Wir haben noch heute Morgen im Ausschuss darüber debattiert, wie häufig Menschen in Heimen nicht die passende Medikation erhalten, manchmal vielleicht auch überdosiert wirken, weil die Medikation nicht fachärztlich kontrolliert wird. Das wird demnächst besser werden. Auch andere fachärztliche Untersuchungen sind wichtig. Denn immerhin wohnen dort zu über 50 % Menschen mit einer Demenz, die ein spezielles Behandlungsangebot – auch ärztlicherseits – brauchen.
Von großer Bedeutung ist aus Sicht der FDP, dass es künftig mehr Transparenz im Leistungsbereich von Einrichtungen geben wird. Wir haben uns bereits beim Krankenhausgestaltungsgesetz mit Erfolg dafür eingesetzt, dass die Bürger in NRW mehr Qualität, mehr Information über die Qualität im Krankenhaus erhalten. Deshalb ist es nur konsequent, in den Pflege- und Betreuungseinrichtungen noch mehr Einblicke in das Leistungsgeschehen zu gewähren und die unmittelbar Betroffenen wie auch die Angehörigen dabei zu unterstützen, das passende Angebot zu finden.
In § 20 wurden die Kriterien für die Rechtsverordnung zur Veröffentlichung von Prüfberichten festgelegt. Dazu wird in Zukunft auch die Anzahl der freiheitseinschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen gehören. Solche Maßnahmen sind manchmal unvermeidlich und gehen kaum ohne erhebliche Verluste der Lebensqualität einher. Hinzu kommt, dass sich der Einsatz solcher Maßnahmen oftmals auf Personalengpässe zurückführen lässt. Dabei gibt es inzwischen deutliche Hinweise, dass sich solche Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen durch gezielte Intervention, durch bessere Betreuung oder manchmal durch bauliche Maßnahmen in nicht wenigen Fällen vermeiden lassen.
Ich hoffe, dass sich das Problembewusstsein bei allen Verantwortlichen durch die Veröffentlichung in den Prüfberichten deutlich erhöhen wird;
denn immer noch haben alte Menschen große Angst, dass sie im Heim angebunden werden und sich nicht mehr frei bewegen können. Wir müssen diese Angst ernst nehmen und etwas dagegen tun.
Darüber hinaus haben wir weitere Verbesserungsvorschläge aus der Anhörung aufgegriffen. Zu nennen ist hier vor allem Geltungsbereich des Wohn- und Teilhabegesetzes. Es wurde die Sorge geäußert, dass mit den Regelungen des Gesetzentwurfs die neuen Wohnformen im ambulanten Bereich wie das betreute Wohnen erschwert oder sogar zurückgedrängt werden könnten.
Für die FDP ist es sehr wichtig, dass diese neuen Wohnformen in Zukunft als Alternative zu stationären Angeboten ausgebaut werden, wenn dies dem Wunsch der Bürger entspricht. Deshalb haben wir uns in dieser Frage verstärkt für eine Lösung des Problems eingesetzt. Wenn wir es mit der Orientierung an individuellen Bedürfnissen ernst meinen, dann besteht das Ziel aus sozialpolitischer Sicht vor allem darin, dass der Verbraucher ein möglichst vielfältiges Angebot vorfindet. Um für entsprechende Aktivitäten der Wohnungswirtschaft Anreize zu schaffen, braucht man klare und eindeutige Formulierungen im Gesetz. Ich glaube, das ist uns jetzt gelungen.
Im Rahmen der Senioren- und Behindertenwohnungen gelten die Rechtsfolgen von § 2 nur noch dann, wenn es sich beim Vermieter und beim Betreuungsdienstleister um ein und dieselbe Person handelt.
In § 3 wurde zusätzlich festgelegt, dass die Einrichtungen, die allgemeine und soziale Betreuungsleistungen in geringem Umfang anbieten, vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen sind.
