Protokoll der Sitzung vom 27.10.2005

Ich warne davor, sollte das nicht so erfolgreich sein, wie Sie das jetzt hoffen, Herr Laumann,

(Minister Karl-Josef Laumann: Dann müssen wir gucken!)

auf die Jugendlichen zu schimpfen. Es ist wichtig, den Jugendlichen zur Seite zu treten. Wir müssen sie da abholen, wo sie sind. Es gibt Defizite. Es ist ja leicht, wenn man verantwortlich ist, aber alles nicht so klappt, Schuldige zu suchen und zu sagen: Die haben das alles nicht gemacht. - Wir müssen das anders angehen. Wir müssen schon sehr genau sehen, welche Klientel wir vor uns haben, und sehr genau überlegen, ob unsere Strukturen so sind, dass wir die Jugendlichen auch tatsächlich bedienen können.

Das Zweite ist: Sie haben sehr ehrgeizige, schnelle Ziele entwickelt; das ist okay, damit habe ich kein Problem. Aber das heißt natürlich auch, dass es das eine oder andere schnell zu regeln gilt. Auf die Problematik der Schulen hat Rainer Schmeltzer hingewiesen. Es gibt auch die Problematik der Praktikumsplätze. Meines Wissens wurden schon mit dem bundesweiten Ausbildungspakt 30.000 Praktikumsplätze für Nordrhein-Westfalen versprochen. Die sind aber wohl bei weitem nicht realisiert. Jetzt brauchen wir zusätzliche Praktikumsplätze. Da ist natürlich eine Verdrängung zu

erwarten. Die Frage wird also sein: Wie schnell gelingt es Ihnen tatsächlich, die benötigte Anzahl an Praktikumsplätzen zur Verfügung zu stellen?

Eine weitere Frage ist die der Finanzierung. Sie haben den finanziellen Preis genannt: 28 Millionen €. Nun ist es aber so, dass ESF-Mittel kofinanziert werden müssen - darauf ist Herr Schmeltzer ein bisschen eingegangen - und dass sie nicht endlos sind; das wissen wir aus Erfahrung. Das Land Nordrhein-Westfalen bekommt ja nicht so viele Mittel, wie es anfordert, sondern einen bestimmten Topf, einen bestimmten Umfang von Mitteln. Jetzt ist die Frage: Wofür wären die sonst verwandt worden? Wären die sonst für andere arbeitsmarktpolitische Instrumente verwandt worden?

Und dann ist die Frage: Was ist der politische Preis? Was haben wir nicht gemacht, damit wir das tun konnten? Da fehlt mir Ihre Antwort, Herr Minister. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns hier oder im Ausschuss eine Antwort auf die Frage geben könnten, wofür diese Mittel sonst zur Verfügung gestanden hätten. Ich unterstütze das Projekt, das ist keine Frage, aber ich möchte den politischen Preis schon kennen. Also: Was haben wir nicht getan, damit das geht?

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Michael Vesper)

Einen positiven Aspekt möchte ich herausstellen: Ein großer Teil der 23.000 Jugendlichen, von denen, wie Sie hoffen, 10.000 von dem Angebot Gebrauch machen werden, wurde bisher nicht in der Arbeitslosenstatistik geführt. Die gehörten zur Grauzone. Ich bin ein Freund der Transparenz, also des Gegenteils davon, dass man durch Arbeitslosenstatistik etwas verwischt und verwässert. Also ein Lob dafür, dass die jetzt in die Statistik hineinkommen. Damit ist ein Stück neue Transparenz geschaffen worden. Das finde ich richtig gut, das ist eine gute Entwicklung.

Bevor ich zum Schluss komme, noch zwei Punkte zu dem, was Sie angeführt haben, Herr Minister.

Zunächst zur Frage der gesamten Ausbildungssituation: Sie haben gesagt, es gibt eine verbesserte Vermittlung von Ausbildungsplätzen. Das finde ich gut. Ich hätte mir gewünscht, nachdem Teile Ihrer Partei im Bundestagswahlkampf die Bundesagentur für Arbeit infrage gestellt haben, dass das mit einem Lob für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit verbunden wird, denn einen großen Teil der Vermittlungen haben die gegenüber dem Vorjahr verbessert getätigt.

Das Zweite, was bei den Ausführungen des Ministers interessant war: Er gibt jetzt eine Prognose von 100.000 Ausbildungsplätzen ab. Das ist eine Symbolprognose, denn unter 100.000 lagen wir in Nordrhein-Westfalen noch nie. Wir haben heute aber einen Minusrekord der vergangenen Jahrzehnte. Die Zahl der angebotenen Plätze ist auch in Nordrhein-Westfalen erheblich heruntergegangen. Da wäre es schon richtig und aufrichtig gewesen, darauf hinzuweisen, dass man einen Monat zuvor noch eine Prognose von 115.000 abgegeben hat - sowohl im Ausbildungskonsens vor Ort, wo ich zugegen war, als auch im Ausschuss, belegbar durch das Ausschussprotokoll - und diese nun auf 100.000 reduziert. Das zumindest hätte ich vom Minister erwartet.

