Auch bei der Forderung nach einer stärkeren Regulierung der Trassen- und Stationspreise blenden die Grünen diese Initiative wieder völlig aus. Denn am 7. November 2008 hat der Bundesrat einen Beschluss gefasst, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, parallel zur LuFV die gesetzlichen Grundlagen für eine Anreizregulierung zu schaffen. Gerade mit dieser Forderung nach einer Anreizregulierung, Herr Becker, haben Sie recht. Nur: Die Bundesländer und auch Nordrhein-Westfalen haben längst gehandelt.
Kommen wir zur grundsätzlichen Betrachtung der LuFV. Das hat gerade Herr Wißen auch getan. Grundsätzlich ist eine LuFV zu unterstützen. Ich glaube, das tun alle vier Fraktionen in diesem Haus. Denn die Deutsche Bahn AG wird hier zu Qualitätsvorgaben verpflichtet, und sie muss diese am Ende auch einhalten. Zeitgleich – und das, meine Damen und Herren, wurde gestern in der Anhörung im Deutschen Bundestag sehr deutlich –, gibt es aber bei dieser LuFV noch erheblichen Anlass zur Kritik. Dies hat die Sachverständigenanhörung gestern eindeutig bewiesen. Fünf Punkte möchte ich hier nennen.
Erstens. Ein zentraler Kritikpunkt sind die völlig unzureichenden Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. 2,5 Milliarden € sollen pro Jahr investiert werden, mindestens 3 Milliarden € sind notwendig.
Zweitens. Für die Pflege und Wartung des Netzes muss die DB AG nur noch eine Milliarde aufwenden. In den vergangenen Jahren hat sie pro Jahr 1,6 Milliarden € aufgewendet, und trotzdem ist ein Investitionsstau von 1,5 Milliarden € entstanden – also völlig unterfinanziert.
Drittens. Die Deutsche Bahn AG kann bis zu 2 % der Strecken stilllegen, ohne dass der Zuschuss des Bundes sich ändert.
Viertens. Die Messung der von der Bahn zu gewährleistenden Qualität –das ist ebenfalls besonders wichtig – richtet sich nach einer Reihe von Kennzahlen. Hier fehlt insbesondere die Kennzahl Anlagealter. Einzelne Kennzahlen treten erst 2010 in Kraft.
Bei Station & Service gibt es noch gar keine Kennzahlen. Der DB wird bezüglich der Qualität also viel zu wenig Kontrolle gewidmet. Qualitätskontrolle findet eigentlich überhaupt nicht statt. Der Spielraum, den die DB beim Thema Qualität hat, ist unangemessen groß.
Fünftens. Absolut unzureichend – auch das ist wichtig – sind die Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der DB. Wenn die DB wirklich vorrangig in Fernverkehr und völlig nachrangig in Nahverkehr investieren sollte, hat der Bund nach dieser LuFV keine Möglichkeit, zu reagieren und Sanktionen zu ergreifen.
Unter dem Strich heißt das: Eine LuFV ist notwendig; das sagen alle vier Fraktionen. Diese LuFV ist untauglich; das sagen zumindest die Kollegen der Fraktion der FDP im Deutschen Bundestag.
Auf der anderen Seite ist die von Herrn Becker für die Grünen hier geäußerte Kritik, das Land Nordrhein-Westfalen habe keine Initiative ergriffen, nicht nur falsch, sondern auch eine Frechheit. Ich habe Ihnen jetzt mehrere Punkte aufgezählt, bei denen das Land Nordrhein-Westfalen sogar federführend für alle Länder die Initiative ergriffen hat.
In einigen Gebieten hatten wir damit Erfolg, auf anderen Feldern nicht. Das liegt aber an der alleinigen Zuständigkeit von Bundesverwaltung auf der einen Seite und Deutscher Bahn AG auf der anderen Seite.
Zweitens. Bundesverkehrsminister Tiefensee hat die guten Vorschläge des Landes NordrheinWestfalen und der anderen Bundesländer für eine effiziente LuFV leider nur teilweise – am Ende unzureichend – aufgenommen.
Drittens. Wenn es denn zu einem negativen Ergebnis kommt, gilt Folgendes, lieber Herr Wißen: Die Verantwortung für unzureichende Qualität bei der
Deutschen Bahn AG, die nun einmal auf die unzureichende LuFV zurückzuführen ist, liegt bei den federführenden Ministerien in Berlin und damit bei den beiden Ministern Steinbrück und Tiefensee.
Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Wittke das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auf die Entstehungsgeschichte bzw. die Urheberschaft dieses Antrages wollte ich an dieser Stelle eigentlich nicht eingehen.
Herr Kollege Becker, eine Bemerkung kann ich mir aber doch nicht verkneifen. Diejenigen, die diesen Antrag für Sie verfasst haben – wer auch immer das gewesen sein mag –, haben nicht kreativ nachgedacht und selbst Formulierungen gesucht, sondern zu einem wesentlichen Teil aus Papieren der nordrhein-westfälischen Landesregierung abgeschrieben. Ich freue mich auf die Diskussion im Fachausschuss; denn ich kann Ihnen nachweisen, dass das, was Sie hier als Antrag einbringen, in weiten Passagen aus Papieren aus meinem Hause, dem nordrhein-westfälischen Verkehrsministerium, stammt.
Allein diese Tatsache zeigt, dass es eine Unverschämtheit ist, wenn Sie sich hierhin stellen und behaupten, diese Landesregierung und diese Landtagsmehrheit hätten nirgends Einfluss auf die LuFV genommen und an keiner einzigen Stelle die Debatte geführt.
