3. Wie stellt die Landesregierung die Planungssicherheit für die Universitäten und Hochschulen in Niedersachsen in den kommenden Jahren sicher?
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich seitens der Landesregierung Wissenschaftsminister Thümler zu Wort gemeldet. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die niedersächsischen Hochschulen haben in der aktuellen Pandemie-Situation mehrfach gezeigt, wie leistungsstark und anpassungsfähig sie sind. Es gelang, nicht zuletzt aufgrund des engagierten Einsatzes der Präsidien, der Lehrenden und der Verwaltungskräfte, den notwendigen Umstieg vom analogen zum digitalen Studienalltag fließend zu gestalten. Dafür danke ich an dieser Stelle ausdrücklich allen Beteiligten. Gemeinsam mit der Landeshochschulkonferenz ist es zudem gelungen, eine gemeinsame Empfehlung zu entwickeln und dem Infektionsgeschehen, aber auch der Hochschulautonomie gebührend Rechnung zu tragen.
Lassen Sie mich aber etwas zur Kernfrage von Bündnis 90/Die Grünen sagen. Exzellente Forschung weist sich durch einen überdurchschnittlich hohen Erkenntnisfortschritt gegenüber dem bisherigen Erkenntnisstand aus. Sie kann nur in einem strengen wissenschaftsgeleiteten Begutachtungsverfahren identifiziert werden. Exzellenz in der Lehre zeichnet sich analog dazu durch herausragende Ergebnisse in der hochschulischen Lehre aus. Sowohl die nachhaltige Entwicklung konkreter Kompetenzen als auch die erfolgreiche Vermittlung eines durch besondere Komplexität gekennzeichneten theoretischen Sachverhalts oder Zusammenhangs können darunter gefasst werden.
Niedersachsen ist es in der aktuellen Exzellenzrunde gelungen, die Zahl der erfolgreichen Cluster von drei auf sechs zu verdoppeln. Trotzdem blei
ben die norddeutschen Länder mit insgesamt 15 Clustern gegenüber dem Süden und dem Westen unterrepräsentiert. Daher setzt die Landesregierung auf die Stärkung der länderübergreifenden Zusammenarbeit in den Zukunftsfeldern, z. B. in der Gesundheitsforschung, der Energieforschung und der Künstlichen Intelligenz.
Die Exzellenzcluster des Landes Niedersachsen wurden und werden insbesondere mit Mitteln des Niedersächsischen Vorab erfolgreich unterstützt und gefördert.
- Stärkung des Exzellenzclusters Abwehrmechanismen gegenüber Infektionen und ihre Kontrolle - RESIST an der MHH, gefördert mit 2 Millionen Euro von 2020 bis 2025,
- Quantentechnologien der zweiten Generation - Aufbau eines „Quantum Valley Lower Saxony“ an der LUH, Gesamtförderung 25 Millionen Euro für die Jahre 2021 bis 2025,
- Überführung der bisherigen Projektgruppe Hör-, Sprach- und Audiotechnologie (HSA) in ein eigenständiges Fraunhofer-Institut für Hör-,
Sprach- und Neurotechnologie in Oldenburg, Gesamtförderung 15,1 Millionen Euro in den Jahren 2019 bis 2024,
- Einrichtung einer Plattform für das Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ an der Universität Göttingen, Gesamtförderung 9,9 Millionen Euro zwischen 2020 und 2023,
- Stärkung des Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging“ mit einer Gesamtförderung von zusätzlichen 3 Millionen Euro zwischen den Jahren 2021 und 2025,
- Beschaffung eines Kryoelektronenmikroskops und eines Kryotomographen, inklusive Umbaumaßnahmen, im Rahmen des Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging“ an der Universität Göttingen, Gesamtförderung 5 Millionen Euro in den Jahren 2020 bis 2021,
- Unterstützung des Exzellenzclusters „Hearing4all“ im Bereich der Signalverarbeitung von Cochlea-Implantaten an der MHH mit 500 000 Euro,
für die Praxis der Hörhilfeversorgung am HörTech in Oldenburg mit einer Gesamtförderung von 2,5 Millionen Euro in den Jahren 2020 bis 2024.
