Protokoll der Sitzung vom 08.12.2020

Wir finanzieren mit dem Haushaltsbegleitgesetz weitere Krankenhausinvestitionen gemeinsam mit dem Bund.

Wir schaffen mit dem Haushaltsbegleitgesetz und der darin vorgesehenen Änderung des Kommunalwahlgesetzes die Möglichkeit dafür, dass, sollte es mit der Corona-Pandemie im Jahr 2021 noch so weitergehen, die Kandidatenaufstellungen für die Kommunalwahl und die Bundestagswahl auch unter anderen Bedingungen stattfinden können, z. B. online oder per Briefwahl.

Und schließlich - dieser Punkt ist meiner Fraktion ganz besonders wichtig, und ich denke, das wird nachher bei der Beratung des Sozialhaushaltes auch noch diskutiert - erhöhen wir das Landesblindengeld für Menschen mit einer Sehbehinderung von 375 Euro auf 410 Euro. Ich denke, das ist auch ein wichtiges Zeichen in Corona-Zeiten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun noch ganz kurz auf die Redebeiträge der Fraktionsvorsitzenden der Grünen und der FDP eingehen.

Die Grünen werfen der Koalition Rechentrickserei vor. Sehr geehrte Frau Hamburg, das haben Sie vorhin so formuliert. Aber bei diesem Haushalt 2021 würde ich an Ihrer Stelle nicht von Rechentrickserei sprechen. Wir haben nämlich sehr transparent dargelegt, was wir ausgeben wollen und wie wir die Einnahmen sicherstellen wollen. Ihre eigenen Vorschläge hingegen sehe ich schon ein wenig näher an einer Rechentrickserei: Sie reden zwar über einen Fonds, aber nicht darüber, wie die Bedingungen der Anleihen für einen solchen Fonds aussehen sollen und wie die Ausgaben, die Konzessionen für entsprechende Einnahmen im Rahmen dieses Fonds geregelt sein sollen. Und Sie haben auch keine Aussagen zur Abdeckung von Risiken dieses Fonds getroffen, bei denen das Land ja auch immer im Obligo wäre.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sprechen Sie mit uns, dann legen wir das fest!)

Ich finde, Sie müssen in der Diskussion zum Niedersachsenfonds, dem wir, wie hier schon deutlich geworden ist, durchaus positiv gegenüberstehen, schon ein bisschen konkreter werden.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Gern! An uns scheitert es nicht, Frau Heili- genstadt!)

Interessant ist auch, dass Sie behaupten, wir hätten kein Geld für Kommunen zur Verfügung gestellt. Dazu sage ich nur: Finanzausgleich aufgestockt, die Finanzhilfe für die Krippen und Kitas auf 58 % erhöht - das macht 50 Millionen Euro aus -, Unterstützung beim ÖPNV mit 30 Millionen Euro, 31 Millionen und 15 Millionen Euro für den Kita- und Krippenausbau; ich könnte die Aufzählung auch noch erweitern. Vor dem Hintergrund zu sagen, wir hätten den Kommunen kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt - meine sehr verehrten Damen und Herren, ein bisschen mehr Redlichkeit bei der Haushaltsrede hätte ich mir schon gewünscht!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die FDP fordert, wir sollen Prioritäten setzen. Es ist schon interessant, sehr geehrter Herr Birkner, dass Sie im Rahmen Ihrer eigenen Prioritätensetzung in Ihrem Haushaltsantrag mehr Geld ausgeben, obwohl Sie immer fordern, wir müssten mehr sparen.

(Christian Grascha [FDP]: Wir sparen an der richtigen Stelle! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wir setzen Schwer- punkte!)

Sie wollen z. B. 50 Millionen Euro für die Straßenausbaubeiträge ausgeben. Allerdings führen Sie als Einsparmaßnahme immer nur die 100 Stellen an.

(Christian Grascha [FDP]: Unsere Haushaltsänderungsanträge sind schon ausgeglichen, Frau Kollegin!)

100 Stellen entsprechen 5 Millionen Euro. Damit können Sie nicht ganz so viel finanzieren. Das heißt, Sie wollen die Straßenausbaubeiträge tatsächlich zusätzlich im Haushalt verankern. Da sage ich nur: Auch mit 50 Millionen kommen Sie da in Niedersachsen nicht aus.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das wird dann schon ein bisschen problematisch werden. Gucken Sie nach Bayern! Das ist ein Desaster geworden. Insofern ist auch Ihr Änderungsantrag mehr Schein als Sein.

