Protokoll der Sitzung vom 10.12.2020

natürlich möglich - gegenüber den Lieferantinnen und Lieferanten, aber natürlich auch gegenüber den Kunden. Zumindest ist es auffällig, dass die Vergleichswarenkörbe fast bis auf den Cent gleiche Preise aufweisen.

Es geht letztendlich aber nicht nur um den LEH, es geht auch um die weiterverarbeitenden Betriebe. Deswegen wird ja auch vor den Molkereien und den Schlachtbetrieben demonstriert. Auch in dem Bereich - gerade bei der Milch - haben wir eine Art von Monopolstruktur. Der Milchviehhalter hat ja häufig nur eine Molkerei, die vor Ort bei ihm noch den Schlenker fährt und die Milch abholt. Das ist eine Situation, in die schon sehr lange hätte eingegriffen werden müssen. Das sagt auch das Bundeskartellamt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Ursachen für niedrige Erzeugerpreise sind aber noch deutlich vielfältiger. Wir alle wissen ja: Der Preis wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Wenn man ein Überangebot hat, dann sinkt natürlich auch der Preis. Das Thema Lebensmittelverschwendung ist eigentlich auch ein Indikator dafür, dass wir Überkapazitäten haben. Diese Überkapazitäten müssen geordnet abgebaut werden. Wir können nicht warten und sagen: Da werden schon ein paar aufgeben. - Es muss darum gehen, dass gemeinsam Produktionskapazitäten abgebaut werden, sei es nun bei der Milch oder auch im Schweinemarkt.

Wir haben die EU-Subventionen, die natürlich auch immer zu dieser Abwärtsspirale beitragen. Sie haben letztendlich dazu geführt, dass Herstellungspreis und Verkaufspreis derart entkoppelt werden konnten. Wir wollen die Direktzahlungen nicht von heute auf morgen stoppen, aber es muss einen Ausstiegsplan geben. Landwirtinnen und Landwirte wollen gewinnbringende Preise statt Staatshilfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Grünen sprechen immer wieder das Thema Weltmarktorientierung an, niedriges Preisniveau und die Exporteinbrüche, mit denen wir immer wieder konfrontiert sind. Das ist absehbar, das muss man kommen sehen, und deswegen müssen wir davon wegkommen.

Verderbliche Ware: Im ganzen Bereich der Landwirtschaft ist das natürlich auch immer eine Problematik. Es gibt kaum Lagerkapazitäten. Allein deswegen ist die Position der Erzeugerinnen und Erzeuger immer sehr viel schwieriger. In der

Landwirtschaft wird seit vielen Jahrzehnten auf Abrieb gearbeitet, sowohl körperlich als auch psychisch. Es wird dann einfach mehr gearbeitet, Familienmitglieder arbeiten umsonst mit. Die Investitionen - Reparatur des kaputten Dachs - lässt man noch einmal zehn Jahre liegen. Das alles muss aber ein Ende haben. Ich glaube, da müssen auch Sie von der CDU wirklich umdenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt jetzt jede Menge kurzfristiger Maßnahmen. Von der AbL sind Erzeugerfairpreisaufschläge gefordert worden. Die Tierwohl-Abgabe im nächsten Jahr muss wirklich kommen, und zwar für alle Tierarten. Und wir brauchen ein Verbot von Billigpreiswerbung und Rabattschlachten. Wir Grünen finden auch einen Mindestpreis für Fleisch sinnvoll. Es ist gut, dass Frau Klöckner unlautere Handelspraktiken verbieten will, also kurzfristige Stornierungen, den Rückversand nicht verkaufter Ware, verspätete Zahlungen, dieses berühmte Auslisten etc.

Sie bezieht sich immer nur auf die Situation „Lieferanten - Lebensmitteleinzelhandel“. Es muss aber vor allem auch um das verarbeitende Gewerbe gehen. Es darf nicht außen vor gelassen werden. Deswegen muss der Gesetzentwurf an dieser Stelle - auch bei den Kontrollen und Sanktionen - wirklich verschärft werden. Da zählen wir auf diese Landesregierung. Wir erwarten hierzu Antworten.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Für die CDUFraktion liegt uns zu diesem Tagesordnungspunkt eine Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Marco Mohrmann vor.

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Herr Mohrmann!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer sich mit Agrarmärkten beschäftigt, dem ist Dr. Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer hier in Niedersachsen ein Begriff. Ich habe mich von ihm mit interessanten Zahlen versorgen lassen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Im Vergleich zur 48. Kalenderwoche ein Jahr zuvor, nämlich des Jahres 2019 - - -

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Prä- sidentin)

Herr Dr. Mohrmann, warten Sie bitte ganz kurz!

Ich glaube, diejenigen, die gerade durch den Plenarsaal wandern bzw. Grüppchenbildung betreiben, haben es verstanden: Wir setzen die Debatte erst fort, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist.

(Susanne Menge [GRÜNE]: Hier hat sich eine Glasabtrennung gelöst, Frau Präsidentin!)

- Dass das passiert ist, konnten wir von hier oben nicht sehen. Gestern Abend hatten wir hier schon Probleme. Der Saaldienst wird die Haustechniker informieren. Herr Kollege Bajus, suchen Sie sich bitte einen anderen, einen sicheren Platz, damit nichts passiert. Wir konnten das nicht sehen, wissen aber um die Problematik. Wir bitten die Haustechniker, das Problem zu beheben.

