Protokoll der Sitzung vom 18.12.2008

Sicht der Lehrkräfte. Weitere Praxisphasen im Studium bilden ein mindestens einmonatiges Orientierungspraktikum und ein ebenfalls mindestens einmonatiges außerschulisches oder schulisches Berufsfeldpraktikum im Bachelor-Studium.

Diese umfassende Praxisnähe sichert unseren zukünftigen Pädagogen einen frühzeitigen Einblick in die Schulpraxis und kann als Nebenwirkung tatsächlich den einen oder anderen rechtzeitig genug vor einer eventuell ungeeigneten Berufswahl und Fehlentscheidung abhalten. Auch das finde ich ganz wichtig. Die Studenten merken nämlich rechtzeitig, ob sie für den Lehrerberuf geeignet sind oder nicht. Wir wollen die besten Lehrer für unsere Kinder – nur die besten sind gut genug.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir bewusst die Praxisphasen sehr früh in den Studienverlauf integrieren, planen wir mittelfristig einen Vorbereitungsdienst, der sich auf zwölf Monate reduziert. Die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes wird schrittweise erfolgen und evaluiert werden, sodass die qualitativen Ergebnisse auch gesichert sind. Wir brauchen fachlich und didaktisch versierte Lehrkräfte. Daher stärken wir die fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Grundlagen der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie die Bildungswissenschaften. Nur Lehrkräfte, die in diesen Bereichen über hohe Kompetenzen verfügen, können auch einen anspruchsvollen, individualisierten und differenzierten Unterricht erteilen.

Dies ist uns mit Blick auf die Förderung aller Begabungen sehr wichtig. Zum Beispiel zeigt uns gerade der Bereich der Mathematik gegenwärtig, dass es dort einer ordentlichen Aufwertung der Didaktik bedarf.

Auch wenn die Stärkung der Praxiselemente in der zukünftigen Lehrerausbildung eine herausragende Rolle spielen wird, werten wir die Ausbildung auch an den Universitäten auf. Diese erhalten eigene Zentren für Lehrerbildung, die im Rahmen der Hochschulfreiheit die unterschiedlichen Kompetenzen bündeln und koordinieren. Zudem übernehmen sie Steuerungsaufgaben und werden über ein eigenes Budget verfügen. So geben wir der Lehrerausbildung auch im Rahmen der universitären Ausbildung den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Stellenwert, den sie verdient.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Mit der heutigen ersten Lesung des Gesetzes zur Reform der Lehrerausbildung schlagen wir ein neues Kapitel in der Bildungspolitik in NordrheinWestfalen auf. Es ist ein großer Tag für künftige Lehrkräfte, für die Lehramtsstudenten, für die Schulen und Universitäten. Vor allem aber ist es ein großer Tag für unsere Kinder und Jugendlichen. Sie erhalten künftig die Lehrkräfte mit der qualitativ besten Lehrerausbildung, die möglich ist. Gute Schule kann nur mit guten Lehrern gewinnen.

Die Ahnung, dass dies eine richtig gute Reform wird, erleben wir auch in den Medien, in der Presse, indem uns bereits zu diesem Zeitpunkt aus allen Bundesländern und auch darüber hinaus für diese Reform, die jetzt auf den Weg gebracht wird, gratuliert wird. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. – Für die Fraktion der Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Ich weiß nicht, welche Vorlage Herr Dr. Hachen und Frau Pieper-von Heiden gehabt haben. Es muss irgendein anderes Papier gewesen sein. Denn angesichts der differenzierten Stellungnahmen, die uns jetzt bereits aus dem Bereich der Hochschulen, aus dem Bereich der Schulen vorliegen, zeigt sich doch, dass wir eine große Problemlage haben. Das will ich noch einmal sehr deutlich beschreiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dass Sie das Lehrerausbildungsgesetz jetzt mit Ihren Reformvorhaben Schulgesetz und Hochschulfreiheitsgesetz vergleichen, ist eher eine Drohung an alle Beteiligten, als dass es ein neues Heilsversprechen sein sollte.

Allein ein Blick auf den quälenden Prozess bis heute macht deutlich, dass hier Dinge zusammengebracht worden sind, die so nicht zusammenpassen. Die Anforderungen aus dem Schulministerium, die Anforderung, die Schulen auch bedarfsdeckend mit den entsprechenden Fachlehrkräften auszustatten, und auf der anderen Seite das Hochschulfreiheitsgesetz und die Philosophie im Hause Pinkwart: Das geht nicht zusammen. Das hat auf der Strecke ordentlich gekracht. Jetzt ist der Gesetzentwurf auch noch entsprechend unausgegoren und zeigt die großen Probleme, die darin stecken. Die werden sich auf allen Ebenen auch sehr deutlich zeigen.

Deshalb ist dieser Gesetzentwurf ja auch erst auf dem letzten Drücker fertig geworden. Er steckt in der Tat voller Tücken und beschert Schulen und Hochschulen eine Menge Probleme, für die noch keine Lösungen in Sicht sind. Der Vorlauf dieses Gesetzentwurfs und die Erfahrungen, die wir mit den bisherigen Reformprojekten der Landesregierung haben machen dürfen, gerade mit dem Schulgesetz – ich erinnere an die Schulzeitverkürzung und unsere gestrige Debatte –, lässt nichts Gutes für die Umsetzung, vor allem keine positive und friktionsfreie Umsetzung, erwarten.