Ich bin sicher, dass wir insgesamt mit diesem Gesetz dazu beitragen, das Leben in den stationären Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen ein ganzes Stück lebenswerter zu machen. Wir beschließen heute das aus meiner Sicht beste und modernste Heimgesetz in Deutschland und setzen damit Maßstäbe für andere Bundesländer. Wir werden mit diesem Gesetz auch die vielen Kritiker auf Bundesebene zum Schweigen bringen, die zuvor behaupteten, dass eine Heimgesetzgebung in Länderhand die Lebensbedingungen für Heimbewohner verschlechtern würde. Das ist wahrlich nicht so! Das neue Heimgesetz wird die Lebensbedingungen von Heimbewohnern in Nordrhein-Westfalen erheblich verbessern. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Henke hat eingangs in seinem Redebeitrag gesagt, es gebe zumindest inhaltlich bei der Zielsetzung seit der Enquetekommission eine große Übereinstimmung in diesem Landtag.
An welchen Kriterien sollte sich Pflege orientieren? Klar ist, dass der Mensch im Mittelpunkt der Pflege stehen soll. Klar ist auch, dass das Leben mit Pflege so normal wie möglich sein sollte. Es sollte die Möglichkeit zur Individualität in komplettem Umfang und die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen enthalten.
Deswegen finde ich den Titel „Wohn- und Teilhabegesetz“ schön, denn er klingt vielversprechend. Aber wenn ich mir ansehe, welche faktischen Regelungen jenseits der schönen Worte Aufnahme in dieses Gesetz gefunden haben, komme ich zu folgendem Ergebnis: Es gibt keine Verbesserung für die Menschen in diesem Land, sondern in bestimmten Teilen Verschlechterungen und ganz viele Risiken. Ich will an einigen Beispielen deutlich machen, dass sich aus unserer Sicht zwar viel Schönsprech im Gesetz befindet, dass es faktisch aber sehr problematisch ist.
Ich fange an bei der Teilhabe, die vielfach – auch im Gesetz – zitiert worden ist. Dazu haben wir die Bestimmungen der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen, auf die im Gesetz am Rande verwiesen wurde. Aber die Rechte für Menschen, die in dieser Charta niedergelegt sind – dazu gehören der wohnliche Charakter oder das Recht auf gleichgeschlechtliche Pflege, demgemäß einer Frau eine weibliche Pflegekraft zusteht, die Normalität, die Individualität sowie ein selbstbestimmter Tagesrhythmus –, finden in diesem Gesetz keine verbindliche Regelung. Man könnte, statt nur auf diese Charta zu verweisen, genauso gut vom Betreiber fordern, dass er in seinem Pflegealltag die in der Charta niedergelegten Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen faktisch umsetzt. Das geschieht nicht!
So gibt es bei den Pflegesatzverhandlungen, in denen die Höhe der Zahlungen für die Einrichtungen festgelegt wird, keine Mitbestimmung mehr.
Auch in den nach § 17 des Gesetzes vorgesehenen Arbeitsgemeinschaften, die der SPD-Fraktion sehr wichtig waren und die für die Betroffenen bestimmte Dinge diskutieren sollen, gibt es keine Teilhabe. Beteiligt sind dort nur Vertreter der Kassen, der Träger und der Kommunen. „Teilhabe“ für die Betroffenen bedeutet hier: Ihr müsst draußen bleiben
Ich komme zur Normalität des Wohnens. Bestimmungen zur Entbürokratisierung und zum Abbau von Regelungen – überhaupt keine Frage! Aber wir haben jetzt einen faktischen Abbau der Qualitätsstandards. Es kann nicht sein, dass in NordrheinWestfalen die Standards, die wir im Landespflegegesetz über lange Zeit diskutiert und festgelegt haben, mit diesem Gesetz unterwandert werden.
Im Landespflegegesetz haben wir den Standard des 50-m2-Wohnraums. Damals haben wir beschlossen: In Ausnahmefällen, wenn es sich um Altbestand handelt, gehen wir unter die 50-m2-Grenze, reichen 45 m2. – Nun sind wir plötzlich bei 40 m2 angekommen. Das ist ein absoluter Qualitätsabbau, der hier mal eben auf dem kalten Wege vollzogen wird. Das halte ich für absolut inakzeptabel.
