Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

In der Enquetekommission haben wir fraktionsübergreifend gemeinsam beschlossen, hierzu neue Initiativen und Modelle im Rahmen des Programms zu initiieren. Jetzt kommt das Ministerium plötzlich daher und sagt:

Erstens. Wir haben keine Probleme mehr, die Statistiken sind besser, auch wenn auf unserer Homepage etwas anderes steht.

Zweitens. Das Modellprojekt ist ausgelaufen.

Drittens. Was auch immer wir sonst irgendwo gesagt haben, gilt nun nicht mehr.

Das kann es nicht sein, meine Damen und Herren. Wir brauchen eine Weiterentwicklung dieses Modellprojekts. Wir müssen es auch mit finanziellen Mitteln absichern. Es ist unsere Landesaufgabe, kommunenübergreifend Modellprojekte anzuschieben und Lösungen für die neuen Zielgruppen und die neuen entstehenden Probleme mitzufinanzieren und auf den Weg zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde es hanebüchen, dass ein Ministerpräsident Schirmherr von einem solchen Projekt und seine einzige Funktion als solcher die ist, selbst einen sozialen Touch abzubekommen. Die Menschen an einer solchen Stelle im Regen stehen zu lassen und kein Geld in die Hand zu nehmen, ist zynisch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch wenn er nicht anwesend ist, möchte ich an den Ministerpräsidenten appellieren, dass er seine Schirmherrschaft wirklich ernst nimmt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als Nächster hat für die Fraktion der CDU Herr Kollege Kern das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wohnungslosen zu helfen und ihnen beizustehen ist eine herausfordernde Aufgabe. Der heutige Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen versucht zu suggerieren, dass es den Menschen in Nordrhein-Westfalen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind, zukünftig schlechter geht.

Seit zwölf Jahren wurden mit dem Programm „Wohnungslosigkeit vermeiden – dauerhaftes Wohnen sichern“ Projektansätze und Konzepte von Kommunen und der freien Wohlfahrtspflege zur Weiterentwicklung bei Wohnungsnotfallhilfe unterstützt. Von Anfang an, schon zu Zeiten der rotgrünen Verantwortlichen in unserem Land, war der Topf so angelegt – da muss ich Ihnen ausdrücklich widersprechen –, dass er wie eine Anschubfinanzierung zur Weiterentwicklung der Hilfen für Wohnungsnotfälle wirkt.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

In diesem Kontext frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,

wie lange für Sie eine Anschubfinanzierung zeitlich geht. Sollen wir weiterhin anschieben oder die Aufgabe als festen Posten im Landeshaushalt zementieren? Festzuhalten bleibt, dass es ausschließlich eine kommunale Aufgabe ist, sich um Wohnungslose zu kümmern.

(Beifall von der CDU)

Es bleibt ebenso festzuhalten, dass aus dieser zwölfjährigen Phase und den 130 geförderten Projekten viele Anregungen für örtliche Verantwortungsebenen entwickelt werden konnten. Das ist gut.

Trotzdem gilt: Die Bekämpfung der Obdachlosigkeit wird in Nordrhein-Westfalen wie in allen anderen Bundesländern von den Kommunen ohne Landesmittel erfüllt. Das ist auch sehr begründet und hat nicht nur etwas mit Finanzierung zu tun. Denn je näher die Entscheider bei der Betreuung von Obdachlosen am Aufgabenfeld vor Ort in den Gemeinden sind, umso besser können sie auch im Einzelfall entscheiden und helfen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Seit 1996 wurde Modellprojekte entwickelt, von denen durchaus einige für die Zukunft kopiert werden sollten. Nach meinen Informationen sollen BestPractice-Beispiele demnächst in einem Handbuch veröffentlicht werden. Dies gibt den Kommunen die Möglichkeit, sich den Anforderungen ihrer Sozialräume anzupassen – und dies auf bereits erprobten Wegen. Das Programm „Wohnungslosigkeit vermeiden – dauerhaftes Wohnen sichern“ wird zurzeit von 16 Städten genutzt.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Weil keine mehr genehmigt worden sind!)

