Protokoll der Sitzung vom 17.12.2008

Frau Asch gerade vorgetragen hat. Aber, Herr Becker, vielleicht ist es sachlicher.

Bitte schön, Herr Becker.

Herr Minister, da Sie von einem roten Faden gesprochen und in diesem Zusammenhang auch das Thema „Wohnraum und Wohnen“ genannt haben: Würden Sie zur Kenntnis nehmen und wie beurteilen Sie es, dass bis heute von Ihrem Ministerkollegen Wittke, obwohl durch die Föderalismusstrukturreform sehr viele Kompetenzen im Bereich Wohnen auf das Land übergegangen sind, kein Entwurf für ein Wohnraumgesetz auf den Weg gebracht worden ist und wir einen solchen trotz Anmahnen durch die Opposition und eigener Vorschläge bis heute nicht beraten konnten?

Ich kann Ihnen nicht sagen, warum es bis zur Minute kein Wohnraumförderungsgesetz gibt. Aber ich kann Ihnen sagen, was auch der Kollege Wittke in Fragen des demografischen Wandels …

(Andrea Asch [GRÜNE]: Wo ist der Städte- bauminister bei diesem Thema eigentlich? Er gehört doch hierher!)

Er ist erkrankt, Frau Kollegin Asch. Kein Grund zur Aufregung! Er ist erkrankt und wird meines Wissens beim nächsten Tagesordnungspunkt vertreten. Das gibt es im Leben, dass man krank ist.

(Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Ohne was zu wissen, erst einmal schimpfen! Furchtbar!)

Also: Warum dieses konkrete Gesetz nicht da ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass gerade das Bauministerium, weil in den Quartieren der demografische Wandel gelebt wird – das liegt Ihrer Frage ja zugrunde –, im Jahre 2008 viele Förderprogramme zur Verfügung gestellt hat, um die soziale Infrastruktur zu gestalten. Sie kennen das Programm „Soziale Stadt“, das im Jahre 2008 43 Stadtteile mit rund 67 Millionen € und

(Horst Becker [GRÜNE]: Bundesprogramm!)

58 Stadtumbauquartiere mit rund 64,5 Millionen € ausgestaltet hat – aus dem Blickwinkel des demografischen Wandels.

(Dieter Hilser [SPD]: Das war Tiefensee und nicht Wittke!)

Dies geschieht so intensiv übrigens auch erst seit 2005. Der Vorgänger, der den grünen Faden hatte, hat sich um Demografie nicht so bemüht, wie der Kollege Wittke das macht.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Das ist der Unterschied zwischen dem, was wir machen, und dem, was Sie gemacht haben.

Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung anführen; denn das, was Sie hier darstellen, ist schon ein Kontrast zu dem, was wir vorhaben. Frau Asch hat über Bevölkerungspolitik gesprochen, hat das in einen Zusammenhang mit der Nazizeit gestellt, hat dann auch noch die DDR bemüht, um Bevölkerungspolitik kritisch zu betrachten.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Eine bestimmte Art!)

Es wäre schon interessant, hier vorzutragen, was mit dieser Bevölkerungspolitik gemeint ist. Frankreich hat ein völlig anderes Verhältnis dazu. De Gaulle hat 1945 gesagt: Wir brauchen jetzt soundso viele Millionen Franzosen. – Das, was da an Bevölkerungspolitik gemacht wird, nennen wir „Ja-Sagen zu Kindern“. Aber wenn wir heute Menschen ermutigen, Ja zu Kindern zu sagen, wenn wir betonen, dass demografischer Wandel bedeutet, dass Familien wichtig sind, dann hat das nichts mit Bevölkerungspolitik zu tun, wie die Nazis oder die Kommunisten sie gemacht haben. Das ist vielmehr eine völlig normale Antwort einer Gesellschaft, die immer älter wird und sagt: Wir brauchen mehr Kinder. – Und wenn jemand sagt: „Wir brauchen mehr Kinder“, lasse ich das nicht als Bevölkerungspolitik diffamieren, wie Sie das heute hier getan haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Es ist völlig absurd, welche Analogien Sie hier ziehen, um diese Politik in Abrede zu stellen.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Ziehen Sie sich doch keinen Schuh an, der nicht für Sie da- stand!)

Dann haben Sie gesagt: Sie sollen nicht Bevölkerungspolitik betreiben, sondern lieber etwas unternehmen, um Betreuungsangebote und Ähnliches zu verbessern. – Das tun wir auch. Ich kann Ihnen das heute alles noch einmal aufsagen. Ich habe es eben schon getan. Sie wissen doch, Frau Asch: Man kann über Fakten und Zahlen sprechen. Wenn wir schon nicht bei Politik, bei Gesellschaftspolitik auf einen Nenner kommen, können wir zumindest über Zahlen sprechen.

Es gibt nämlich arithmetische Grundlagen, die niemand bestreitet. 11.000 Plätze für unter Dreijährige gab es zu Ihrer Zeit. Im Jahre 2008, das wir zum „Jahr des Miteinanders“ gemacht haben, gibt es 44.000. Meine Frage an Sie: Ist das mehr oder ist das weniger?

(Andrea Asch [GRÜNE]: Es gibt viel zu we- nig!)

Ich verstehe nicht: Ja oder nein?

(Lachen von der CDU)

Ich glaube, Sie hat „Ja“ gerufen. Also Frau Asch: Es ist mehr.

Heute Morgen gab das Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik bekannt: Allein in einem Jahr hin zum Jahre 2008 ist der Anteil der Tagespflegeplätze in Nordrhein-Westfalen von 6,9 auf 9,4 % gestiegen.

