu gegebener Zeit über die Ergebnisse eines Pilotprojektes unterrichten sollte.
Meine Damen und Herren, nun nehme ich völlig überrascht zur Kenntnis, dass die Große Koalition jetzt plötzlich einen eigenen Antrag dazu vorlegt. Sie war dabei so unfassbar innovativ - wirklich unfassbar innovativ -, dass sie selbst die Überschrift wortgleich von unserem Antrag abschrieb - exakt dasselbe wie wir vor anderthalb Jahren.
Auch inhaltlich haben Sie schlicht alles abgeschrieben. Einziger wirklich nennenswerter Unterschied ist die Tatsache, dass wir die Vergabe von Stipendien fordern, um angehende Mediziner für einen Dienst in Justizvollzugsanstalten zu interessieren; Sie wollen lediglich die Arbeit als Arzt in einer JVA „aktiv … bewerben“. Das ist aber wirklich der einzige Unterschied.
Bei so wenigen Unterschieden fragt man sich - auch Herr Bajus hat das eben getan -, warum sich die Große Koalition in einen längst fahrenden Zug schwingt. Nun, wir haben zwar eine Große Koalition in Niedersachsen, aber die bringt offensichtlich nicht mehr die Souveränität auf, einen Antrag der Opposition, der sich bereits in der Umsetzung durch das Ministerium befindet, zu unterstützen. Das, meine Damen und Herren, ist peinlich. Das ist schlicht und ergreifend peinlich.
Und das ist nicht das erste Mal. Ähnliches haben wir bei dem Antrag zur Bekämpfung krimineller Familienclans erlebt; Ähnliches haben wir bei der Frage der Bekämpfung von Kindesmissbrauch erlebt. Der politische Leerlauf der Großen Koalition, meine Damen und Herren, scheint zuzunehmen.
Aber solange wir auf diese Art und Weise vernünftige Dinge für die Bürgerinnen und Bürger dieses Land erreichen können - auch als Opposition -: Mein Gott, dann nehme ich das hin.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Genthe. - Für die AfD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Christopher Emden das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will mich kurzfassen. Alles Wichtige zu diesem Antrag ist, glaube ich, schon gesagt worden. Wie der Kollege Genthe eben ausgeführt hat, ist das längst in der Diskussion. Insofern weiß auch ich nicht wirklich, wozu es diesen Antrag noch braucht. Ich kann es nicht ganz erkennen.
Richtig ist es natürlich, diese Sache anzugehen. Richtig ist es natürlich - da sind wir uns alle einig, gerade in Anbetracht des zunehmenden Ärztemangels im Justizvollzug -, Telemedizin voranzubringen. Auf diese Weise können Ausführungen reduziert werden, personalintensive Transporte eines Gefangenen von A nach B, um dort eine Untersuchung vornehmen zu lassen, die man genauso gut über Telemedizin abdecken kann. Insofern ist das natürlich ein richtiger Ansatz und ein richtiges Vorgehen.
Einzig - da schließe ich mich meinen Vorrednern Bajus und Genthe an - warum es diesen Antrag jetzt noch geben muss, das habe ich nicht so ganz verstanden. Aber bitte, er wird unsere Unterstützung finden.
Federführend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein, mitberatend der Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Der Antrag wurde einstimmig so überwiesen.
Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Grundwerte der Europäischen Union achten und schützen - für wirksamere Maßnahmen
Für die Einbringung hat sich die Abgeordnete Immacolata Glosemeyer für die SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit großer Sorge blickt man in Deutschland und anderen europäischen Staaten dieser Tage auf Polen. Unser Nachbarland wird von der rechtsnationalen PISPartei regiert, die homo- und intersexuelle Menschen diskriminiert und bedroht. Maßnahmen wie die Ausrufung von sogenannten LGBT-ideologiefreien Zonen oder die Festnahme von 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer LGBT-Demonstration im vergangenen Monat treten die Grundwerte der Europäischen Union mit Füßen und dürfen von uns nicht unbeantwortet bleiben.
Leider ist Polen kein Einzelfall. In Ungarn unter Viktor Orbán und in weiteren EU-Mitgliedsländern wird gegen europäische Grundwerte wie die Pressefreiheit oder eine unabhängige Justiz verstoßen. Deswegen wollen wir heute unseren Entschließungsantrag „Grundwerte der Europäischen Union achten und schützen - für wirksamere Maßnahmen gegen Verstöße“ zur ersten Beratung einbringen.