Protokoll der Sitzung vom 26.10.2005

(Beifall von der CDU - Zurufe von der SPD)

Sie haben mit Ihrer Politik - wie der gestern vorgelegte Kommissionsbericht zeigt - die Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen zerrüttet. Das Land ist faktisch pleite. Der Ministerpräsident und sein Kabinett - dafür bin ich ihm dankbar - sind nach Kräften dabei, die Handlungsfähigkeit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger wieder herzustellen. Durch Ihr Programm haben Sie, vor allem die Grünen, in Nordrhein-Westfalen eine Politik der fortgesetzten Arbeitsplatzvernichtung produziert.

(Unruhe - Glocke)

Der Ministerpräsident ist mit Hochdruck dabei, diese Politik zu beenden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition - das ist eine Replik auf das, was Frau Kraft gesagt hat -, nachdem Sie dieses Land personell fast vier Jahrzehnte lang nach Parteibuch besetzt und es finanziell ausgezehrt haben, tun Sie nach wie vor so, als ob Nordrhein-Westfalen Ihr Eigentum und Ihre Oppositionsrolle gewissermaßen ein Interregnum auf Zeit wäre. Das kann es aus meiner Sicht nicht sein.

(Zuruf von der SPD)

Wenn dieses Land erneuert werden will - das will es; die Wähler haben entsprechend votiert -, dann brauchen wir einen langen Atem der Erneuerung, mehr als eine Periode.

(Zuruf von der SPD)

Deshalb wünsche ich der SPD, dass sie noch lange in der Opposition bleibt, damit wir unser Programm der Erneuerung und des Aufbruchs auch wirklich tatkräftig umsetzen können.

(Beifall von der CDU)

Die wirtschaftliche Situation in NordrheinWestfalen hellt sich auf. Die Umfragen belegen das. Das ist der tatkräftigen und häufig sehr pragmatischen Arbeit der Landesregierung zu verdanken. Ich glaube, ich kann für alle Abgeordnete in den Wahlkreisen sprechen. Fast jedes Mitglied des Kabinetts war dort schon anwesend.

Blockaden, die Sie aus ideologischen Gründen bei der Ausweisung von Gewerbeflächen und bei der Lösung des Schwebebahn-Problems in Wuppertal verursacht haben, lieber Herr Horstmann, Probleme, die Sie nicht gelöst haben, obwohl das im Interesse der Menschen lag - all das ist schnell, unbürokratisch und sehr dynamisch behoben worden.

(Beifall von der CDU - Zurufe von der SPD)

Dafür bin ich ausdrücklich dankbar. Im Interesse aller möchte ich dafür danken, dass diese Blockaden auf einer Vielzahl von Politikfeldern aufgelöst wurden.

Die Bundestagswahl hat in Berlin eine Koalition produziert, die sicherlich nicht unsere Wunschkoalition war. Es ist schon eine Paradoxie - um nicht zu sagen: eine Ironie -, dass es offenkundig so ist, dass sozialdemokratische Ministerpräsidenten, wenn sie abgewählt werden, weil sie in den Augen der Bevölkerung versagt haben, anschließend Bundesfinanzminister werden.

(Zuruf von der SPD: Ihr Ministerpräsident hat jetzt einen als Ratgeber! - Weitere Zurufe von der SPD)

Das nehmen wir zur Kenntnis. Aber ich sage hier auch: Wir Christdemokraten in NordrheinWestfalen werden dem designierten Finanzminister Steinbrück die Finanztricksereien und -schiebereien, die er in Nordrhein-Westfalen zur Verschleierung der Haushaltsmisere angewendet hat, nicht durchgehen lassen.

(Zurufe von der SPD)

Nein, Sie, die Sozialdemokraten, haben im Wahlkampf das deutsche Volk belogen. Bundeskanzler Schröder ist nach dem 22. Mai stiften gegangen, weil der Bund pleite ist. Das ist die Realität, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Jetzt wird die Katze aus dem Sack gelassen. Jetzt kommen die hohen Defizite und die Konsolidierungsanstrengungen. Jetzt heißt es plötzlich, dass die Autobahnen veräußert werden sollen - und das, obwohl Herr Horstmann Herrn Wittke noch kurz zuvor wegen angeblicher diesbezüglicher Äußerungen angegriffen hat. - Nein, das ist geradezu grotesk.

(Zurufe von der SPD)

Nordrhein-Westfalen braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Nordrhein-Westfalen braucht eine gute Politik im Bund. Deshalb sind wir, die CDU-Landtagsfraktion, dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er die wesentlichen Eckpunkte setzt, die in der Tat, werte SPD, auch politischprogrammatisch eine Rückbesinnung auf eine Neubegründung der sozialen Marktwirtschaft bedeuten.

Mit Ihrer Politik haben Sie das freiheitliche Element der sozialen Marktwirtschaft völlig gestrichen: Freiheit von Bürokratie, Freiheit von Gängelung, Freiheit, für sich und andere Arbeit zu organisieren. Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er mit seinem konstruktiven Papier die Eckpunkte gesetzt hat, die aus der Sicht Nordrhein-Westfalens notwendig sind, um unsere Interessen auf den Tisch zu legen und die Koalition in Berlin auf den Weg zu bringen, den wir brauchen.

