Und last but not least zur Personalsteuerquote. Sie liegt ohne Berücksichtigung der ausgegliederten Landesbetriebe und Sondervermögen in diesem Jahr bei 59 %. Das heißt, NordrheinWestfalen gibt fast 60 % seiner Steuereinnahmen für das Personal aus.
Ich habe noch bei sozialdemokratischen Finanzministern, bei Herrn Posser und Herrn Schleußer, gelernt – diese sagten das immer wieder –: Mehr als 50 % darf diese Steuerquote nicht betragen. – Sie haben gleichzeitig immer wieder erklärt: Auf mehr als 40 % darf in keinem Fall der Anteil der Personalausgaben im Haushalt steigen. – Wo sie Recht hatten, hatten sie Recht.
Meine Damen und Herren, so weit, so schlecht. Allein diese Tatsachen verhießen den Antritt eines schweren Erbes. Doch es sollte noch schlimmer kommen.
Eine nüchterne Bestandsaufnahme – man kann auch Kassensturz dazu sagen – hat gezeigt, dass uns die Vorgängerregierung viele finanzielle Schlaglöcher hinterlassen hat. Das Aufdecken von Luftbuchungen und Unterlassungen der Vergangenheit, unrealistische Annahmen und unvorsichtige Haushaltsansätze sowie das Ziel, Schatten- und Nebenhaushalte zu bereinigen und sie dorthin zurückzuführen, wo sie hingehören, haben zu einem weiteren erheblichen Korrekturbedarf im Nachtragshaushalt geführt.
Durch geplante, aber nicht realisierte Einnahmen und nicht eingeplante, aber realistischerweise zu erwartende Ausgaben kommt es daher in der Summe zu Haushaltsverschlechterungen in einer Größenordnung von 2,2165 Milliarden €.
Konkret geht es dabei, liebe Kollegen und Kollegen, um Mindereinnahmen von 584 Millionen € und Mehrausgaben von 1,6325 Milliarden €.
Nordrhein-Westfalen wird dafür neue Schulden aufnehmen müssen. Die Nettoneuverschuldung wird deshalb am Jahresende 7,39 Milliarden € betragen. Diese Neuverschuldung ist nichts anderes – und das betone ich erneut – als das nun offen gelegte Erbe von Rot-Grün.
Wo ist nun der größte Korrekturbedarf entstanden? – Lassen Sie mich darauf mit einigen Schlaglichtern eingehen.
Bei der Gründung des Bau- und Liegenschaftsbetriebes BLB am 1. Januar 2001 mit einer Bilanzsumme, meine Damen und Herren, von über 9 Milliarden € wurden Rückstellungen für die Altlastensanierung und erforderliche Brandschutzmaßnahmen in Höhe von 613,6 Millionen € in die Bilanz aufgenommen. Diese Rückstellungen wurden aber seinerzeit nicht mit entsprechendem Kapital hinterlegt. Das ist eine Unterlassung der Vergangenheit, durch die der Landeshaushalt bei der
Gründung des BLB zwar nicht belastet wurde; in der Praxis ist der BLB allerdings dadurch gezwungen worden, die Aufwendungen für die Rückstellungen aus dem laufenden Geschäft abzuzweigen. Mithin hat diese Unterlassung der Vergangenheit erheblich zur Unterfinanzierung des BLB beigetragen.
Wir haben uns daher entschieden, dem landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb Eigenkapital in Höhe der Rückstellung von 613,6 Millionen € zuzuführen. Damit ist insoweit eine Rückführung der Kreditbelastung des BLB möglich, die zu einem geringeren Zinsaufwand führt. Es ist klar: Für diesen Darlehensbetrag werden die Zinsen beim BLB eingespart. Das schafft Luft für die Finanzierung der Brandschutzmaßnahmen sowie der Altlastensanierung, und ein Gründungsfehler des BLB wird damit korrigiert.
Die finanzielle Last für die Sanierung von Altlasten und die Umsetzung von Brandschutzmaßnahme bei Landesliegenschaften und -bauten wird damit wieder dort angesiedelt, wo sie hergekommen ist: im Landeshaushalt, meine Damen und Herren.
Auch die landeseigene Beteiligungsverwaltungsgesellschaft BVG erhält eine Kapitalzuführung von 330 Millionen €. Ebenso wie beim BLB hat dies nichts damit zu tun – liebe Kolleginnen der SPD, die besonders betroffen sind, hören Sie gut zu –, einen Sparstrumpf anzulegen. Im Gegenteil:
Denn als die alte Landesregierung, nur um kurzfristig Haushaltslöcher zu stopfen, die landeseigenen Beteiligungen 1997 an die BVG verkauft hat, hatte diese gar nicht das Geld, sie zu bezahlen. Sie musste Schulden machen, die seriöserweise gar nicht hätten aufgenommen werden dürfen. Und wir alle wurden mit der Erwartung erheblicher Verkaufserlöse bei einer Weiterveräußerung der Beteiligungen durch die BVG ruhig gestellt. Bedauerlich ist dabei nur, dass sich diese Erwartungen bisher nicht realisiert haben.