Lassen Sie mich zunächst sagen, wo Sie auf unsere Unterstützung setzen können. Wir begrüßen, dass Sie der Anregung aus dem Gutachten der Expertenkommission gefolgt sind und eine Gleich

wertigkeit der Studiengänge aufgenommen haben und dies durch ein gleich langes Studium untermauern.

Wir begrüßen auch ausdrücklich und unterstützen das Vorhaben, die universitäre Ausbildung durch die Zentren für Lehrerbildung zu stärken, ihnen eine zentrale Funktion zu geben. Die Umsetzung zur Erhöhung der Durchsetzungskraft in den Universitäten ist jedoch einer der uneingelösten Schecks, die in dem Gesetzesvorhaben stecken.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Kommen wir zur Praxis. Auch hier verbergen sich unter den wohlfeilen Überschriften, die wir heute wieder gehört haben, eine Menge mehr Probleme als Lösungen. Hierzu möchte ich einmal das Statement der Universität Bielefeld zitieren:

Die Bewertung der proklamierten größeren Praxisnähe der Lehrerausbildung führt bei genauerem Hinsehen zu einer deutlichen Ernüchterung. Die Lehrerbildung wird durch die Kürzung der Praxisanteile auf ca. 18 Monate... und durch geänderte Zuständigkeiten nicht praxisorientierter, im Gegenteil: Das Assistenzpraktikum findet ohne Bezug zum Studium statt, das Orientierungspraktikum ist im ersten Studienjahr zu absolvieren und das achte oder neunte Hochschulsemester wird zum Praxissemester. In der Zeit vom zweiten Bachelor-Semester bis zum Bachelor-Abschluss und zu Beginn des Masterstudiums sind schulbezogene Praxisstudien nicht vorgesehen; falls sie angeboten werden, kann das nur zusätzlich geschehen. Sie werden dann jedoch in vielen Fällen dem Assistenzpraktikum zum Opfer fallen, weil die Schulen dadurch übermäßig belastet sind. Fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Lehre wird so... über sechs Semester hinweg von der schulischen Praxis abgekoppelt.

Gefährdet sind damit ausgerechnet die ambitionierten, auf forschendes Lernen ausgerichteten Praxiselemente derzeitiger Lehrerbildung,...

Das wird aus den Hochschulen dazu gesagt. Ich kann das nur nachdrücklich unterschreiben. Das ist die entsprechende Problemlage.

Schon sind wir bei einem weiteren großen Problem, nämlich der Zukunft der zweiten Phase. Das Baumert-Gutachten formuliert eindeutig, „dass nicht in der wechselseitigen Übernahme von Ausbildungsverantwortung, sondern nur im geordneten Nacheinander der beiden Phasen bei gleichzeitiger Optimierung ihrer jeweiligen Stärken und systematischer Abstimmung an den Schnittstellen die bestmögliche Ausbildung zu erreichen ist“. Es ist ein Fehler, dass Sie sich von dieser Empfehlung verabschiedet haben.

Wer genau nachrechnet, weiß sofort, was dahintersteckt: Sie sparen beim Vorbereitungsdienst und

in den Seminaren gut 200 Millionen € ein. Dies geht eben nicht in die neuen Töpfe, sondern unter dem Strich sind es für die Praxisanteile und die zweite Phase knapp 100 Millionen € weniger. So bringt man keine Qualität in die Lehrerausbildung. Der versprochene Praxisbezug wird dadurch auch nicht besser.

Dass Sie den ideologischen Ballast aus dem Schulgesetz auch noch mit in die Lehrerausbildung schleppen, war von allen, denen an einer zukunftsfähigen Ausbildung liegt, befürchtet worden. In Bezug auf den Master ist bereits gesagt worden, wie anachronistisch es ist, den Schwerpunkt Hauptschule/Realschule in einem Master unterzubringen. Da fassen sich alle Experten nur noch an den Kopf.

Das Grundschullehramt abzukoppeln, ist ebenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss, weil das auch von der Übergangsproblematik in die Sekundarstufe I abkoppelt und die Gefahr in sich trägt, dass das Grundschullehramt ganz aus den Universitäten gedrängt wird. Das sollten wir nicht auch noch anschieben.

In der kurzen Zeit heute kann nur ein Bruchteil der Probleme angesprochen werden. Wir werden das in den anstehenden Anhörungen noch sehr intensiv erörtern. An diesem Gesetzentwurf muss jedenfalls noch fundamental gearbeitet werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dr. Pinkwart.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Sommer hat Ihnen bereits die wichtigsten Eckpunkte des Gesetzentwurfs vorgestellt. Lassen Sie mich noch auf einige zentrale Punkte eingehen.

