Protokoll der Sitzung vom 10.12.2020

Dazu auch gerne unter dem Titel der Aktuellen Stunde eine aktuelle Drucksache des Bundestages, die ich zitieren mag:

„Betriebsräten kommt bei der Bewältigung der Pandemie eine wesentliche Rolle zu. Dies gilt insbesondere im Kontext mit Vereinbarungen über Kurzarbeit, zu Homeoffice und zusätzlichen Arbeitsschutzmaßnah

men... In Betriebsratsbetrieben profitierten 60 % der Beschäftigten in Kurzarbeit von einer Aufstockung ihrer Bezüge, jedoch lediglich 32 % der Kurzarbeiter*innen in Betrieben ohne Betriebsrat... Die Frage, ob es im Betrieb eine Regelung zum Homeoffice... gibt, bejahten 73 % der Befragten aus Betrieben mit Betriebsrat, jedoch nur 43 % der Beschäftigten ohne betriebliche Interessenvertretung...“

Meine Damen und Herren, während der Deutsche Bundestag richtigerweise über das Initiativrecht der Betriebsräte bei der Weiterbildung diskutiert, ein vereinfachtes Wahlverfahren für kleine Betriebe schaffen möchte, über die Online-Wahl von Betriebsräten und vieles mehr debattiert, ist die Arbeitswelt in immer schnellerem Wandel. So stehen wir als Politik täglich vor neuen Fragestellungen:

Wie verändert sich denn unsere Arbeits- und Lebenswelt im Zuge der Digitalisierung? Schon heute sind aufgrund des raschen Wandels der Arbeitswelt Berufsfelder und Unternehmen entstanden, deren Tätigkeit wir vor zehn Jahren vielleicht noch für Science Fiction gehalten hätten.

Und was ist in zehn Jahren? Studien zeigen uns doch, dass etwa 40 % der heutigen Arbeitsplätze durch Automatisierung und Digitalisierung wegfallen werden. Mindestens in gleicher Größenordnung entstünden wiederum neue Arbeitsplätze.

Wie aber tragen wir Sorge, in einer digitalisierten, immer häufiger ortsungebundenen Arbeitswelt, dass diese Arbeitsplätze in Deutschland entstehen? Wie gelingt uns eine Vernetzung von betrieblicher Mitbestimmung und Mitarbeiterkapital? Wie gehen wir mit Betriebsräten und Mitbestimmung in Start-ups und innovativen jungen Unternehmen um? Wie können dort Flexibilität, die ja auch von den Arbeitnehmern eingefordert wird, und Mitbestimmung in Einklang gebracht werden? Und welche Rolle spielen Betriebsräte dort, wo Arbeitsplätze durch Automatisierung und Digitalisierung wegfallen?

Wir brauchen Weiterbildung und Umschulung, sozialverträgliche Transformationsprozesse, Unternehmen und Arbeitnehmer dabei stets Seite an Seite. Diese Partnerschaft ist es, die unsere mitbestimmten Unternehmen so erfolgreich macht.

Meine Damen und Herren, der Wandel findet statt, in einigen Bereichen radikal und mit atemberaubender Geschwindigkeit. Wir als Politik zeichnen verantwortlich, dass dieser Wandel sozial gestaltet wird.

Ich sagte es zu Beginn meiner Rede: Das hundertjährige Jubiläum des Betriebsrätegesetzes markiert die Gründung der Sozialpartnerschaft in Deutschland. Gerade zum Jubiläum sollten wir es nicht versäumen, den vielen Menschen, Kolleginnen und Kollegen, die sich in Betriebsräten oder Personalräten engagieren, für ihren Einsatz zu danken. Mit Blick auf die Krise sehen wir, wie gut

die Wirtschaft mit dieser Mitbestimmung gefahren ist.

Vielen Dank dafür, und Ihnen vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Holsten. - Für die FDPFraktion spricht Herr Abgeordneter Jörg Bode. Bitte schön!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Henning, eigentlich hatte ich ja nie Zweifel daran, dass die SPD die Partei ist, die sich massiv für betriebliche Mitbestimmung, für Sozialpartnerschaft etc. einsetzt. Insofern hätten Sie das im Rahmen dieser Aktuellen Stunde auch gar nicht erwähnen müssen. Andererseits war es vielleicht doch nicht ganz verkehrt; denn dieses Bild hat durch die Beantragung dieser Aktuellen Stunde schon ein paar Kratzer bekommen.