Darüber hinaus öffnen Sie mit diesem Gesetz Tür und Tor, noch unter die 40 m2 zu gehen, wofür die Betroffenen einzeln ihre Zustimmung geben sollen. Wenn dann die ältere Dame im Altenpflegeheim unter Druck gesetzt wird: „Sie müssen raus oder Sie willigen ein, dass Sie nur 35 m2 haben“, dann ist das aus Ihrer Sicht auch okay. Auch das halten wir für absolut inakzeptabel.
Hier darf kein Druck auf die Betroffenen ausgeübt werden, weder von den Kommunen noch von anderen. Hier muss eine garantierte Grenze eingezogen sein, damit die Mindeststandards nicht weiter abgesenkt werden können.
Selbstbestimmung! Herr Laumann hat sich beim Recht auf ein Einzelzimmer sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Ich finde das richtig. Das war sozusagen die verbal-radikale Forderung. Das Gesetz besagt etwas anderes. Darin steht nicht, dass 80 % aller Plätze in Einzelzimmern sein sollen, sondern darin steht, dass 80 % der Zimmer Einzelzimmer sein sollen. Wenn man die Mathematik beherrscht, weiß man, was Ihre Regelung bedeutet, nämlich: Von 120 Plätzen sollen 80 Plätze im Einzelzimmer sein, 40 Plätze können im Doppelzimmer sein. Wenn man dagegen von 80 % aller Plätze spricht – was der Schönsprech war –, dann sind von 120 Plätzen 96 Plätze in Einzelzimmern und 24 Plätze in Doppelzimmern. Das heißt, Sie haben eine Regelung im Gesetz, die schon heute zu weiten Teilen Standard ist und die von vielen eingehalten wird. Eigentlich müsste in diesem Gesetz aber stehen, dass die Menschen ein Recht auf einen Einzelplatz haben, dass also 80 % aller Plätze in Einzelzimmern ausgewiesen werden.
Zum ambulant betreuten Wohnen und zur Wahlfreiheit habe ich schon an anderen Stellen viel gesagt. Die Regelung, die Sie im Gesetz haben, gefährdet neue Wohnformen massiv. Das Bielefelder Modell könnte unter dieses Gesetz gestellt werden,
weil Kooperationsverträge abgeschlossen sind. Kooperationsverträge sind in diesem Gesetz enthalten, wie man feststellt, wenn man es genau liest. Das sagen selbst die Bielefelder, die sich mit Hilferufen an uns gewandt haben.
Wenn man den Menschen in den Mittelpunkt stellt, dann heißt das: Man muss individuell schauen, ob jemand, der in einer heimähnlichen Lebensform wohnt, selbstbestimmt entscheiden kann, ob er Wahlfreiheit hat und selbst wählen kann, wie er leben will. Deswegen möchten wir an der Stelle eine andere Regelung haben, wonach bei einem eher heimähnlichen Zustand individuell geprüft wird. Wir wollen nicht, dass an der Anzahl der Verträge mit Anbietern festgemacht wird, ob es sich um ein Heim handelt oder nicht. Aus unserer Sicht ist das ein riesiger Schritt in die falsche Richtung. Er gefährdet perspektivisch, dass Investoren in neue Wohnformen investieren.
Ich will kurz etwas zur Heimaufsicht und zum MDK sagen. Ich sehe es als sehr problematisch an, dass die Heimaufsicht nur noch dann prüfen soll, wenn der MDK nicht prüft – und zwar aus dem Grund, weil die Heimaufsicht ganz andere Sachen prüft als der MDK. Die Heimaufsicht prüft nicht pflegebezogen, sondern sie prüft, ob sich ein Mensch auch wohlfühlt. Das kann der MDK überhaupt nicht prüfen. Hier sehen wir ein riesiges Problem.