Ziel ist es, die Entwicklungsschritte zur audiologischen Präzisionsmedizin aus der Grundlagenforschung des Exzellenzclusters „Hearing4all“ in die Translationsforschung der HörTech einzubinden und einzubringen, sodass diese Entwicklung in der klinischen und der industriellen Praxis ankommt.
Im Rahmen der Exzellenzinitiative werden die niedersächsischen Exzellenzcluster in der vergangenen Förderperiode aus den Mitteln des Niedersächsischen Vorab gefördert. Die aktuell erfolgreichen sechs Exzellenzcluster der Exzellenzstrategie werden hingegen über den Landeshaushalt gefördert.
Meine Damen und Herren, mein Ministerium hat in Vorbereitung der nächsten Runde der Exzellenzstrategie bei der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen eine Potentialanalyse des niedersächsischen Hochschul- und Wissenschaftssystems in Auftrag gegeben. Ziel der Landesregierung ist eine bestmögliche Unterstützung der Hochschulen für die kommende Runde der Exzellenzstrategie. Ein zentraler Aspekt ist dabei, dass in einem wissenschaftsgeleiteten Verfahren geeignete exzellente Themenfelder bzw. Standorte identifiziert werden können und die Universitäten, die bereits Exzellenzcluster eingeworben haben oder die eine Antragstellung planen, von der WKN beraten werden.
Eine Bewertung der nachhaltigen Auswirkungen der letzten Exzellenzrunde auf die teilnehmenden Hochschulen ist noch nicht abschließend durchführbar. Das Hochschulbarometer 2020 zeigt als allgemeinen Trend auf der Basis einer Befragung der Leitungen zur Lage ihrer jeweiligen Hochschule, dass durch die Exzellenzstrategie geförderte Universitäten hier deutlich optimistischer als nicht geförderte Universitäten sind. Generell hat der Exzellenzprozess die Profilbildung - auch in den entsprechenden niedersächsischen Hochschulen - gestärkt.
Beispielhaft sei hier die Initiative „Quantum Valley Lower Saxony“ genannt, die von der LUH und der TU Braunschweig maßgeblich getragen wird. Hierbei wird auf die erfolgreichen Cluster „QuantumFrontiers“ und „Phoenix-D“ aufgesetzt. Diese vom Land mit 25 Millionen Euro unterstützte Initiative soll die hervorragenden wissenschaftlichen wie infrastrukturellen Rahmenbedingungen im Bereich
der Quantentechnologien aufbauen und in den Exzellenzclustern „QuantumFrontiers“ und „Phoenix-D“ bündeln. Dabei sind der Aufbau eines Quantencomputers, die weitere Verbesserung von Lehre und Forschung, der Wissenstransfer, die Kooperation mit der Wirtschaft und die Einwerbung zusätzlicher Drittmittel zentrale Zielsetzungen.
In diesem Umfeld konnte sich Ende November 2020 in der letzten Entscheidungsrunde des DFGBewilligungsausschusses für die Sonderfor
schungsbereiche die relativistische und quantenbasierte Geodäsie „Terra Q“ durchsetzen. Hier sollen grundlegend neue Sensoren, Messtechniken, Analysemethoden und Modellierungsansätze entwickelt werden, damit neueste Erkenntnisse, vor allem aus der Quanten- und Gravitationsphysik, dazu beitragen können, die Genauigkeit geodätischer Messungen signifikant zu erhöhen.
Parallel läuft dazu auf dem Gebiet der Quantentechnologie ebenfalls der Sonderforschungsbereich 1227 „Designte Quantenzustände der Materie (DQ-mat) - Herstellung, Manipulation und Detektion für metrologische Anwendungen und Tests fundamentaler Physik“. Zusätzlich fördert das Land Niedersachsen mit bisher 2 Millionen Euro den Aufbau des CCC-N, Comprehensive Cancer Center Niedersachsen, um auch in der Krebsforschung die notwendigen Impulse zu geben, um dieses Volksleiden in den Griff zu bekommen.
Gleichzeitig fördert das Land Niedersachsen das COFONI-Netzwerk, das Netzwerk für die CoronaVirus-Infektionsforschung in Niedersachsen, mit 8,5 Millionen Euro, um dieses Netzwerk zu stabilisieren und in Deutschland und darüber hinaus sichtbar zu machen.
