Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Ich bitte Sie: Verteidigen Sie nicht krampfhaft Schulformen, sondern kümmern sich endlich um die Kinder in diesem Land und stimmen dem Antrag heute zu! – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Link. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Kollegin Pieper-von Heiden das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Beer, ein Satz Ihres uns vorliegenden Antrags trifft zu: Die FDP will neue Modelle der organisatorischen und pädagogischen Zusammenarbeit von Haupt-, Real- und Gesamtschulen zulassen, wenn die Gremien der beteiligten Schulen und ihre Träger entsprechende Beschlüsse fassen. Das ist so richtig.

(Beifall von der FDP)

Bevor ich weiter darauf eingehe, noch ein Satz zu den Hauptschulen: Die Hauptschuloffensive – im doppelten Sinne: Ganztag und qualitative Offensive – war richtig und gut, und sie ist wirksam.

(Beifall von der FDP)

Dennoch müssen wir unter den Zeichen des demografischen Wandels, bei dem wir davon ausgehen müssen, dass in ländlichen Strukturen nicht alle Schulangebote aufrechterhalten werden können, Lösungen anbieten. In der Tat geht der Leitantrag der FDP ein bisschen über das Schulgesetz hinaus, indem wir sagen: Nicht nur Haupt- und Realschule

oder Haupt- und Gesamtschule dürfen sich zusammenschließen können – all das gilt für die nächste Legislatur, das streben wir an –, sondern auch die drei Schulformen Hauptschule, Realschule und Gesamtschule. Das noch einmal zur Verdeutlichung. Sie möchten es gern falsch verstehen, Frau Beer. Sie drehen den Regierungsfraktionen jedes Wort im Munde um. Das muss ganz klar sein. Das ist die Option für die nächste Legislatur, die wir uns vorstellen.

Ich finde es unverschämt, wenn Sie in Ihrem Antrag sagen, die FDP konterkariere ihren eigenen Anspruch auf Bildungschancen für alle Kinder, egal welcher Herkunft. Das ist unverschämt.

(Frank Sichau [SPD]: Ja, so ist es doch!)

Das Modell, das wir uns vorstellen, heißt nicht umsonst differenzierte Regionalschule. Darunter verstehen wir getrennte, differenzierte Bildungsgänge,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Schul-Apartheid ist das!)

die auf die unterschiedlichen Fähigkeiten und Begabungen der Kinder Rücksicht nehmen. Ich sage Ihnen auch: Hier brauchen wir noch mehr Differenzierung. Wir haben in diesem Land doch nicht zu viel Differenzierung, sondern zu wenig!

(Beifall von der FDP)

Außerhalb von getrennten Bildungsgängen können wir uns auch anderes vorstellen, zum Beispiel sowohl horizontale als auch vertikale Drehtürmodelle. Wir haben nicht nur drei Typen von Schülern in diesem Land.

Mit Ihrer Gemeinschaftsschule wollen Sie alle Kinder mit demselben Stoff segnen.

(Zuruf von Sören Link [SPD])

Sie werden die Schwachen überfordern und die Guten ausbremsen.

(Beifall von der FDP)

Das ist eine Versündigung an den Talenten unserer Kinder. Wir brauchen alle Talente in diesem Land. Wir können und wollen es uns nicht leisten, auf hervorragende Talente zu verzichten, aber auch nicht darauf, andere Kinder, die eher noch Schwierigkeiten haben, zu befähigen und zu mehr zu führen, als sie vielleicht ohne eine individuelle Förderung an Chancen in diesem Land hätten. Die Regierungsfraktionen bieten hier Chancen an. Wir haben die individuelle Förderung im Schulgesetz festgeschrieben. Genau die werden wir umsetzen, und zwar in noch stärkerer Weise, als es bislang möglich war. Verlassen Sie sich darauf!

