Großteil der Menschen in diesem Lande lebt Eigenverantwortung. Viele halten sich allerdings nicht an die Regeln.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie ungerechtfertigt und ohne einen konkreten Gegenvorschlag Regeln auf diese Art und Weise infrage stellen, dann müssen Sie sich einmal überlegen, wen Sie damit stärken: diejenigen, die die Eigenverantwortung wahrnehmen, oder diejenigen, die sie für sich verneinen?
Hier ist mehrfach Christian Lindner genannt worden. Ich habe einmal nachgelesen, was er ganz genau gesagt hat. Er hat gesagt:
„Unsere nationale Kraftanstrengung muss sich wesentlich stärker konzentrieren auf den umfassenden Schutz der Menschen mit Vorerkrankung und der älteren Menschen.“
Das kann man so und so verstehen. Ich will Ihnen einmal sagen, wie der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Herr Professor Janssens, diese Aussage kommentiert hat. Er hat sie in Grund und Boden geredet, nachzuhören auf NDR 1 im Podcast, 12.49 Uhr, letzte Woche:
„Wenn man dem Herrn Lindner folgen wollte, sollte man Weihnachten verbieten, weil da nämlich beide Gruppen durcheinandergemischt werden.“
Und im Hinblick auf die letzte Debatte im Deutschen Bundestag zum Thema Corona hat Herr Professor Janssens sinngemäß gesagt: Die Beiträge einzelner Fraktionen seien ein Schlag ins Gesicht all derjenigen gewesen, die sich derzeit im Krankenhausbereich um die Aufrechterhaltung der Intensivmedizin bemühten.
Abschließend noch etwas zur Frage der Parlamentsbeteiligung. Ich habe es schon gesagt: Wir haben Ihnen ein Angebot vorgelegt, auf das Sie nicht reagieren, weil es für Sie offensichtlich - aus welchen Gründen auch immer - schöner ist, hier immer wieder zu mahnen und den Eindruck zu erwecken, das Parlament solle nicht beteiligt werden.
Hören Sie bitte damit auf! Und vermeiden Sie bitte, den Eindruck zu erwecken, die Funktionalität unseres parlamentarischen Systems wäre in dieser Krise in irgendeiner Weise beeinträchtigt. Denn das ist sie nicht!
- Frau Staudte, lesen Sie sich bitte einmal die Gutachten durch, die im Sonderausschuss Pandemie vorgelegt worden sind! Sie besagen allesamt: So, wie wir es machen, ist es im Prinzip richtig.
(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das stimmt doch gar nicht! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist unseriös! Das steht da nun wirklich nicht drin! Wir können das gern hier vortragen!)
(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Andere mit irgendwelchen Vorwürfen überschüt- ten, aber sich selbst nicht an die Maßstäbe halten! - Gegenruf von Wi- ard Siebels [SPD]: Das sagt der Rich- tige!)
Herr Birkner, ich werde das an dieser Stelle nicht so mit Ihnen fortführen. Wir können uns das gern beide zusammen angucken, dann werde ich Ihnen zeigen, auf welche Sätze dort ich mich beziehe. Ich habe mir das eben mit Herrn Nacke sehr genau angeguckt.
Sie sollten jedenfalls damit aufhören, den Eindruck zu erwecken, dass die Funktionalität des parlamentarischen Systems in irgendeiner Weise gefährdet sei.
Alles, was hier geschieht, geschieht nach Recht und Gesetz. Wenn Sie der Meinung sind, dass diese Regierung nicht in der Lage ist, in der jetzigen Pandemie die richtigen Schritte zu ergreifen,
dann hätten Sie jederzeit die Möglichkeit und ausreichend parlamentarische Mittel, das zu verhindern. Dann sammeln Sie Stimmen für ein Misstrauensvotum gegen diesen Ministerpräsidenten! Sie werden schon das dafür erforderliche Drittel nicht erreichen und erst recht nicht eine Mehrheit dafür.
Wir sind der Meinung, dass diese Regierung in dieser Situation die richtigen Schritte unternommen hat, um der Pandemie zu begegnen. Das ist hier die Mehrheitsmeinung. Damit müssen Sie leider leben. Auch das ist Parlamentarismus.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Toepffer. - Von Herrn Dr. Birkner gibt es den Wunsch auf eine Kurzintervention. Sie haben 90 Sekunden. Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Toepffer, wir stellen überhaupt nicht infrage, dass es nach Recht und Gesetz gegangen ist. Wenn Sie versuchen, unsere Kritik damit zu diskreditieren, dass wir irgendjemandem rechtswidriges Verhalten vorwerfen würden, dann geht das voll an der Debatte vorbei. Das war nie Gegenstand unserer Kritik.
