Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Ich halte es aber für falsch, jetzt über Ihr Stöckchen zu springen und zu sagen, man schließt das aus, und so Ihrem Angstschweiß nahezukommen.

Ich will es ganz klar sagen, weil Sie Antworten haben wollen. Diese sollen Sie auch bekommen. Ich schließe überhaupt keine Koalitionsoption aus, sondern ich wähle Koalitionen danach, ob ich ein Maximum an grüner Politik umsetzen kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich lasse mir von Ihnen nicht vorschreiben, mit wem ich das machen kann. Das gucke ich mir dann an, wenn eine konkrete Programmatik da ist. Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, dass irgendeine Couleur nicht gehen könnte. Der Versuch, den Sie hier unternehmen, ist so etwas von durchsichtig. Er wird nicht zum Erfolg führen. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Als Nächster hat das Wort der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Mehrheit von CDU und FDP ist nach der neuesten WDR-Umfrage weg, die Linke liegt bei 9 %. Das ist offensichtlich der Grund für die Nervosität, die wir hier heute in der Debatte erlebt haben. Als Bergbauingenieur kann ich Ihnen nur sagen: Hängen im Schacht – so nennen wir das hier in NRW.

Es ist erneut ein sehr durchsichtiges Schauspiel, was CDU und FDP hier und heute im Landtag liefern. Dass Sie sich in Ihrem Antrag ausgerechnet auch noch auf die hessischen Abgeordneten und Last-minute-Gewissensentdecker/innen der SPD berufen, ist schon fast skurril. Anstatt eine vernünftige und zukunftsweisende Politik in NRW zu machen, wofür die Linke und ich wie gestern viele gute Vorschläge einbringen und entsprechende Anträge stellen, jetzt dieses Polittheater hier und heute! Das, was Sie der Linken vorwerfen, inszenieren Sie mit Ihrer eigenen Groteske.

Im Gegensatz zu CDU und FDP, die an allen möglichen Punkten gegen die Landesverfassung handeln, steht die Linke fest auf dem Boden der Verfassung. Gerade die Punkte, die der Linken und mir immer wieder von Ihnen vorgeworfen werden, sind in der Verfassung benannt. In Artikel 27 heißt es zum Beispiel zu Monopolbetrieben und Kartellen:

Erstens. Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden.

Zweitens. Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten.

Sie scheinen selbst Ihren ersten CDU-Ministerpräsidenten hier in NRW, Karl Arnold, nicht mehr zu kennen, der sich auf einen christlichen Sozialismus beruft. Auch Ihr Ahlener Programm in NRW scheinen Sie nicht zu kennen, in dem es heißt – ich zitiere –:

Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.

So Ihr eigenes CDU-Programm von vor gut 50 Jahren.

Wenn Sie hier von politischem Extremismus reden, sollten Sie in Ihre eigenen Reihen schauen. Noch kürzlich berichtete der WDR in Westpol von CDUPolitikern, die für eine Zeitung für Russlanddeutsche mit rechtsextremen Inhalten tätig waren. Ihren MdB Martin Hohmann mussten Sie nach einer antisemitischen und extremistischen Rede aus der CDU ausschließen. Im Internet kann man aber lesen: Hohmann erfuhr viel Solidarität aus der CDU.

In der FDP gab es auch einmal einen Herrn Jürgen Möllemann aus Münster, dem viele zu verdanken haben, dass sie überhaupt im Landtag sitzen. Er fiel ebenfalls mit rechten und antisemitischen Äußerungen aus der Rolle.

Wo wir gerade in Münster sind: Der jetzige Regierungspräsident Peter Paziorek saß mit seiner Kollegin Erika Steinbach noch 2005 im Vorstand der Erik-von-Witzleben-Stiftung für das Westpreußische Landesmuseum in Münster. Nachdem von mir aufgedeckt wurde, dass es sich bei Erik von Witzleben um einen hochrangigen SS-Funktionär mit Führerdienstgrad handelte, der dann Sturmbannführer wurde, haben Sie erst danach den Namen der Stiftung geändert. Es ist mehr als offensichtlich, dass Sie in der CDU auf dem rechten Auge ziemlich blind sind.

Aber Sie sind auch noch woanders blind. Einiges ist hier schon zu den Ost-CDU-Blockflöten gesagt worden. Das gilt im Übrigen genauso für die FDP.

