Protokoll der Sitzung vom 26.10.2005

Das Stichwort Länderfinanzausgleich gibt allerdings Anlass zu einer Frage. Die Mehrausgaben entstehen, weil die Steuereinnahmen des Landes höher sind als im Haushalt veranschlagt. Übrigens wurden diese Zahlen erst am 25. Juli bekannt. Das sage ich für diejenigen, die auf der Zuschauertribüne sitzen. Wir hätten es also gar nicht wissen können. Das ist ein etwas kompliziertes Geflecht. Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Steuereinnahmen nicht so regelmäßig sprudeln, dass sie wirklich sicher prognostiziert werden könnten.

Aber diese Mehrausgaben entstehen - ich sage es noch einmal -, weil die Steuereinnahmen des Landes höher sind als im Haushalt veranschlagt. Aus diesen Mehreinnahmen ergibt sich die Zahlungsverpflichtung.

Wo stehen denn diese Mehreinnahmen in Ihrem Nachtragshaushalt? Ich habe sie nicht gefunden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Mindereinnahmen ausweisen, Mehreinnahmen weglassen - das entspricht nicht dem Grundsatz von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das zeigt, dass schon in diesem Punkt Ihre Philosophie „klar, offen und transparent“ nicht gewährleistet ist.

Ihr Entwurf hat einen zweiten entscheidenden Mangel. Er enthält - lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen, meine Damen und Herren - keinen einzigen Einsparvorschlag. Keinen einzigen!

(Beifall von der SPD - Zuruf: Hört, hört!)

Das ist die große Wende in der Haushaltspolitik.

Sie haben Ihren Ankündigungen, eisern zu sparen, keine Taten folgen lassen. Sie verweigern jede Anstrengung, die Belastung mit neuen Schulden so gering wie möglich ausfallen zu lassen. Sie haben nicht einmal mehr nach der Deckung für Mehrausgaben gesucht. Das ist ein Armutszeugnis für den Antritt eines Finanzministers.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Jetzt fragen sich natürlich die Menschen im Land, warum Sie das machen. Das ist eigentlich recht

einfach zu erklären: Sie wollen in diesem Nachtragshaushalt 2005 gar nicht sparen. Sie wollen vielmehr eine unnötig hochgefahrene Kreditermächtigung erhalten, um in den nächsten Jahren davon Gebrauch machen zu können. Das ist Ihre Strategie mit diesem Nachtragshaushalt.

(Beifall von der SPD)

Der Beweis für meine Behauptung liegt auf der Hand. Herr Finanzminister, Sie persönlich gehen davon aus, dass die von Ihnen unverzüglich verhängte Haushaltssperre Einsparungen in Höhe von 30 bis 100 Millionen € bringen wird. Das haben Sie im Haushalts- und Finanzausschuss am 22. September erklärt. Im Nachtragshaushalt findet sich davon kein einziger Euro. Absolut null.

(Beifall und Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Wo finden sich die Einsparungen durch die Haushaltssperre im Entwurf des Nachtragshaushalts? Mehrausgaben ausweisen und Mindereinnahmen weglassen? - Auch das entspricht nicht dem Grundsatz von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit.

(Beifall von der SPD)

Ich sage Ihnen ganz klar: Nach unserer Überzeugung können sowohl die Mindereinnahmen als auch die Mehrausgaben im Haushalt gedeckt werden. Dies kann durch das hohe Steueraufkommen und die verbleibenden Einsparpotenziale erreicht werden. Wir erwarten Ihre konkreten Deckungsvorschläge dafür, Herr Finanzminister. Dafür müssen Sie keine neuen Schulden machen. Das muss man den Menschen da draußen einmal klar machen.

(Beifall von der SPD)

Herr Finanzminister, es ist darum vollkommen inakzeptabel, dass die Landesregierung bewusst und gewollt den Verfassungsgrundsatz außer Acht lässt, wonach die Neuverschuldung nicht die Investitionen übersteigen darf.

(Zuruf von der CDU)

Sie weigern sich, auch nur einen einzigen Euro einzusparen, und Sie weisen Mehreinnahmen und Minderausgaben nicht im Haushalt aus. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Das gilt in besonderer Weise für die dritte Rubrik. Zwei Rubriken habe bereits ich genannt - eine Rubrik „Konto Rot-Grün“ und eine Rubrik „Hätten wir auch gemacht“.

Es gibt eine dritte Rubrik mit einem Umfang von 1,1 Milliarden €. Sie haben so schön dargestellt, dass Sie Zahlungen an den Bau- und Liegen

schaftsbetrieb des Landes und an die Beteiligungsverwaltungsgesellschaft planen. Sehr geehrter Herr Finanzminister, Sie lösen Schulden ab, die diese Gesellschaften haben, und nehmen dafür neue Schulden in den Landeshaushalt auf. Dafür besteht keine Notwendigkeit, ja nicht einmal ein Anlass.