Dieses Programm wird nicht einfach eingestellt, meine Damen und Herren. Es läuft aus. Das heißt aber auch, einmal begonnene Projekte werden fortgesetzt bis zum jeweiligen Projektende. Wenn wir die Förderung 2009 auf ein bundesweit übliches Niveau angleichen, sorgt dies auch für gleiche Bedingungen im Land Nordrhein-Westfalen.

Herr Kern, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Steffens?

Durch die Erfahrung der Projekte der letzten Jahre in den Kommunen können alle Bürgermeister und Oberbürgermeister auf einer guten Erfahrungsbasis dafür sorgen, dass die Vermeidung und Reduzierung von Obdachlosigkeit weiterhin im Land mit großem Engagement vorangetrieben werden kann.

(Beifall von der CDU)

Mit dem erfolgreichen Programm sind die Grundlagen geschaffen worden, wohnungspolitische Ziele in der kommunalen Wohnraumversorgung mit sozialpolitischen und städtebaulichen Konzepten zu verknüpfen. Auch hier ist Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren erfolgreich gewesen. Seit dem Start des Programms ist die Zahl der Obdachlosen – das müssen wir hier objektiv festhalten – zurückgegangen. Nach Angaben des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik wurden im letzten Jahr rund 70 % weniger obdachlose Menschen verzeichnet als 1996. Da ist es richtig, dass wir nun die gesammelten Erfahrungen umsetzen. Weitere Erprobungen benötigen wir nicht mehr.

Erfreulich ist an dieser Stelle übrigens der Rückgang der Obdachlosigkeit – das freut mich besonders – bei kinderreichen Familien. Sie konnte sogar um 78 % reduziert werden. Das heißt nicht, dass wir uns ausruhen können. Jeder Mensch, jede Familie ohne ein Dach über dem Kopf, ohne ein Zuhause, braucht Hilfe mit Maßnahmen, die wir weiterhin fördern und unterstützen. Ich darf hier auf Kapitel 15 055 und die entsprechende Titelgruppe 60 verweisen.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, wurde die bisherige Wohnungsnotstatistik im vergangenen Jahr weiterentwickelt und beinhaltet nun auch die von Wohnungsnot bedrohten Personen und strukturelle Hintergrundinformationen. Auch hier erhoffen wir uns in Zukunft Informationen, um noch besser dem Phänomen Wohnungslosigkeit begegnen zu können.

Ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Ab 1. Januar 2009 werden durch die Wohngeldreform wieder mehr Menschen wohngeldberechtigt sein, die durch die Harz-IV-Reform 2005 vom Wohngeldbezug ausgeschlossen wurden. Wer hatte das eigentlich beschlossen? Es ist jedenfalls gut, dass es ab 1. Januar wieder besser ist.

Die Bekämpfung der Obdachlosigkeit ist eine kommunale Aufgabe, denn da ist sie in den richtigen Händen. Die Einzelfallförderung des einzustellenden Programms war nie flächendeckend für Nordrhein-Westfalen gedacht, sondern von Anfang an auf einzelne Standorte und Projekte bezogen und befristet angelegt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kern. – Für die SPD-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Killewald.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Sehr geehrter, leider abwesender Herr Schirmherr Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers!

(Lothar Hegemann [CDU]: Tolle Anrede!)

Danke schön für das Kompliment.

Im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie im Ausschuss für Generationen, Familie und Integration haben wir diesen Punkt im Rahmen der Haushaltsberatungen schon behandelt. Das Verhalten von Minister Laschet, der vermitteln wollte, alles sei gut und das Aufgabengebiet – so wiederholte er nach einem Jahr – sei in besten Händen bei ihm, lassen den Schluss zu, Frau Kollegin Steffens, dass es sehr richtig war, diesen Antrag zu stellen, um im Plenum das Thema noch einmal aufs Parkett zu heben.

