Protokoll der Sitzung vom 18.12.2008

In einigen Arbeitspapieren auf Basis eines Tarifes des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA etwa ist vereinbart, dass der Arbeiter von nahezu jedem Vorgesetzten gefeuert werden kann: vom Leiter am Einsatzort ebenso wie vom Disponenten der Zeitarbeitsfirma.

Weiter heißt es:

Wenn der Arbeiter entlassen wird, hat die Firma das Recht, einen Wochenlohn als Schadenersatz einzubehalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist heuern und feuern auf niedrigstem Niveau,

(Beifall von der SPD)

abgesichert durch Tarifverträge, abgeschlossen von christlichen Gewerkschaften.

Wie Sie mit denen umgehen, Herr Laumann, ist mir nach wie vor nicht klar. Geht es um die Ablehnung des Mindestlohns für die Zeitarbeitsbranche, beziehen Sie sich auf deren Tarifverträge, insbesondere aber Ihre Kollegen in Berlin.

Wird allerdings die Studie des Ministers vorgelegt, werden eben diese Tarifverträge der christlichen Gewerkschaften sogar von Ihnen, Herr Minister, kritisiert, weil deren Abschlüsse nach Ihrer Ansicht deutlich zu wenig Lohn sichern.

Das ist richtig, Herr Minister. Das ist schon seit Langem unser Reden. Weil eben solche sogenannten Tarifvertragspartner keine anständigen Löhne aushandeln, von denen die Menschen leben können, muss der Mindestlohn her. Bei dieser Forderung bleiben wir.

Denn wie sieht denn Ihre Rechnung zur Grundsicherung, die Sie uns immer vorhalten, aus, wenn tatsächlich die von Ihnen in den Medien bei der Vorstellung der Studie zitierten 5 € gezahlt werden? Da müssen Sie einmal nachrechnen und das Ergebnis den Menschen mitteilen, denen Sie den Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche vorenthalten.

Wenn Sie in der Diskussion über die Aufnahme ins Entsendegesetz immer auf den hohen Tarifgrad verweisen, dann empfehle ich Ihnen, die Stellungnahme des IAB zur Anhörung in der vorletzten Woche genau zu lesen, die sehr deutlich darstellt, warum die Tarifgebundenheit in der Zeitarbeitsbranche mit unterschiedlichen Tarifverträgen so hoch ist. Ich zitiere:

Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Verleihbetriebe nur so die „Equal-Treatement“-Bestimmung umgehen können, die vorsieht, dass Leiharbeiter vom ersten Tag des Verleihs an Anspruch auf den gleichen Lohn und die gleichen Arbeitsbedingungen haben wie ein vergleichbarer Mitarbeiter im Entleihbetrieb. Im Falle der Zeitarbeit ist es also die Tarifbindung des Verleihbetriebes, die es ermöglicht, dass diese ein geringeres Entgelt, geringere Sozialleistungen etc. garantieren können, als dies bei den Entleihbetrieben der Fall ist.

Also kein soziales Gewissen gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, dass man mit Tarifverträgen arbeitet, vielmehr das Umgehen einer sozialen, gerechten Entlohnung nach dem Prinzip: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Es liegt an der Politik, Missstände in der Zeitarbeitsbranche zu verhindern bzw. für die Zukunft nicht zuzulassen. Leiharbeit ist nicht unanständig, aber es gibt unanständige Leiharbeit. Wir brauchen einen rechtlichen Rahmen, damit die tariflichen und arbeitsrechtlichen Standards der Entleihunternehmen übernommen werden. Daher muss die Zeitarbeitsbranche, wie Sie es gefordert haben, Herr Laumann, Aufnahme ins Entsendegesetz finden.

An dieser Stelle ein deutlicher Hinweis: Lassen Sie Ihren hörbaren Gefühlen freien Lauf. Das ist auch Ausübung von Macht für die Menschen in unserem Land. Dann können Sie einmal Macht mit Gefühlen in Einklang bringen.

Es muss der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gelten, davon haben Sie sich aber bereits verabschiedet. Sie kritisieren bei den Argen im Land, dass dort unterschiedliche Löhne für Beschäftigte der Stadt, der Agentur und Dritter gezahlt werden, obwohl sie die gleiche Arbeit machen. Zu

Recht, Herr Minister. Bei der Leiharbeit aber ducken Sie sich weg und finden unterschiedliche Löhne okay. Wo ist Ihr Kompass, wenn es um Gerechtigkeit geht?

Wir Sozialdemokraten haben eine klare Richtung für die Menschen und gegen Ausbeutung. Wir fordern, dass eine maximale Verleihzeit für Leiharbeit festgelegt werden muss, um Stammbelegschaften vor Entlassungen zu schützen und zu verhindern, dass die Tarife der Entleihfirmen unterlaufen werden.

Wir fordern, was Sie ablehnen. Um die Leiharbeiter nicht zu Tagelöhnern abzustempeln, brauchen wir dringend wieder das Synchronisationsverbot, um die Abhängigkeit von der Auftragslage zu verhindern. Heuern und feuern ist keine soziale Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Minister Laumann, in der Presse und in Reden außerhalb dieses Hohen Hauses hören und lesen wir oft von Ihren Vorstellungen, die eigentlich aus unserer Feder stammen könnten. Im Unterschied zu Ihnen stellen wir dazu aber Anträge und transportieren unsere Ideen auch nach Berlin, und zwar – Herr Kollege Kern, Sie haben es damals angesprochen: Lassen Sie uns mit unseren Kollegen reden – durchaus mit Erfolg, wie man an der Kurzarbeit deutlich erkennen kann.

