Protokoll der Sitzung vom 30.11.2020

(Beifall bei der FDP)

Der weitere Punkt für uns ist die Pandemiefestigkeit von Schulen und Kitas. Da ist sehr bemerkenswert, was sich in den letzten Wochen abgespielt hat. Herr Minister Tonne hat uns in der letzten Plenarsitzung noch erklärt, dass die Schulen pandemiefest seien und dass all das, was wir hier gefordert und diskutiert hatten, total überzogen und nicht notwendig sei. Die Kolleginnen und Kollegen von der CDU haben das ja glücklicherweise anders gesehen. Offensichtlich gab es daraufhin innerkoalitionär noch einmal entsprechende Diskussionen.

Wir begrüßen ja, Herr Minister und auch Herr Minister Althusmann, dass Sie endlich bei der Schülerbeförderung tätig werden. Wir begrüßen, dass Sie sich auch für technische Lösungen öffnen, auch wenn Sie immer noch sagen, dass ihr Einsatz nur im absoluten Ausnahmefall möglich sei. Das alles begrüßen wir.

Aber Herr Ministerpräsident, tun Sie doch nicht so, als ob das jetzt sozusagen Ihre Idee gewesen und das Ergebnis einer vorausschauenden CoronaPolitik gewesen sei! Was sich in der Schule und bei der Schülerbeförderung abspielt und wie man jetzt - hektisch aus unserer Sicht, zum Teil auch mit ungeeigneten Mitteln - versucht, die Pande

miesicherheit herzustellen, ist doch das Ergebnis davon, dass Sie zuvor Fehleinschätzungen unterlegen waren, dass Sie die Zeit seit dem Frühjahr nicht genutzt haben, dass Sie eben nicht die Diskussion und die Argumente, die hier im Landtag aufgekommen sind, aufgegriffen haben, um sich frühzeitig zu überlegen, wie man den Herbst und den Winter in den Schulen so gestalten kann, dass es funktioniert. Das alles haben Sie nicht gemacht!

Der Minister hat das letzte Mal noch gesagt: Das ist doch alles prima, wie es ist! - Dann feierte der Herr Ministerpräsident Herrn Minister Tonne dafür ab, wie toll er die Schulen jetzt pandemiesicher macht! Eigentlich wäre hier mal ein bisschen Selbstkritik angebracht gewesen, mal zu sagen: Wir sind Fehleinschätzungen unterlegen, wir haben die Lehren daraus gezogen. - Das wäre doch eine Politik, die Vertrauen erzeugt. Aber hier immer zu sagen: „Alles, was wir machen, ist super, und es geht gar nicht anders!“, das ist es doch, wovon sich die Realität draußen völlig entfernt. Was in den Schulen passiert ist, ist doch etwas ganz anderes als das, was Sie uns hier versuchen zu erzählen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Deshalb ist die Pandemiefestigkeit von Schulen und Kitas ein wichtiger Punkt. Sie muss auch über den Dezember hinaus gewährleistet werden.

Schließlich ist für uns ein Punkt für eine nachhaltige Corona-Strategie die Legitimation durch Parlamentsentscheidungen. Da ist das - um das deutlich zu sagen -, was wir jetzt erlebt haben, eine deutliche Verbesserung. Wir haben einen Verordnungsentwurf erhalten. Wir haben Begründungen erhalten, sodass man lesen kann, was sich die Landesregierung dabei gedacht hat. Darüber kann man dann debattieren und diskutieren, weil plötzlich Maßstäbe und Kriterien sichtbar werden. Damit kann man den Dialog und den Diskurs befruchten.

Ich habe auch verstanden, dass die Landesregierung aus dem Sozialausschuss durchaus Argumente mitgenommen hat. Da ist etwas in der Verordnung passiert.

Da hat sich schon gezeigt: Parlamentarische Debatte und Befassung machen die Verordnung besser. Das, glaube ich, können wir gemeinsam feststellen. Da sind Punkte verändert worden, die ansonsten zu Verunsicherung geführt hätten, z. B. zum Feuerwerk oder zum Besuch in der Weihnachtszeit. Das ist aufgrund der Debatte im Sozi

alausschuss klargestellt worden. Es bringt also etwas! Insofern geht das in die richtige Richtung.

Frau Modder, Sie haben gefragt: Was ist mit dem, was Sie uns vorgeschlagen haben? - Das ging darum, wie es hier im Parlament aussieht. Mit Verlaub: Was Sie vorgeschlagen haben, führt uns nicht über das hinaus, was wir nach der Geschäftsordnung schon jetzt gestalten können.

Sie sagen, wir würden das nur für das Schaufenster tun. Das ist aber gerade nicht der Fall.

(Wiard Siebels [SPD]: Doch!)

Wie Sie wissen, gibt es einen entsprechenden Gesetzentwurf, der heute im Pandemie-Ausschuss behandelt wird, wobei die Beratung durch eine Sachverständigenanhörung begleitet wird.