(Beifall von der CDU)

Wieder eine Erfolgsmeldung! Ich kann Sie in den nächsten Minuten meiner Redezeit nur mit Erfolgsmeldungen des Jahres 2008 zuschütten.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Herr Sagel, ich verstehe Sie gar nicht. Weder akustisch noch inhaltlich verstehe ich das, was Sie hier beitragen.

(Günter Garbrecht [SPD]: Reden Sie doch mal über die UNICEF-Studie, Herr Laschet! – Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Absolute Zah- len!)

Glücklicherweise hat diese Krise auf den Finanzmärkten auch dazu geführt, dass jedenfalls das Zutrauen in linke Parolen bei der Bevölkerung sinkt. Ihnen traut in diesem Lande in dieser Krise überhaupt niemand etwas zu.

(Beifall von CDU und FDP – Günter Garbrecht [SPD]: Reden Sie doch mal über die UNICEF-Studie, nicht nur über die Hoch- glanzmeldungen, auch mal über die Proble- me!)

Liebe Kollegen, wir haben über eine Menge Probleme geredet. Es gibt eine Menge Probleme in diesem Land. Der Kollege Laumann wird gleich in einem weiteren Beitrag der Landesregierung noch über das sprechen, was wir in der Landesregierung unter seiner Verantwortung bewegt haben.

Es sind unterschiedliche Ressorts, die hier zusammenwirken. Aber es muss doch einmal möglich sein, in einer Debatte über die Grundsatzfragen, die jedes Ressort betreffen, zu sprechen und zu sagen, was uns eigentlich bewegt, um demografischen Wandel zu gestalten. Wenn die Opposition dazu nicht in der Lage ist, zeigt das eher, dass Sie auch auf die Herausforderungen der nächsten Zeit bis zum Jahr 2025 keine Antwort haben, dass Sie jedenfalls nicht den Willen haben, mit uns in diese Debatte einzutreten.

Ich denke, dass das Thema den Menschen auch jenseits der Finanzkrise auf den Nägeln brennen wird. Wir haben Antworten darauf. Die haben wir Ihnen heute vorgestellt.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laschet. – Als nächste Rednerin hat

für die Fraktion der SPD Frau Kollegin Koschorreck das Wort. Bitte schön, Frau Koschorreck.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Seit ungefähr zehn Jahren begleitet uns der demografische Wandel in unserem Bewusstsein und in unserer politischen Arbeit. Die SPD-Fraktion, Herr Minister Laschet, hat hierauf auf jeden Fall eine Antwort, und sie hat den demografischen Wandel und seine Herausforderungen fest im Blick, was man von der Landesregierung – das muss man hier wirklich deutlich festhalten – leider nicht sagen kann. Denn was wir heute gehört haben, war nichts Neues, nichts Konkretes, und auch Ihr zweiter Redebeitrag hat nichts Wesentliches dazu beigebracht.

Herr Minister Laschet, Sie haben umfangreiche Ausführungen zu den Vorstellungen der Landesregierung über Altersbilder, über Perspektiven, über Programme, über Modellversuche – wenn Sie mir bitte zuhören würden, dann würde ich das weiter vortragen – über Fachtagungen, über Wettbewerbe und über Veranstaltungen gemacht. Vieles haben wir mehrfach schon in verschiedenen Sitzungen gehört; das war nichts Neues.

Wir hätten heute schon ganz gerne etwas Konkretes von Ihnen gehört: Was hat sich für die heutigen und zukünftigen Seniorinnen und Senioren seit Ihrem Amtsantritt geändert? Was wird sich in den nächsten fünf Jahren ändern? – Hierzu haben Sie nichts gesagt.

Natürlich ist es wichtig, Planungen für das Jahr 2025 anzustellen. Viele Weichen dafür werden heute schon gestellt – von der Landesregierung jedoch leider in die falsche Richtung. Da lohnt es auch nicht, wenn man ein Jahr zum Jahr des Kindes erklärt oder den demografischen Wandel in den Fokus stellt. Es müssen Taten folgen, sonst wird man in der Bevölkerung unglaubwürdig.

Die Vorstellungen der SPD sehen jedenfalls anders aus. Heute kann ich nur einige Aspekte herausgreifen, bei denen wir dringend Handlungsbedarf sehen. Es sind drei Punkte, die ich gerne nennen würde.

Das ist erstens die soziale Sicherung. Die Einkommensverhältnisse der zukünftigen Rentnergeneration werden schon heute festgelegt. Wer heute kein ausreichendes Einkommen hat, wird dies auch im Alter nicht haben. Wer heute nicht zu vernünftigen tariflichen Bedingungen beschäftigt wird

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

richtig, Herr Lindner –, wird keine existenzsichernde Rente erhalten. Wer heute als Politikerin und Politiker nicht für existenzsichernde Mindestlöhne kämpft, sorgt für die Altersnot der künftigen Generation, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Gleiches gilt für Fragen der Alltagskompetenz und der Bildung. Wer sich in unserer Medienwelt heute nicht zurechtfindet, wem heute Bildungs- und Weiterbildungschancen vorenthalten werden, der kann seine Fähigkeiten auch im Alter nur schwer entwickeln.

Die sogenannte Überalterung wird anscheinend erst dadurch ein Problem, dass so viele Menschen mit gewissen alterstypischen Einschränkungen und Bedürfnissen gleichzeitig vorhanden sind. Wir – damit meine ich die Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen – sind fast ausschließlich über 40 Jahre alt, bis auf einige Ausnahmen natürlich. Wir werden im Alter sehr, sehr viele sein. Dafür muss Vorsorge getroffen werden.