Protokoll der Sitzung vom 28.02.2018

Dieser Grundsatz, dass das mildeste Mittel zu wählen ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist zur Regierungszeit von Stephan Weil gemeinsam mit den Grünen umgekehrt worden. Unter der Verantwortung von Stefan Wenzel als Umweltminister hat man eben nicht mehr das mildeste Mittel in den Mittelpunkt gestellt, sondern man hat im Prinzip durch die Erlasse, die für die Umsetzung von Natura 2000 maßgeblich sind, freie Hand gelassen und in den Raum gestellt, dass die schärfsten Mittel, insbesondere das Naturschutzgebiet, zum Zuge kommen sollen, und zwar nicht nur formal.

Wir sehen auch die Entwicklung bei den unteren Naturschutzbehörden, dass diese Gebiete unter Schutz stellen, auf denen zwar formal „Landschaftsschutzgebiet“ steht, bei denen der Sache nach aber Naturschutz drinsteht. Das heißt, man kommt auch bei den Kategorien durcheinander. Am Ende kommen aber strenge Auflagen dabei heraus, die nicht mehr dem mildesten Mittel entsprechen und die nicht zwingend nötig sind, um die Schutzziele und die Schutzzwecke, die mit Natura 2000 verfolgt werden, tatsächlich umzusetzen.

Man hat manchmal den Eindruck, dass der eine oder andere Naturschützer vor Ort und gerade in den unteren Naturschutzbehörden freie Bahn bekommen hat, um sich auszutoben. Das geht zulasten der Eigentümerinnen und Eigentümer. Dadurch verliert man Akzeptanz für den Naturschutz und darf sich nicht wundern, wenn sich die Jäger, die Angler, die Landeigentümer, die Forstwirtschaft und die Landwirtschaft gegen diesen staatlich verordneten Naturschutz wenden, weil das Eigentumsrecht in der letzten Legislaturperiode vielfach mit den Füßen getreten wurde.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu der Forderung nach Aufhebung. Es hieß dann - ich war ja auch mit Kollegen der CDU-Fraktion in entsprechenden Veranstaltungen im Wahlkampf - bei der Umsetzung von Natura 2000 immer, dass der sogenannte Sicherungserlass, lieber Kollege DammannTamke, „weiterentwickelt“ - das war immer das Schlagwort - werden sollte. Ich hatte den Eindruck, dass das in die richtige Richtung gehen soll, dass man das also sehr grundsätzlich anfassen wollte und dass diese auch von den CDU-Kollegen erkannte falsche Richtung umgekehrt werden sollte.

Das findet sich auch durchaus in der Koalitionsvereinbarung der die Landesregierung tragenden Parteien wieder. Wenn ich das mit meinen Worten sagen darf, sind darin durchaus sechs Punkte enthalten: Man will den Umsetzungserlass zu Natura 2000 prüfen. Man will ihn nach Möglichkeit anpassen. Man will die Regelungen in anderen Bundesländern als Prüfmaßstab bzw. als Vorbild nehmen. Man will sich auf die 1:1-Umsetzung konzentrieren, also auf die zwingende Maßgabe beschränken, die nötig ist, um das EU-Recht umzusetzen. Man will den Vertragsnaturschutz in den Vordergrund stellen und erwähnt sogar den Grundschutz in dieser Koalitionsvereinbarung.

Wir erleben aber tatsächlich das Gegenteil, sehr geehrter Herr Minister Lies. Sie haben diese Koalitionsvereinbarung, die in die richtige Richtung geht - sie hätte durchaus weitergehen können -, nicht ernst genommen, sondern Sie, Herr Minister, haben dann sehr schnell festgestellt - damit waren im Prinzip alle sechs Punkte schon erledigt -: Die Prüfung ist abgeschlossen, alles bleibt beim Alten!

Sie kommen auf diese Art und Weise nicht zu einem Naturschutz, der die Akzeptanz, die dringend nötig ist, erhöht, sondern am Ende geht es weiter wie bisher: Zulasten der Eigentümer und zulasten der Naturnutzer wird ohne Rücksicht auf Verluste

an den bestehenden Sicherungserlassen festgehalten. Damit wird Umweltschutz gegen den Menschen betrieben.

Wir schlagen mit unserem Antrag einen anderen Weg vor. Wir wollen damit den Weg dafür bereiten, wieder zu einem Umwelt- und Naturschutz mit Augenmaß zurückzukehren. Dazu soll festgestellt werden, dass eine 1:1-Umsetzung von Natura 2000 nötig ist. Das heißt, das mildeste Mittel ist anzuwenden, anders als es bisher möglich ist.

Man soll weiterhin auch den gesetzlichen Grundschutz vornehmen. Mir ist klar, dass das mit Blick auf die laufenden Verfahren nicht ganz einfach ist. Aber über dieses Mittel muss man reden, um Zeit zu gewinnen, weil wir unter dem Druck der Europäischen Union bzw. der Europäischen Kommission stehen. Ob er immer so hoch ist, wie die Landesregierung behauptet, daran habe ich meine Zweifel. Aber wir nehmen ihn mal hin. Aber durch einen Grundschutz könnte man erst einmal die europäischen Anforderungen erfüllen, um dann in Ruhe zu überlegen, wie man diese Umsetzung in Sachen Naturschutz tatsächlich gestaltet und wie man die Eigentümer mitnehmen kann.

