Protokoll der Sitzung vom 23.10.2008

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Den unbegründeten Vorwurf einer Vernachlässigung oder gar Zerschlagung, für die es keinerlei Belege gibt – Sie haben auch keinerlei Belege anführen können –, halte ich vor dem Hintergrund dieses sachlichen Berichts für absolut unredlich. Alle strategischen Optionen für die Institute – um dies noch einmal deutlich zu sagen – sind alles andere als eine Missachtung ihres Potenzials. Sie sind vielmehr eine weitere Förderung und Profilierung.

Sicherlich ist die Titelgruppe 73 zu einem Zeitpunkt entstanden, als die Haushaltslage sehr kritisch war und man Sorge hatte, diesen Instituten überhaupt eine Perspektive geben zu können. Das war damals eine kleine Rettungsmaßnahme, die ich gar nicht gering schätzen will. Wir versuchen heute, die vorhandenen Potenziale in eine Gesamtstrategie einzubetten. Unsere Innovationsstrategie zielt ganz eindeutig darauf ab, Stärken in unserem Land weiter zu fördern und das Transferpotenzial gezielt auszubauen. – Herzlichen Dank. – Wenn Herr Schultheis noch eine Frage hat, kann er die gerne stellen.

(Beifall von FDP und CDU)

Herr Schultheis hat sich mittlerweile herausgedrückt, aber Herr Karthaus hat sich in der Zwischenzeit gemeldet. Bitte.

Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, die Institute unterstützten dieses Vorgehen und sähen das auch so. Wie bewerten Sie dann die Aussage von Herrn Professor Kurz, der als Sprecher dieser Institute bei dem Gespräch im Wissenschaftsausschuss gesagt hat: Die Universitäten bedeuten für uns Sklaverei, weil wir dort überhaupt keine Handlungsfreiheiten mehr haben? – Dies ist völlig konträr zu Ihren Aussagen. Wie beurteilen Sie das?

Jetzt nehmen wir noch die Frage von Herrn Schultheis dazu.

Herr Minister, Sie sind bei diesem Thema auf Abwegen. Es ist schlimm, wenn man sich selbst so in die Tasche lügt; das habe ich Ihnen schon gestern gesagt. Meine Frage bezieht sich auf die Grundförderung. Können Sie den wenigen interessierten Zuhörern bestätigen, dass die Grundförderung für die Institute der Titelgruppe 73 wesentlich geringer ist als die Grundförderung, die das Land für Max-Planck-Institute und für Fraunhofer-Institute prozentual aufbringt?

Herr Minister, bitte.

Ganz herzlichen Dank für die Fragen. Herr Karthaus, ich freue mich sehr, dass Sie sich mit dieser Frage implizit nachdrücklich für mehr Freiheit von Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen aussprechen und sogar in Zweifel ziehen, dass unser Hochschulfreiheitsgesetz hinreichende Freiheit für Forschungsinstitute gewährt, um in Wissenschaft und Forschung erfolgreich arbeiten zu können. Ich bitte, das im Protokoll deutlich hervorzuheben, weil das sehr wichtig im Hinblick darauf ist, dass wir sonst – gerade von Ihrer Fraktion, Herr Karthaus – immer zu hören bekommen, dass wir den Hochschulen zu viele Freiheiten gewähren würden. Sie vermissen jetzt hinreichende Freiheiten. Wir werden das gerne mitnehmen und kritisch überprüfen, ob wir das Hochschulfreiheitsgesetz vielleicht noch etwas freiheitlicher gestalten können.

(Beifall von CDU und FDP – Dr. Gero Kar- thaus [SPD]: Können Sie bitte einmal auf meine Frage antworten, Herr Minister?)

Ja, damit habe ich sie beantwortet. Wir haben mit dem Hochschulfreiheitsgesetz die Freiheiten geschaffen – jedenfalls haben wir das bisher geglaubt; wir schauen aber noch einmal nach, ob wir etwas übersehen haben –, die es den Instituten, die früher ausgelagert werden mussten, um hinreichend beweglich zu sein, erlauben, jetzt auch innerhalb der Hochschulen entsprechend beweglich zu sein. Das war meine Antwort.

Herr Schultheis, die Institute – auch die in der Titelgruppe 73 – bekommen die Grundförderung, die sie für ihre Arbeit brauchen, damit sie sich erfolgreich entwickeln können. Wir investieren jetzt beispielsweise – wie ich Ihnen das im Ausschuss dargelegt habe – zusätzlich in ein Institut, das vom Wissenschaftsrat positiv dahin gehend bewertet worden ist, dass wir es nicht nur als Landesinstitut dauerhaft fördern, sondern zur Aufnahme in die Blaue Liste vorschlagen sollten, damit es auch eine Bundesförderung bekommt. Über die erhöhte Förderung kann es die Qualitäten erlangen, die es braucht, um in die Gunst einer ergänzenden Bundesförderung zu gelangen. Das heißt, dass jedes Institut es selbst in der Hand hat, welche Grundförderung es von der jeweiligen Ebene bekommen will.