Abschließend: Wir hätten uns ein bundeseinheitliches Gesetz gewünscht. Das gibt es nicht. Wir hätten uns zumindest ein Gesetz gewünscht, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Es wird immer wieder gesagt, wir würden in der großkoalitionären Zufriedenheit das Haar in der Suppe suchen. Nein, wir suchen nicht das Haar in der Suppe. Beim Blick in die Suppe haben wir vielmehr ganze Perücken gefunden. Die sollen ausgebessert, nachgebessert und herausgeholt werden.
Wir Grüne haben heute Morgen im Ausschuss einen Änderungsantrag gestellt. Sie haben alle Punkte abgelehnt, obwohl eine Reihe davon wahrscheinlich sogar vonseiten des Ministeriums zustimmungsfähig gewesen wäre.
Ich fordere Sie auf, dass Sie als die Fraktionen, die hier heute die Mehrheit haben, eine dritte Lesung beantragen, sich noch einmal mit unserem Änderungsantrag beschäftigen und schauen, was Sie vielleicht doch noch übernehmen können. Denn es
geht hier um die Lebenssituation der Menschen in Nordrhein-Westfalen, es geht um Ihre, es geht um unsere Lebenssituation, es geht um die der älteren Menschen, die jetzt in Einrichtungen oder in neuen Wohnformen leben. Das ist kein Gesetz, das man bei all den Bedenken, die vonseiten der Verbände und der Träger auf dem Tisch liegen, mal eben über den Tisch wuppen sollte. Deswegen halten Sie inne und verbessern Sie wirklich etwas für die Menschen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bin ich froh, dass wir das Wohn- und Teilhabegesetz heute verabschieden. Damit findet der Prozess einer Gesetzgebung, wie es ihn wahrscheinlich selten gibt, zunächst einmal seinen Endpunkt.
Wir haben dieses Gesetz nicht in einem Hinterkämmerlein, sondern im Dialog entwickelt: am Anfang – bei der Erstellung der Eckpunkte – mit den Beteiligten in der Szene, dann im politischen Raum, danach in neun Dialogveranstaltungen, die ich selber in den Regionen von Nordrhein-Westfalen durchgeführt habe. Vieles, was da besprochen worden ist, ist in dieses Gesetz eingeflossen.
Deswegen glaube ich schon, dass wir heute sagen können: Es ist gut, dass mit der Föderalismusreform das Heimrecht an die Länder gegangen ist; denn die Menschen in Nordrhein-Westfalen werden jetzt ein besseres Heimrecht bekommen, als sie hatten. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen verabschiedet heute das modernste Heimrecht in der Bundesrepublik Deutschland, das im Januar in Kraft treten wird.
Wir müssen immer daran denken, dass wir bei diesem Gesetz über rund 200.000 Menschen reden. In Nordrhein-Westfalen leben in den Altenpflegeeinrichtungen stationärer Art, die unter dieses Gesetz fallen, ca. 150.000 Menschen. Man darf auch nicht vergessen, dass in diesen Einrichtungen weitere 44.000 Menschen, die schwer behindert sind – oft geistig und körperlich –, einen ganz großen Teil ihres Lebens verbringen.
Das sind im Übrigen sehr unterschiedliche Lebenswelten. Ich habe mir am Anfang oft die Frage gestellt, ob es überhaupt gelingen kann, die Lebenswelt einer Behinderteneinrichtung, in der Menschen unter Umständen 60 Jahre ihres Lebens verbringen, und die Lebenswelt einer stationären Einrichtung, in der Menschen eine allerletzte Phase ihres Lebens
verbringen, in einem Gesetz zu fassen. Deswegen machen wir als tragende Idee dieses Gesetzentwurfes sehr ernst damit, dass vor allem der in diesen Einrichtungen lebende Mensch im Mittelpunkt steht und dort möglichst viel Individualität und möglichst viel Selbstbestimmung haben kann.