Die Regierungsfraktionen und die Landesregierung werden gleich wahrscheinlich – wir haben es schon vom Kollegen Walter Kern gehört – noch einmal den Beruhigungsversuch starten. Werter Kollege Walter Kern, wirklich: Ein Best-Practice-Buch als Beruhigungsversuch der Landschaft zu sehen, ist der Hohn in Tüten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du selber daran glaubst.

(Beifall von Britta Altenkamp [SPD])

Die Streichung des Landesprogramms hätte die Einstellung von neun laufenden Modellprojekten und damit den Wegfall von neun Personalstellen sowie 2,5 Wissenschaftlerinnenstellen in der Geschäftsstelle des Landesprogramms zur Folge. Das schreiben die Beschäftigten. Das schreiben die betroffenen Stellen.

Werter Kollege Kern, wer sagt, die Modellprojekte laufen aus, ohne zu verkennen, dass die gesamte Vernetzung der letzten Jahrzehnte, insbesondere der letzten zwölf Jahre, über diese Geschäftsstelle und damit über diese zweieinhalb wissenschaftlichen Stellen gelaufen ist, der kann nicht sagen, es würde sich nichts verändern, und eigentlich hätten die Kommunen die Aufgabe. Sie tun so, als würde alles gut bleiben. Diese Argumentation verstehe ich wirklich nicht mehr. Ich finde das blauäugig, und ich finde es verantwortungslos.

Man kann in den Antworten auf die Fragen 61 bis 63 zur Haushaltsanhörung des Haushalts- und Finanzausschusses deutlich nachlesen, was die Fachwelt sagt. Sie spricht eine ganz andere Sprache als die Beruhigungsversuche der Regierungsfraktionen und des Ministers Laschet im Ausschuss, ganz anders.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich möchte hier nochmals betonen, was auch Frau Steffens gesagt hat: Ich finde es beschämend, wenn jemand Schirmherr spielt und es nicht wirklich erfüllt.

Ich will einmal sagen, was bei Wikipedia unter dem Begriff Schirmherr steht, denn daran wird das Bloßstellen des Ministerpräsidenten deutlich. Dort heißt es: „Als Schirmherr … wird eine (meist prominente)“ – das ist der Ministerpräsident – „Persönlichkeit oder eine Organisation bezeichnet, die mit ihrem Namen eine

Veranstaltung oder eine gemeinnützige Organisation unterstützt.“ – Das stimmt wohl so weit alles und trifft auf die Zusammenarbeit des Vereins und des Ministerpräsidenten zu.

„Der Nutzen besteht gegebenenfalls in einem Image-Gewinn für beide Seiten.“ – Wir Sozialdemokraten sind uns durchaus bewusst, dass dieser Ministerpräsident seit Jahren versucht – nicht erst seit Amtsantritt –, sein Image im sozialen Bereich zu verbessern. Aber hier und am nächsten Satz der Wikipedia-Umschreibung wird es dann deutlich:

„Manche Schirmherren unterstützen aber auch mit aktiver Werbung und setzen ihre guten Kontakte dafür ein, weitere Unterstützer zu gewinnen.“ – Spätestens an dieser Stelle wird der Ministerpräsident und werden die Regierungsfraktionen im Gefolge des Ministerpräsidenten dieser Beschreibung nicht mehr gerecht.

Dem braucht man nur noch eines hinzuzufügen: Sehr geehrter Herr Schirmherr Dr. Rüttgers – das schreibe ich dann für das Protokoll oder für das Weitersagen –, Sie sollten Ihre hoffentlich guten Kontakte zum zuständigen Minister Laschet nutzen, um diesen von der Aufgabe zu befreien, und Ihrem Sozialminister eine entsprechende Haushaltsstelle einrichten und wieder die Mittel zur Verfügung zu stellen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)