Jawohl, wir haben uns eingemischt. Es ist schön, dass Sie diese Position übernommen haben, Herr Becker.
Am 23. Mai 2008 hat der Bundesrat einstimmig beschlossen, den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung von Eisenbahninfrastrukturqualität und Fernverkehrsangebot beim Deutschen Bundestag einzubringen. Dieser Gesetzentwurf enthält eine Fülle von konkreten inhaltlichen Vorschlägen zur Ausgestaltung der zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Bahn AG abzuschließenden Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Diese Vorschläge sollen insbesondere vor den Gefahren einer Ausdünnung bzw. einer Verteuerung des Schienenpersonennahverkehrs schützen.
Im Zusammenhang mit der geforderten Stärkung der Regulierungsbehörde hat der Bundesrat im November dieses Jahres die Bundesregierung aufgefordert, parallel zur Vorbereitung der LuFV die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zur Einführung einer Anreizregulierung zu schaffen.
Die vorgenannten Initiativen zur Optimierung der LuFV haben ihre Wurzeln nicht zuletzt in dem Gutachten, das federführend von uns in NordrheinWestfalen im Jahr 2007 zu dem damals beabsichtigten und dann aufgegebenen integrierten Börsengang der Deutschen Bahn AG in Auftrag gegeben wurde.
Die Berechtigung der Forderungen der Länder wird nunmehr sowohl vom Bundesrechnungshof als auch von dem Gutachten der TU Berlin als auch von diesem Antrag der Grünen bestätigt.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dem hier zur Beratung stehenden Antrag, der nichts anderes als eine Schaufensteraktion ist, kann wirklich nur mit Kopfschütteln begegnet werden. Die Überschrift „Handeln statt Stillschweigen“ ist genauso unangebracht wie der Titel Ihres letzten in dieser Angelegenheit eingebrachten Antrages. Wir erinnern uns ja noch gut an die „Achsen des Bösen“, Herr Becker.
Vor einigen Wochen hatten Sie sich noch im Tonfall vergriffen. Jetzt verzerren Sie bewusst oder in Unkenntnis die Wirklichkeit. Die Initiativen, die Sie jetzt anmahnen, wurden bereits längst ergriffen – insbesondere auch durch das Engagement der nordrhein-westfälischen Landesregierung.
Ich kann Ihnen bei Bedarf gerne die Nummern der einzelnen Bundesratsdrucksachen zur Verfügung stellen. Dann brauchen Sie nächstes Mal nicht an andere Stellen zu gehen, Herr Becker. Ich biete Ihnen an, dass ich beim nächsten Mal Ihre Anträge formuliere, wenn wir bei den von Ihnen dargestellten Positionen ohnehin in vielen Teilen Deckungsgleichheit haben.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, populistisch oder aber unbedarft ist auch Ihr neuerlicher Hilfsantrag. Wie soll denn eine Initiative zur zeitlichen Verschiebung des Inkrafttretens der LuFV aussehen? Soll die Landesregierung im Bundesrat einen Antrag stellen, der lediglich Rhetorik enthält?
Sie wissen doch ganz genau, dass das Grundgesetz für eine Verschiebungsinitiative schlichtweg keinen Raum bietet. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung ist ein exekutives Finanzierungsinstrument des Bundes. Sie steht damit eindeutig außerhalb des direkten Einflussbereiches der Länder.
Dort, wo wir mitwirken konnten, haben wir das getan – und zwar nicht nur in Debatten und nicht nur auf dem Papier, sondern im Handeln, beispielsweise im Bundesrat. Damit sind wir unserer Verpflichtung
Vielen Dank, Herr Minister Wittke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch einmal der Kollege Becker zu Wort gemeldet.
(Christof Rasche [FDP]: Es kann aber nicht mehr viel Redezeit sein! Er hat ja schon sechs Minuten gesprochen! – Gerhard Lorth [CDU]: Zurückziehen! – Gegenruf von Horst Becker [GRÜNE]: Niemals!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie müssen sich jetzt schon entscheiden. Sie können nicht einerseits den Antrag kritisieren, andererseits aber der darin geäußerten Kritik in weiten Teilen doch zustimmen, wie Herr Rasche das jetzt getan hat – und auch Herr Wittke, der sich sogar dazu verstiegen hat, zu behaupten, das Ganze sei von ihm abgeschrieben.
Sie können natürlich auch nicht den Trick anwenden, dass Sie von der FDP im Bundestag – übrigens zusammen mit den Grünen, Herr Rasche – dagegen stimmen – die FDP wird selbstverständlich dagegen stimmen; Sie sollten sich einmal mit Ihren Parteikolleginnen und -kollegen unterhalten – und hier nicht so tun, als sei es eine wunderbare Vereinbarung. Es bleibt dabei – übrigens auch jetzt, Herr Wittke. Unter anderem äußert Herr Rhiel, der hessische Verkehrsminister, dieselbe Kritik wie wir. Sie bezieht sich im Wesentlichen darauf, dass zum einen die Instrumente, die zur Kontrolle angewendet werden, völlig daneben sind, und es zum anderen keine Sanktionsmechanismen gibt.
Herr Wißen, dass Sie sich wieder einmal als Führungsnachwuchs der SPD aufspielen, entbehrt nicht einer gewissen Komik,
weil Sie überhaupt keine Ahnung von der Sache haben. Das haben Sie durch Ihren Beitrag heute wieder einmal bewiesen.