Ich fordere von Ihnen: Arbeiten Sie Ihre Geschichte gründlich auf! Untersagen Sie endlich, wie das bereits in zwei anderen Bundesländern gemacht wurde, dass die Linke vom Verfassungsschutz in NRW beobachtet wird! Das ist und bleibt ein Skandal auch hier in NRW. Ansonsten gilt: Rüttgers muss weg, der Rüttgers-Club auch. Da bin ich lieber für Rotkäppchen, aber das ist hier im Landtag noch verboten. – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben um direkte Abstimmung gebeten. Also stimmen wir ab über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/7824. Wer stimmt dem Inhalt dieses Antrags so zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Gibt es Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltungen. Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

4 Die Achsen des Bösen: Die Zukunft der Bahn sind die Fahrgäste und nicht die Börse

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7833

Herr Kollege Becker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird den Antrag jetzt begründen. Ich darf Sie bitten, den Saal, wenn Sie es denn wollen, leise zu verlassen, damit die Kolleginnen und Kollegen, die zuhören wollen, auch weiter zuhören können. Bitte schön, Herr Kollege Becker, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Achsbruch in Köln –

(Erhebliche Unruhe – Glocke)

so hieß es lange Zeit – würde das Problem der Achsen beim ICE deutlich machen. Aber in jüngerer Zeit haben wir auch gelernt: Der Achsbruch ist nicht in Köln erfolgt, sondern er ist ganz offensichtlich auf freier Strecke erfolgt, beim letzten Beschleunigen auf der Strecke von Frankfurt nach Köln, also bei Hochgeschwindigkeit. Das ist deutlich geworden, wenn man zur Kenntnis nimmt, was die Bundesmaterialprüfungsanstalt in ihrem Gutachten, in ihrem Zwischenbericht, veröffentlicht hat.

Meine Damen und Herren, nicht nur Köln, sondern insgesamt das Land Nordrhein-Westfalen ist mit Mühe und Not an einer schweren Katastrophe vorbeigeschrammt, einer Katastrophe, die übrigens das Eisenbahnbundesamt in seiner Verfügung vom 11. Juli dieses Jahres auch bereits genannt hat, nämlich den Fall in Enschede vor vielen Jahren.

Die Angelegenheit ist nicht nur ärgerlich, die Angelegenheit ist nicht nur eine sicherheitsrelevante Frage, sondern sie wirft ein bezeichnendes Licht auf die Bahnpolitik der letzten Jahre, auf eine Bahnpolitik, die sich auch im Land Nordrhein-Westfalen, wenn man genau hinguckt und wenn man sich mit der Bahn beschäftigt, an vielen Stellen negativ auswirkt.

Die Politik der Bahn, meine Damen und Herren, hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass wegen des bevorstehenden Börsengangs und wegen des Anspruchs, den Bilanzgewinn von Jahr zu Jahr zu steigern, die Strecke und das Netz ganz deutlich vernachlässigt worden sind. Sie hat dazu geführt, dass auch die Sicherheit beim Streckennetz, bei den Weichen und bei den Signalen vernachlässigt wurde. Der letztjährige Bericht des Bundesrechnungshofs hat dies in einer sehr umfangreichen und sehr harschen Kritik deutlich zutage gefördert.

(Beifall von GRÜNEN und Michael Solf [CDU])

Wir haben es aber auch an anderen Stellen, meine Damen und Herren, mit einer Situation zu tun, bei der – wenn man hinschaut – klar wird, was passiert. Der Gewinn, den die Bahn von Jahr zu Jahr macht, ist vor allem im Regionalverkehr erwirtschaftet. In den letzten Jahren sind die Gewinne im Regionalverkehr bundesweit – in Nordrhein-Westfalen im Verhältnis genauso – von 500 Millionen € im Jahr 2004 auf inzwischen 700 Millionen € im Jahr 2006 gestiegen. Das zeigt, dass die Zuschüsse des Bundes, die über die Regionalisierungsmittel über die Verkehrsverbünde bei uns in den Verkehr fließen sollen, letztlich mittels zu hoher Trassenpreise in den Bilanzgewinn der Bahn geflossen sind.

Auch das – wer hinschaut, sieht es – spiegelt sich im täglichen Bahnverkehr wider: Die Züge sind in schlechtem Zustand; an vielen Stellen gibt es, anders als versprochen, kein neues Zugmaterial; wir haben es mit erheblichen Verspätungen zu tun, und wir erleben auch jetzt in diesem Herbst wieder, dass das Wagenmaterial offensichtlich noch nicht einmal herbstfähig ist. Das heißt: Die Wagen müssen bedeutend langsamer in die Bahnhöfe einrollen als zu anderen Jahreszeiten, weil sie nicht in der Lage sind, mit den vorhandenen Bremsen auch im Nahverkehr so zu bremsen, dass sie zügig in die Bahnhöfe einfahren können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wer das sieht, meine Damen und Herren, muss sich die Frage stellen, ob wir es nicht mit einem systemischen Problem zu tun haben: sowohl bei der Sicherheit als auch beim Zustand der Strecken und Wagen sowie auch mit Blick auf die Preiserhöhungen der letzten Zeit. Es gab ganz erhebliche Preiserhöhungen, und kein Unsinn wurde ausgelassen. Ich erinnere an den Bedienzuschlag, der vorübergehend im Gespräch war.

