Protokoll der Sitzung vom 07.10.2020

lässlich, dass der Handel vor Ort endlich wirkungsvolle Unterstützung - da bin ich wieder bei Ihnen - bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen und Logistikkonzepten erhält. Denn vorrangige Aufgabe muss es sein, den Handel vor Ort krisenfester zu gestalten - gerade auch vor dem Hintergrund eines immer stärkeren Onlinehandels.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was wir aber nicht brauchen, sind erneute plumpe Versuche, das Ladenöffnungsgesetz aufzuweichen und den Denkmalschutz zu opfern und mehr Sonntagsöffnungen zuzulassen. Denn die Kaufkraft eines jeden einzelnen Konsumenten - das brauche ich niemandem zu erklären, der sich mit Betriebswirtschaft auskennt - erhöht sich durch zusätzliche Ladenöffnungen nicht.

Lieber Kollege Bode, lassen Sie uns gemeinsam nicht alten Rezepten im neuen sprachlichen Gewand hinterherlaufen! Lassen Sie uns vielmehr die Städte gemeinsam zu neuem Leben erwecken - mit mehr Radverkehr und weniger Auspuffgasen. Dann können wir beide vielleicht auch demnächst beim Italiener - auch wenn er an einer Straße liegt - den Cappuccino besser und entspannter genießen. Und dann hören wir auch viel besser - das hilft ja vielleicht auch politisch weiter -, was der andere gerade sagt, weil es nicht im Autolärm untergeht.

In diesem Sinne freue ich mich auf eine spannende Debatte - hoffentlich mit der Zielvorstellung, dass wir möglicherweise - der Kollege Klein hat es gesagt - doch ein gemeinsames starkes Signal zur Stärkung der Innenstädte aussenden können, auch wenn es im ersten Augenblick schwer erscheint. Darüber würde ich mich persönlich sehr freuen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schulz-Hendel. - Für die CDU-Fraktion liegt uns eine Wortmeldung des Abgeordneten Karl-Heinz Bley vor.

Bevor der Abgeordnete Kollege Bley das Wort erhält, möchte ich die Doppelkopfrunde links von mir bitten, ihre Plätze einzunehmen oder sich einen anderen Raum für die Gespräche zu suchen. - Vielen Dank.

(Jörg Bode [FDP]: Wer hat denn jetzt gewonnen? - Christian Meyer [GRÜ- NE]: Das ist zweimal zwei! Das ist nicht Skat!)

- Doppelkopf funktioniert zu viert.

Herr Kollege Bley, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Gesellschaftliche Bedeutung der Innenstädte stärken“ - ja, das ist ein wichtiges Thema. Aber nicht nur die Stärkung der gesellschaftlichen Bedeutung der Innenstädte, sondern insbesondere auch die Sicherung der Existenz unseres Einzelhandels in den Innenstädten, in den Fußgängerzonen, ist unsere Aufgabe.

Die in der letzten Zeit auf der grünen Wiese entstandenen Outlet-Center, aber auch die immer stärker werdenden Onlinehandelsgeschäfte machen es dem Einzelhandel gerade nicht leicht. Die Folgen sind Leerstand und Kaufkraftverlust in den Innenstädten, aber auch in unseren Gemeinden und Dörfern. Arbeitsplätze und Steuereinnahmen für die Kommunen sind gefährdet. Auch die Wohnraumschaffung ist von großer Bedeutung.

Im Entschließungsantrag der FDP wird die Situation zutreffend beschrieben. Unsere Innenstädte und Ortskerne sind seit Jahrhunderten die zentralen Punkte unseres Zusammenlebens. Handel, Arbeiten, Versorgung, Treffpunkte, Wohnen, Veranstaltungen, Kultur und Sehenswürdigkeiten prägen die Zentren unserer Städte und Gemeinden. Innenstädte sind Orte der Begegnung, des gesellschaftlichen Austausches und der kulturellen Teilhabe. Der Onlinehandel und auch die Zentren auf der grünen Wiese aber finden immer mehr Beliebtheit. Um diesem Wandel wirksam entgegenzutreten, müssen wir alle Akteure einbinden und nach entsprechenden Möglichkeiten suchen.