Bitte, Herr Dr. Mohrmann!

Vielen Dank.

Verehrte Damen und Herren, in den zurückliegenden zwölf Monaten sind die Preise für Kälber um fast 50 % gesunken, für Ferkel um, sage und schreibe, 67 %. Für 1 kg Schweinefleisch gab es letztes Jahr 2 Euro für den Landwirt. Dieses Jahr sind es 1,19 Euro. Das sind Preisrückgänge um mehr als 40 %. Für die Milch gab es, bei ohnehin schon viel zu niedrigem Niveau, noch einmal 2,6 % weniger.

Um das deutlich zu machen: Jedem Ferkel, das den Stall verlässt, bindet man zurzeit aktiv Geld ans Ringelschwänzchen.

Für die Milchbauern sind die Milchpreise schon seit Jahren nicht auskömmlich. An erträgliche Stundenlöhne ist überhaupt nicht zu denken. Ebenso ist jetzt übrigens auch in der Geflügelerzeugung die Luft raus. Auch hier können die Kosten trotz eines niedrigeren Selbstversorgungsgrads als 100 % nicht gedeckt werden.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Alles in Ih- rer Regierungszeit!)

Meine Damen und Herren, in dem gleichen Betrachtungszeitraum, also in den vergangenen zwölf

Monaten, ist es dem Lebensmitteleinzelhandel dabei allerdings gelungen, die Marktspanne, also die Differenz zwischen Ein- und Verkauf, kräftig beim Rindfleisch und exorbitant beim Schweinefleisch zu steigern. In seiner Marktmacht gelingt es dem Lebensmitteleinzelhandel trotz deutlich sinkender Erzeugerpreise für die Bauern, die Preise für die Verbraucher kräftig hochzuziehen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Und was tun Sie dagegen?)

Gleichzeitig ist diese Lage für die Landwirtsfamilien existenzbedrohend. Es ist die blanke Not, die die Landwirtsfamilien jetzt mit den Schleppern auf die Straßen und auch vor die Zentralläger des Handels treibt.

Damit mich hier niemand falsch versteht: Mir sind die Mechanismen des Marktes sehr wohl geläufig. Aber zur Lenkungswirkung des Marktes gehören eben auch wettbewerbsfähige Strukturen, und zwar auf beiden Seiten. Was hier vor sich geht, meine Damen und Herren, zeigt uns deutlich auf, dass wir Handlungsbedarf haben. Uns gehen die landwirtschaftlichen Betriebe in den letzten Wochen und Monaten in die Knie. Das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind die gleichen Betriebe, denen wir auch in diesem Plenarsaal mehrfach in der Pandemie zugerufen haben, dass sie systemrelevant sind.

Jetzt muss mehr Geld auf die Höfe! Wenn es nicht schnell kluge Lösungen gibt, dürfen wir uns nicht wundern, was das mit unseren ländlichen Räumen machen wird, was das mit den vor- und nachgelagerten Bereichen, mit den vielen Menschen in den Dörfern machen wird, die dort bislang noch in Lohn und Brot stehen. Das sind z. B. die Lohnunternehmer, die Landhändler und die Genossenschaften. Aus vielen Gesprächen vor Ort - ich komme selber aus der Szene - weiß ich, dass viele Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können. Tilgungen werden bei den Banken ausgesetzt und dergleichen mehr.

Frau Staudte, ich will Ihnen auch deutlich sagen: Für ideologisch geprägte Agrarwendefantasien der Grünen - Markt aushebeln und dergleichen - ist gerade jetzt überhaupt nicht der richtige Zeitpunkt.

(Beifall bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE]: Sie haben keinen einzigen Vorschlag!)

Um das mal klarzustellen, verehrte Frau Kollegin Staudte: Die Landwirtschaft befindet sich ohnehin

mitten in einem bislang nie gekannten Wandlungs- und Transformationsprozess.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wie wol- len Sie höhere Preise erreichen? Ei- nen Vorschlag! Nennen Sie mal ei- nen!)

Er ist aber nur mit den Landwirtsfamilien möglich. Genau dafür steht unser Konzept des Gesellschaftsvertrages. Damit sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

In dieser Debatte geht es aber auch um etwas anderes. Vier - da gebe ich Frau Staudte ausdrücklich recht - uns allen gut bekannte Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels haben die oligopole Macht.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Aha!)

Sie vereinen einen Großteil des Umsatzes in Deutschland in diesem Sektor. Allerdings - auch das gehört zur Wahrheit dazu - zeichnet sie ein ausgesprochen scharfer Wettbewerb untereinander aus. Und diesen wird es auch weiterhin geben. Er wird auch nicht ausgehebelt, wenn man sich auf einen Aufschlag auf die Einkaufspreise verständigt und diesen geradewegs an die Landwirtschaft durchreicht.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Also sind Sie dagegen?)

- Hierum geht es genauso wie um Fairplay in den Handelspraktiken, Herr Meyer.

Ich wiederhole mich: Jetzt muss systematisch mehr Geld auf die Höfe,

(Christian Meyer [GRÜNE]: Wie denn?)