Wir haben uns deshalb entschieden, im Sinne einer klaren und übersichtlichen Bilanz diese Schulden bei der BVG zu tilgen und sie wieder dorthin zurückzuführen, wo sie hingehören: in den Landeshaushalt, meine Damen und Herren.
Die Ausgaben für den Länderfinanzausgleich müssen um 400 Millionen € gegenüber dem bestehenden Haushaltsansatz erhöht werden, weil hier unvorsichtige Zahlen angesetzt wurden. Mit 150 Millionen € – Frau Kraft, hören Sie gut zu – wurde ein viel zu niedriger Ansatz gewählt, obwohl die alte Landesregierung gleichzeitig deutlich höhere Einnahmeerwartungen bei den Steuern auch gegenüber anderen – weitaus größeren – Ländern prognostiziert hatte.
Das zeigt im Übrigen auch die regionalisierte Steuerschätzung von November 2004 – also viele Monate vor der Verabschiedung des ersten Nachtragshaushalts 2005. Schon damals wurden 566 Millionen € als Länder-Finanzausgleichszahlungen für Nordrhein-Westfalen prognostiziert. Wir nehmen jetzt die erforderlichen Korrekturen vor. Das heißt, der Ansatz beläuft sich nunmehr auf 550 Millionen € einschließlich der Erhöhung um 400 Millionen €, die wir vornehmen mussten.
Meine Damen und Herren, es geht noch einmal um den Bau- und Liegenschaftsbetrieb: Bislang sind im Haushalt für 2005 Darlehensrückflüsse in einer Größenordnung von 266 Millionen € veranschlagt. Bei diesen Darlehensrückflüssen handelt es sich um die Abführung von Erlösen aus Grundstücksverkäufen. Wir müssen den Ansatz von 266 Millionen € fast vollständig, nämlich um 230 Millionen €, nach unten korrigieren. Bislang hat der BLB von den vorgesehenen 266 Millionen € lediglich 36 Millionen € realisieren können. Das ist ein krasses Missverhältnis zwischen Erwartung und tatsächlicher Einnahme.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir, dass ich es bei diesen vier Beispielen belasse, um die Praxis der alten Landesregierung in der Haushaltspolitik zu charakterisieren und aufzuzeigen, dass die neue Landesregierung jetzt gegensteuern musste. Wir legen damit den Grundstein für einen finanzpolitischen Neuanfang. Unsere Finanzpolitik orientiert sich an der Wirklichkeit und nicht daran, schönen Schein aufzubauen.
Wie der vorgelegte Nachtrag zeigt, löst sich ein solcher früher oder später ohnehin auf, und die Realität schlägt dann umso schonungsloser zu.
Meine Damen und Herren, 7,39 Milliarden € Nettoneuverschuldung - diese Zahl habe ich Ihnen eben genannt. Sie alle werden ahnen, was dazu
noch zu sagen ist: 7,39 Milliarden € Nettoneuverschuldung bedeuten, dass die Kreditaufnahme um 1,4251 Milliarden € über der sogenannten Verfassungsgrenze liegt. Nach Art. 83 Satz 2 der Landesverfassung dürfen die aufgenommenen Kredite die Summe der Investitionen nicht überschreiten. Das aber ist in diesem Jahr erneut der Fall. Kurzum: Auch im Jahr 2005 wird der Landeshaushalt nicht den Anforderungen von Art. 83 der Landesverfassung entsprechen, und ich füge hinzu: auch nicht entsprechen können.
Die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Landeshaushalten hat uns hier und vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster bereits intensiv beschäftigt. Klar ist, dass der jetzt vorgelegte Haushalt nicht der erste Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen ist, dessen Verfassungskonformität zur Diskussion steht. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof zu anderen Haushalten bereits eindeutige Urteile gesprochen.
Der nunmehr vorgelegte Haushalt ist jedoch der erste Haushalt, bei dem die Diskussion unter anderen Vorzeichen geführt werden muss. Denn die alte Landesregierung hat einerseits stets versucht, mit Scheinargumenten die Mechanismen von Art. 83 der Verfassung zu ihren Gunsten zu nutzen. Andererseits war es übliche Praxis, Haushalte einzubringen, deren Ansätze eine formale Einhaltung der Regeln des Art. 83 bis zur Haushaltsverabschiedung sicherstellten, die aber so unrealistisch waren, dass im Haushaltsvollzug die Vorgaben des Art. 83 regelmäßig nicht mehr erfüllt wurden.
Das war im Haushalt des Jahres 2003 der Fall, bei dem eine Nettoneuverschuldung von 3,76 Milliarden € geplant war, die im Nachtrag auf 5,66 Milliarden € erhöht werden musste. Abgeschlossen, meine Damen und Herren, wurde dieser Haushalt im Vollzug mit einer Nettoneuverschuldung von 6,56 Milliarden €.
