Protokoll der Sitzung vom 27.10.2005

Ein Grundgedanke bei der Einführung der LKWMaut war, die Wettbewerbsverzerrung zwischen den deutschen und ausländischen Transportunternehmen aufzulösen. Nach unserer heutigen Erkenntnis ist das allerdings noch nicht gelungen. Insbesondere im grenznahen Raum stellen wir fest, dass es die sogenannten Mautflüchtlinge gibt. Es stellt sich nun die Frage: Ist dieses nur eine subjektive Wahrnehmung, oder haben wir es mit einem tatsächlichen Mehraufkommen von LKW-Verkehr auf Land- und Bundesstraßen zu tun. Um dieses letztendlich beurteilen zu können, brauchen wir allerdings belastbarere Zahlen als die, die wir im Augenblick vorliegen haben. Der

zeit werden diese Zahlen vom Ministerium erarbeitet.

Dabei ist es jedoch müßig, darüber nachzudenken, warum sich die Lage so darstellt, wie sie ist. Es stellt sich auch die Frage: Was ist zu tun? Es gilt, eine umfassende und auf Dauer ausgelegte Lösung zu finden, und dazu benötigen wir abgeschlossene Auswertungen.

Vorweg möchte ich gleich sagen, dass wir eine Sperrung der im Antrag genannten Straßen für den LKW-Durchgangsverkehr nicht für das Mittel der Wahl halten und dem auch nicht zustimmen.

(Beifall von der CDU - Horst Becker [GRÜ- NE]: Schade!)

Die Begründung werde ich Ihnen vortragen und natürlich auch einen Vorschlag unterbreiten.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine eigene Erfahrung als Verkehrsteilnehmerin und meine Recherchen und Nachfragen bei den Kreispolizeibehörden ergeben in der Tendenz eine Bestätigung der im vorliegenden Antrag beschriebenen Situation.

(Horst Becker [GRÜNE]: So ist es!)

Im nördlichen Münsterland beobachtet die Polizei so wie überall im grenznahen Raum eine starke Zunahme von Schwerlastverkehr mit niederländischen Kennzeichen.

Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen: Ich komme selber aus dem Kreis Steinfurt. Dort spielt sich dieser zunehmende Verkehr ganz besonders auf der B 70, der B 54, der B 219 und der B 499 ab. Es ist festzustellen: Die LKWs hängen in regelrechten Schlangen hintereinander und versuchen sich gegenseitig zu überholen. Dabei überschreiten sie vielfach die zulässigen Geschwindigkeiten, die teilweise auf 30 km/h festgelegt sind.

PKW-Fahrer versuchen wiederum, an den LKWs vorbeizukommen und sie mit hohen Geschwindigkeiten zu überholen. Das große Risiko brauche ich Ihnen nicht zu schildern. Man muss feststellen, dass sich unter der Voraussetzung des erhöhten LKW-Aufkommens auch das Verkehrsverhalten von PKW-Fahrern total verändert und auch ein Stück risikoreicher gefahren wird.

Also: Das Ausmaß der Verlagerung von Schwerlastverkehr, das durch die Einführung der LKWMaut auf Bundesautobahnen verursacht wird, ist wohl unterschätzt worden. Die betroffenen Städte und Gemeinden - da sage ich Ihnen nichts Neues - haben inzwischen auf breiter Front Protest

gegen den zunehmenden Ausweichverkehr formuliert. Angesichts des immer drängender werdenden Problems bedarf es einer sofortigen Einleitung konkreter Maßnahmen in einem straffen Zeitplan.

Abzuwägen gilt nun allerdings die auf breiter Front geforderte Einführung einer Mautpflicht auf den betroffenen Bundesstraßen einerseits oder aber, wie auf der Verkehrsministerkonferenz im Oktober bereits diskutiert, eine Lösung über Verkehrszeichen. Das setzt allerdings eine Änderung der Straßenverkehrsordnung voraus.