(Beifall von der SPD)

Sie haben die Bilanzsumme des BLB selbst genannt. Es glaubt Ihnen doch niemand, dass er finanziell wegen der Dinge in Schwierigkeiten ist, die Sie genannt haben.

(Zuruf von der SPD: Das ist Trickserei!)

Es ist ein Buchungstrick, den wir hier vorfinden. Auch das kann man den Menschen erklären: Der Finanzminister und die neue Landesregierung legen einen Sparstrumpf an. Sie tun so, als wären diese Gesellschaften bedürftig. Sie legen Geld in diese Gesellschaften hinein. Das Schöne ist, Sie können dieses Geld wieder zurückzurufen, ohne einen Landtagsbeschluss zu erwirken und ohne das Parlament zu beteiligen. Damit können Sie in den nächsten Jahren Geld aus diesen Gesellschaften zurückholen, wenn es für Sie eng wird, um damit handlungsfähiger zu sein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich fasse es noch einmal zusammen: Sie treiben den Schuldenstand des Landes im zweiten Nachtragshaushalt ohne sachliche und ohne rechtlich haltbare Notwendigkeit auf einen Rekordstand. Mit den Schulden von heute wollen Sie den Druck herausnehmen, den Sie morgen bei Ihren eigenen Haushalten haben. Sie wollen sich unter dem Vorwand der Aufstellung einer Schlussbilanz für Rot-Grün ein Polster für die kommenden Jahre anlegen. Das werden die Menschen draußen im Land verstehen. Das geht nicht durch. So kann man keine Haushaltspolitik machen, von der Sie sagen, dass sie klar, offen und transparent ist. Sie ist weder klar noch offen, und sie ist völlig intransparent.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dieser Entwurf für den zweiten Nachtrag war finanzpolitisch die erste Bewährungsprobe der neuen Landesregierung. Herr Rüttgers, von Ihrem zentralen Wahlversprechen, Schulden abzubauen, findet sich kein Wort mehr. Sie haben diese Probe nicht bestanden.

Wir haben heute Morgen über die Verantwortung gesprochen, die Regierung und Landtag für die Zukunft unseres Landes tragen. Dieser Nachtragshaushalt wird unserer gemeinsamen Verant

wortung nicht gerecht. Deshalb wird ihn die SPDFraktion ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nun hat der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Herr Abgeordneter Stahl, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kraft, ich muss Ihnen zugestehen, Sie hatten heute eine schwierige Rolle.

(Ralf Jäger [SPD]: Bei dem Finanzminister ist das ganz einfach!)

Es war insoweit eine schwierige Rolle, als ein Haushalt immer in Zahlen geronnene Politik ist. Das bedeutet, man kann nicht ausweichen. In Zahlen geronnene Politik bedeutet, dass Sie der neuen Landesregierung und der sie stützenden Koalition 111 Milliarden € Schulden hinterlassen haben.

(Zuruf von der CDU: Hui!)

Das ist mehr als das Doppelte des Volumens des Landeshaushaltes. Wenn ich dieses Geld in zwei Zentimeter dicken Päckchen à 10.000 € aufeinander stapeln würde, wäre das Ganze 264-mal so hoch wie der Kahle Asten. Diese Schulden belasten den Landeshaushalt mit etwa 5 Milliarden € an Zinsen pro Jahr.

(Zuruf: Mein Gott!)

Das ist fast so viel, wie früher der Wissenschaftsminister in der alten Landesregierung zur Verfügung hatte.

(Zuruf von der SPD)

Wir zahlen also an Zinsen für die Schulden fast genauso viel, wie wir in Wissenschaft und Forschung investieren können. Dies ist Ihre Bilanz. Wenn ich mir die Verteilungswirkung ansehe, beinhaltet das, dass diese 5 Milliarden € Ihnen gefehlt haben und uns fehlen, um beispielsweise für Behinderte und für unsere Schulen mehr zu tun und auch dafür, dass der Landesjugendplan besser ausgestattet ist. Dieses Geld fehlt, geht an die Banken und macht die Reichen reicher. Das ist die Verteilungswirkung Ihrer Schuldenpolitik.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben, Frau Kollegin Kraft, als Opposition ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs NordrheinWestfalen erstritten, verkündet am 2. September 2003. Dieses Urteil hat bestätigt, was wir wussten,

dass Sie in Nordrhein-Westfalen über Jahre eine verfassungswidrige Politik betrieben haben. In Bezug auf dieses Urteil war der Sachverhalt der, dass Sie in den Jahren vor 2001 mehr Schulden aufgenommen hatten, als Sie tatsächlich gebraucht haben, um den Haushalt auszugleichen. Sie haben damals genau den „Sparstrumpf“ angelegt, den Sie heute der neuen Regierung, dem neuen Finanzminister vorwerfen.

(Beifall von der CDU - Hannelore Kraft [SPD]: Dann hätten Sie ja Geld!)