Protokoll der Sitzung vom 26.10.2005

Ich halte es für gut, wenn in dieser Koalition darüber geredet wird, dass bei Hartz IV nicht nur im Hinblick auf den Missbrauch Veränderungen erfolgen müssen, sondern dass es auch darum geht, objektiv ungerechte Regelungen, die von den Menschen auch als solche empfunden werden - ich spreche darüber schon seit vielen Monaten und bin für diese Regelungen schon von vielen Seiten, auch aus den eigenen Reihen, angegriffen worden -, zu beseitigen.

Ich finde es wichtig, dass wir darüber reden, dass über die neuen EU-Strukturfonds keine Subventionen mehr aus unseren Steuergeldern bezahlt werden, die der Verlagerung von Arbeitsplätzen etwa von Nordrhein-Westfalen nach Osteuropa Vorschub leisten.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich bin dankbar, dass es schon in der letzten Runde der Verhandlungen gelungen ist - übrigens mit Unterstützung des designierten Finanzministers -, diesen Punkt in die Koalitionsvereinbarungen aufzunehmen.

Ich halte ein nationales Energieprogramm für erforderlich. Es wird Zeit, dass in diesem Land die Rahmenbedingungen für eine sichere und preisgünstige Energie wieder definiert werden.

(Ralf Jäger [SPD]: Mit Sockelbergbau!)

Ich halte es für richtig - und jeder weiß das -, die notwendigen Verhandlungen in den nächsten Monaten zu beginnen, um die Fragen, die sich mit der Steinkohle befassen - dabei gibt es unterschiedliche Ansichten -, zu einer Lösung zu führen. Wir als Nordrhein-Westfalen können uns die Steinkohlesubventionen im bisherigen Umfang

nicht mehr leisten, wollen aber den Anpassungsprozess sozialverträglich gestalten.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Ministerpräsident, die Redezeit ist abgelaufen.

Ich halte es für erforderlich, sich darum zu bemühen, neue Forschungszentren und Wissenschaftseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen anzusiedeln. Ich halte die Fragen auf dem Feld Verkehr vom RheinRuhr-Wupper-Express bis zu der Frage des Straßenausbaus für Themen, die man gemeinsam angehen kann.

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Es gibt also gemeinsame nordrhein-westfälische Interessen. Sie werden mir gestatten festzustellen, dass ich zur Kenntnis genommen habe, wie die in einem Reflex am Anfang sehr harschen, ablehnenden Oppositionsstellungnahmen

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

heute hier relativiert worden sind und man wenigstens zum Teil bereit ist, gemeinsam im Interesse Nordrhein-Westfalens zu agieren. Ich begrüße das ausdrücklich.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Ministerpräsident. - Als Nächster hat Herr Dr. Horstmann von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder weiß, dass das, was derzeit in Berlin stattfindet, von großer Bedeutung für die Menschen in Nordrhein-Westfalen ist. Wer gut hinschaut, weiß auch, dass das auch von großer Bedeutung für die Politik in Nordrhein-Westfalen ist. Selbstverständlich darf jeder Bürger des Landes ebenso wie der Ministerpräsident erwarten, dass sich die nordrheinwestfälische SPD für die Interessen des Landes auf der Bundesebene stark macht. Das tut sie auch.

Daraus entsteht aber nicht das, was gestern jemand in einer Tageszeitung mit einer „NRWKoalition“ in der großen Koalition umschrieb; denn gemeinsames Handeln hieße auch, gemeinsam zu entscheiden. Herr Ministerpräsident, was Sie von uns verlangen, ist nichts anderes, als in Berlin auf der Basis Ihres schwarz-gelben Koalitionsvertrages, den Sie in Nordrhein-Westfalen geschlossen haben, tätig zu werden. Das kann nicht unse

re Sache sein. Ich glaube, das wird jeder verstehen.

(Beifall von der SPD)

Natürlich nehmen wir zur Kenntnis, dass Unterschiedliches in Ihrem Positionspapier enthalten ist, aber auch genügend, was die SPD nicht in den Stand versetzt zu sagen: Da gehen wir mit Ihnen mit.

Sie haben das Thema Steinkohle selbst angesprochen. Ihre Forderung, dort einzusparen - Sie nennen die Zahl nicht mehr, aber es waren 750 Millionen € -, ist nichts anderes als das Angebot an den Bund, 3 Milliarden € Subventionen im Bereich der Steinkohle einzusparen - die öffentlichen Mittel bewegen sich im Verhältnis 1:4 -, und das voll zulasten Nordrhein-Westfalens. Das kann nicht im Interesse Nordrhein-Westfalens sein.