Frau Beer, wenn Sie auch noch so gerne schreiben, dass sich alle ein längeres gemeinschaftliches Lernen und die Gemeinschaftsschule wünschen, muss ich sagen: Nein. Sie unterliegen ganz klar einem Irrtum. Nur eine kleine Minderheit, jedenfalls aber

nicht die Mehrheit der Bevölkerung will die Gemeinschaftsschule. Es gibt keine Mehrheit in der Bevölkerung für ein längeres gemeinsames Lernen.

Wenn Sie der FDP unterstellen, dass sie ein gemeinsames Lernen von der fünften bis zur zehnten Klasse möchte, dann ist das eine böswillige Interpretation dieses Antrags. Wenn wir „unter einem Dach“ sagen, dann meinen wir „unter einem Dach“. Wenn Schulformen zusammengeführt werden, ist es doch selbstverständlich, dass sich diese unter einem Dach befinden. Natürlich brauchen wir eine pädagogische Verzahnung. Das ist doch gar keine Frage. Wir werden aber getrennte Bildungsgänge beibehalten und mehr Differenzierung, als wir sie bislang haben.

(Beifall von der FDP)

Schreiben Sie sich das bitte endlich einmal hinter die Ohren! Frau Beer, auch wenn Sie es nicht gerne hören wollen: Ich erinnere an die Untersuchung von Weinert aus dem Jahre 2000. Er sagt, bei der überwiegenden Mehrzahl der Kinder ist die Begabungsstruktur mit zehn Jahren klar erkennbar. Sie wollen es nicht hören, Frau Beer, aber homogene Lerngruppen erzielen bessere Lernergebnisse als heterogene. Nicht umsonst ist das internationale Sportsystem in Leistungsklassen eingeteilt, weil jeder Sporttreibende in seiner Gruppe optimal gefördert, aber nicht überfordert wird.

Unterforderung und Überforderung lähmen die Motivation und die Arbeitsmoral, auf die es heute gerade in unseren Schulen ankommt. Wir wollen niemanden lähmen. Wir wollen niemanden demotivieren. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wir wollen jedes Kind individuell fördern, auch wenn Schulformen in der Zukunft stärker als bislang zusammengelegt werden.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Wir wollen die volle Differenzierung. Wir wollen alle Bildungsgänge ermöglichen. Wir wollen alle Kinder fördern und nicht nivellieren.

(Beifall von der FDP)

Diese Einheitssoße haben wir in diesem Land in den letzten Jahrzehnten wirklich zum Überfluss gehabt. Was dabei herausgekommen ist, haben Sie hoffentlich gesehen. Wir haben alles auf eine Mitte hin geführt. Sie haben die Schwachen nicht wirklich gefördert. Sie haben es versucht. Es ist Ihnen aber nicht gelungen. Die Guten haben Sie auf der Strecke gelassen. Das werden wir anders machen. Ich hoffe, Sie haben jetzt verstanden, wie es gemeint war. – Danke.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. – Als Nächstes

hat für die Landesregierung Frau Ministerin Sommer das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Beer, Sie haben eben gesagt, Sie möchten mir den Auftrag erteilen, darüber Auskunft zu geben. Ich nehme an, wir beide sind uns darüber einig, dass Sie mir keinen Auftrag erteilen wollten, sondern dass Sie eine Bitte vorgetragen haben. Dieser Bitte komme ich natürlich sehr gerne nach. Ich antworte also meiner Schwester in Christo, auch aus dem christlichen Grundgedanken heraus, dass man niemals ein Schaf, niemals einen Groschen verloren geben darf.

Frau Beer, Sie beziehen sich in dem Zeitungsartikel auf Ausführungen in Arbeitspapieren. Diese Arbeitspapiere sind – auf welchen Wegen auch immer – veröffentlicht worden. Sie werden zurzeit in der Amtschefkonferenz in Bonn diskutiert. Solange es keine weitere Äußerung gibt, möchte ich all das, was ich bereits gelesen habe, unter dem gewissen Vorbehalt sehen, dass es sich wirklich um Arbeitspapiere handelt.

