Wir wollen nicht, dass Geringverdiener, für die wir dringend eine gerechte steuerliche Entlastung brauchen, immer wieder zusätzlich belastet werden. Das verhält sich von der Logik her ähnlich wie mit dem Lohnabstandsgebot und den Regelsätzen im SGB II und SGB XII, aber das wissen Sie ja. Wir machen uns im Gegensatz zu Ihnen stark für diese Geringverdiener im Land. Diese sind durch die Steuererhöhung der vergangenen Jahre genug belastet. Soziale Gerechtigkeit heißt auch, dass diejenigen, die arbeiten gehen, am Ende nicht schlechter dastehen als der Mensch, der nur von staatlicher Unterstützung lebt.
Fest steht, dass die Kritik, die uns in Ihren Anträgen entgegenschlägt, äußerst zweifelhaft ist. Offenbar geht es sowohl der SPD als auch den Grünen mal wieder darum, Stimmung gegen die Landesregierung zu machen.
Die Entscheidung, ein Sozialticket einzuführen oder nicht, wird aus gutem Grund auf kommunaler Ebene getroffen. Dort muss beschlossen werden, ob für den finanziellen Mehrbedarf Haushaltsmittel zur Verfügung stehen und ob man den betreffenden Menschen gegebenenfalls auch auf anderem Weg helfen kann. Das Land zahlt den Kommunen eine Pauschale gemäß ÖPNV-Gesetz von 110 Millionen €. Diese Mittel können auch für ein Sozialticket verwendet werden.
Das alles hilft natürlich nichts, wenn man sich vor Ort schlicht und ergreifend verkalkuliert. So ist für die Stadt Dortmund das Sozialticket erheblich teurer geworden, als die Verantwortlichen es vermutet haben. Der SPD-Fraktionschef im Stadtrat, Ernst Prüsse, war noch im Jahr 2007 besonders stolz darauf, dass das Ticket mit 15 € im Bundesvergleich extrem preiswert zu erwerben war.
In Köln kostete es 28 €, in Berlin sogar 32,50 €. Inzwischen hält sich die Freude bei den Genossen in Grenzen. Denn die Dortmunder Stadtwerke haben eine Gegenrechnung aufgemacht und herausgefunden, dass ihnen die soziale Wohltat Einnahmenverluste in Millionenhöhe beschert. Und auf einmal hält die SPD in Dortmund eine Preiserhöhung für unausweichlich. Offenbar wurde im Vorfeld schlicht und ergreifend schlampig gerechnet, um sich in der Öffentlichkeit mal wieder für soziale Taten als Wohltäter präsentieren zu können. Das ist besonders bizarr, wenn Sie jetzt versuchen, die Gründe für das Unvermögen dieser Kollegen in Dortmund der Landesregierung in die Schuhe zu schieben, anstatt vor der eigenen Türe zu kehren.
Was sagen übrigens die Menschen in den ländlichen Gebieten von NRW zu Ihren Vorschlägen? – Viele sagen: Schon wieder zusätzliches Geld, was vor allem an die Großstädte fließt.
Aber auch schon in Ihrer Regierungszeit haben Sie den ländlichen Raum sträflich vernachlässigt. Und auch durch Ihre Abwahl haben Sie nicht dazugelernt.
(Beifall von FDP und CDU – Bodo Wißen [SPD]: Das stimmt überhaupt nicht! Ihr eige- ner Minister hat Sie da berichtigt, Herr Breu- er, als er noch Minister war! – Weitere Zurufe von der SPD)
Sie haben in Ihrem Antrag auch den Vergleich mit den Schülern und Studenten gebracht. Doch für Schüler und Studenten ist die tägliche Fahrt zur
Schule und zur Universität unabdingbar, um Bildungschancen wahrzunehmen und spätere Armut zu vermeiden. Auffällig ist, dass beide Anträge zu unterschiedlichen Einschätzungen sowohl hinsichtlich des Bedarfs an zusätzlichen Finanzmitteln als auch hinsichtlich des Kreises der Anspruchberechtigten kommen. Auch die Rechnungen selbst sind kaum nachvollziehbar. Was Sie hier vorlegen, ist einigermaßen substanzlos und deshalb wirklich verzichtbar. Nicht nachhaltige Zusatzausgaben auf Pump, das ist extrem unsozial und wird von uns sicher nicht unterstützt. – Danke sehr.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Um es gleich vorweg zu sagen: Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich die Initiativen von Kommunen zur Einführung eines Sozialtickets. Aber die Landesregierung sagt genauso deutlich, dass das eine kommunale Angelegenheit ist, die vor Ort entschieden werden muss,
aber nicht nur entschieden werden muss, sondern auch finanziert werden muss. Denn es gibt eine Vielzahl anderer kommunaler Initiativen, die wir genauso für sinnvoll erachten, wie die Einführung eines sozialen Kulturtickets, eines Sporttickets für sozial Schwache, ein soziales Freizeitticket und viele weitere Initiativen, die es im Land gibt.