Lassen Sie mich eines zum Abschluss sagen. Die Bilanz des Scheiterns von Rot-Grün ist durch den Kommissionsbericht, den die Expertenkommission zur Sanierung und zum Status der Landesfinanzen gestern vorgelegt hat, dokumentiert worden. Ein "Weiter so", wie Sozialdemokraten und Grüne es praktiziert haben, würde in wenigen Jahren eine exorbitante Landesverschuldung zur Folge haben, mit einer strukturellen Defizitmarge von rund 10 Milliarden €.

Im Interesse des Landes müssen wir umsteuern. Wir müssen eine Haushaltskonsolidierung vornehmen. Gleichzeitig müssen wir Freiräume für Investitionen schaffen. Wir müssen wirtschaftliches Wachstum schaffen, um dann auch zu dem zu kommen, was den Kurs dieser Regierung auszeichnet, nämlich zu wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Gerechtigkeit. - Vielen Dank.

Danke schön, Herr Reck. - Als Nächster hat Herr Remmel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade der letzte Redebeitrag, hat, glaube ich, sehr deutlich gemacht, dass die Regierungsfraktionen, die Regierung insgesamt, immer noch nicht in der politischen Wirklichkeit von heute angekommen sind.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie schwelgen nach wie vor in dem Rausch des Wahlsiegs vom 22. Mai, aber das hat mit dem heutigen Datum rein gar nichts mehr zu tun.

Worum geht es im Kern? - Im Kern geht es darum, dass sich die inhaltlichen und machtpolitischen Koordinaten in diesem Land deutlich verschoben haben, und Sie schlittern erkennbar auf diesem seifigen Boden.

Deshalb ist es richtig, dass Sie hier im Parlament erklären müssen, welche Bezüge Ihr Papier zum Koalitionsvertrag hat, wie sich Ihre Regierungspolitik darin neu verortet, wie Ihre Regierungserklärung in diesem Licht der veränderten Machtverhältnisse einzuordnen ist und wie Ihr Brief entsprechend zu bewerten ist.

Es ist erkennbar, dass der Sieg vom 22. Mai, den Sie als Segen für das Land beschrieben haben, nun zum Fluch Ihrer eigenen Politik und zum Fluch für das Land wird.

(Zurufe von CDU und FDP)

- Herr Papke,

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Herr Remmel!)

wenn man Sie eben hier beobachtet hat, dann fällt einem nur die Analogie aus dem Fußball ein. Sie haben das Spielfeld bereits verlassen. Sie sitzen schon auf der Zuschauertribüne.

(Beifall von GRÜNEN und SPD - Zurufe von der FDP)

Das Ganze kulminiert in dem Ereignis vom letzten Wochenende. Da muss man doch einmal fragen: Welche Deutungen lässt dieses Ereignis zu? Die Frage, warum keiner aus der nordrheinwestfälischen CDU in der Ministerriege des Bundes vertreten ist, war ja wohl auch der Auslöser für die heutige Debatte und für die berechtigten Nachfragen.

Die erste Interpretation, meine Damen und Herren, ist die: Der Ministerpräsident hat es gar nicht bei Frau Merkel probiert, weil er wusste, dass er keinen Erfolg hat, keinen Erfolg haben kann. Das ist eine politische Haltung der Resignation.

(Minister Eckhard Uhlenberg: Absoluter Fachmann!)

Das zweite Erklärungsmuster sieht so aus: Sie haben es nicht probiert, weil Sie so sicher waren, dass Sie berücksichtigt werden. Sie haben ja in Ihren Interviews am Tag selber noch Entsprechendes behauptet. Das aber zeugt davon, dass Sie eine politische Grundhaltung der Ahnungslosigkeit beziehungsweise eine politische Guck-indie-Luft-Haltung an den Tag legen.

Das dritte mögliche Erklärungsmuster heißt: Sie haben es probiert, aber Sie haben eine Abfuhr bekommen. Dann üben Sie sich in öffentlicher Beschwörungsrhetorik.

Alle drei möglichen Deutungen dokumentieren, dass Nordrhein-Westfalen gegenüber dem Bund eben keinen starken und durchsetzungsfähigen Ministerpräsidenten hat.

(Beifall von GRÜNEN und SPD - Zurufe von der CDU)

- Nein, Nordrhein-Westfalen hat eben keinen solchen starken Ministerpräsidenten. Sie haben das Bild eines Büttels abgegeben, eines - im doppelten Sinne - Briefbeschwerers von Frau Merkel.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb müssen Sie sich auch heute hier erklären.

Dann haben Sie sich, weil keiner gerne ein Büttel sein will, überlegt, wie Sie dem Publikum und Frau Merkel gleich noch dazu deutlich machen könnten, dass Sie eben keiner sind.

Deshalb ist dieser Brief entstanden. Der Charakter des Papiers - verzeihen Sie mir - aber zeigt doch eher Ihre Hilflosigkeit, Ihre Machtlosigkeit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)