Wenn man einmal genauer in den Artikel schaut, sieht man, dass darin wiederum etwas von dem Anteil der Schüler steht, die den Hauptschulabschluss anstreben. Dann geht es mit defizitären Angaben weiter. Frau Beer, an dieser Stelle muss ich noch einmal fragen: Warum um Himmels willen blenden Sie immer aus, dass der Hauptschulabschluss genauso in den Gesamtschulen erworben werden kann und Schüler auch in diesem Bereich deutlich betroffen sind? Wenn es um Standards geht, die noch nicht veröffentlicht oder modifiziert werden können, ist diese Schülergruppe genauso betroffen. Fokussieren Sie es bitte nicht ausschließlich immer auf eine Schulform!

Die KMK muss diesen Prozess noch begleiten. Sie hat es letztlich noch gar nicht zur Kenntnis genommen. Ich bin mir ganz sicher, dass es zum Abschluss im nächsten Jahr zu einem Ländervergleich einschließlich der Hauptschulen kommen wird.

Meine Damen und Herren, Sie sprechen in Ihrem Antrag von Gemeinschaftsschulen, wohl wissend, dass es diese Gemeinschaftsschulen bereits gibt. Wir haben Gemeinschaftshauptschulen und Gemeinschaftsgrundschulen. Insofern ist der Begriff bereits besetzt. An Ihrer Stelle würde ich immer von dem reden, was es in der Tat ist, nämlich eine Einheitsschule.

Sie benutzen Schleswig-Holstein als Beispiel für die Unterfütterung der Einführung der Einheitsschule. In Schleswig-Holstein gibt es diese Gemeinschaftsschulen wirklich. Ich möchte ein paar Daten dazu anführen.

In den Gemeinschaftsschulen in Schleswig-Holstein haben 3,9 % Kinder eine Gymnasialempfehlung.

Das ist eine ehrliche Größe. Auf der Inselschule in Fehmarn ist es ein bisschen anders. Ich muss fairerweise zugeben: Im letzten Jahr waren dort 38 Schüler mit Gymnasialempfehlung angemeldet und haben das fünfte Schuljahr besucht. Diese sind aber nicht mehr dort; denn die Hälfte dieser Schüler ist nach einem Jahr wieder von dieser Schule heruntergegangen. Auch dort sind also die Kinder, die einmal den Gymnasialabschluss machen werden, weg.

Frau Ministerin, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche.

Ich möchte gerne weitermachen.

Wenn wir voneinander lernen wollen – der Grundsatz ist ehern und richtig –, wenn Schwächere von Stärkeren und Stärkere von Schwächeren lernen, dann frage ich Sie, woran sich die Schwächeren ausrichten sollen, wenn es wirklich nur um eine Größe von 3,9 % geht. Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass Lehrerinnen und Lehrer, die die Möglichkeit haben, am Gymnasium zu arbeiten, lieber dort arbeiten, als sich in den Bereich der Gemeinschaftsschule einbinden zu lassen.

Herr Link sagte eben, die Schüler strömen dahin. Es ist nicht ganz so. Ich darf Sie ein bisschen ernüchtern. Der Elternverein Schleswig-Holstein hat einen Brief mit der Überschrift „Der Schülerstau kippt weg von der Gemeinschaftsschule“ geschrieben.

Richtig ist: Wir können uns darüber freuen, dass wir ein solch flexibles System und die Möglichkeit haben, im Schulgesetz so zu reagieren, dass es zur vollen Zufriedenheit nicht nur von Horstmar/Schöppingen, sondern auch von den anderen acht und denjenigen, die sich noch in der Pipeline befinden, gestaltet werden kann. Darüber sollten wir uns freuen, und das sollten wir ausarbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Beer das Wort.

(Unruhe)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie müssen nicht nach Schleswig-Holstein. Herr Kaiser muss auch nicht nach Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein kommt nämlich zu uns. Herr Dr. Christiansen wird bei der Anhörung am 26. November anwesend sein. Dann kann er diese krausen Darstellungen gerne einmal geradestellen.