Protokoll der Sitzung vom 03.12.2008

Sie wissen auch, dass der Gesetzentwurf des Bundesfinanzministers auf einer Verteilung beruht – das ist ja das Irre an dieser Geschichte –, weshalb ich hoffe, dass es zur Anrufung des Vermittlungsausschusses kommt. Eine Verteilung von 76:24 ist das, was wir eigentlich nach der Gesetzeslage haben müssten.

(Gisela Walsken [SPD]: Das habe ich doch gerade gesagt!)

Davon gehen Sie aus. Das ist aber nicht der Gesetzentwurf des Bundesfinanzministers. Lassen Sie sich von Ihren Leuten in Berlin doch einfach besser informieren! Das wäre vielleicht wirklich hilfreich.

(Zuruf von der SPD)

Dann werden Sie sehen, dass eine Verteilung von 42,5 für den Bund und 57,5 für Länder und Kommunen vorgesehen ist. Dagegen werden wir angehen. Wir müssen aber jetzt einen Haushalt aufgrund des Gesetzentwurfs des Bundesfinanzministers einbringen, Frau Walsken. Wenn Sie jetzt richtig zugehört haben, dann haben Sie das auch verstanden.

Zweiter Punkt: degressive AfA. Lassen Sie sich von Ihren Leuten doch einmal die Vorlage für den Haushaltsausschuss des Bundestages vom 5. November geben. Darin steht, wie der Bundesfinanzminister die Ausfälle schätzt. Er schätzt 1,94 Milliarden € für 2009, 4,33 Milliarden € für 2010, dann 4,165 Milliarden € für 2011 und 2,41 Milliarden € für 2012. Da Nordrhein-Westfalen bei diesen Maßnahmen immer 10 % trägt, haben wir uns erlaubt, statt 194 Millionen € – 10 % von 1,94 Milliarden € wären 194 Millio

nen € – 200 Millionen € einzusetzen. Für das Jahr 2010 – das sage ich Ihnen auch schon – rechnen wir statt mit 433 Millionen € – 10 % von 4,33 Milliarden € wären 433 Millionen € – mit 450 Millionen €.

Lassen Sie sich für solche Debatten einfach besser vorbereiten! Das wäre hilfreich und würde uns das Geschäft unwahrscheinlich erleichtern. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Das würde ich Ihnen auch empfehlen! Lassen Sie sich die Zitate heraussuchen!)

Danke schön, Herr Dr. Linssen. – Frau Brunn spricht nun für die SPD.

(Zuruf von der SPD: Na endlich!)

Herr Finanzminister, ich finde es eigentlich bedauerlich, dass Sie auf die Ausführungen der Kollegin Walsken immer nur mit Polemik antworten.

(Beifall von Martin Börschel [SPD] – Minister Dr. Helmut Linssen: Fakten!)

Das finde ich nicht in Ordnung. Sie sollten, Herr Kollege Finanzminister, wirklich an den Fakten bleiben. Dazu sage ich: Sie haben in der schwierigen Situation, in der wir jetzt gegenwärtig sind, da es einerseits noch eine sehr gute Konjunktur gibt und wir Geld bekommen, wir auf der anderen Seite aber eine Krise vor uns haben, keine Antworten. Weil Sie keine Antworten haben, machen Sie einfach irgendetwas. Das Irgendetwas, was Sie machen, ist mehr oder weniger ein Überbordwerfen Ihrer gesamten bisherigen Prinzipien.

(Beifall von der SPD)

Das ist die Frage, die heute im Zentrum der Auseinandersetzung steht. Die Frage ist Ihr widersprüchliches Verhalten. Sie sagen mehr oder weniger: Was schert mich mein Geschwätz von gestern?

(Gisela Walsken [SPD]: Ja!)

Vor ein paar Monaten haben Sie noch gesagt, die Risikoabschirmung der WestLB würde das Land überhaupt nicht mit Neuverschuldung belasten. Heute packen Sie im Nachtragshaushalt 430 Millionen € zusätzlich in die Vorsorge für den Risikoschirm. Vor ein paar Tagen haben Sie noch gesagt, das Finanzierungsgesetz des Bundes, das Finanzierungsmarktstabilisierungsgesetz, würde erst ab 2010 Geld kosten. Heute stecken Sie 185 Millionen € in einen Extrafonds dafür.

Herr Finanzminister, Sie sagen, dass Sie jetzt vorsorgen. Das ist aber Vorsorge auf Pump;

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

denn die entsprechenden Mittel könnten Sie eigentlich in die Senkung der Neuverschuldung einbringen, weil Sie dieses Geld, wenn man Ihren Worten denn glauben darf, weder 2008 noch 2009 noch 2010 überhaupt brauchen werden.

Wenn Sie schon Vorsorge treffen: Warum richten Sie dann keinen Risikofonds für die Städte ein, die nämlich in absoluter Notlage sind? Warum tun Sie das nicht? Das wäre doch etwas. Und warum senken Sie nicht die Neuverschuldung, was Sie jetzt wirklich könnten?