Drittens fördern wir die Wissenschaftsallianz Wasserstofftechnologie, um auch auf diesem Zukunftsfeld deutlich zu machen, dass die Energieversorgung von morgen nicht zufällig zustande kommt, sondern genau dann, wenn die Erkenntnisse der Grundlagenforschung in die Transformation und damit auch in die wirtschaftlichen Prozesse übersetzt werden können.
Zudem sind wir bestrebt, eine erhebliche Schwäche Niedersachsens Stück für Stück abzubauen. Wir brauchen mehr außeruniversitäre Forschungseinrichtungen im Land. Daher freue ich mich, dass es gelungen ist, drei neue DLR-Institute, ein neues Fraunhofer-Zentrum sowie eine Fraunhofer
Arbeitsgruppe sowie zwei Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft in Niedersachsen anzusiedeln. Außerdem wird jetzt gerade das größte Max
Planck-Institut für Naturwissenschaften in Niedersachsen von der Max-Planck-Gesellschaft gegründet. Darüber hinaus ist Niedersachsen nunmehr Sitzland des DFKI mit vier Arbeitsgruppen. Das, meine Damen und Herren, ist exzellent.
Sie sehen also, dass wir uns schon jetzt sehr intensiv mit der Frage von Exzellenz in Niedersachsen beschäftigen und die Hochschulen im Land sehr eng in diesen Prozess eingebunden haben.
Deshalb sind Kürzungen in Zukunftsinvestitionen insbesondere in der Bildung nicht nur schmerzhaft, sondern lange spürbar, und lange spürbare Nachwirkungen sind an dieser Stelle schlecht.
Allerdings offenbaren Sie schon in der Einleitung Ihrer Anfrage, dass es Ihnen nicht um die Exzellenz geht, sondern um billige Effekthascherei. Bei den angeblichen Kürzungen an der LUH geht es bislang um Vorschläge des Präsidiums an den Senat, die weder beschlossen noch umgesetzt sind. Zudem ist es die Aufgabe des Präsidiums nach dem NHG, Strukturfragen zu stellen und Vorschläge zur Entwicklung der Hochschule zu machen. Wahrscheinlich ist genau das in der Vergangenheit nicht ausreichend genug getan worden. Bei einer Reduzierung der Zuweisungen um 1,25 % bei einem Gesamtbudget von 2,1 Milliarden Euro reden wir von 25 Millionen Euro, was viel Geld ist.
Ich bitte, das nicht falsch zu verstehen: Ich halte das für falsch, vor allem als Signal in der jetzigen Zeit. Aber - ich habe das schon vor ein paar Tagen gesagt - wir haben keine anderen Möglichkeiten, weil wir als Solidarsystem funktionieren. Jeder muss seinen Beitrag dann leisten, wenn es gefordert wird. Ja, es ist richtig: Weitere Einsparungen über diesen Weg fordern strukturelle Veränderungen am System. Die Rasenmähermethode funktioniert nicht mehr, und strukturelle Entscheidungen muss der Landtag treffen, meine Damen und Herren.
Das Problematische in der Finanzierung der Hochschulen sind aber nicht in erster Linie diese Kürzungen, sondern das ist ein Nichtausgleich der erhöhten, teils drastisch erhöhten, laufenden Kosten. Dazu haben Sie in Ihrer Regierungszeit in drastischer Weise beigetragen. Durch den von Ihnen verordneten Umstieg auf grünen Strom sind die Kosten nochmals explodiert; ohne Kompensation. Soviel dazu, wenn Ursache und Wirkung nicht gesehen werden können oder nicht gesehen werden sollen.
Die Größenordnung dieser durch Sie verursachten Kostensteigerungen minimiert das Budget der Hochschulen in fast gleicher Höhe wie die globale Minderausgabe. Die Einsparvorgaben im Einzelplan 06 gliedern sich in drei Teile. Sie werden nicht alle erstmalig im Landeshaushalt 2021 haushaltswirksam, sondern wurden schon 2020 wirksam. Im Sinne einer transparenten und vollständigen Beantwortung werden alle drei Teile in den folgenden Antworten berücksichtigt.