Die Geschichte des Umgangs der SPD-Landtagsfraktion mit diesem Thema ist ja ein bisschen älter als diese Aktuelle Stunde. Sie haben in Ihrem Redebeitrag erwähnt, dass es auch einen Entschließungsantrag gibt.

Ich will das noch einmal deutlich sagen, damit sich alle daran erinnern können; denn das ist schon länger her. Sie haben vor über zwei Jahren, am 6. November 2018, einen Entschließungsantrag zur Modernisierung der Betriebsrätebestimmungen in den Gesetzen, zur Mitbestimmung, zur Sozialpartnerschaft eingereicht. Seit der Einbringung im November 2018 liegt dieser Antrag unberaten im Wirtschaftsausschuss - zwei Jahre unberaten -, und wir reden nur über Verfahrensfragen.

(Zuruf von Susanne Menge [GRÜNE])

Da stellt sich natürlich die Frage, warum zwei Jahre nichts passiert, wenn Ihnen dieses Thema so am Herzen liegt.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Jetzt haben Sie diese Aktuelle Stunde eingereicht. Man sieht natürlich: Ja, klar; am 4. Februar 1920 war die Geburtsstunde des Betriebsrätegesetzes. Damals war Ihr Plan, zu diesem Ereignis mit Ihrem Entschließungsantrag ein besonderes Highlight im Plenum zu setzen. Nach Einreichung ist Ihnen

aufgefallen, dass Sie leider ein Jahr zu früh waren; denn es wäre der 99. Geburtstag gewesen, der wahrscheinlich nicht rund genug war. Also haben Sie diesen Antrag im Ausschuss liegen lassen. Dabei haben Sie dann aber den 100. Geburtstag im Februar dieses Jahres verpasst, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das kann ich jetzt auch nicht ändern. Es ist Ihnen halt passiert.

Sie haben es aber auch nicht mehr geschafft, zu diesem Antrag eine Anhörung sowohl der Gewerkschaftsseite als auch von Arbeitgebervertretern zu starten, weil er inhaltlich nicht mehr in der Zeit war, sie zu starten. Sie mussten also noch einen Änderungsvorschlag machen, den Sie in die Anhörung gegeben haben.

Ihr Ziel war, das Ganze noch in diesem Jahr beratungsreif ins Plenum zu bekommen, um der SPDGeschichte und dem SPD-Bild „Wir kämpfen für betriebliche Mitbestimmung“ hier einen Tagesordnungspunkt widmen zu können. Deshalb haben Sie eine Aktuelle Stunde einreichen müssen. Sonst wäre das Jahr 2020 auch noch verloren gegangen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Das ist die Geschichte der betrieblichen Mitbestimmung in der SPD-Landtagsfraktion in dieser Legislaturperiode. So viel auch noch einmal zur Klarheit und zur Wahrheit!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Titel, den Sie gewählt haben, ist natürlich auch in seiner absoluten Aussagekraft schwierig. Dass Betriebe mit betrieblicher Mitbestimmung und mit Betriebsräten besser durch die Krise kommen als alle anderen Betriebe, ist in dieser Pauschalität natürlich nicht richtig. Das haben wir in dieser Woche auch bei der Messe AG gesehen. Sie haben es ja selber gesagt. Natürlich gibt es dort eine betriebliche Mitbestimmung. Nun ist die Messe AG bisher auch nicht so gut durch diese Krise gekommen. Das liegt aber nicht am Betriebsrat, um es einmal ganz klar zu sagen, und auch nicht an der betrieblichen Mitbestimmung. Es liegt daran, dass das Geschäftsmodell der Messe in dieser Krise schlicht und ergreifend keine Chance hatte.

Es gibt andere Unternehmen ohne Betriebsräte, die das gleiche Schicksal haben. Genauso gibt es natürlich Betriebe mit Betriebsräten, die gut durch die Krise kommen.

Ich will damit nur sagen: Diese pauschale Aussage stört mich schlicht und ergreifend bei der Aktuellen Stunde. Das ist aus meiner Sicht so nicht richtig. Sie werden es wahrscheinlich auch nicht so gemeint haben. Aber Sie brauchten ja einen besonderen Titel, weil der Antrag mit dem Titel, den Sie damals vor zwei Jahren gewählt haben, schlicht und ergreifend zeitlich abgelaufen war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei den Positionen, die Sie hier aufgeführt haben, will ich Ihnen - - - Nein, nicht Ihnen. Ihre Position ist ja klar. Ich will es lieber der CDU sagen. Lesen Sie sich doch bitte noch einmal die Stellungnahmen zu dem Änderungsvorschlag von SPD und CDU zu dem Entschließungsantrag durch.

