Protokoll der Sitzung vom 18.09.2008

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie das beklagen, sprechen Sie darüber mit Ihrer Kollegin Frau Schäfer, denn es sind ihre Auflagen!

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Allerdings haben wir einen anderen Zeitraum als in den beiden Jahren zuvor genommen. Das ist kein billiger Trick, sondern hängt damit zusammen, dass wir in einem Gespräch mit einem Lehrerverband Folgendes zu hören bekamen: Aha, jetzt ist es bald wieder an der Zeit für Ihre Stichprobe. – Aus diesem Grunde haben wir einen anderen Zeitraum gewählt, der allerdings nicht unbelastet war. Wir haben die Probe für dieses Jahr im März bzw. April genommen. In diesen Zeitraum fielen die Lernstandserhebungen und das schriftliche Abitur; beides birgt sicherlich ein Risiko.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, weil die Opposition erkennt, dass wir ihr eigenes Versagen beseitigen, versucht sie mit fadenscheinigen Argumenten, die Statistik anzugreifen.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen von der SPD – Hannelore Kraft [SPD] fasst sich an den Kopf.)

Ihr erstes Argument lautet, eigenverantwortlicher Unterricht werde erteilt, der in der Statistik nicht erfasst würde. Frau Kraft hat diese Lernform in der vergangenen Plenardebatte abgekanzelt, als sie sagte, für sie sei das organisierte Selbstbespaßung, aber kein Unterricht. – Das ist eine bemerkenswerte Wortschöpfung, liebe Frau Kraft. Aber der eigenverantwortliche Unterricht ist eine Erfindung Ihrer Kollegin, Frau Schäfer.

(Heiterkeit und Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Vielleicht sollten Sie sich vorher mit ihr darüber unterhalten, bevor Sie solche Aussagen machen. Für uns ist der eigenverantwortliche Unterricht ein bewährtes pädagogisches Instrument. Diese Unterrichtsform trainiert die Fähigkeit des selbstständigen Arbeitens und bereitet auf Arbeitsformen an der Universität vor. Deshalb wird der eigenverantwortliche Unterricht praktisch ausnahmslos in der gymnasialen Oberstufe eingesetzt.

(Ursula Meurer [SPD]: Deshalb in der Grund- schule: Je früher, desto besser!)

94 % dieser Unterrichtsform entfielen auf die gymnasiale Oberstufe. Wir erkennen aber auch aus der

Statistik, dass sie – das kann man bedauern – sogar rückläufig ist, denn sie macht nur noch 1,8 % aus.

Frau Ministerin, Sie überschreiten Ihre Redezeit.

Vielen Dank für den Hinweis. – Meine Damen und Herren, der zweite Kritikpunkt lautete, dass wir den Unterrichtsausfall nicht für jede Schule dieses Landes erheben würden. – Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sind darauf schon eingegangen. Ich werde meinen nächsten Redeblock nutzen, Ihnen auch dazu Argumente zu liefern. – Danke schön.

(Anhaltender Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Große Brömer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal erstaunen mich Ihre Jubelarien, Ihre Selbstbeweihräucherung und die Basis, auf der diese Jubelarien stattfinden.

(Zurufe von Walter Kern [CDU] und Michael Solf [CDU])

Wenn Sie diese Feierstunden auf der Grundlage von rot-grünen Statistiken veranstalten wollen, müssen Sie sich fragen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb, wann Ihre Regierungsverantwortung beginnen wird.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Lachen von der CDU)

Die „Ruhr-Nachrichten“ haben nach den ersten tollen Presserklärungen des Ministeriums ein Forum veranstaltet mit dem Arbeitstitel: Glauben Sie dieser Statistik?

(Heiterkeit von der SPD)

Ich gebe Ihnen die Antwort: Ich glaube dieser Statistik nicht; ich halte sie für eine einzigartige Realsatire.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das möchte ich Ihnen an einigen Beispielen deutlich machen. Wir stellen uns eine Hauptschule in einem kleinen Ort vor. Diese Hauptschule wird per Zufallsprinzip ausgelost, an der Unterrichtsausfallstatistik von Ministerin Sommer teilzunehmen.