Meine Damen und Herren, Fakt ist, dass es bei der Einführung einer Mautpflicht auf Bundes- und Landstraßen zu einer Benachteiligung des städtischen Lieferverkehrs, des regionalen Schwerlastverkehrs und insbesondere des regionalen Werkverkehrs kommen würde. Die gleiche Problematik ergibt sich wiederum für den Fall einer Einführung einer streckenbezogenen LKW-Maut auf Bundesstraßen, die schon bisher in gewissem Umfang für regionalen Schwerlastverkehr in Anspruch genommen wurden, auf denen aber zusätzliche Ausweichverkehre des Güterfernverkehrs hinzugekommen sind.

Durch die Einführung einer allgemeinen Mautpflicht könnte es hier zu schweren Standortnachteilen für Regionen kommen, in denen die Bundesstraßen mautpflichtig sind, im Gegensatz zu den Regionen, in denen eine solche Mautpflicht auf Bundesstraßen nicht existiert. Aus diesem Grund ist es erforderlich, die gesetzlichen und technischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass regionale Schwerlastverkehre, insbesondere Werksverkehre, von einer solchen Mautpflicht ausgenommen werden.

Ziel muss es sein, dass die Mautpflicht zielgenau nur ausweichende Fernverkehre trifft. Auch muss es unser gemeinsames Ziel sein, den sogenannten Maut-Ausweichverkehr nicht einer gewissen Willkür zu überlassen. Das heißt, wir benötigen eine Regelung, die möglichst allen Interessen gerecht wird. Grundsätzlich - das wissen Sie - sieht das Autobahnmautgesetz die Möglichkeit vor, dass die Mautpflicht auch auf bestimmte Bundesstraßenabschnitte ausgedehnt werden kann. Voraussetzung ist eine Rechtfertigung aus Sicherheitsgründen.

In jedem Einzelfall setzt das dann die Erhebung und Auswertung verschiedener Informationen voraus. Dazu gehören unter anderem die Unfallentwicklung, die Straßenführung, der Ausbauzustand der Straße, die Betroffenheit der Anwohner und der regionalen Wirtschaft. Allein die zahlen

mäßige Zunahme des Schwerlastverkehrs ist nicht ausreichend. Außerdem würde es sich dabei um ein sehr aufwendiges und langwieriges Verfahren handeln. Gerade deshalb und vor allem vor dem Hintergrund, dass zum Schutz der betroffenen Anwohner zügig etwas unternommen werden muss, sind straßenverkehrsrechtliche Regelungen zu überdenken.

Die Straßenverkehrsordnung bietet bereits in der jetzt vorliegenden Fassung die Möglichkeit, einzelne Straßenabschnitte im Einzelfall für schwere Nutzfahrzeuge zu sperren. Voraussetzung ist jedoch, dass die in der Straßenverkehrsordnung genannten Gründe auch vorliegen. Dafür ist jeder Einzelfall gesondert zu untersuchen. Unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Mittel sind dabei alle Interessen abzuwägen.

Dazu gehören natürlich auf der einen Seite die berechtigten Belange der Bürger, auf der anderen Seite aber auch Interessen des Schwerlastverkehrs. Allein die Zunahme der schweren Nutzfahrzeuge durch den Mautausweichverkehr rechtfertigt keine Maßnahme. In einem langwierigen Verfahren muss zuvor festgestellt werden, ob eine Gefahr für die Verkehrssicherheit oder eine Beeinträchtigung der Verkehrsordnung besteht und ob zusätzlich eine unzumutbare Lärm- und Abgasbeeinträchtigung für die Anwohner entstanden ist.

Wie im Fall der Ausweitung der Mautgebührenpflicht über die Autobahnen hinaus handelt es sich hier um ein langwieriges und aufwendiges Verfahren, das wahrscheinlich noch viel zusätzliche Bürokratie nach sich ziehen würde. Falls dieser Nachweis dann erbracht würde, würde die Sperrung nach der jetzigen Fassung der Straßenverkehrsordnung auch den regionalen Schwerverkehr erfassen. Das jedoch ist nicht unser Ziel.

