Protokoll der Sitzung vom 18.12.2008

Ich bitte Frau Ministerin Müller-Piepenkötter um Beantwortung. Bitte schön, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Frage des Abgeordneten Jäger kann ich kurz mit Nein beantworten.

Bezug genommen wird auf einen Vermerk, demzufolge Staatsanwältin Lichtinghagen möglicherweise auf Vorschlag hochrangiger Politiker Geld habe auszahlen lassen. Dieser Vermerk ist mir im Rahmen der Berichterstattung durch den Leitenden Oberstaatsanwalt in Bochum am 15. Dezember 2008 vorgelegt worden. Es handelt sich hierbei um eine der Handakte der Staatsanwaltschaft Bochum entnommene maschinenschriftliche Aufstellung des Vorschlags an das entscheidende Gericht, wie ein Gesamtbetrag einer Bewährungsauflage in Höhe von 7,5 Millionen € aufzuteilen sei. Insgesamt sollten demnach unterschiedlich hohe Beträge an 20 verschiedene Institutionen gehen.

Dieser Vermerk trägt neben den einzelnen Institutionen handschriftlich ergänzt Namen. Zu diesen gehören auch Mitglieder der Landesregierung.

Der Ministerpräsident wird an einer Stelle durch die Wörter „MP Rüttgers“ neben dem Vorschlag erwähnt, 1 Million € dem Bundesverband Deutsche Tafel e. V., Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, mit Sitz in Aachen zuzuweisen.

Der Name von Minister Prof. Pinkwart steht neben folgenden vorgeschlagenen Zuweisungen:

200.000 € an die Rechtswissenschaftliche Fakultät, Projekt „Entstehung der Strafprozessordnung und der Strafgerichtsverfassung“,

750.000 € an das Institut für Corporate Governance, Leadership, Ethik und Kultur der Universität Witten-Herdecke,

900.000 € an das Projekt „Exzellente Lehre“ der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.

Neben letztgenanntem Vorschlag steht unter dem Namen von Prof. Pinkwart auch der Name Laumann.

Außerdem sind sechs weitere Personen bei anderen Beträgen genannt, darunter die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen und Bundesministerin Ulla Schmidt.

Zu Ihrer Frage der Einflussnahme: Ministerpräsident Rüttgers und Minister Laumann haben mit Staatsanwältin Lichtinghagen nie gesprochen. Sie kennen sie nicht und haben auch keinen Einfluss auf die Vergabe von Geldzuweisungen genommen. Das hat Frau Staatsanwältin Lichtinghagen am Dienstag in einem Gespräch gegenüber Mitarbeitern meines Hauses bestätigt.

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Technologie hat zu dieser Frage gegenüber der Presse Folgendes erklärt: Frau Lichtinghagen war im Juni zu einem Gespräch bei Staatssekretär

Dr. Stückradt im Innovationsministerium. Dabei ging es um Vorschläge für die Verwendung von Bußgeldern aus Verfahren der Staatsanwaltschaft für gemeinnützige Einrichtungen aus dem Bereich von Wissenschaft und Forschung. An dem Gespräch hat kurzzeitig auch Minister Pinkwart teilgenommen.

Das Ministerium hat Frau Lichtinghagen eine Reihe von gemeinnützigen Einrichtungen wie beispielsweise den Studienfonds OWL oder die Stiftung „Qualität in Studium und Lehre“ an der FH Münster benannt, die im Rahmen der unabhängigen Entscheidung der Justiz aus Sicht des Ministeriums bei der Verwendung von Bußgeldern in Betracht kommen könnten. Frau Lichtinghagen hat ihrerseits die Private Universität Witten/Herdecke gGmbH angesprochen. Sie verband dies mit dem Hinweis, dass ihre Tochter dort studiere und sie eine Entscheidung zugunsten der Universität mit Vorgesetzen abstimmen wolle.

Das ist zu dieser Frage zu sagen.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen verschiedene Zusatzfragen vor. Die erste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordnete Sichau von der SPD-Fraktion.

Frau Justizministerin, in Teilen der Öffentlichkeit herrscht der Eindruck vor, bei dem Wechsel von Frau Staatsanwältin Lichtinghagen handele es sich um eine politisch motivierte Entscheidung, die auch politisch in der Landesregierung gefällt worden sein kann. Es wird davon gesprochen, der Ministerpräsident habe ganz persönlich Ihnen, Frau Justizministerin, „den Gehörgang erweitert“,

(Zuruf von der FDP: Frage!)

wohl um Ihre politische Wahrnehmungsfähigkeit zu erhöhen.

(Zurufe von der FDP: Frage!)