Die Marktwirtschaft wollen wir mit demokratischen Mitteln erhalten - diktatorische Vorgaben dürfen nicht infrage kommen. Da gilt es, besonnen und mit Sach- und Fachverstand nach Lösungen zu suchen und diese auch zu finden. Ob das im Rahmen eines Runden Tisches erfolgt, wie es im Antrag formuliert wird, oder auf anderen Wegen - beides soll mir recht sein. Ich bin zuversichtlich, dass von unserer Landesregierung die Bedeutung der Innenstädte richtig gesehen und entsprechende politische Hilfestellung gegeben wird. Besonders gefordert sind auch die Kommunalvertreter in den Räten und Verwaltungen, und auch die örtli

chen Handels- und Gewerbevereine sind hier in der Pflicht.

Meine Damen und Herren, wir als Landespolitiker sollten das Modellprogramm „Quartiersinitiative Niedersachsen“ vorantreiben.

Instrumente der Raumordnung, des Planungs- und Baurechts sowie des Ladenöffnungsrechts sollten und dürfen keine Hürden sein, sondern sollten je nach Bedarf angepasst werden.

Die Auflagen bei der Ausrichtung von Märkten - ob Wochen-, Weihnachts- oder Flohmärkte - sollten auf ein Minimum reduziert werden.

Kommunale, aber auch regionale Einzelhandelsentwicklungskonzepte sollten gefördert werden.

Kulturelle Einrichtungen dürfen nicht vernachlässigt werden; sie sind Anziehungspunkte und haben eine Förderung verdient. Ich bin aber dank unseres Kulturministers Björn Thümler zuversichtlich: Das wird passieren und auch gemacht.

Meine Damen und Herren, die verkehrliche Anbindung und die Erreichbarkeit der Innenstädte und Innenstadtbereiche für Verbraucher und Lieferanten müssen - verkehrsträgerübergreifend - im Fokus stehen. Ich persönlich sage: Die Ware muss bis zum Geschäft angeliefert werden können, und der Kunde muss dort auch einkaufen können. Bei uns wollen alle am liebsten sozusagen mit dem Auto ins Geschäft fahren. Die Autofahrer machen den Kofferraum voll, und die Fahrradfahrer und Fußgänger kaufen Kleinigkeiten.

Eine wichtige Möglichkeit zur Verbesserung möchte ich noch aufzeigen: In der Vergangenheit ist es oft dazu gekommen, dass Baustellen, die sicherlich erforderlich sind, den Zugang und die Zuwegung zu Teilbereichen der Innenstadt für Monate oder sogar länger - bis hin zu einem Jahr - versperrt haben. Meistens sind das aber kommunale Baustellen. Frühzeitiges Baustellenmanagement und frühzeitige Ansprache der betroffenen Unternehmen sind hier erforderlich. Da können wir besser werden.

Ob es beim Thema Stärkung der Innenstädte mehr Landesmitteln bedarf, muss beleuchtet werden.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Es wurde ja signalisiert, dass die Möglichkeit besteht, zu einer gemeinsam getragenen Beschlussempfehlung zu kommen. Aber das werden wir bei den Beratungen im Ausschuss sehen.

Danke schön.

Herr Kollege Bley, vielen Dank. - Würden Sie noch einen kurzen Moment am Redepult bleiben? Es gibt eine Kurzintervention des Abgeordneten Detlev Schulz-Hendel nach § 77 der Geschäftsordnung. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Bode, nach der Rede des Kollegen Bley ist mein Optimismus doch wieder etwas gedämpft.

(Jörg Bode [FDP]: Ich rede noch mal mit ihm!)

- Ja, das können wir auch gerne im Ausschuss gemeinsam machen.

Herr Bley, ich glaube, Sie verkennen bestimmte Untersuchungen und Studien. Aber wenn man sagt, dass der Autofahrer am liebsten ins Geschäft fahren und sich den Kofferraum vollpacken würde, dann muss man sich schon einmal damit beschäftigen.

Die belgische Stadt Hasselt hat, seitdem sie autofrei ist, 30 % mehr Besucher als vorher. 30 % mehr Besucher als vorher bedeuten - das muss ich Ihnen nicht erklären, weil Sie ja auch aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich kommen - mehr Konsum, steigende Steuereinnahmen für die Städte und natürlich eine bessere Einkaufsatmosphäre und schönere Flaniermeilen.

