Protokoll der Sitzung vom 18.09.2008

Es ist schön, dass etwas passiert. Allerdings muss ich auch da zwar nicht das Haar in der Suppe suchen, aber doch sagen: Es gibt dort ein Problem, weshalb ich finde, dass diese Broschüre eher gefährlich als hilfreich ist. – Dort steht nämlich, K.-o.Tropfen könnten zwar noch Monate später durch die Untersuchung einer Haarprobe des Opfers nachgewiesen werden. Trotzdem empfiehlt sie, dass man schnell zum Arzt geht. Aber es sind dort keine Zeiten und keine Fristen angegeben.

Das Problem ist, dass diese Haarprobenanalyse sehr, sehr umstritten ist, denn die Substanz wird zu einer körpereigenen Substanz abgebaut. GBH ist eine körpereigene Substanz. Selbst in der Bonner Klinik, die das zum Teil macht, gibt es Ärzte, die sagen: Es ist ganz fraglich, denn man kann es nur schwer von dem Anteil der körpereigenen Substanz unterscheiden. – Diese Haarprobe ist ungenau, und sie wird auch in Justizkreisen nach wie vor noch nicht anerkannt.

Das zweite Problem ist: Wenn man den Fall nicht zur Anzeige gebracht hat, muss man die Kosten dafür selbst übernehmen. Sie sind extrem hoch.

Deswegen würde ich mir wünschen, dass auch hier das passiert, was wir gefordert haben, nämlich dass die Expertinnen und Experten in ein solches Verfahren einbezogen werden. Dann wäre ein solcher Fauxpas nicht passiert.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann würde dort stehen: Die Frauen werden aufgefordert, innerhalb von acht, spätestens innerhalb von zwölf Stunden diese Untersuchung durchzuführen: Blutproben-, Urinprobensicherung. Wenn all das nicht möglich war, kann man auch noch eine Haarprobenanalyse machen, aber nur im äußersten Notfall, denn nach wie vor ist nicht sicher, ob sie hilft.

So werden die Frauen in die Irre geführt. Hier wird ihnen suggeriert, man könne mit der Haarprobe alles nachweisen. Dann sind die Frauen zweimal Opfer, nämlich zum einen Opfer eines Übergriffs mit K.-o.-Tropfen, und zum anderen sind sie Opfer, weil sie gedacht haben: Ich trinke erst noch eine Tasse

Kaffee und gehe eine halbe Stunde später hin; das ist ja kein Problem. Mit der Haarprobe kann man es reißen. – Man kann es aber nicht. Das ist das Problem.

Ich wünsche mir, dass, wenn schon dem Antrag nicht zugestimmt wird, wenigstens vonseiten des Ministeriums dieser Fehler korrigiert wird und die Frauen hier nicht noch einmal in die Irre geführt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Steffens. – Für die CDU-Fraktion spricht nun die Kollegin Rühl.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Problematik bezüglich der K.-o.Tropfen ist uns allen bewusst, und sie ist sehr ernst zu nehmen. Die Beimischung von gefährlichen Substanzen in Getränke, die im Blut nur kurze Zeit nachweisbar sind, ist niederträchtig, kriminell und verabscheuungswürdig. In diesem Punkt sind wir uns alle einig.

Diese Mittel führen von Übelkeit über Bewusstseinsstörungen bis hin zur Willenlosigkeit. Die sogenannten K.-o.-Tropfen machen den, der sie zu sich nimmt, häufig zum hilflosen Opfer sexueller Gewalt. Besonders betroffen hiervon sind junge Frauen, die sich an das Geschehene gar nicht oder nur bruchstückhaft erinnern können.

Allzu häufig schweigen die Betroffenen aus Unkenntnis und Scham. Deshalb sind Aufklärung, Beratung und das Schaffen von Öffentlichkeit für dieses Thema äußerst wichtig. Infolge dessen finde ich es gut und richtig, dass wir uns heute mit diesem Thema befassen.

Die erste Zuständigkeit, was gesetzgeberische Maßnahmen anbelangt, liegt auf Bundesebene. Dabei sollte jedoch bedacht werden, dass die Stellung des Opfers allein durch Gesetze nicht gestärkt werden kann. Der Opferschutz muss weitaus früher ansetzen.

Kriminalitätsvorbeugung ist der beste Opferschutz. Daran besteht kein Zweifel. Schon die Aufklärung über mögliche Gefahren kann in vielen Fällen verhindern, dass ein Mensch überhaupt Opfer einer Straftat wird. Dort setzt zum Beispiel die Kampagne der Landesregierung „Lass Dich nicht K.-O.TROPFEN!“ an.