Deswegen heißt es an dieser Stelle, auf nordrhein-westfälische Interessen zu setzen, darauf zu setzen, dass die Sozialdemokraten in der großen Koalition in Berlin diesen Unsinn zu verhindern wissen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Dies ist ein gemeinsamer Antrag der Koalitionsfraktionen in Düsseldorf - CDU und FDP - für eine Aktuelle Stunde. Das ist interessant, denn die eine ist eine zukünftige Regierungspartei in Berlin, die andere eine zukünftige Oppositionspartei. Da muss man fragen: Wollen Sie den Erfolg der großen Koalition eigentlich?

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

- Es klingt wie eine rhetorische Frage, aber es ist auch eine ernste Frage an den Ministerpräsidenten; denn Sie, Herr Rüttgers, müssen die Frage beantworten, ob diese Landesregierung die neue Bundesregierung bei den wichtigen Taten, die Sie von ihr erwarten, unterstützt. Können Sie das gewährleisten? Dazu haben Sie sich in den vergangenen Wochen nicht geäußert.

(Beifall von der SPD)

Oder ist nicht schon absehbar, dass Sie in Nordrhein-Westfalen sich dazu viel zu sehr auf andere Pfade festgelegt haben? Wollen Sie, um ein anderes Beispiel zu nennen, wirklich die große Koalition in Berlin als Kombattanten für Ihren Glaubenskrieg gegen die Windkraftnutzung gewinnen, wo Ihnen schon die eigenen Kollegen in anderen Ländern widersprechen,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Richtig!)

so gestern der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Austermann, der sich dabei auf die Standortgesichtspunkte und die Arbeitsplätze bezogen hat?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Welche Bände spricht es, dass uns ein schleswigholsteinischer Wirtschaftsminister auf die Interessen des Industrielandes Nordrhein-Westfalen aufmerksam machen muss? Ich habe Ihnen vorausgesagt, dass es so kommen wird.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Was ist denn he- rausgekommen?)

Herr Ministerpräsident, solange es in NordrheinWestfalen so bleibt wie es jetzt ist, wird das gefordert sein, wozu man Ihnen die Fähigkeit bekanntlich meistens nicht abspricht, nämlich Lavieren. Sie tun es in Wahrheit auch schon.

(Beifall von der SPD)

Wir hören auch, was Frau Thoben zum Thema „Steinkohle in Nordrhein-Westfalen“ auf der „China Coal & Mining“ in Peking sagt. Das geht nicht an uns vorbei. Wir lesen ein solches Papier so gründlich, dass wir merken, dass das, was Sie hier dreimal aufgrund von Oppositionsanträgen wortreich verteidigt haben, nämlich die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke, nicht mehr Bestandteil des energiepolitischen Teils Ihres Papiers ist. Das merken wir wohl.

Eine tatkräftige Politik für die Interessen Nordrhein-Westfalens auf der Berliner Ebene, Herr Ministerpräsident - das müssen wir Ihnen sagen -, sähe aber anders aus als Lavieren. Das kann Ihnen eine Opposition, die im Auftrag der Wählerinnen und Wähler handelt, nicht durchgehen lassen. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Dr. Horstmann. - Als Nächster hat von der CDU-Fraktion Herr Kollege Reck das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin nach einem für meine Partei historischen Wahlerfolg am 22. Mai

(Zuruf von der SPD: Das haben wir Ihnen zu verdanken! Wahnsinn! - Weitere Zurufe von der SPD)

aufgrund des Votums der Wählerinnen und Wähler in Wuppertal direkt gewählt worden.

(Zurufe von der SPD)

Nachdem ich mir hier vier oder fünf Parlamentssitzungen angeschaut hatte, habe ich mir für meinen ersten Auftritt im Parlament eines vorgenommen: Ich habe mir nämlich fest vorgenommen, der Opposition - der SPD und den Grünen - zu sagen, dass ich Ihre Arbeit und Ihren Antritt in der Opposition in den letzten Sitzungen als stil-, würde- und verantwortungslos empfunden habe.

(Beifall von der CDU - Zurufe von der SPD)

Sie sind - das zeigen auch die lavierenden Äußerungen der Fraktionsvorsitzenden und von Herrn Horstmann - ohne einen programmatischen Kurs der Erneuerung der Politik in Nordrhein-Westfalen angetreten. Einen solchen Kurs habe ich nicht ansatzweise herausgehört.

(Zuruf von Gisela Walsken [SPD] - Weitere Zurufe von der SPD)

Das macht deutlich, dass Sie Ihre Rolle als Opposition überhaupt noch nicht angenommen haben. Frau Walsken, Hyperventilation ersetzt die politische Programmatik nicht. Es tut mir Leid, das ist so.