Zeigen Sie nicht mit dem Finger auf uns, weil der gute Bundesarbeitsminister ein Sozialdemokrat ist, ein Kabinettsmitglied in der großen Koalition. Sie sind Landesarbeitsminister, CDA-Bundesvorsitzender und CDU-Bundesvorstandsmitglied. Sie haben das Heft des Handelns in Nordrhein-Westfalen in der Hand – in Ihrer Partei, aber auch als Minister im Kreis der Länder.

Nun müssen Sie Ihren vollmundigen Worten draußen auch in Ihrem Haus endlich Taten folgen lassen oder wie Dante Alighieri sagte: „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.“ – Handeln Sie, Herr Minister!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Kleff.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man arbeitsmarktpolitische Instrumente beurteilen will, dann muss man einen Blick zurückwerfen: Seit 2006 ist die Zahl der Arbeitslosen in Nordrhein-Westfalen von fast 1,1 Millionen auf 712.000 gesunken. Das ist der niedrigste Stand seit 15 Jahren. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten

um 390.000 auf 5,9 Millionen. – So weit die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Ein nicht unbedeutendes Instrument für diese positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist die Zeitarbeit. In Nordrhein-Westfalen sind ca. 147.000 erwerbstätige Männer und Frauen – dies entspricht einem Anteil von 1,8 % – bei Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Genauso schnell wie sich die Zeitarbeit bei Wirtschaftswachstum in Arbeitsverhältnissen niederschlägt, ist es ein Frühindikator, wenn es jetzt aufgrund der weltweiten Finanzkrise zu einem Abschwung kommt.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion: In Ihrem Antrag erwähnen Sie mit keinem einzigen Wort die positiven Seiten der Zeitarbeit.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Das haben Sie, Herr Schmeltzer, gerade fortgesetzt. Sie tun so, als würden die Menschen durch diese Branche in die Arbeitslosigkeit und in die Armut getrieben. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Nehmen Sie Ihren Antrag zunächst zurück und beschäftigen sich erst einmal mit der Studie, die von Minister Laumann vorgestellt worden ist.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das haben wir ge- tan! – Walter Kern [CDU]: Das stimmt nicht!)

Danach sind wir gerne bereit – das halten wir auch für notwendig –, uns im Ausschuss über die Beseitigung von Missbrauch und Auswüchsen, die es zweifellos im Bereich der Zeitarbeitsbranche gibt, zu sprechen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Wir müssen zunächst Positives herausarbeiten und dann gemeinsam die sich für die Menschen negativ auswirkenden Regelungen aufzeigen und auch verhindern.

Dass die Zeitarbeit für die Menschen in unserem Land eine echte Chance bietet und den Betrieben die Möglichkeit gibt, flexibel zu reagieren, beweisen folgende Fakten:

In der Zeit von März 2006 bis März 2008 haben 52.500 Menschen durch Zeitarbeit eine Beschäftigung gefunden. 58 von 100 Zeitarbeitnehmern kommen direkt aus der Arbeitslosigkeit. Ein Drittel der Zeitarbeitnehmer, die unmittelbar vorher arbeitslos waren oder sogar aus der Langzeitarbeitslosigkeit kamen, findet eine Beschäftigung außerhalb der Zeitarbeit. Junge Menschen bekommen über diesen Weg die Möglichkeit, Berufserfahrung zu sammeln.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmeltzer?

Danke schön. – Bitte schön, Herr Schmeltzer.

Herr Kollege Kleff, vielen Dank für Ihren Hinweis bezüglich der Studie. Selbstverständlich habe ich mich mit den annähernd 100 Seiten beschäftigt.

Würden Sie bestätigen wollen, dass aus der Studie hervorgeht, dass die Vertreter der Zeitarbeitsbranche die Zukunft in Equal-Pay-Vereinbarungen sehen? Würden Sie auch bestätigen wollen, dass aus der Studie deutlich hervorgeht, dass Missbrauch dahin gehend betrieben wird, dass Stundenentgelte von 5 € und Margen von maximal 4 bis 6 € bei den Zeitarbeitnehmern die Regel sind? – Das ist Ergebnis dieser Studie.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Ja!)

Herr Schmeltzer, ich werde gerade auf die Entgelte im weiteren Verlauf meiner Rede noch eingehen. Das ist, glaube ich, das größte Problem, das wir haben. An der Stelle gebe ich Ihnen vollkommen Recht und bin auf Ihrer Seite.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir ein Zitat aus einer Rede anlässlich des IGZBundeskongresses im Juni dieses Jahres:

Die 2002 verabschiedete und 2004 in Kraft getretene Reform des Gesetzes zur Arbeitnehmerüberlassung brachte die Wende, und zwar wegen der Art der Regelungen ebenso wie durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Denn es bietet ein gutes Beispiel, wie das Zusammenspiel von Sozialpartnern und Politik funktionieren kann.

Die Zeitarbeit schreibt seit der Reform eine Erfolgsgeschichte. Ihr Image hat sich zweifellos verbessert.

Ende des Zitats. Recht hat Olaf Scholz, SPD, Bundesminister für Arbeit und Soziales.

Die SPD-Fraktion will ein in weiten Teilen bewährtes Arbeitsmarktinstrument bei zweifellos schwieriger werdenden Zeiten auf dem Arbeitsmarkt durch staatliche Eingriffe in den von ihr selbst beseitigten Urzustand zurückversetzen. Das ist aber keine Antwort auf den zu erwartenden Beschäftigungsrückgang.