Wir wollen - ich denke, da besteht auch Konsens - nur den Mautausweichverkehr wieder auf die Autobahn zurückverlagern. Deshalb werden wir den Referentenentwurf der Verkehrsministerkonferenz unterstützen, der eine Änderung der Straßenverkehrsordnung, also eine erleichterte Sperrung von durch Mautausweichverkehr besonders belasteten Strecken, vorsieht.

Danach wird den Straßenverkehrsbehörden ermöglicht, den LKW-Mautausweichverkehr durch Verkehrszeichen zu unterbinden. Somit wird der Schwerlastverkehr, der versucht auszuweichen, wieder auf die Autobahn zurückgeführt.

Meine Damen und Herren, abschließend muss ich feststellen: Die Problematik ist viel umfangreicher, als man es eigentlich vermuten könnte. Deshalb werden wir uns im Fachausschuss, der schon in

der nächsten Woche tagt, nochmals mit den Argumenten auseinander setzen.

Wir stimmen der Überweisung an den Fachausschuss zu. - Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brüning. - Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Kollege Wißen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bekanntermaßen sind von der LKWMaut die Fahrzeuge betroffen, die über zwölf Tonnen schwer sind und die die Autobahn nutzen. Dass sich diese der Maut entziehen, indem sie auf Bundes- und Landstraßen ausweichen, ist eine nicht erwünschte Nebenwirkung. Gleichwohl müssen wir diese Tatsache leider feststellen.

Nachdem der Start der Mauterhebung am 1. Januar 2005 erfolgreich verlaufen ist, ist es nunmehr erforderlich, eine Feinsteuerung dieses verkehrspolitischen Instruments durchzuführen. Nach einem Dreivierteljahr Erfahrung mit der Mauterhebung liegen uns hierfür nun ausreichende Erkenntnisse vor. Bereits mit der Mauteinführung sind auch schon die Möglichkeiten ihrer Feinsteuerung diskutiert worden.

Erstens besteht die Möglichkeit, die Mautpflicht auf Bundesstraßen auszudehnen.

Zweitens besteht die Möglichkeit - das ist verkehrspolitisch besonders interessant -, die Höhe der Maut nach bestimmten Streckenabschnitten und nach der Benutzungszeit zu differenzieren.

Hiermit ist eine differenzierte finanzielle Belastung zur Steuerung von Schwerverkehrsströmen gemeint. Erst durch dieses Instrument bekommt die LKW-Maut neben dem Finanzaspekt einen Verkehrslenkungsaspekt. Das heißt, ein- und derselbe Streckenabschnitt wird zu verschiedenen Tageszeiten differenziert bemautet, sodass zum Beispiel in sogenannten Rushhour-Zeiten LKWFahrten auf hoch belasteten Streckenabschnitten betriebswirtschaftlich unattraktiv werden, zu Nachtzeiten hingegen sehr günstig sein können.

Weitere Handlungsmöglichkeiten zur Feinsteuerung sind unter anderem Geschwindigkeitsbegrenzungen für LKW-Verkehre, Nachtfahrverbote und die Umleitung des Schwerlastverkehrs auf geeignete Ausweichstrecken.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie sehen, existiert bereits ein Blumenstrauß von Maßnah

men, der Verlagerung des Schwerlastverkehrs von der Autobahn in das nachgelagerte Straßennetz entgegenzuwirken. Diese Maßnahmen gilt es nun sensibel und zielorientiert anzuwenden. Dies gilt vor allen Dingen in den Bereichen, bei denen die Erhöhung des LKW-Verkehrs zu einer außergewöhnlichen Gefahrenlage oder aber für die örtlich betroffene Bevölkerung zu einer unerträglichen Mehrbelastung durch Lärm und Abgase führt.