Jetzt kommt die Frage; man muss erst einmal den Hintergrund darstellen.

Wie ist die Entscheidung aus Ihrer Sicht zustande gekommen?

(Zurufe)

Welche Kontakte hat es während des Entscheidungsprozesses zwischen dem Justizministerium und der Staatskanzlei gegeben oder sogar zwischen Ihnen und dem Ministerpräsidenten persönlich?

Liebe Kollegen, ich muss noch einmal auf die Richtlinien für die Fragestunde aufmerksam machen. In der Anlage 1 zur Geschäftsordnung ist unter Punkt 8 Folgendes festgelegt – und ich bitte alle, die jetzt Zusatzfragen

stellen, sich an die Richtlinien zu halten, die Sie sich selbst zu Beginn dieser Wahlperiode gegeben haben –:

Diese müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hauptfrage stehen

(Zurufe von CDU und FDP: Aha!)

und dürfen jeweils nur eine einzelne, nicht unterteilte Frage enthalten.

(Beifall von der CDU)

Ich bitte alle, sich daran zu halten; denn Sie haben sich diese Richtlinien selber gegeben, nicht der Präsident oder das Präsidium.

Frau Ministerin, ich bitte Sie um Beantwortung.

Herr Präsident! Dieser Eindruck, so er denn in der Öffentlichkeit vorherrschen sollte, was ich im Übrigen bezweifle, ist falsch. Es hat keine politisch motivierte Entscheidung gegeben. Der Ministerpräsident hat sich nicht eingeschaltet.

Was das Zitat angeht, spricht es schon für sich. Dieser Sprachgebrauch mag in der hessischen SPD üblich sein,

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Was soll das denn?)

in der Staatskanzlei des Landes NordrheinWestfalen ganz gewiss nicht.

(Beifall von CDU und FDP)

Zum Ablauf, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist: Wir haben uns seit voriger Woche mit dieser Frage befasst. Wir haben im Hause unter meiner Leitung den Sachverhalt, soweit das in der Kürze der Zeit möglich war, jeweils aufgeklärt, und zwar zunächst am Donnerstag und Freitag.

Ich habe nach Beratung durch meine Mitarbeiter, das heißt durch Herrn Staatssekretär Söffing und die zuständigen Abteilungsleiter, am Freitag eine vorläufige Maßnahme angekündigt, wie es nach dem Stand von Freitag möglich war.

Ich habe gleichzeitig – um auch da vorzubeugen, was Nachlegen angeht – mündlich den Leitenden Oberstaatsanwalt und den Generalstaatsanwalt aufgefordert, mir bis Dienstagmorgen, 10 Uhr, einen schriftlichen Bericht vorzulegen. Dieser Bericht ging am Montagabend ein.

Der Dienstag wurde genutzt, um das Ergebnis des Berichts einerseits mit dem Generalstaatsanwalt und dem Leitenden Oberstaatsanwalt und andererseits mit Frau Staatsanwältin Lichtinghagen zu erörtern, die von einem Rechtsanwalt begleitet wurde. Die Gespräche wurden von meinem Staatssekretär und der zuständigen Abteilungsleiterin geführt. Ich

wurde fortlaufend über den Gang der Gespräche informiert.

Am Dienstagnachmittag in der Kabinettssitzung habe ich über den zu der Zeit bestehenden Stand berichtet, wie sich das aus meiner Sicht gehört. Dieser Bericht ist in der Kabinettssitzung entgegengenommen worden. Es hat keinerlei Einfluss darauf, wie die Gespräche weiterzuführen sind oder welche Entscheidung zu treffen ist, gegeben.

Ich bin dann zurückgekehrt ins Justizministerium. Wir haben den weiteren Gang der Gespräche erörtert. Am späten Nachmittag hat Frau Staatsanwältin Lichtinghagen von sich aus – für uns sogar etwas überraschend – den Vorschlag gemacht, ganz aus der Staatsanwaltschaft auszuscheiden und zu einem Amtsgericht überzutreten.

Wir haben das für eine sinnvolle Maßnahme gehalten. Ich habe entschieden, dass das so gehandhabt wird, wie es dann in der Pressemitteilung vom selben Abend bekannt gegeben worden ist.

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Der Abgeordnete Link hat eine Frage.

Herr Präsident! Frau Ministerin! In der Presse war zu lesen, dass angeblich eine Strafanzeige wegen Begünstigung der Privatuniversität Witten/Herdecke gegen Frau Staatsanwältin Lichtinghagen im Justizministerium eingegangen ist. Meine Frage lautet: Trifft dieser Pressebericht zu?

Frau Ministerin.

Nein.

Frau Kollegin Düker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine Frage.