Letzter Punkt: Ihren Entschließungsantrag - Frau Steffens ist schon darauf eingegangen - hätte ich im Ausschuss gerne beraten - Herr Henke, Sie wissen das; wir haben eben persönlich darüber gesprochen; es geht aber nicht -, denn es sind nur wenige Punkte, die wir nicht mittragen werden.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss. Ihre Redezeit ist überschritten.

Ja. - Wir werden in der Tat keinen Persilschein für eine irgendwie prognostizierte dritte Säule ausstellen, die wir nicht genau kennen. Darüber muss man schon intensiver reden.

Ich hoffe, zwei Aspekte klar gemacht zu haben: Wir unterstützen das Werkstattjahr, werden aber eine realistische Erwartungshaltung haben und das genau verfolgen. Wir würden uns sehr freuen, wenn es erfolgreich wäre. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank. - Als nächster Redner hat der Abgeordnete Post von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier ist eine Reihe von Fragen, Verbesserungsvorschlägen, allerdings auch von Allgemeinplätzen geäußert worden. Das macht das Ganze nicht schlechter. Wir müssen dieses Werkstattjahr natürlich als Einstieg nehmen, als Einstieg in eine gestufte Ausbildung.

Es gibt übrigens auch im Bereich der Sozialdemokratie große Befürworter des Werkstattjahres.

Ich zitiere: Die Initiative des Landes NRW, ein Werkstattjahr für aktuell nicht ausbildungsfähige Jugendliche einzuführen, wird begrüßt. - Herr Garbrecht, ich danke Ihnen für diese Unterstützung. Ich finde das auch richtig, denn wir können nicht versuchen, mit diesem einen Projekt die gesamte Problematik der Ausbildung von Jugendlichen auf einen Schlag zu lösen, sondern wir haben mit dem Werkstattjahr einen weiteren Baustein erhalten, der dankenswerterweise vom Ministerium und den am Ausbildungskonsens Beteiligten gemeinsam getragen wird. Der liegt vor, und den sollten wir unterstützen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmeltzer?

Das können wir gleich machen, Herr Schmeltzer. Ich habe auch für Ihre Frage noch Zeit genug.

Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass weder die Frage noch die Antwort auf Ihre Redezeit angerechnet wird.

Okay. - Also meinetwegen, Herr Schmeltzer, schießen Sie los, dann sind Sie Ihre Frage quitt.

Herr Schmeltzer.

Herr Kollege Post, würden Sie wie auch schon Ihr Kollege vorhin zur Kenntnis nehmen, dass das Werkstattjahr hier nicht schlecht geredet wurde, sondern dass wir ergänzende Fragen gestellt haben, damit das Werkstattjahr auch zu dem führt, was wir alle wollen, nämlich zur Versorgung von Jugendlichen?

Herr Schmeltzer, nichts in dieser Welt ist nicht so, dass es verbesserungsfähig wäre. Wir müssen aber mit den Ressourcen arbeiten, die uns zur Verfügung stehen. Es sind viele am Ausbildungskonsens beteiligt und haben zugesagt, ihr Bestes zu geben. Damit bin ich sehr zufrieden. Ich bin denen sehr dankbar, dass wir diesen Jugendlichen, die sonst nichts haben, vor allen Dingen keine weitere Motivation haben, etwas anbieten können.

(Beifall von CDU und FDP)

Damit bin ich bei der Motivation: Es gibt in Berlin eine ganz neue Untersuchung der Abschluss- und

Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen nach der Klasse 10, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben. Darin wird festgestellt, dass 50 % dieser Jugendlichen auf dem Stand des achten Schuljahres sind. Das ist noch geschönt. Wir müssen hier also etwas tun - deshalb auch der schulische Teil. Es müssen die Sprachfähigkeit und die Mathematikfähigkeit verbessert werden. Aber noch viel wichtiger ist, dass wir das Selbstbewusstsein dieser Jugendlichen verbessern, die oft eine Schulzeit hinter sich haben, die nicht gerade motivierend und oft von Misserfolg gekrönt war. In diesem Werkstattjahr ist vieles möglich, nämlich sich zu beweisen: Ich kann etwas!