Die Situation an der Schule sieht folgendermaßen aus: Die Schulleiterstelle ist seit einem halben Jahr unbesetzt, weil das schwarz-gelbe Schulgesetz bedauerlicherweise einige juristische Schwachstellen

bei der Schulleiterwahl enthält. In den Fächern Chemie, Physik und Musik herrscht Fachlehrermangel. Deswegen wird Chemie nur in den Jahrgangsstufen 9 und 10, Musik lediglich in den Jahrgängen 5 und 6 unterrichtet. Der Stundenanteil für Physik ist halbiert. Der hohe Migrantenanteil macht eine verstärkte Erteilung des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts erforderlich. Und letztendlich: Wegen seiner katastrophalen Finanzsituation musste der Schulträger das einzige öffentliche Hallenbad des Ortes schließen, weshalb der Schwimmunterricht der Schule ersatzlos gestrichen worden ist.

Bis dahin also nahezu eine typische Situation. Alles in allem ist an unserer Beispielhauptschule der laut Stundentafel zu erteilende Unterricht um insgesamt 20 % gekürzt.

Als der Erhebungszeitraum, Frau Ministerin Sommer, für die Unterrichtsausfallstatistik beginnt, wird die Schule von einer Grippewelle heimgesucht; die Hälfte des Kollegiums erkrankt. Der stellvertretende Schulleiter, sehr erfahren und zwangsläufig auch sehr kreativ, leitet sofort die notwendigen unterrichtsorganisatorischen Maßnahmen ein.

Erstens. Der Biologielehrer, ein ehemaliger Student der Forstwirtschaft und als Seiteneinsteiger eingestellt, führt mit Hilfe von Schülermüttern für den gesamten fünften Jahrgang eine zehntägige Exkursion im Stadtpark durch. Projektthema: „Unsere Zukunft, die Klimakatastrophe!“

(Heiterkeit von der SPD)

Zweitens. Die beiden Sportlehrer organisieren für alle sechsten Klassen

(Zuruf von Helmut Stahl [CDU])

ein zweiwöchiges Sportfest mit dem Arbeitstitel „Wir trainieren für Olympia!“. Der Technikunterricht wird vom Hausmeister übernommen,

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE] – Ge- genruf von Helmut Stahl [CDU] – Britta Alten- kamp [SPD]: Wer ist denn hier nervös?)

Stundenanteile des Deutschunterrichts werden durch die Schulsekretärin erteilt, der muttersprachliche Ergänzungsunterricht Spanisch und Italienisch wird von Türkisch wahrgenommen.

(Achim Tüttenberg [SPD]: Das ist die Reali- tät!)

In den Jahrgängen 7 und 9 findet der konzipierte Vertretungsunterricht durch umfangreiche Mehrarbeit des Restkollegiums statt. Der Unterricht wird wie gewohnt erteilt, also zu ca. zwei Dritteln fachfremd. Letztendlich: Im 10. Jahrgang wird selbstgesteuertes Lernen organisiert. Nach dem Prinzip der autodidaktischen selbstevaluierenden individuellen Förderung arbeiten die Schülerinnen und Schüler an einem Zwei-Wochen-Projekt mit dem Thema „Wir wünschen uns einen Ausbildungsplatz!“

(Heiterkeit von der SPD)

Alles klappt reibungslos; die zwei Wochen sind überstanden. Am ersten Tag nach dem Statistikzeitraum fällt jedoch der überwiegende Teil des noch gesunden Kollegiums, völlig entkräftet durch die geleistete Mehrarbeit, aus. Die Schule ist am Ende; sie muss für eine Woche geschlossen werden.

(Helmut Stahl [CDU]: Blamabel, was Sie hier abliefern, Herr Kollege!)

Herr Stahl, ich weiß, dass Sie nicht unterscheiden können zwischen …

(Zuruf von Helmut Stahl [CDU] – Achim Tüt- tenberg [SPD]: Spiegel!)

Herr Stahl, regen Sie sich doch nicht auf. Ich weiß, dass Sie nicht mehr unterscheiden können zwischen Wirklichkeit und Satire. Das ist völlig klar, Herr Stahl. Das können Sie nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das Schönste an diesem Szenario – das ist jetzt das i-Tüpfelchen –:

(Zuruf von Helmut Stahl [CDU])

Nach den Kriterien Ihrer Statistik, Herr Stahl, die Sie mit zu verantworten haben,

(Zuruf von Helmut Stahl [CDU])

ist an dieser Schule nicht eine einzige Stunde ausgefallen. Unterrichtsausfall gleich null.