Das gleiche Bild bietet der Haushalt 2004: Hier waren zunächst 5,15 Milliarden € Nettoneuverschuldung geplant. Im ersten Nachtrag wurde sie auf 6,08 Milliarden € erhöht, und im Haushaltsvollzug ergaben sich rund 6,7 Milliarden € Nettoneuverschuldung.
Dieser Akrobatik, meine Damen und Herren - das sage ich klar und eindeutig -, werden wir uns nicht bedienen.
Wir bemühen Art. 83 der Landesverfassung nicht mit schönem Schein und überstrapazieren ebenso wenig den Tatbestand der Störung des gesamt
wirtschaftlichen Gleichgewichts. Denn es wäre nichts als Augenwischerei zu behaupten, dass die durch den Nachtragshaushalt getroffenen Maßnahmen, nämlich die Aufnahme weiterer Schulden, geeignet und bestimmt sein könnten, eine etwaige Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren. Die Aufnahme weiterer Schulden - das habe ich anfangs bereits erwähnt - dient weitestgehend der Finanzierung geplanter, aber nicht realisierter Einnahmen und nicht eingeplanter, aber realistischerweise zu erwartender Ausgaben. Sie ist damit kein Instrument der Störungsabwehr im Sinne des Art. 83 der Landesverfassung.
Eine realistische Einschätzung der Rahmenbedingungen lässt einzig und allein den Schluss zu, den Haushalt durch die Aufnahme neuer Schulden auszugleichen. Eine Alternative zu diesem Vorgehen sieht die Landesregierung und sehe ich nicht. Die bestehende Deckungslücke lässt sich auch im Ansatz nicht durch eine kurzfristige Realisierung von Mehreinnahmen oder Einsparungen ausgleichen. Dann aber, meine Damen und Herren, bleibt als einziger Ausweg die Aufnahme von Schulden.
Zunächst einmal befinden wir uns bereits weit in der zweiten Jahreshälfte und damit mitten im Haushaltsvollzug. Des Weiteren sind die meisten Haushaltsposten nicht zuletzt durch Bewilligungen der alten Landesregierung so starr gebunden, dass Einsparungen in einer nennenswerten Größenordnung kurzfristig nicht realisiert werden können. Ich nenne Ihnen ein typisches Beispiel.
Herr Minister, ich weise nur darauf hin, dass die von Ihnen erbetene Redezeit zu Ende ist. Selbstverständlich können Sie aber weiter sprechen. Die Redezeit wird dann auch den übrigen Fraktionen zur Verfügung gestellt.
Ich nenne als drastisches Beispiel das Investitionsprogramm für Krankenhausbaumaßnahmen. Dort bestehen - hören Sie gut zu - bis zum Jahr 2011 rechtliche Bindungen, die die alte Landesregierung eingegangen ist. Zurzeit steht für 2005 und 2006 kein einziger freier Euro zur Verfügung. Deshalb müssen wir mit dem Nachtragshaushalt nun sogar 30 Millionen Euro zusätzlich für dringende Maßnahmen, die natürlich in jedem Jahr vorkommen, bereitstellen.
30. Juni 2005 haben wir zwar eine Haushaltssperre verhängt, durch die Schlimmeres verhindert werden konnte. Die strukturellen Haushaltsprobleme des Jahres 2005 vermag sie aber naturgemäß nicht zu beseitigen. Schließlich sind von einer solchen Sperre alle Ausgaben ausgenommen, die rechtlich verbindlich und der Höhe nach fällig sind. Dies ist nun einmal der Löwenanteil der Ausgaben des Landeshaushalts.
Einsparungen in einer spürbaren Größenordnung ließen sich einzig und allein durch einen für mich nicht vertretbaren und nicht verantwortbaren nachträglichen Eingriff in wesentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge erzielen. Das hieße aber, das Risiko einer ernsthaften Gefährdung der erforderlichen Aufgabenerfüllung durch das Land und durch die Kommunen auf sich zu nehmen.
Ich halte es daher für unausweichlich und deshalb auch für vertretbar, das Defizit des Haushalts 2005 mit diesem Nachtrag durch eine erhöhte Kreditaufnahme auszugleichen. Das ist jedenfalls ehrlicher, als durch Zahlenakrobatik die Einhaltung der Kreditobergrenze der Verfassung nur vorzutäuschen.
Ich halte dieses Vorgehen gerade auch deshalb für vertretbar, weil die neue Landesregierung keinen Zweifel daran gelassen hat, dass sie alle notwendigen Schritte einleiten wird, um, beginnend mit dem ersten eigenen Haushalt 2006, wieder zu geordneten Staatsfinanzen zu kommen. Auch und gerade weil die Haushaltslage dramatisch ist, dürfen wir die grundlegenden Perspektiven nicht vernachlässigen.