Erstens. Mit dieser Reform erreichen wir eine umfassende Modernisierung der Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen, denn Nordrhein-Westfalen nutzt die bislang vielleicht einmalige Chance auf einen frischen Start in der Lehrerausbildung, die sich mit der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master ergibt. Wir wollen mit dieser Reform eine deutlich praxisnähere, professionellere und profiliertere Lehrerausbildung erreichen.

Zweitens. Die Ausbildung wird in NordrheinWestfalen flexibler. Wenn dieses Gesetz Wirklichkeit wird, können die Studierenden noch nach dem Bachelor-Studium zwischen verschiedenen Berufsoptionen wählen und auch noch einen anderen Berufsweg als den des Lehrers einschlagen. Umgekehrt können Studierende auch noch während des Studiums ihr Talent für den Lehrerberuf entdecken,

und das vielleicht in den Bereichen, in denen wir immer noch über erheblichen Fachlehrermangel klagen.

Drittens. Wir schaffen durch die Reform klare Verantwortlichkeiten. Die Hochschulen sind zuständig für die Ausbildung der angehenden Lehrer bis zum Master-Abschluss, die Zentren für die schulpraktische Lehrerausbildung dann für das Referendariat. Innerhalb der Universitäten wird die Lehrerausbildung gestärkt. Die organisatorisch eigenständigen Zentren für Lehrerbildung an den Universitäten werden durch Entscheidungs- und Ressourcenkompetenz in ihrer Arbeit gestärkt. Sie sorgen außerdem für den notwendigen Austausch zwischen den Beteiligten der ersten und zweiten Ausbildungsphase. Das heißt in der Konsequenz: Fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Inhalte werden vermehrt Teil des Studiums.

(Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP])

Die Zentren für Lehrerbildung sichern die wissenschaftlichen Grundlagen der Lehrerausbildung. Auch die neuen Praxisphasen können ihre gewünschte Funktion in der Lehrerausbildung nur dann erfüllen, wenn sie gut organisiert sind. Hierfür gibt es keine bessere Alternative als die Koordination durch eine zentrale Einrichtung, die nur für die Lehrerausbildung innerhalb der Hochschulen zuständig ist.

Viertens. Durch die geplante Reform schaffen wir gleichwertige Studiengänge für die einzelnen Schulformen. Der Gesetzentwurf trägt der gestiegenen Bedeutung des frühen Lernens Rechnung. Ein eigenständiges Grundschullehramt wird eingeführt. Die Gleichwertigkeit der Lehrämter wird durch eine gleich lange Ausbildungsdauer von sechs Jahren betont. Studienelemente für Diagnostik und individuelle Förderung werden für alle Lehrämter ebenso verpflichtend wie ein Modul „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“.

Fünftens. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land Nordrhein-Westfalen wird für die Realisierung der Gleichwertigkeit neue – Frau Beer, neue –, zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellen, und zwar in der Nettobetrachtung. Entgegen Ihrer Mondzahlen, die Sie eben vorgetragen haben und von denen ich möchte, dass Sie uns diese in einer schriftlichen Darlegung erläutern, damit Sie es leichter haben, zu überprüfen, dass sie auf falschen Annahmen aufgebaut worden sind,

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

ist wahr, dass das Land Nordrhein-Westfalen netto zusätzliche Mittel für die Lehrerausbildung bereitstellen wird. Diese werden in den ersten vier Jahren sukzessive auf insgesamt 23,4 Millionen € anwachsen. Ab 2014 werden es konstant 45,9 Millionen € pro Jahr mehr für eine qualitativ hochwertige Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen sein. Das sind

die Fakten, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegen.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Das alles zusammen führt dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren: Nach hervorragender fachlicher Vorarbeit auch durch die BaumertKommission, der ich seitens der Landesregierung sehr herzlich danken möchte, und dank der hervorragenden Zusammenarbeit, für die ich vor allen Dingen meiner Kollegin Frau Sommer danken möchte, kommt die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ mit Herrn Wiarda zu folgendem Ergebnis. Ich zitiere aus der „Zeit“ vom 4. Dezember:

Der Plan: mehr Praxisanteile, gleichwertige Studiengänge, ein neu gestaltetes und gekürztes Referendariat. Und ein besonderer Akzent auf der Pädagogik. So hat es das Kabinett im größten deutschen Bundesland beschlossen. Schaut auf NRW!, will man den Kultusministern der anderen Länder zurufen. Hoffentlich tun sie es. Dann könnte er doch noch um sich greifen, der überfällige Neuanfang in der Lehrerausbildung.

(Beifall von der CDU)

Besser kann man es gar nicht formulieren. Das wollen wir hier machen. Ich lade alle Damen und Herren im Hohen Hause ein, sich konstruktiv an diesem Gesetzentwurf zu beteiligen, damit wir auf diesem guten Weg für die Lehrerinnen und Lehrer, aber vor allen Dingen für die Schülerinnen und Schüler in unserem Land weiter vorankommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Dr. Boos das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lehrerausbildung hat Erneuerungsbedarf. Dies bezweifelt niemand. Darüber nachgedacht und erprobt wird nicht erst seit dem Regierungswechsel 2005. Das, was wir aber seitdem in den letzten Monaten und Jahren zum Thema erlebt haben, ähnelt mehr und mehr einer unendlichen Geschichte.