Wenn Sie es darauf reduzieren, der Autofahrer fährt vor das Geschäft, am besten rein, packt sich den Kofferraum voll, und der Fahrradfahrer und der Besucher, der mit dem öffentlichen Personennahverkehr kommt, erzeugen keinen Umsatz, dann fordere ich Sie auf: Setzen Sie sich mit Studien auseinander, die genau das Gegenteil belegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Kollege Bley, Sie antworten gerne. 90 Sekunden! Sie haben aber auch noch Restredezeit.

Herr Schulz-Hendel, ich habe in der Tat davon gesprochen, dass unsere Innenstädte erreichbar sein müssen für jeglichen Besucher, sei es für denjenigen, der einkauft, sei es für denjenigen, der

liefert. Ob er mit dem ÖPNV, mit dem Pkw oder mit einem Fahrrad fährt - ihr wollt ja gerne dieses Lastenfahrrad; das kann man natürlich auch benutzen -, ist ganz egal. Wichtig ist: Die Innenstädte sind erreichbar.

Ich habe nicht von Belgien gesprochen, sondern davon, was bei uns jeden Tag erlebt wird. Ich sehe: Die Autofahrer haben einen Einkaufskorb, den sie nicht auf den Gepäckträger ihres Fahrrads umladen können; daher packen sie ihn in den Kofferraum. Das Bild sehe ich jeden Tag.

Wenn ich eine falsche Sichtweise habe, dann habt ihr eben eine andere, Herr Schulz-Hendel. Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass dann viel eingekauft werden kann, wenn man auch die Möglichkeit hat, das nach Hause zu transportieren.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bley. - Jetzt erteile ich das Wort dem fraktionslosen Abgeordneten Stefan Wirtz für zweieinhalb Minuten. Bitte, Herr Abgeordneter Wirtz!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Innenstädte sind in einer Krise, und das nicht erst seit Corona. Am deutlichsten wird das durch die Leerstände, die Sie fast in jeder Stadt beobachten können, die sozusagen eine Innenstadt, eine City hat.

Leerstände sind aber nur das letzte Zeichen. Viel öfter sieht man einen häufigen Wechsel in Ladenzeilen: Läden machen auf und schließen gleich wieder, weil sie sich nicht halten können. Und das hängt nicht davon ab, ob die Innenstadt mit dem Auto oder mit dem Fahrrad erreichbar ist, sondern davon, was die Menschen dort vorfinden wollen.

Die Menschen wollen in den Innenstädten keine Grundversorgung vorfinden. Sie wollen auch nicht nur shoppen - das sage ich, weil bis jetzt immer nur vom Handel gesprochen wurde - und konsumieren. Vielmehr wollen sie in der Innenstadt eine Lebensqualität vorfinden, die ihnen die Entscheidung, überhaupt dorthin zu fahren, leichter macht und die für sie ein Erlebnis ist: nicht unbedingt nur ein gastronomisches Erlebnis oder eine Bühne, die dort aufgebaut ist, sondern ein Ort, an dem sie sich selbst gerne wiederfinden und selbst gerne sehen.

Was die FDP beantragt, sind teilweise alte Ideen. Die Quartiersinitiative war ein Wettbewerb von Städten, ausgetragen in Niedersachsen vor zehn bis 13 Jahren. Daran hat man sicherlich gerne teilgenommen - jetzt soll er wieder aufgelegt werden. Die FDP hat auch einige Redundanzen eingebaut und einiges wiederholt; immerhin sind auch gute Sachen dabei.

Sie müssen bedenken: Die Menschen wollen inzwischen was anderes. Der reine Umsatz wird nicht wiederkommen, auch nach Corona nicht; denn ein erklecklicher Teil davon findet jetzt unwiederbringlich im Internet statt, und das werden die Innenstädte auch nicht zurückholen können.

Was also haben die Innenstädte zu bieten, abgesehen von der Lebensqualität für die Besucher - und sicherlich auch für die Anwohner? Da entstehen natürlich Konflikte. Bespaßung und Kultur bis in die Nacht, aber ab 22 Uhr Nachtruhe - das wird schwierig. Genau darauf stellt die FDP wahrscheinlich ab.

Auch den Konsumzwang, den Sie vorfinden, wenn Sie nicht mal eine Sitzgelegenheit in der Fußgängerzone haben, ohne dass gleich der Kellner kommt und einen Kaffee servieren will, müssen Sie bedenken und dafür sorgen, dass sich der Aufenthalt in unseren Innenstädten wieder lohnt.