Unsere Kritik ist, dass Sie durch Ihre bisher von Ihnen und Ihren Fraktionen unterstützten Verfahren überhaupt nicht versuchen, das, was eine parlamentarische Debatte leisten kann, zu aktivieren.
Das Parlament kann als Ort des Diskurses und der Darstellung der unterschiedlichen Meinungen auch in Pandemiezeiten zur Legitimität von solchen Entscheidungen beitragen. Diese Legitimität von Entscheidungen wird insbesondere dann in extremem Maße herbeigeführt, wenn der Landtag auch darüber entscheidet - und zwar tatsächlich darüber entscheidet.
Wenn Sie die Gutachten nehmen und mir drei, vier Sätze heraussuchen, durch die Sie Ihre Haltung bestätigt sehen, könnte ich Ihnen gleich drei, vier Sätze heraussuchen, die eine sehr differenzierte Haltung zeigen. Sie können das gern machen, aber ich glaube nicht, dass uns das jetzt in der Debatte weiterführt. Das können wir auch heute im Pandemie-Ausschuss machen.
Das Entscheidende ist doch, dass wir dahin wollen, dass dieser Landtag durch echte Entscheidungen Verantwortung übernimmt. Verantwortungsübernahme ist etwas anderes, als dass man „nur“ - ich will das nicht kleinreden, aber es ist weniger - parlamentarisch berät. Wenn die Landesregierung weiß, dass Sie Ihre Zustimmung braucht, hat das ganz andere Vorwirkungen für Ihre Fraktion.
Sie aber spielen in dem Diskurs eine ganz andere Rolle. Ich glaube, dass Sie diese Verantwortung gar nicht übernehmen wollen. Das scheint mir der eigentliche Streitpunkt zu sein. Da weichen Sie aus.
Wir meinen, da müssen Sie eigentlich hin, und dann würde diese Integrationsleistung, die ein Parlament leisten kann, tatsächlich erreicht werden.
Herr Präsident, jetzt muss ich einen Großteil der 90 Sekunden darauf verwenden, ein Missverständnis auszuräumen. Ich habe zwar mal mit einer Dissertation begonnen, sie aber nie zu Ende geführt. Deshalb dürfen Sie mir den Doktortitel nicht zuerkennen. Heute bin ich übrigens manchmal froh, dass ich keinen habe - so muss ich ihn nicht verteidigen.
Im Übrigen, lieber Herr Dr. Birkner, bin ich Ihnen dankbar, dass wir jetzt konstatieren, dass in diesem Gutachten Sätze drinstehen, die man so oder so interpretieren kann. Ich glaube, da haben wir beide rechtzeitig die Kurve gekriegt.
Ich will aber einen Punkt aufgreifen, und das ist die Frage die Verantwortung. Ich kann Ihnen eines sagen: Diese Verantwortung wiegt verdammt schwer.
Wir beide haben ein persönliches Gespräch geführt. Weil es richtig war, was Sie mir gesagt haben, erlaube ich mir mit Ihrem Einverständnis, daraus zu berichten. Sie haben gesagt: Eigentlich müsste doch die Versuchung groß sein, diese Verantwortung auf noch viel mehr Schultern zu verteilen. - Ich weiß nicht, ob das möglich ist. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Die Abgeordneten auf der rechten und der linken Seite dieses Hauses nehmen kollektiv mit dieser Regierung die Verantwortung für das wahr, was in dieser CoronaVerordnung steht. Es fällt jedem von uns schwer, in den Wahlkreisen zu erklären, was in dieser Verordnung steht, aber wir werden das auch weiter tun, und wir werden uns dem nicht entziehen, indem wir versuchen, die Verantwortung zu verlagern. Wir sind gewählt worden, um diese Verantwortung zu tragen, und wir werden das auch weiterhin verantwortlich tun.
Meine Damen und Herren, es liegen noch Wortmeldungen diverser fraktionsloser Kollegen vor, insgesamt - nach jetziger Zwischenbilanz - sieben an der Zahl. Wie wir eingangs bereits festgestellt haben, haben die fraktionslosen Kollegen eineinhalb Minuten Redezeit.