(Zuruf von der SPD)

Der Flyer wird flächendeckend im Land verteilt, zum Beispiel in Schulen, in Jugendtreffs und in Frauenberatungsstellen, aber auch bei Ermittlungsbehörden, Ärzten und Opferschutzeinrichtungen. Das Internet wird als weiteres Medium genutzt. Ein eingängiges Plakat macht zusätzlich auf die Aktion

aufmerksam. Wir hoffen, über die Aufklärungskampagne viele, gerade auch junge Menschen zu erreichen, um sie vor den Gefahren der K.-o.-Tropfen zu schützen.

Wenn man sich mit den Diskussionen auf europäischer Ebene beschäftigt, stellt man fest, dass auch dort der Schwerpunkt auf Beratung, Information und Aufklärung gesetzt wird.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Und warum? – Weil auch dort klar ist, dass der oft sehr laute Schrei nach neuen, härteren Gesetzen gerade bei diesem Thema zu nichts führt. Die Substanzen sind nur sehr kurze Zeit und sehr schwer nachweisbar. Was nützen also Gesetze, wenn sie aus Mangel an Beweisen nie zur Anwendung kommen?

Aufklärung und Information sind und bleiben oberstes Gebot. Die Landesregierung hat hierzu zahlreiche breit gestreute Informationskampagnen und Publikationen gestartet. Zusätzlich gibt es in Nordrhein-Westfalen 48 Frauenberatungsstellen, in denen sich junge Frauen Rat holen können.

Jetzt, wie Sie es im Ausschuss gefordert haben, einen Extratopf aufzumachen und eine Extraeinrichtung zu schaffen, geht, wie bei den meisten Forderungen der Opposition, völlig am Problem vorbei.

(Britta Altenkamp [SPD]: Aha!)

Die Verabreichung von K.-o.-Tropfen mit dem Ziel des sexuellen Missbrauchs oder der Vergewaltigung fallen genau in den Kernbereich der Aufgaben dieser Einrichtungen. Es handelt sich eben nicht – wie Sie es behaupten – um eine draufgesattelte Aufgabe, sondern um eine originäre Aufgabe im Aufgabenspektrum der Beratung.

Aus meiner Sicht wird auf Landesebene getan, was man auf dieser Ebene tun kann, sodass wir an die Grenzen der landespolitischen Möglichkeiten stoßen. Aus diesem Grund ist weiterer Handlungsbedarf für uns nicht erkennbar. Wegen all der genannten Tatsachen, die Sie, meine Damen und Herren der Opposition, verkennen, lehnt meine Fraktion Ihren Antrag ab.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Rühl. – Für die SPD spricht nun Frau Dr. Boos.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Abgeordnete! „Entschlossen gegen K.O.-Tropfen handeln!“, so lautet der Titel des vorliegenden Antrags. Entschlossen und am besten auch gemeinsam, das ist bei diesem Thema ein erstrebenswertes Ziel, geht es doch darum, Menschen vor gewaltsamen Übergriffen zu schützen. Das Handeln der Landesregierung gepaart mit den Reden der Fraktionen von CDU und

FDP führt bei der parlamentarischen Beratung dieses Antrags allerdings zu Kopfschütteln, und dies in doppelter Weise.

Zum einen ist es für mich nicht verständlich, warum seitens der regierungstragenden Fraktionen ein konsequentes und entschlossenes Vorgehen gegen K.-o.-Tropfen als bereits vollständig ausreichend angesehen wird, wie wir es gerade wieder gehört haben, zum anderen wird diese Meinung offenbar nicht von der Landesregierung mitgetragen, denn sie offenbart in ihrem Handeln eine völlig andere Haltung. So wird der hier zu beratende Antrag mit bestenfalls fadenscheinigen Gründen abgelehnt.

Natürlich ist es richtig – darauf hat die CDU zu Recht hingewiesen –, dass die gesetzgeberischen Maßnahmen auf der Bundesebene ergriffen werden müssen. Das ist korrekt, das sehen wir auch so. Es deshalb aber für nicht nötig zu halten, die Forderungen für die Landesebene mitzutragen, ist die völlig falsche Konsequenz.

(Beifall von der SPD)

Denn K.-o.-Tropfen in ihren verschiedenen chemischen Zusammensetzungen und Formen bedeuten eine reale Gefahr – insbesondere für Frauen und Mädchen –, Opfer sexueller Gewalt zu werden. Die Erinnerung ist oft unzureichend, die Nachweisbarkeit im Körper ist problematisch. An dieser Stelle darf Politik nicht schweigend zusehen.

Wir brauchen dringend äußerst konsequente Aufklärung und Prävention, wir brauchen einen Austausch zwischen den verschiedenen Ebenen, und dies liegt ganz klar im Verantwortungsbereich des Landes.