Aber dann, wenn Sie die 500 Millionen Euro aus dem Corona-Sondervermögen für weitere Ausgaben z. B. im Bereich der Bildung einbuchen, sagen Sie: Wir müssen ja damit umgehen, wie uns der Haushalt vorgelegt wird.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Birkner, es ist tatsächlich so: Wir haben die Möglichkeit, den Teil der 500 Millionen Euro, der jetzt nicht für Corona-Ausgaben eingesetzt werden muss, nicht auszugeben und dafür auch keine Kredite aufnehmen zu müssen. Sie hingegen buchen sie gleich in Ihren Haushalt ein -

Frau Kollegin, letzter Satz, bitte!

- und geben jede Menge Geld aus.

Ich hätte jetzt gern noch etwas dazu gesagt, wie viele Polizeistellen wir haben. Wir haben nämlich faktisch einen Aufwuchs der Polizeistellen.

Das glauben wir Ihnen gern, aber Sie sind deutlich über der Zeit.

Ich habe Ihnen eine extra eine Kurve dazu mitgebracht. Die darf ich nicht mehr zeigen, aber vielleicht macht jemand noch eine Kurzintervention.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Heiligenstadt. So ist das mit Kurzinterventionen: Wenn man sie haben will, kriegt man sie nicht.

Wenn ich die Wortmeldungen hier richtig sortiert habe, ist der nächste Redner der Kollege Stefan Wenzel für Bündnis 90/Die Grünen. Herr Wenzel, bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den Niedersachsen-Monitor des Landesamtes für

Statistik anguckt - der wirft normalerweise einen Blick zurück, aber zeigt diesmal auch ein paar aktuelle Zahlen aus dem laufenden Haushaltsjahr -, dann sieht man, dass die Wirtschaftskraft des Landes erheblich zurückgegangen ist, sogar stärker als in der Bundesrepublik insgesamt. Die Arbeitslosenzahlen sind um 20 % angestiegen. Das ist noch vergleichsweise moderat und hängt damit zusammen, dass der größte Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kurzarbeit gegangen ist. Dort ist der Anstieg ganz gewaltig, und ganz viele Menschen sind von einem deutlich verringerten Einkommen betroffen.

Mehr als ein Sechstel der Menschen in Niedersachsen sind armutsgefährdet. Das sind 1,26 Millionen Menschen. Das ist eine gewaltige Zahl. Und auch der Anteil der Kinder ohne Schulabschluss ist auf 6,4 % gestiegen. Das ist nach langer Zeit mal wieder ein Anstieg. Das ist natürlich eine viel zu hohe Zahl. Man muss sich vorstellen, welche Arbeit, welchen Beruf man wählen kann, wenn man keinen Schulabschluss hat. Das ist in unserem Land sehr schwer.

Der überdurchschnittliche Rückgang bei der Wirtschaftskraft hängt möglicherweise auch mit dem sehr fossillastigen Geschäftsmodell vieler großer Konzerne in Niedersachsen zusammen. Das muss man einmal sehr ernsthaft aussprechen.

Meine Damen und Herren, wichtig ist auch, zu sehen, was der Landesrechnungshof uns im Kommunalbericht aufgeschrieben hat. Dort heißt es: Die Kommunen können die Eigenmittel zur Finanzierung dringend notwendiger Investitionen voraussichtlich nicht mehr selbst erwirtschaften und müssen teilweise Kredite aufnehmen, um Liquidität sicherzustellen. - Das ist der schlechteste Kredit, den man aufnehmen kann. Bei einem Investitionskredit hat man wenigstens einen Gegenwert. - Weiter heißt es: Insoweit dürfte ein sprunghafter Anstieg der Verschuldung mit sich daraus ergebenden hohen Tilgungsverpflichtungen unvermeidbar sein.

Meine Damen und Herren, Kommunen und Land sind in unseren Haushalten eine Einheit. Die Kommunen leisten im Bereich der Daseinsvorsorge Gewaltiges. Sie alle kennen das; viele von Ihnen sind selbst Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Und die Steuerschätzung ist auch nicht rosig. Danach werden die kommenden Jahre härter, als zunächst erwartet.

Neben Corona gibt es aber noch eine zweite große Herausforderung: der Klimawandel. Und der erfordert wirklich konsequentes, langfristiges, weitsichtiges Handeln. Allein die Anpassung an die Folgen des Klimawandels, die heute schon erkennbar sind, schlägt sich mittlerweile mit einem hohen dreistelligen Millionenbetrag in unserem Haushalt nieder - und damit haben wir noch nichts zur Abwendung des Klimawandels getan.