(Beifall von der FDP)

Das setzt allerdings eine entsprechende Exzellenz der Forschungsarbeit zwingend voraus. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Karl Schultheis [SPD]: Das ist keine Antwort auf meine Fra- ge!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7665 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Die abschließende Beratung und Abstimmung wird dort in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein kurzes Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit haben wir diesen Verfahrensbeschluss einstimmig so gefasst.

Ich rufe auf:

12 Neue Stromnetze und AnwohnerInnenschutz verbinden Höchstspannungsleitungen unterirdisch verlegen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7675 – Neudruck

Ich eröffne die Beratung. Herr Priggen, bitte schön.

Danke schön, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich will meinen Teil dazu beitragen, die Beratungen zu beschleunigen. Es geht um das Problem der Höchstspannungsleitungen auf der 380-kV-Ebene. Ich will ganz klar sagen, dass wir diese Leitungen brauchen; da gibt es gar keinen Streit. Wir brauchen einen Ausbau und eine Erneuerung der Höchstspannungsleitungen, und wir wissen, dass die herkömmlichen Planungsverfahren, weil sie sehr umfangreich sind, bis zu zehn Jahre dauern.

Weil wir auch wissen, dass die Akzeptanz von Stromleitungen auf der 380-kV-Ebene wegen der elektromagnetischen Beeinträchtigungen bei Menschen, die direkt an den Leitungen wohnen, nicht besonders hoch ist, finden wir den Vorstoß des schwarz-gelb-regierten Landes Niedersachsen richtig, solche Leitungen an den Stellen, wo Menschen wohnen, unterirdisch zu verlegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Niedersachsen sagen ganz konkret, dass man bei geschlossenen Wohnsiedlungen ab einem Abstand von 400 m unter die Erde gehen muss, bei Einzelhäusern ab einem Abstand von 200 m. Weite Teile der Trassen kann man gleichwohl überirdisch führen, an den genannten Stellen aber unterirdisch. Das beschleunigt Planverfahren, weil es verhindert, dass bei solchen Siedlungen Widersprüche und Gerichtsverfahren notwendig werden. Es dient also auch der Versöhnung der Anwohnerinnen und Anwohner mit den notwendigen Höchstspannungsleitungen.

Die Bundesregierung hat das ebenfalls so gesehen. Der Bundesrat hat in seiner Mehrheitsentscheidung beschlossen, das zumindest bei den vier wichtigsten großen Hochspannungstrassen so zu machen. Es gab nur ein einziges Bundesland, das im Bundesrat dagegen interveniert hat, und das war wieder einmal Nordrhein-Westfalen. Wir wollen hier klar zum Ausdruck bringen, dass wir es für falsch halten, dass Nordrhein-Westfalen den Schutz der Menschen, die neben diesen Hochspannungsleitungen leben müssen, nicht so ernst nimmt, wie andere CDU-regierte Länder es offensichtlich tun. Es ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, dass dieser Schutzstandard ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen nicht gelten soll.

Deswegen der Antrag und die Bitte an die Kollegen und an die Landesregierung, ihre Position zu überdenken. Denn es hilft in den weiterhin notwendigen Planverfahren allen, wenn man zum Schutze der Menschen, die in Siedlungen direkt neben den Höchstspannungsleitungen leben, diese kurzen Stücke unterirdisch verlegt. Das ist zwar in der Anlage teurer – das wissen wir; dafür ist es in der Unterhaltung günstiger –, es ist aber ein vernünftiger Kompromiss, das an besiedelten Stellen so zu machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und Svenja Schulze [SPD])

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Weisbrich.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da Herr Priggen versucht hat, das Verfahren zu beschleunigen, möchte ich das im Prinzip auch tun: Richtig ist, dass wir zusätzliche Höchstspannungsleitungen brauchen. Das ist unstrittig. Aber ganz so einfach, Kollege Priggen, ist es nun doch nicht.

Die Verkabelung kostet unterm Strich eine Menge Geld. Die Niedersachsen stellen sich vor, dass das die Bürger aus der ganzen Republik bezahlen. Man muss natürlich sehen: Die Übertragungskapazität von Kabelsystemen ist kaum halb so hoch wie bei Freileitungen. Man braucht sehr viel mehr Leitungen. Man hat erhebliche Zugangsprobleme. Man hat Serviceprobleme. Man muss schauen, dass man die Übergangsstellen technisch sicher ausbildet. Es gibt jede Menge zusätzliche Störstellen. Es kommt zu erheblichen Umwelteingriffen in der Errichtung- und Betriebsphase. Bodenerwärmung der Ökosysteme im Nahbereich kann man nicht ausschließen. Ich möchte hören, was Sie zu diesem Thema sagen, wenn wir dann so weit sind.