Das sind die Punkte, die an dieser Debatte unehrlich sind. Vor zwei Jahren haben Sie noch für ein Verschuldungsverbot plädiert. Jetzt verdoppeln Sie die Neuverschuldung für 2009.

(Martin Börschel [SPD]: Das ist der ehrliche Kaufmann!)

Vor zwei Jahren haben Sie den schon verstorbenen Herrn Keynes noch verurteilt. Heute schreiben Sie seine Argumentation ab, ohne aber in der Sache ein Konzept für die Änderungen vorzulegen.

Meine Damen und Herren, jetzt endet meine Redezeit. Diese Ausführungen könnte man aber noch sehr gut verlängern.

Was stimmt denn nun wirklich – Ihre Argumentation vor zwei Jahren oder Ihre Argumentation jetzt? Und was sagen Sie den Menschen, die auf einmal sehen, dass wir als Exportland Nordrhein-Westfalen zum Nehmerland abgesunken sind? Wir waren in den letzten Jahrzehnten immer unter den starken fünf Ländern und sind jetzt ein Nehmerland geworden. Was sagen Sie den angesichts unserer Exportabhängigkeit in Bezug auf die zukünftige Krise? Haben Sie dieses Thema denn überhaupt nicht zu bearbeiten?

Das finde ich schlimm. Ein ehrbarer Kaufmann muss auch ehrlich sein. Vor allen Dingen muss er wirklich vorsorgen, anstatt eine solche HamsterPolitik zu betreiben, wie Sie das jetzt tun.

Auf diese Fragen hätten wir gerne eine Antwort. – Das wollte ich hier noch kurz sagen. Danke.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Brunn. – Für die CDU spricht Herr Kollege Klein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben den Eindruck, dass der Finanzminister gerade mit sehr vielen Fakten die von Frau Kollegin Walsken aufgeworfenen Fragen noch einmal sehr deutlich beantwortet hat und damit auch dargestellt hat, warum die jetzt erfreulicherweise zu verzeichnenden Mehreinnahmen sinnvollerweise dazu genutzt werden, entsprechende Vorsorge zu treffen. Genau das ist die Antwort, die

angesichts der aktuellen Problematik richtigerweise zu geben ist.

Weil aber schon die Fakten nicht geholfen haben, scheinen weitere Argumente zum heutigen Zeitpunkt auch nicht weiterzuhelfen.

Dementsprechend schlage ich vor, diesen Entwurf jetzt an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Dort werden wir erneut den redlichen Versuch unternehmen, auch die Opposition von der Sinnhaftigkeit dieses Entwurfs zu überzeugen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Gisela Walsken [SPD]: Das ist doch nicht wahr! Er hat wirklich gar nichts mehr zu sagen!)

Danke schön, Herr Klein. – Herr Becker für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bitte.

(Gisela Walsken [SPD]: Herr Becker, hauen Sie rein! – Gegenruf von Horst Becker [GRÜNE]: Das muss man gar nicht! Das er- ledigt sich von selbst!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich melde mich noch einmal zu Wort, weil ich mich gut an die Debatten erinnern kann, die wir in den letzten beiden Jahren hier geführt haben. Bei diesen Debatten habe ich und haben auch andere von uns Ihnen immer wieder vorgehalten, dass Sie das, was Sie zu sein vorgeben, nämlich ein ehrbarer Kaufmann, dem Grunde nach nicht sind.

Lassen Sie mich noch einmal kurz rekapitulieren, warum das so ist und warum dies nicht nur ein Problem der Vergangenheit und der Gegenwart ist, sondern auch ein Problem der Zukunft dieses Landes und seiner Bürger werden wird.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Genau! Zukunft ist jetzt!)

Erstens. Wir haben es damit zu tun, dass im Jahr 2005, als Sie die Regierung übernommen haben, die Steuereinnahmen in Nordrhein-Westfalen – ich sage es ganz langsam zum Mitschreiben und zum Mitdenken – 7,8 Milliarden € niedriger waren als heute.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist die Zahl!)

Wir haben es außerdem damit zu tun, dass die Nettokreditaufnahme, die Sie immer so sehr bekämpft haben, damals 5,2 Milliarden € höher lag als heute. – Das ist ein Delta, wie man so schön sagt, von round about 3 Milliarden €. Es sind mindestens 2,5 bis 3 Milliarden €; man könnte es auch noch spitz bis auf 3,5 Milliarden € hochrechnen. Ich will jetzt aber nicht über die berühmten Peanuts streiten.

Zweitens. Wir haben es damit zu tun, dass Sie damals einen Wahlkampf geführt haben, in dem Sie den Leuten

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Alles verspro- chen haben!)

gleichzeitig den Abbau der Nettoneuverschuldung und die Vermehrung von Leistungen versprochen haben. Von Letzterem ist nichts eingetreten.

Wir haben es auch damit zu tun, dass Sie in den letzten drei Jahren den Kommunen strukturell – je nachdem, wie man es rechnet; ich bin jetzt einmal zuungunsten der Kommunen großzügig – mindestens 1,2 Milliarden € pro Jahr entzogen haben.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Unerhört!)

Das fehlt vor Ort bei freiwilligen Leistungen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)