Aber es ist blanker und durchschaubarer Populismus, wenn bei jeder Gelegenheit gefordert wird, das Land müsse sich dann aber bitte schön auch an der Finanzierung beteiligen. Das ist durchschaubar, was Sie hier veranstalten. Das ist im Übrigen auch nicht finanzierbar. Denn es gibt einen ganz einfachen Grundsatz in dieser Republik: Jeder ist für das finanziell verantwortlich, wofür er zuständig ist. Es gibt Zuständigkeiten auf kommunaler Ebene, für deren Finanzierung dann die Kommune verantwortlich ist, es gibt Zuständigkeiten auf Landesebene, für deren Finanzierung das Land zuständig ist, und es gibt Angelegenheiten auf Bundesebene, für deren Finanzierung der Bund zuständig ist. Das gilt im Übrigen nicht nur für ein Sozialticket im ÖPNV, sondern auch für den SPNV, Herr Kollege Wißen. Das wissen Sie ganz genau. Sie wissen,
dass mit der Übertragung der Aufgabe des schienengebundenen Regionalverkehrs und Nahverkehrs auf die Kommunen und auf die Länder der Bund gleichzeitig eine Zusage abgegeben hat, dass er für die Finanzierung zu sorgen hat. Wir in Nordrhein-Westfalen waren anders als die Bundesländer, die Sie gerade aufgezählt haben, im Bundesrat dagegen, dass die Regionalisierungsmittel gekürzt werden,
weil wir der festen Überzeugung sind, dass sich der Bund von einer Aufgabe verabschiedet, die eigentlich seine originäre Aufgabe ist.
Darum will ich an dieser Stelle das wiederholen, weil Sie vergessen, das hier vorzutragen, was ich bereits zum wiederholten Male vorgetragen habe: Wenn es heute eine Vielzahl von Bundesländern gibt, die angeblich aus Landesmitteln wegfallende Regionalisierungsmittel ersetzt, will ich darauf hinweisen, dass es genau die Länder sind, die vorher rechtswidrig Bundesmittel aus dem Regionalisierungstopf genutzt haben, um originäre Landesaufgaben zu finanzieren.
Die Bayern haben zum Beispiel Schülerbeförderungskosten aus Regionalisierungsmitteln bezahlt. Rechtswidrig!
Wenn die Bayern jetzt sagen, sie würden sich jetzt rechtmäßig verhalten, indem sie künftig die Schülerbeförderungskosten tatsächlich aus Landesmitteln bezahlen, wie das in Nordrhein-Westfalen immer üblich war,
dann dürfen sie nicht dadurch belohnt werden, dass sie, weil sie sich jetzt rechtmäßig verhalten, ganz besonderen Applaus einfordern.
Um es klar und deutlich zu sagen: Wir haben uns in Nordrhein-Westfalen immer rechtmäßig verhalten. Aber jeder ist für die Finanzierung dessen verantwortlich, wofür er die Verantwortung trägt.
Herr Minister, Sie haben eben Bayern und die Schülerbeförderungskosten angeführt. Würden Sie mir Recht geben, dass Sie das – in Anführungsstrichen – gleiche Problem – ebenfalls in Anführungsstrichen – elegant gelöst haben, indem Sie nämlich in Nordrhein-Westfalen die Schülerbeförderungskosten um 27 Millionen € gekürzt haben?
Herr Becker, Sie wissen ganz genau, dass für die Schülerbeförderungskosten, für die das Land aufzukommen hat, ausschließlich die Unterrichtstage gelten. Das heißt: Schülerbeförderungskosten an Ferientagen, an Nachmittagen, an denen kein Unterricht stattfindet, zu bezahlen, ist ein Luxus, den wir in der Tat beseitigt haben.
Nach § 45 a zahlen wir aus originären Landesmitteln 130 Millionen € an Schülerbeförderungskosten, so viel wie kein anderes Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland. Jahr für Jahr 130 Millionen € aus originären Landesmitteln!
Ich glaube, der Kollege Becker möchte seine Antwort mitbekommen, Herr Kollege Wißen. Sie können sich gerne zu Wort melden. Ich lasse jede Zwischenfrage zu. Aber es gebührt die Fairness, dass der Kollege Becker die Chance erhält, die Antwort, die ich ihm gerne geben will, tatsächlich zu hören. Ich appelliere an Ihre Fairness gegenüber Ihrem Oppositionskollegen.
Herr Kollege Becker, angesichts dessen ist es nicht ganz in Ordnung, dass die Bayern jetzt sagen: Wir finanzieren jetzt die Schülerbeförderungskosten tatsächlich aus Landesmitteln, während wir vorher rechtswidrig dafür Regionalisierungsmittel genutzt haben. – Dass Sie denen dann noch auf den Leim gehen und sagen, dass angeblich Regionalisierungsmittel, die beim Bund weggefallen sind, durch Landesmittel ersetzt werden, zeugt entweder von Unwissenheit oder ist in dieser Debatte eine vorsätzliche Täuschung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich will einen letzten Hinweis darauf geben, wie das Sozialticket finanziert werden kann. Der Kollege Romberg hat gerade zu Recht darauf hingewiesen, dass das Land nach § 11 Abs. 2 des ÖPNV-Gesetztes den Aufgabenträgern – sprich: den drei Zweckverbänden und damit
auch den Kommunen – Jahr für Jahr 110 Millionen € für Aufgaben, die sie frei entscheiden können, zur Verfügung stellt. Diese 110 Millionen € können natürlich auch für das Sozialticket eingesetzt werden.
Wenn das als kommunale Aufgabe prioritär angesehen wird, spricht überhaupt nichts dagegen, von diesen 110 Millionen € aus dem Landeshaushalt einen Teil zu nehmen und daraus das Sozialticket zu finanzieren.