Was für mich ganz wichtig ist: Es gibt keinen erhöhten Anwohnerschutz, wie Sie das suggerieren, vor elektromagnetischen Feldern, denn die Grenzwerte

der Elektrosmogverordnung unterscheiden nicht nach Freileitungen und nach Erdkabeln. Der Unterschied ist nur: Die einen Leitungen sehen die Leute, und die anderen Leitungen sehen sie nicht.

(Beifall von der FDP)

Ich hätte also die herzliche Bitte, dass Sie den Leuten die Angst vor technischen Großprojekten nehmen und ihnen nicht immer einreden, gegen technische Großprojekte zu protestieren.

(Beifall von der CDU)

Sie machen das bei den Kernkraftwerken, Sie machen das bei den Kohlekraftwerken. Jetzt kommen wir zu den großen Freileitungen. Auch da wird wieder protestiert. Wie gesagt, einen zusätzlichen Anwohnerschutz gibt es nicht.

Überlegt man sich einmal die Kostensituation, dann muss man feststellen: Die 850 km Neubaustrecke, die wir insgesamt brauchen, kostet etwa 3 bis 7 Milliarden € je nach technischer Ausführung mehr als eine entsprechende Freileitung. Das müssen die Verbraucher zusätzlich bezahlen. Aus Ihrer Sicht mag das vielleicht ein Konjunkturprogramm sein, aus meiner Sicht sind das Kosten, die die Verbraucher bezahlen müssen.

Ein Superkonjunkturprogramm wäre es natürlich, wenn man die gesamten Höchstspannungsnetze verkabeln würde. Das sind in Deutschland 36.000 km. Das kostet dann zusätzlich 140 bis 280 Milliarden €. Allein vom Zins- und Abschreibungsaufwand her würde das Wirtschaft und Verbraucher jährlich mit 10 bis 21 Milliarden € zusätzlichen belasten. Das müssen Sie den Menschen im Land schon im Klartext sagen. Ich bin wirklich gespannt, wie die Bürger darauf reagieren. Ich kann es Ihnen sagen: Die schicken Sie zum Psychiater.

(Beifall von CDU und FDP)

Verdoppelung des Strompreises durch Kernkraftausstieg, 50 % Strompreiserhöhung durch Vollauktionierung, dann das, was jetzt durch die Verkabelung hinzukommt. Wer soll das noch bezahlen?

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Und wer soll die Steuermilliarden, die dann für Sozialtarife fällig werden, erwirtschaften, wenn auch noch die Arbeitsplätze in Deutschland ins Ausland abwandern? Mit einer solchen Angelegenheit wollen wir nichts zu tun haben. Wir lehnen den Antrag deswegen schlicht und ergreifend ab. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Weisbrich. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Leuchtenberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir befassen uns heute mit einem Antrag, in dem es um einen zentralen Baustein des Energie- und Klimaprogramms geht. Insgesamt sind wir in Deutschland auf einem guten Weg, konkrete Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Energie- und Klimapolitik zu schaffen.

Eine der Grundlagen für diese Klimapolitik sind die ehrgeizigen Ausbauziele für Erneuerbare Energien. Dieser Ausbau wird zum Teil an küstennahen Standorten in Nord- und Ostdeutschland sowie Offshore vor der Küste erfolgen. Hierbei handelt es sich jedoch in den wenigsten Fällen um die Gegenden, in denen der Strom insbesondere von der energieintensiven Industrie auch benötigt wird. Die Verbrauchszentren liegen eher im Süden und Westen der Republik. Also benötigen wir entsprechende Kapazitäten auf der Höchstspannungsebene, um den Nord-Süd und den Ost-West-Transit des Stroms auch wirklich gewährleisten zu können.

Das derzeitige Netz, das in den vergangenen Jahrzehnten im Wesentlichen von verbrauchsnaher Stromerzeugung geprägt war, ist darauf nicht vorbereitet. Bis 2015 müssen für die Integration von 20 % Erneuerbarer Energien das Verbundnetz 850 km Höchstspannungsleitungen neu gebaut und um weitere 400 km verstärkt werden. Um das zu leisten, brauchen wir schnelle Entscheidungen und kurze Entscheidungswege.

Die Bundesnetzagentur hat im Januar dieses Jahres im Rahmen einer Auswertung der Netzzustands- und der Netzausbauberichte darauf hingewiesen, dass es momentan in den Genehmigungsverfahren zu unvorhergesehenen Verzögerungen kommt.

Das bedeutet: Wenn wir unsere ehrgeizigen klimapolitischen Ziele erreichen wollen, müssen wir im Netzausbau entscheidend vorankommen. Deshalb soll für Vorrangprojekte der Rechtsweg auf das Bundesverwaltungsgericht als erste und letzte Instanz verkürzt werden. Natürlich habe ich bei diesem Thema auch Bauchschmerzen, für diese Projekte den Rechtsweg auf eine Instanz zu verkürzen.