Erstens. Die Weiterentwicklung der strategischen Schwerpunktsetzung gehört zu den regelmäßigen Aufgaben der Hochschulen und ist üblicher Gegenstand der Verhandlungen über den Hochschulentwicklungsvertrag. Im Vorfeld der für 2021 angesetzten Verhandlungen über den nächsten Hochschulentwicklungsvertrag identifizieren die Hochschulen gegenwärtig im Rahmen ihrer Hochschulautonomie diejenigen Bereiche, die aufgrund der herausgehobenen Bedeutung für die weitere Hochschulentwicklung von den Auswirkungen der globalen Minderausgabe ausgenommen werden müssen. Diese hochschulinternen Prozesse unter Beteiligung der Fakultäten und der Gremien sind bisher nicht abgeschlossen und können daher noch nicht in Gänze beurteilt werden.
Angesichts der bisher vom Land gemachten und mit den Hochschulen erbrachten Leistungen insbesondere zur Stärkung der Lehre - hier Sonderpädagogik, Lehrkräftebildung, Hochschulpakt
2020, Digitalisierungsprofessuren, Akademisierung der nichtärztlichen Gesundheitsberufe - besteht die Erwartung, dass die Hochschulen die Bedeutung des Kernaufgabenbereichs der Lehre sowie der gesellschaftlichen Anforderungen berücksichtigen und insofern auch beispielsweise in der Verwaltung nach Synergien suchen. Es ist dabei nicht auszuschließen, dass aufgrund einer verstärkten Mittelkonkurrenz die kritische Prüfung von Studiengängen durch die Hochschulen auch im Hinblick auf mögliche Synergien mit anderen Universitäten und Fachhochschulen strenger als in den Vorjahren ausfallen kann. Es ist jedoch nicht zu befürchten, dass das breite Angebot von Bachelor- und Masterstudiengängen durch die Einsparverpflichtungen unverhältnismäßig eingeschränkt wird.
Zweitens. Der Landesregierung ist es in den vergangenen Jahren gelungen, den Lehr- und Wissenschaftsstandort Niedersachsen nachhaltig zu stärken. Im Bereich der ärztlichen und nichtärztlichen Gesundheitsberufe wurden bereits mehr als
1 Milliarde Euro für die Bauvorhaben von MHH und UMG bereitgestellt und die Grundlage dafür geschaffen, das Sondervermögen schrittweise auf 2,1 Milliarden Euro anwachsen zu lassen.
Für den Ausbau des dritten Medizinstandorts Oldenburg konnte ebenfalls Planungssicherheit für den weiteren Ausbau erreicht werden.
Die Landesregierung setzt gleichzeitig den Masterplan Medizinstudium 2020 des Bundes um und modernisiert die Ausbildung in den nichtärztlichen Gesundheitsberufen, zuvorderst in der Pflegepädagogik, den Hebammenwissenschaften und der Psychotherapie.
Um die Hochschulen in der digitalen Transformation zu unterstützen, wurden Mittel für die Errichtung von bis zu 50 Digitalisierungsprofessuren bereitgestellt. Mit dem Zentrum für digitale Innovationen Niedersachsen erfahren Translation und Transfer ihre gebührende Berücksichtigung. Zur Stärkung der digitalen Ausstattung der Hochschulen wurden Ad-hoc-Mittel in Höhe von 8 Millionen Euro und im zweiten Nachtragshaushalt zusätzliche Mittel in Höhe von 17,8 Millionen Euro bereitgestellt. Zusammen sind dies 25,8 Millionen Euro.
Wegweisend sind zudem das Portal zur Bereitstellung von Open Educational Resources sowie flankierende Programme, z. B „Qualität plus“ und „Innovation plus“.
Um die besonders stark durch die Lehrerbildung geprägten kleineren Universitäten wie Vechta, Hildesheim und Osnabrück sowie die künstlerischen Hochschulen bei der forschungsbasierten Weiterentwicklung der Lehrerbildung zu unterstützen, wurde die Grundfinanzierung dieser fünf Hochschulen seit 2018 um insgesamt 6 Millionen Euro aufgestockt.