Ich erinnere an die Lage im Forst. Die Fichten sind großflächig abgestorben. Die Laubbäume waren schon im letzten Jahr zu mehr als 27 % geschädigt, und auch das laufende Jahr war ganz gewaltig, was die Wirkung angeht. Der Beregnungsbedarf in der Landwirtschaft steigt massiv an. Die Anforderungen an den Küstenschutz wachsen - da kommen Summen auf uns zu, dass einem angst und bange wird -, und die Wasserversorgung will ebenfalls langfristig für die Zukunft gesichert werden.

Dies alles sind sehr existenzielle Punkte.

Es besteht auch Anpassungsbedarf bei der Infrastruktur. Wir haben etwa 2 800 Schulen und viele Krankenhäuser. Das Ministerium kann uns nicht sagen, wie groß dort der Bauerhaltungsbedarf ist, aber wir wissen, dass 1 000 Bauwerke der Hochschulen, etwa 660 Bauwerke der Polizei, etwa 300 Bauwerke, die von Gerichten und Finanzämtern genutzt werden, also etwa 50 bis 60 % der Bauwerke, einen Rückstand bei der Bauunterhaltung haben. Dafür liegen sogenannte Baubedarfsnachweise vor, dort besteht also realer Handlungsbedarf.

Hinzu kommen die Themen Klima- und Enkeltauglichkeit, die energetische Sanierung der Bausubstanz und die Digitalisierung. Unsere Hochschulen, unseren Schulen müssen künftig ganz andere Anforderungen erfüllen, um unseren Kindern, unseren Jugendlichen und unseren jungen Erwachsenen bestmögliche Bildung zu gewährleisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Daher, meine Damen und Herren, haben wir gesagt: Wir wollen in dieser Situation investieren, wir wollen kein Strohfeuer, sondern mit langem Blick nach vorn einen Plan über mehrere Jahre, Investitionen in Substanz, in Infrastruktur, also werthaltige, aktivierbare Investitionen, die auch einen Gegenwert haben.

Wir wollen die Kommunen unterstützen. Sie haben nämlich die große Bausubstanz im Bereich der Schulen und der Kindergärten und müssen teilwei

se auch noch Kapazitäten aufbauen. Und wir haben im Moment beispiellos niedrige Zinsen. Wann, wenn nicht jetzt, können wir diese Chance ergreifen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen bin ich dankbar, dass hier im Haus eine Diskussion über die Frage begonnen hat, wie man das schafft. Es gibt aus dem gewerkschaftlichen Bereich, aus dem verbandlichen Bereich eine ganze Menge positive Stimmen in diese Richtung. Die Kollegin Heiligenstadt und andere Kollegen setzen sich mit diesen Themen sehr intensiv und auch teilweise mit positiven, unterstützenden Botschaften auseinander. Und auch aus Ihren Reihen, Herr Toepffer, höre ich - auch im Bund - sowohl Kontra- als auch nachdenkliche Stimmen, die es wert erscheinen lassen, vertieft hierüber zu diskutieren.

Damit stützen wir auch die Konjunktur; denn es ist richtig, dass wir andere Bereiche nicht auf Teufel komm raus werden retten können. Manches geht verloren, auch wenn wir an vielen Stellen versuchen, zu helfen, wo es möglich ist.

Meine Damen und Herren, auch mit Ihren Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sollten wir reden, um zu sehen, wie wir die Kommunen langfristig so erhalten können, dass sie ihre wichtige Aufgabe im Bereich der Daseinsvorsorge wahrnehmen können.

Deswegen liegt mir auch so ein Thema wie das der TUI ein bisschen quer, wenn man einfach sagt: „Okay, noch eine dritte Hilfe.“ Ich weiß, was ein Mittelständler zu hören bekam, der in den letzten Monaten zur Sparkasse gegangen ist und gesagt hat: „Ich brauche einen Überbrückungskredit. Ich habe ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell, aber im Moment kommt keine Kundin und kein Kunde.“

Jetzt ist hier ein Konzern, der großen Investoren gehört, die - ich sage es einmal vorsichtig - nicht alle in Deutschland ansässig sind, die also auch andere Adressaten ansprechen könnten, der zum dritten Mal sagt, er braucht frisches Geld in Milliardenhöhe. Von August bis Dezember hat er ein Defizit von ungefähr 700 Millionen Euro pro Monat - pro Monat! - zu verzeichnen gehabt. Das heißt, die 1,8 Milliarden Euro reichen für zehn Wochen.