Mit Feinsteuerung meine ich aber nicht die Holzhammermethode, wie sie dem vorliegenden Grünen-Antrag ausschließlich zu entnehmen ist. Dieser Antrag ist ein wiederholtes Beispiel für die grüne Radikalität in der Verkehrspolitik, indem er ausschließlich auf Straßensperrungen zur Vermeidung von Mautausweichverkehren setzt. Dabei ist fraglich, ob Straßensperrungen für den Schwerlastverkehr tatsächlich Mautausweichverkehre verhindern oder ob sie nicht vielleicht zu einer weiteren Umfahrung Anreiz bieten. Straßensperrungen betreffen außerdem nicht nur die Transitverkehre, sondern auch Ziel- und Quellverkehre in der jeweiligen Region.

Ist dies der Fall, dann ist dieses Instrument fehl am Platz; denn man schießt mit Kanonen auf Spatzen. Daher ist viel differenzierter zu analysieren, an welcher Stelle eine Straßensperrung für den Schwerlastverkehr tatsächlich geboten ist - und insbesondere, wie diese vor Ort wirkt. Prozentuale Vorher-nachher-Zählergebnisse reichen hierzu nach unserer Meinung nicht aus. Erst die absoluten Werte sagen etwas über die tatsächliche Verkehrsbelastung vor Ort; denn eine Steigerung um 50 % kann zwei, 15 oder auch 100 zusätzliche LKWs bedeuten. Dort gibt es eine Riesenspanne.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind der Auffassung, dass die Feinjustierung mit den eben genannten Instrumenten dazu führen muss, dass bei einer Mauterhebung die wirtschaftlichen Vorteile der Autobahnnutzung überwiegen. Dabei wissen wir aus der Verkehrslogistik, dass in vielen Fällen Zeitverluste durch den Transport auf dem nachgelagerten Straßennetz von den betroffenen Unternehmen eher in Kauf genommen werden als erhöhte Transportkosten. Dies liegt daran, dass viele Unternehmen ihre örtliche Lagerhaltung auf ein Minimum reduziert haben und diese nun im öffentlichen Straßennetz stattfindet. Auch der hohe Anteil von LKW-Leerfahrten zeugt von der zum Teil nachrangigen wirtschaftlichen Bedeutung der LKW-Maut.

Sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Antrag greift ein wichtiges verkehrspolitisches

Thema auf. Diesem Thema müssen wir uns auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene mit dem Ziel annehmen, einzelfallbezogene Maßnahmen zu ergreifen.

Die alleinige Forderung der Grünen nach Straßensperrungen zeugt jedoch von mangelndem wirtschaftlichem und verkehrspolitischem Sachverstand.

(Oliver Keymis [GRÜNE]: Na, na, na!)

Da wir Sozialdemokraten aber seit Jahren daran arbeiten, das Feindbild Verkehr bei den Kolleginnen und Kollegen der Grünen zu korrigieren, werden wir dies auch im vorliegenden Fall tun und stimmen selbstverständlich der Überweisung des Antrags in den Fachausschuss zu. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Wißen. - Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Kollege Rasche das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wißen, das war eine inhaltlich begeisternde Rede.

(Zuruf von der SPD: Dann müssen Sie auch klatschen!)

Sie haben erneut die Verkehrspolitik der Grünen kritisiert. Und Sie in der SPD müssen es ja wissen; denn Sie mussten sich zehn Jahre mit Ihrem Koalitionspartner herumschlagen, vor allem in verkehrspolitischen Fragen.

Ich glaube, wir sind da einer Meinung und gehen in eine Richtung, die zielorientiert ist; denn wir wollen die Probleme lösen. Die Einführung der LKW-Maut hat natürlich zu erheblichen Ausweichverkehren geführt - auf Bundes- und auf Landesstraßen. Zweifellos hat dies dazu geführt, dass die Bürgerinnen und Bürger, die an diesen Straßen wohnen, erheblich mehr belastet sind. Das ist auch in meiner Heimatstadt Erwitte an der B 1 der Fall. Das ist völlig unbestritten, Herr Keymis.