(Dr. Christos Pantazis [SPD]: Aha! Al- so haben wir im Ausschuss doch be- raten!)

- Nein, die Stellungnahmen der Unternehmerverbände und des DGB sind zu Ihrem Änderungsvorschlag eingegangen. Die Anhörung ist nur im schriftlichen Verfahren erfolgt. Dazu ist eine Stellungnahme der Unternehmerverbände Niedersachsen gekommen, die sehr umfassend ist.

Ich will gar nicht auf die einzelnen Punkte eingehen. Aber ein Punkt ist, dass man sich ein wenig beklagt, dass bei dieser schriftlichen Anhörung doch deutlich wird: Die ganze Textpassage, die ganze Intention der Aussage ist sehr gewerkschaftsgetrieben, und zwar pauschal von einer Seite der Sozialpartner. Man sollte die andere Seite der Sozialpartner bei der Sozialpartnerschaft aber vielleicht nicht ganz vergessen. Schließlich setzt das Wort „Partnerschaft“ zwei Seiten voraus. Sozialpartnerschaft kann nur funktionieren, wenn es beide Seiten gibt, die partnerschaftlich miteinander zusammenarbeiten.

Deshalb sollte die CDU in dieser Koalition vielleicht auch den anderen Partner in die Debatte einbringen, der im Bereich der SPD komplett unberücksichtigt geblieben ist. Das sollten Sie sich vielleicht zu Herzen nehmen und diesen Antrag noch einmal in Ruhe beraten.

Den 100. Geburtstag des Betriebsrätegesetzes kann die SPD leider nicht mehr schaffen. Aber daran sind nicht Sie von der CDU schuld; daran ist die SPD ganz alleine schuld.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Oder ist das eine Zwischenfrage?

Das ist jetzt, glaube ich, keine Zwischenfrage. - Doch, eine Zwischenfrage.

Sie ist ja nach § 69 zulässig. Der Kollege hat sie auch noch zugelassen. - Bitte schön!

Herr Bode, vielen Dank, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen.

Bevor ich zu meiner Frage komme, stelle ich zunächst einmal fest, dass Sie die Geschichte des Antrages, den ich auch angesprochen habe, korrekt dargestellt haben - bis auf einen Punkt, aber da waren Sie leider auch nicht anwesend.

Wir haben im Wirtschaftsausschuss eine umfassende Diskussion und Unterrichtung durch das Wirtschaftsministerium gehabt. Dort haben wir die Vor- und Nachteile der betrieblichen Mitbestimmung auf Landes- und auf Bundesebene erörtert. Aber wie gesagt: An diesem Tag waren Sie, wie wir dem Protokoll entnehmen können, leider nicht im Ausschuss.

Ich wollte Sie eigentlich nur fragen, ob Sie sich an diese Unterrichtung erinnern können oder ob Sie an diesem Tag anderweitige Verpflichtungen hatten.

Frage verstanden? - Kurze Antwort.

Kollege Henning, es ist in der Tat so - das kennen Sie, weil Sie auch sehr oft im Wirtschaftsausschuss fehlen und sich vertreten lassen -, dass es manchmal andere Termine im Landtag gibt, sodass man von Kollegen vertreten wird. Genau so war es da.

Aber es gibt eine tolle Errungenschaft im Landtag. Das haben Sie vielleicht noch nicht gewusst. Es gibt nämlich Protokolle über Sitzungen. Und bei Unterrichtungen der Landesregierung gibt es ganz oft auch schriftliche Unterrichtungen, die man tatsächlich nachlesen kann. Deshalb habe ich diese gelesen. Ich habe auch alle schriftlichen Stellungnahmen zu Ihrem Änderungsvorschlag gelesen.

Was ich gesagt hatte, ist, dass er unberaten war. Denn es war in der Tat eine Unterrichtung, und Unterrichtungen erfolgen immer ohne eigenständige Beratung. Da gibt es höchstens noch Nachfragen an Regierungsvertreter oder tatsächlich nicht. Beraten wurde er nicht. Es wurden Verfahrensfragen geklärt, Anhörungen beschlossen und eine Unterrichtung entgegengenommen, die man nachlesen kann.