Wir wollen den Vertragsnaturschutz in diesem Rahmen, im Rahmen eines gesetzlichen Grundschutzes in den Vordergrund stellen, der dann viel weitergehend möglich ist, als es bei den bisherigen Regelungen der Fall gewesen ist, und deshalb den Unterschutzstellungserlass aufheben, den Erschwernisausgleich auf Landschaftsschutzgebiete ausweiten und dafür sorgen, dass die Eigentümer bzw. Nutzer bei der Umsetzung von Natura 2000 effektiv einbezogen werden.

Letzter Satz, bitte!

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Damit, meine Damen und Herren, würden Sie eine Grundlage dafür schaffen, dass tatsächlich die Menschen mitgenommen werden und nicht der Naturschutz weiterhin gegen die Interessen von Eigentümern und Nutzern betrieben wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat sich der Kollege Axel Brammer gemeldet.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Natura 2000 gemeinsam mit den Naturnutzern umsetzen“ lautet die Überschrift des Entschließungsantrags der FDP-Fraktion. Bis dahin kann ich diesen Antrag unterstützen; denn Naturschutzbelange sind immer nur mit den Betroffenen vernünftig umsetzbar.

Ansonsten formulieren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, allerdings in dem Antrag das, was Sie bezüglich der Umsetzung von Natura 2000 immer gemacht haben. Sie mauern, obwohl vorgeschlagene FFH-Gebiete binnen sechs Jahren gesichert werden müssen.

Niedersachsen hat der EU-Kommission in mehreren Tranchen von 1998 bis 2006 insgesamt 385 FFH-Gebiete vorgeschlagen. Das bedeutet, das letzte Gebiet hätte bis 2012 gemeldet sein müssen. Seit 2015 läuft deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Herr Dr. Birkner, ich nehme das ernst. Denn wenn wir zahlen müssen, ist es zu spät.

Die FDP-Umweltminister in der damaligen Niedersächsischen Landesregierung

(Christian Grascha [FDP]: Gute Leute!)

von 2003 bis 2012 waren an dieser Entwicklung nicht unbeteiligt.

(Christian Grascha [FDP]: Bis 2013, Herr Kollege! - Gegenruf von Christian Meyer [GRÜNE]: Ein Monat!)

- In diesem halben Monat, Herr Grascha, haben sie ja nichts mehr getan.

(Zuruf von Christian Grascha [FDP])

Bitte Zwischenfragen oder eine Kurzintervention anmelden, aber keine Zwiegespräche über die Pulte!

Deutschland hat 2015 der EU-Kommission zugesichert, die hoheitliche Sicherung endlich bis 2018 umzusetzen. Bis Dezember 2017 waren in Niedersachsen 153 Gebiete gesichert. 232 stehen noch

aus und sollen bis Ende des Jahres gesichert werden. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Und dann kommen Sie mit einem solchen Antrag um die Ecke, der die unteren Naturschutzbehörden vor Ort wie schon oft wieder einmal verunsichert! Das führt wiederum zu Verzögerungen. Am Ende werden die Termine nicht eingehalten. Das wird viel Geld kosten.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie stellen in Ihrem Antrag Forderungen auf, die nicht zielführend sind. Der von Ihnen geforderte Grundschutz wird scheitern. Die einzelnen Regelungen einer Schutzgebietsverordnung müssen gemäß dem Bestimmtheitsgebot hinreichend konkret sein. Mit Blick auf den konkreten Schutzzweck dürfen sie allerdings gemäß dem Übermaßverbot auch nicht unverhältnismäßig sein.

Deshalb wird ein von oben verordneter Grundschutz in einer so unterschiedlichen Landschaft wie in Niedersachsen nicht umsetzbar sein. Er würde entweder aufgrund seiner Unverhältnismäßigkeit bei den Grundeigentümern zu Ärger führen oder, wenn es nicht hinreichend konkret ist, von Brüssel kassiert werden.

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Birkner zu?

Ja, wenn die Zeit angehalten wird.

(Christian Grascha [FDP]: Sie kriegen sogar zusätzliche Zeit!)

Selbstverständlich!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Kollege Brammer, Sie haben gerade ausgeführt, dass der gesetzliche Grundschutz nach Ihrer Auffassung nicht umsetzbar sei. Wie erklären Sie sich dann, dass andere Bundesländer genau diesen Weg gegangen sind?

Ich weiß, es geht um Bayern und Baden-Württemberg. Herr Dr. Birkner, warten wir doch einmal ab, wie die EU-Kommission damit umgeht! Dann werden wir sehen, dass wir hier in Niedersachsen recht damit haben, diesen Weg nicht zu gehen.