Wir meinen nach wie vor, dass es um die entscheidende legitimatorische Wirkung geht und die Legitimation hier im Parlament - und zwar am Ende mit einer Entscheidung dieses Hauses - erfolgen muss. Sie können anderer Auffassung sein. Das alles kann man diskutieren. Aber tun Sie doch nicht so, als hätten wir hier keine qualitativ entscheidend weitergehenden Ideen und Vorschläge als das, was wir nach unserer Geschäftsordnung bei entsprechender Gestaltung ohnehin schon machen können.

(Wiard Siebels [SPD]: Sofortige Ab- stimmung!)

Die Vorschläge sind aus unserer Sicht noch nicht ausreichend, um tatsächlich weiterzukommen.

(Wiard Siebels [SPD]: Sie haben noch nicht auf unsere Vorschläge geant- wortet!)

Wir haben aber den Sonderausschuss zur Aufarbeitung der bisher gewonnenen Erkenntnisse aus der Pandemie, der das diskutieren kann.

Meine Damen und Herren, das sind für uns wichtige Punkte einer Corona-Strategie, die aber in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten leider keinen Widerhall gefunden haben.

Wir als FDP-Fraktion haben entsprechend der Leitlinien, die ich beschrieben habe, Änderungsvorschläge zu der neuen Corona-Verordnung eingebracht. Ich will sie hier kurz vorstellen. Wir werden nachher noch eine Debatte dazu führen. Ich will aber schon jetzt deutlich machen, dass sich unsere Vorschläge in eine nachhaltige CoronaStrategie einfügen. Wir haben sie so formuliert, dass der Landtag hier heute darüber abstimmen

kann. Von den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen wurde immer wieder eingefordert, dass es sich um Vorschläge handeln muss, über die man entscheiden kann. Unsere Vorschläge sind so formuliert, dass konkret darüber entschieden werden kann.

Ich hoffe, dass die Regierungsfraktionen Position beziehen. Das werden sie mit ihrem Abstimmungsverhalten tun müssen.

Der erste Punkt, der für uns wichtig ist und den wir in der Verordnung ändern wollen, betrifft die Begrenzung auf maximal fünf Personen sowohl in der Öffentlichkeit als auch im privaten Bereich. Wir sind der Auffassung - das folgt der Begründung in dem Gesetzentwurf -, dass es für diese Begrenzung keine sachlich nachvollziehbare Begründung gibt. Im Sozialausschuss haben wir darüber diskutiert. An den Chef der Staatskanzlei wurde die Frage nach dem Grund gerichtet. Darauf kam die klare Aussage: Das ist eine gewillkürte Zahl - ausgehend von der Zahl zehn, die man einfach geteilt habe. - Das als Begründung zu nehmen, um im privaten Lebensbereich von fünf auf zehn zu gehen, halten wir für nicht ausreichend. Es ist völlig unklar, welche infektiologische Wirkung man sich davon erhofft. Nach den Kriterien der Nachvollziehbarkeit und der Begründbarkeit ist das nicht tragfähig, und deshalb lehnen wir diese Regelung ab.

(Beifall bei der FDP)

Unsere Argumentation wird durch die Anhebung der Begrenzung auf zehn Personen während der Weihnachtszeit bestärkt. Die Anhebung ist dann in der Abwägung offensichtlich vertretbar. Deshalb halten wir es für richtig, dauerhaft auf „zehn“ zu gehen.

Der zweite Punkt, den wir anmerken, betrifft die Begrenzung im privaten Lebensbereich. Hier wollen wir von einer gesetzlichen Verpflichtung absehen und stattdessen einen klaren gesetzlichen Appell formulieren; aber nicht im Sinne von „das ist zwingend einzuhalten“. Herr Ministerpräsident, Sie müssen doch bei jeder Regelung, die Sie erlassen, damit sie ernst genommen wird, bereit sein, sie auch wirklich durchzusetzen und zu vollziehen.

Heute Morgen habe ich gehört, dass Bundesminister Heil erklärt hat, niemand werde erwarten müssen, dass die Polizei vor der Tür steht. Das heißt doch nichts anderes, als dass er sagt: Diese Vorschrift hat eher appellativen Charakter und wird nicht tatsächlich vollstreckt werden. Wenn dies die

Auffassung der Bundesregierung und des niedersächsischen SPD-Mitglieds Heil ist, dann vermute ich, dass auch die Landesregierung das so sieht; es sei denn, sie will die Regelung tatsächlich vollstrecken. Aber dazu sagen wir: Dort ist die Grenze dessen, was der Staat im privaten Bereich regeln sollte, erreicht. Deshalb lehnen wir eine solche Regelung im Sinne von „sie wird auch durchgesetzt“ ab und wollen es bei der Begrenzung auf zehn Personen im privaten Bereich, in den eigenen vier Wänden, als Appell, aber nicht als durchzusetzende Regelung belassen.