Das Gleiche gilt für den Opferschutz. Frauen und Mädchen, die unter der Einwirkung von GammaHydroxy-Buttersäure oder Gamma-Butyrolacton vergewaltigt oder missbraucht wurden, verdienen nicht nur eine Aufklärung der geschehenen Straftat, sie verdienen auch Beratungs- und Begleitungskonzepte, die wirkliche Hilfe bieten.

Genau wie bei der Prävention ist auch hier entscheidend, wer die Verantwortung übernimmt. Wir in NRW können nicht einfach so tun, als wäre das alles Bundespolitik. Deshalb ist es wichtig, genauere Zahlen über die Häufigkeit von Sexualdelikten im Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen zu bekommen. Eine entsprechende gesonderte Aufführung in den Statistiken des Landeskriminalamtes, wie im Antrag gefordert, würden wir deshalb begrüßen.

Um den regierungstragenden Fraktionen die Zustimmung zu erleichtern, haben wir als SPD extra eine Einzelabstimmung im Ausschuss beantragt. Uns ist völlig unverständlich, warum die Punkte zum Opferschutz und zur Prävention für CDU und FDP auch bei der Einzelabstimmung im Ausschuss nicht zustimmungsfähig waren.

Dies gilt insbesondere auch deshalb, da – wie wir schon gehört haben – Frau Justizministerin MüllerPiepenkötter im Rechtsausschuss am 20. August eine entsprechende Informationskampagne vorgestellt hat. Themen dieser Informationskampagne sind sowohl die K.-o.-Tropfen als auch eine Erlangung von Schadenersatz im Strafverfahren und die Verbesserung des Täter-Opfer-Ausgleichs. Das alles sind Punkte, die auch dieser Antrag fordert.

Wir müssen also fragen: Halten die Fraktionen von CDU und FDP genau das für unnötig, was von der Landesregierung initiiert wurde?

(Beifall von der SPD)

Ist dies ein weiteres Beispiel für den Abstand zwischen reden und handeln? Die Erklärung für dieses inkonsequente Verhalten könnte sein, dass die Landesregierung eine eigene Initiative gestartet hat, um nicht einem Oppositionsantrag zustimmen zu müssen. Die Beurteilung eines solchen Verhaltens überlasse ich jedem von Ihnen selbst.

Allerdings ist der Antrag auch mit der genannten Kampagne des Justizministeriums nicht obsolet; denn in der Fläche ist die Kampagne zurzeit noch nicht ausreichend angekommen, wie ich selbst in einem Gespräch an einem Infostand erklärt bekommen habe.

Prävention, öffentliche Aufklärung, statistische Klärung sowie insbesondere natürlich Beratung und Hilfestellung für Opfer sind wichtige Aufgaben der Landespolitik. Sie haben neben der bundespolitischen Klärung einer möglichen Rechtsänderung eine sehr hohe Bedeutung. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Dr. Boos. – Für die FDP spricht nun Frau Pieper-von Heiden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns alle verbindet die Abscheu vor dem Verbrechen, das mit der Verabreichung von K.-o.-Tropfen in Verbindung steht. Was die K.-o.-Tropfen zu einem so perfiden Instrument des Verbrechens macht, ist eine Folge der chemischen Substanz. Oftmals können die Opfer sich nach der Tat nicht einmal an diese erinnern. Für viele Opfer kann dies eine spätere psychische Verarbeitung des Verbrechens weiter erschweren.

Auch führen die Angst vor einer Schuldzuweisung bei vielen Mädchen und Frauen zu einer Scham, sich zu offenbaren. Jede Frau und jedes Mädchen, die das Gefühl eines solchen Verbrechens hat, soll sich dennoch unverzüglich bei einem Arzt und der Polizei melden. Auf diese Weise steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dem Täter auch dieser Teil des Verbrechens nachgewiesen werden kann.

So wichtig die Strafverfolgung der Täter ist – unser Ziel kann und darf nicht zuallererst die Strafverfolgung, sondern muss die Verhinderung solcher Verbrechen sein. Vorbeugung ist der beste Opferschutz. Die Prävention kann in diesem Fall nur durch umfangreiche Aufklärung und umfassende Zusammenarbeit erfolgen. Wichtig hierbei ist eine konsequente Kooperation zwischen den Frauenhilfsorganisationen, den Drogen- und Suchtberatungsstellen sowie den Polizei- und Strafverfolgungsbehörden.

Ebenfalls sind die vielfachen Initiativen der Frauenhilfsorganisationen an dieser Stelle ausdrücklich zu loben, da sie umfassende Aufklärungsarbeit leisten und den Betroffenen Hilfe und Rat zukommen lassen. Diese Arbeit wird das Land, wie der Haushaltsentwurf 2009 zeigt, auch weiterhin konsequent fördern.