Und wir müssen uns die Frage stellen, ob wir die Bahn nicht anders orientieren müssen.

Wir müssen sie weg von der Ausrichtung auf einen global agierenden Konzern im Logistikbereich und wieder hin auf die Fahrgäste orientieren, die tagtäglich mit dieser Bahn fahren möchten, und zwar sicher, zügig, schnell und preiswert.

(Beifall von GRÜNEN und Michael Solf [CDU])

Wenn das so ist und wenn dieser Vorstand so agiert, wie er in den letzten Jahren agiert hat – die Verkehrsminister haben dies weitestgehend durchgängig durchgewunken und die wenigen, die es nicht getan haben, haben nicht lange in ihrem Amt überlebt –, dann müssen wir den Weg gehen, die Bahn zurück auf die Fahrgäste und weg von einem Börsengang zu orientieren.

Um das vorwegzuschicken: Kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Satz, der Börsengang sei endgültig abgesagt. – Der Börsengang ist übrigens nicht des

wegen abgesagt, weil er der falsche Weg ist, und auch nicht – wie manche behaupten –, weil nicht genug zu erlösen ist. Der Börsengang ist nach meiner festen Überzeugung vor allen Dingen deswegen abgesagt, weil der Börsenprospekt der Bahn die momentan zutage tretenden Risiken im Netz und besonders im Betrieb sowie bei den ICE T und ICE 3 nicht in vollem Umfang nennt. Wer jetzt mit diesem Börsenprospekt an die Börse ginge, der würde sich dem Risiko aussetzen, hinterher von Kapitalanlegern des Börsenbetrugs geziehen zu werden. Das ist nach meiner festen Überzeugung der wahre Grund.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist übrigens auch die Erklärung dafür, dass Herr Mehdorn die Verkaufspläne keineswegs aufgegeben hat, sondern jetzt statt eines Börsengangs den Direktverkauf nach Russland, China oder in einen Teil der arabischen Staaten plant und auch bei der Kanzlerin durchsetzen will. Dies ist ein Direktverkauf, der sich Privatisierung oder Teilprivatisierung nennt und in Wahrheit ein Verkauf von Staatskonzernen an andere Länder wäre.

Also, zusammengefasst: Auch Nordrhein-Westfalen – gerade das Bahnland Nordrhein-Westfalen – muss sich darauf konzentrieren, vom Bund und von der Bahn einzufordern, dass sich die Bahn an den Menschen zu orientieren hat, die jeden Tag mit ihr fahren wollen, und nicht an Planungen und Spielereien mit weltweiten Logistikkonzernen, wie sie Herr Mehdorn plant, was sich dann hier in Nordrhein-Westfalen wieder negativ auswirkt. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Lorth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Plenum und die Fachausschüsse des Landtags Nordrhein-Westfalen haben in den letzten Jahren häufig und intensiv in allen Facetten über Themen betreffend die Deutsche Bahn und die Bahnreform diskutiert.

Wir haben hier im Plenum diskutiert, und zwar zum Börsengang der Bahn, zur Trennung von Netz und Betrieb, zur Sicherheit im Zugverkehr, zur Pünktlichkeit und zu Verspätungen, zur Ausdünnung im Fernverkehr, zum Instandhaltungsstau, zum Baustellenverkehr, zu Langsamfahrstrecken, und wir haben Themen des öffentlichen Schienenpersonennah- und -regionalverkehrs ausgiebig behandelt. Ich erinnere an die lebhaften Debatten in diesem Hause zum Thema Börsengang der Deutschen Bahn AG, der im Übrigen nur aufgeschoben und nicht aufgehoben ist.

Die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP haben sich in diesen Diskussionen im Landtag und in den Ausschüssen stets für den Verbleib des Netzes beim Bund und für eine strikte Trennung von Netz und Betrieb ausgesprochen – auch, weil wir, was die Frage der Sicherheit angeht, keine englischen Verhältnisse haben wollen. Wir haben dabei immer den Vorrang der Interessen der Fahrgäste im Schienenverkehr gesehen.

Ich erinnere auch an unseren gemeinsamen Antrag von CDU und FDP zum Thema „Bekämpfung des Bahnlärms“ als Antwort auf die zunehmende Belastung der Bevölkerung durch den Anstieg des Güterverkehrs.