(Beifall bei der FDP)

Der dritte Punkt, meine Damen und Herren, betrifft die Verkaufsflächen, über die wir diskutieren. Sie haben in der neuen Verordnung wieder „800 m²“ herausgekramt. Das kennen wir aus dem Frühjahr, und das war aus unserer Sicht schon damals eine fragwürdige Grenzziehung. Uns erschließt sich nicht, warum bei mehr als 800 m² Verkaufsfläche - bezogen auf die Zahl der Kunden in Verhältnis zur Verkaufsfläche - die Infektionsgefahr größer wird als bei weniger als 800 m².

Wenn man sich nach dem Anlass fragt und in die Begründung schaut, stellt man fest, dass darin sinngemäß steht: Je mehr Menschen in den Läden sind, desto häufiger kommt es zu Kontakten, und in größeren Läden kommt es häufiger zu einer Unterschreitung des Mindestabstandes von 1,5 m. - In größeren Geschäften ist das unserer Auffassung nach aber eher seltener der Fall. Im Übrigen gilt zu Recht, wie wir sagen, in diesen Geschäften die Maskenpflicht. Die tragende Begründung für die Maskenpflicht ist doch: Dort, wo der Abstand unterschritten wird und dies nicht vermieden werden kann, wie etwa im ÖPNV, aber möglicherweise auch in Einzelfällen in Geschäften, die an sich groß genug sind, gilt die Maskenpflicht. -

Wenn es stimmt, dass die Maske schützt, wovon wir weiterhin ausgehen - das ist auch die Grundlage für viele Regelungen der Landesregierung -, gibt es aus unserer Sicht keinen sachlichen Grund für diese Differenzierung. Deswegen lehnen wir sie an dieser Stelle ab.

(Beifall bei der FDP)

Schließlich, meine Damen und Herren, ein vierter Punkt. Gerade im Sinne einer nachhaltigen Strategie muss für von Schließung betroffene Dienstleistungsbetriebe, wie Gastronomie, Hotellerie usw., jetzt eine Perspektive aufgezeigt werden. Auch das ist eine Wiederholung der Diskussion vom

Frühjahr. Man hätte doch erwarten können, dass daraus gelernt wird. Sie können doch nicht sagen, Herr Ministerpräsident: Das Ganze gilt jetzt bis Ende Dezember. - Dann hätten Sie ehrlicherweise sagen müssen, dass noch zwei Wochen abgewartet werden muss, weil erst einmal abgewartet werden muss, was zu Silvester passiert. Sie sagen selbst, dass wir die Zahlen nicht wieder hochkommen lassen dürfen.

Wie sollen sich denn solche Betriebe überhaupt auf eine Wiedereröffnung einstellen? Es gibt gar nichts, woran sie sich festhalten können. Deshalb wollen wir eine Regelung in die Verordnung aufnehmen, wonach solche Betriebe als Ausnahme von der Regel - die Regel ist die Schließung, die Ausnahme die Öffnung - wieder öffnen dürfen und öffnen können, wenn sie behördlich bestätigte Hygienekonzepte vorlegen können. Die Bestätigung muss nicht unbedingt das Gesundheitsamt erteilen. Das können auch Beliehene - das kennen wir auch in anderen Bereichen -, etwa der TÜV, machen. Ein solches Hygienekonzept muss auch die Nachverfolgbarkeit gewährleisten.

Zu diesem Punkt führen Sie in der Begründung, weshalb die Betriebe geschlossen bleiben, aus: Es gibt keinen Nachweis, dass solche Betriebe zu einem höheren Infektionsgeschehen beitragen. Aber da die Nachverfolgbarkeit ein Problem ist, müssen diese Betriebe jetzt dran glauben. - Das ist, kurz gesagt, Ihre Begründung. Dort setzen wir an und sagen: Das Hygienekonzept muss auch den Aspekt der Nachverfolgbarkeit mit einbeziehen. Wenn Unternehmerinnen und Unternehmer eine solche verlässliche Grundlage haben, können sie sich daran orientieren. Genau das wollen wir damit bewirken: Mehr Verlässlichkeit und Perspektive im Sinne einer nachhaltigen Strategie.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN - Glocke der Präsi- dentin)

- Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Aus unserer Sicht ist es notwendig, tatsächlich Perspektiven zu eröffnen und eine nachhaltige Strategie zu entwickeln und nicht wieder den Fehler zu begehen, den man im Frühjahr gemacht hat, indem man die Zeit hat ungenutzt verstreichen lassen. Man muss doch jetzt sozusagen mit allem, was man zur Verfügung hat, vorausdenken und versuchen, Leitplanken aufzuzeigen, damit das kein Dauerlockdown wird -

Jetzt ein letzter Satz, Herr Dr. Birkner!

- sondern tatsächlich eine Perspektive vorhanden ist.

Vielen Dank, Frau Präsidentin und meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank Herr Dr. Birkner. - Wir nehmen einen Wechsel der Sitzungsleitung vor. Danach geht es gleich weiter.

(Vizepräsident Bernd Busemann über- nimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weiter geht’s! Zu Wort gemeldet hat sich nun der Vorsitzende der CDU-Fraktion. Herr Kollege Toepffer, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)