Ich fahre fort: Sie fordern erneut Vertragsnaturschutzmaßnahmen in Natura-2000-Gebieten, obwohl Sie seit Langem wissen, dass Vertragsnaturschutz auf EU-Ebene für Natura-2000-Schutzgebietsverordnungen nicht anerkannt wird. Wenn allerdings abschließend die Managementpläne erstellt werden, könnte Vertragsnaturschutz in dem einen oder anderen Fall vielleicht Sinn machen.

Sie fordern, dass der bei Naturschutzgebieten bestehende Erschwernisausgleich auf Landschaftsschutzgebiete ausgeweitet wird. Über den Ausgleich von wirklichen Erschwernissen, insbesondere im Wald, kann man ja durchaus reden. Das darf aber nicht dazu führen, dass derartige Zahlungen eine präjudizierende Wirkung für alle anderen Gebiete entwickeln. Das wäre auch nicht bezahlbar.

Sie fordern, dass die Naturnutzer und Grundeigentümer eng in die Entscheidungen einbezogen werden. Die Ausweisung der Natura-2000-Gebiete durch die unteren Naturschutzbehörden garantiert eine enge Beteiligung der Betroffenen in einem festgelegten Verfahren vor Ort. Sie haben zwischen 2003 und 2012 zumindest die Weichen dafür gestellt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass es insbesondere Ihre Fraktion war, die dafür gesorgt hat, dass seinerzeit die Bezirksregierungen abgeschafft wurden. Sie waren der Meinung, dass die Arbeit sehr gut von den unteren Naturschutzbehörden geleistet werden kann. Und jetzt wollen Sie das Ganze über Grundschutz von oben verordnet regeln? Das kann aus den schon genannten Gründen gar nicht gehen. Ihr Antrag ist überflüssig.

Ich hatte es schon gesagt. Lediglich über die Forderung unter Nr. 5 in Ihrem Antrag können wir reden. Das wird, wenn überhaupt - es geht um die finanzielle Regelung -, nur über die Änderung unseres Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz möglich und finanziell darstellbar sein.

Meine Damen und Herren, Niedersachsen hat noch zehn Monate Zeit, die noch ausstehenden Natura-2000-Gebiete zu sichern. Der Antrag wird voraussichtlich heute in die beteiligten Fachausschüsse überwiesen. Dann wird er frühestens Ende April hier im Plenum beschieden. Zu dem Zeitpunkt sind dann noch acht Monate Zeit, um Natura 2000 umzusetzen.

Wenn wir hier heute den Anschein erwecken, dass wir diesen Antrag ernst nehmen, verunsichern wir nur wieder einmal, ob gewollt oder nicht gewollt,

wie schon oft die Planung vor Ort. Mein Signal an die unteren Naturschutzbehörden ist: Dieser Antrag ist es nicht wert, dass wir im Grunde genommen aufs Spiel setzen, dass Natura 2000 bis Ende des Jahres nicht erledigt ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Brammer. - Für die AfD-Fraktion Herr Stefan Wirtz, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben hier eine EU-Vorgabe zu erfüllen: den Schutz von Lebensraumtypen im Programm Natura 2000. Wie der Name andeutet, ist dieses Programm schon sehr alt. Es besteht schon seit den 90er-Jahren. Wir sind also spät dran. Der Naturschutz ist vorrangig, aber wir haben uns viel Zeit gelassen - in Deutschland und vor allen Dingen in Niedersachsen. Uns drohen jetzt Strafzahlungen, wenn wir diese Umsetzung nicht vornehmen. Wir haben hier eine Umsetzung in nationales Recht vorzunehmen.

Andere Länder, die der Größe nach etwa mit unserem Land vergleichbar sind, wie Polen, Spanien oder auch Frankreich, weisen sicherlich mehr naturbelassene Flächen, naturbelassene Gegenden auf, in denen es auch leichter fällt, geeignete Flächen auszuweisen. Ich denke, wenn im Moment noch Verhandlungen mit der EU laufen, um uns eine gewisse Stundung einzuräumen, ist es durchaus möglich, auf den Unterschied zu anderen Ländern hinzuweisen und darauf hinzuweisen, dass in unserem Land vor allen Dingen Kulturlandschaften und nicht so sehr naturbelassene Räume bestehen. Das ist eine Schwierigkeit, die es uns in der Vergangenheit nicht leicht gemacht hat, diese Vorgaben zu erfüllen. Wie der Herr Kollege von der SPD gerade ausgeführt hat, haben wir nur noch sehr wenig Zeit.

Von der FDP ist angeregt worden, auf Freiwilligkeit und Gemeinsamkeit einzugehen. Es geht darum, überwiegend Waldbesitzern, aber auch anderen Landbesitzern Pflichten auferlegen, die es ihnen nicht mehr möglich machen, ihr Eigentum voll zu nutzen, sondern von ihnen verlangen, Teile ihres Eigentums, ihres Waldbestandes oder Ähnliches unangetastet liegen zu lassen, die somit also einer Nutzung entzogen werden.