Jetzt zum nächsten Punkt der Motivation, den ich für äußerst wichtig halte: Das ist ein Teil dieser dritten Säule. Wenn Teile dieser Ausbildung anerkannt würden - soweit sind wir noch nicht -, dann können wir diese Jugendlichen sehr wohl motivieren, an diesem Werkstattjahr teilzunehmen und dort weitere Erkenntnisse zu erlangen, die sie später einbringen können. Ich halte es für äußerst wichtig, den Jugendlichen diese Möglichkeiten zu geben.

Der dritte Bereich betrifft die oft feststellbaren Verhaltensdefizite - so will ich es mal nennen - von der Pünktlichkeit bis zum Sozialverhalten. Durch häufigeres Miteinander mit vielen verschiedenen Personen ist soziales Lernen nachweislich möglich. Genau daran muss gearbeitet werden. Deswegen halte ich es für wichtig, dass zum einen die zwei Schultage und zum anderen die zwei Tage bei den Anbietern und der dritte Tag noch einmal im Praktikum stattfinden.

(Zuruf von der SPD)

Das heißt für mich aber auch, dass die beiden Schultage stattfinden werden. Ich habe eben mit der Schulministerin gesprochen, die festgestellt und zugesagt hat: Im Werkstattjahr werden diese beiden Schultage stattfinden. Ich glaube, das reicht Ihnen als Antwort auf Ihre Frage. - Schönen Dank, Frau Ministerin.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Letzte, was ich zu diesem Thema sagen möchte ist, dass wir hier sehr wohl einen Einstieg in die dritte Säule sehen müssen, in die Möglichkeit gestufte, clustermäßige Ausbildung stattfinden zu lassen, dass wir aber weit darüber hinaus kommen, und auch vertrauensbildende Maßnahmen bei Ausbildungsbetrieben erreichen. Wenn die Ausbildungsbetriebe Jugendliche kennen lernen, über längere Zeit täglich oder wöchentlich erleben, ist die Chance zur Vermittlung wesentlich größer, weil dann erst das Können und das Ken

nen der Jugendlichen bei den Ausbildungsbetrieben wirklich feststellbar ist.

Lassen Sie mich all denen danke schön sagen, die an dieser Sache beteiligt waren, das in einer recht kurzen Zeit auf die Beine gestellt und für unsere Jugendlichen in diesem Schuljahr auch etwas hergeleitet haben. Immerhin, BUT kaputt gemacht, das hatten andere.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Steffens von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Post, BUT haben andere kaputt gemacht, aber Sie haben dauernd laut getönt: Sie würden das wieder auflegen. Von daher finde ich es etwas heftig, dass Sie das so zum Schluss bringen. Sie wollten es wieder auflegen. Sie haben immer ein hohes qualitatives Niveau eingefordert. Ihre Argumentation gerade ging ja schon ein bisschen in die andere Richtung. Aber - wie gesagt -, schauen Sie sich noch einmal an, was Sie damals alles gesagt haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben im Laufe der Diskussion gesehen: Alle wollen etwas für die die Zielgruppe tun. Die Zielgruppe dieser Jugendlichen erreichen, das wollen alle. Die Frage ist nur - das kam ein Stück weit bei dieser Diskussion heraus -, ob dies wirklich das Angebot ist, womit wir die Jugendlichen erreichen, oder ob wir jetzt wieder eine neue Warteschleife drehen. Wenn man mit den Leuten, die in diesen Bereichen tätig sind, vor Ort redet, dann sagen verdammt viele: Das wird eine neue Warteschleife, da wird man vielleicht ein paar mit reinkriegen, aber es wird wieder ein Jahr vergehen, ohne dass es effektiv etwas bringt.

Ich werde in der nächsten Ausschusssitzung vorschlagen - Sie können bis dahin schon einmal darüber nachdenken -, dass wir gemeinsam als Ausschuss mit Experten und Expertinnen dazu eine Anhörung machen und wir uns mit der Frage befassen werden: Ist das ein Instrument, womit wir die Jugendlichen erreichen können, oder werden genau diese Jugendlichen bei dem Angebot wieder hinten herunterfallen? Ich denke, dass wir mit den Experten und Expertinnen sach- und fachgerecht darüber diskutieren können. Ich würde mich freuen, wenn sich dem alle Fraktionen anschließen. Dann brauchen wir nicht mehr hier darüber zu streiten, ob es sinnvoll ist oder nicht,

sondern können das mit den Experten auch detaillierter klären als hier.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Witzel von der FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt bei keiner politischen Maßnahme, die man neu beschließt und ausprobiert, von vornherein eine hundertprozentige Erfolgsgarantie. Das ist jedem selbstredend klar.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Aber wir müssen endlich den Versuch unternehmen, uns mit Maßnahmen, von denen wir glauben, dass sie mehr Erfolge und mehr Perspektive als konzeptionsloses Zuwarten bieten, um Zielgruppen zu kümmern. Wir müssen deshalb auch neue Wege gehen.