Die SPD-Fraktion will ein in weiten Teilen bewährtes Arbeitsmarktinstrument bei zweifellos schwieriger werdenden Zeiten auf dem Arbeitsmarkt durch staatliche Eingriffe in den von ihr selbst beseitigten Urzustand zurückversetzen. Das ist aber keine Antwort auf den zu erwartenden Beschäftigungsrückgang.
Die jüngsten Absprachen zwischen der Bundesagentur für Arbeit, Gewerkschaften und Betrieben in punkto Kurzarbeit, Qualifizierung und Befristung zeigen, dass auch ohne staatliche Eingriffe für die betroffenen Menschen vernünftige Regelungen gefunden werden.
Natürlich gibt es in dieser Branche wie überall schwarze Schafe. Denen muss das Handwerk gelegt werden.
Ein besonderes Thema sind die Entgelte in der Zeitarbeit. Wenn das durchschnittliche Monatsbruttoeinkommen ca. 40 % unter dem von Beschäftigten in gleichen Berufsgruppen liegt, ist das ein Skandal.
Bereits am 21.02.2008 haben wir hierzu in diesem Haus eine Debatte geführt. Ihre Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ können wir nur unterstützen.
Wir verurteilen Billiglöhne, die bei voller Erwerbstätigkeit nicht auskömmlich und auch noch sittenwidrig sind.
Ich warne aber davor – das sage ich ganz deutlich – , sich seitens der Politik einzumischen. Ich halte es für richtig, die Tarifpartner zu stärken und sie nicht durch staatliche Eingriffe zu ersetzen. Spannen Sie mit uns einen Schutzschirm über die Tarifautonomie. Das ist der richtige Weg. – Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Seit Beginn der Finanzkrise und der damit verbundenen Konjunkturflaute reißen Meldungen nicht ab, nach denen in der Zeitarbeitsbranche – noch vor kurzem eine der Gewinnerinnen des Konjunkturhochs – die Kündigungswelle grassiert. Zutreffend ist, dass es in diesem Bereich zu ersten Entlassungen gekommen ist. Einem signifikanten Anstieg hat der Bundesvorstand der Bundesagentur für Arbeit, Raimund Becker, allerdings vehement widersprochen.
Außerdem seien die Verleiher bemüht, gerade die Zeitarbeiter aus der Automobilindustrie in anderen Bereichen – zum Beispiel in der Metallindustrie – unterzubringen.
Auch in NRW merkt man gerade in der Zeitarbeitsbranche noch nicht allzu viel vom drohenden Wirtschaftsabschwung. Das geht auch aus der aktuellen Pressemitteilung der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit zum Arbeitsmarkt in NRW eindeu
tig hervor. Zwar haben sich inzwischen einige Firmen von ihren Zeitarbeitern getrennt, aber das Arbeitsverhältnis beim Verleiher existiert offenbar weiter.
Daher ist die Behauptung der SPD in ihrem Antrag – ich zitiere –, „auf den Konjunktureinbruch reagieren die Zeit- und Leiharbeitsfirmen prompt und kündigen im Rahmen der arbeitsrechtlichen Möglichkeiten ihren Beschäftigten“, derzeit nichts weiter als Katastrophenalarm ohne echte Substanz.
Hinzu kommt, dass offenbar zahlreiche Betriebe Zeitarbeiter sogar bevorzugen, weil sie sich aus nachvollziehbaren Gründen mit Festeinstellungen im Moment schwer tun. Obwohl die Datenlage also nichts Alarmierendes aussagt, ist es durchaus gut und richtig, über den Augenblick hinaus zu denken, statt abzuwarten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Dennoch kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass der Schirm, den die SPD über den Zeitarbeitern aufspannen will, einige Löcher aufweist und die Betroffenen am Ende doch im Regen stehen. Ginge es bei den Forderungen im vorliegenden Antrag um vernünftige Maßnahmen zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit bzw. zum Ausbau regulärer sozialversicherungspflichtiger Jobs, könnten wir heute vielleicht eine fruchtbarere Debatte führen.
Aber die SPD-Fraktion bedient sich beim Thema Zeitarbeit, zu dem sie dieses Jahr schon zwei Anträge vorgelegt hat, erneut einer unschönen Mischung aus Populismus und Vorurteilen. Damals hatten Sie Probleme mit dem Boom in der Branche, jetzt bereitet Ihnen das Szenario des Niedergangs Kopfzerbrechen. Grundtenor ist derselbe: Zeitarbeit ist zwar positiv, aber nur für die Arbeitgeberseite. Die positiven Aspekte für die Arbeitnehmerseite lässt man der Einfachheit halber unter den Tisch fallen.
Um Missverständnisse gleich auszuschließen: Auch die Freien Demokraten bevorzugen selbstverständlich reguläre, das heißt unbefristete sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse, nach Möglichkeit in Form von Vollzeitbeschäftigung, wenn es die Arbeitnehmer wünschen. Aber es gibt nun einmal vernünftige Gründe dafür, Zeitarbeit als Instrument einer flexibleren Gestaltung des Arbeitsmarktes anzuerkennen, entsprechend zu nutzen und bedarfsorientiert weiterzuentwickeln. Außerdem gibt es zahlreiche Arbeitnehmer, die ohne das Instrument der Zeitarbeit vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wären. Da passt es gut, dass Minister Laumann Ende letzter Woche besagte Studie vorgestellt hat, die die Zeitarbeitsbranche in NRW genau unter die Lupe genommen hat.
Ich will die wichtigen Befunde noch einmal herausarbeiten. Kollege Kleff hat das zwar auch schon getan, aber für die SPD ist es vielleicht hilfreich, wenn ich das verstärke:
Erstens. Zeitarbeit ist ein Randphänomen, denn nur 1,8 % der Erwerbstätigen in NRW sind in der Zeitarbeit tätig. Lediglich 4 % der Betriebe greifen auf Zeitarbeit zurück.
Zweitens. Der Erosionsprozess bei den Stammbelegschaften wird sich fortsetzen – sagt die SPD. Fakt ist aber, dass bislang kein Anhaltspunkt für einen solchen Trend wirklich vorliegt.
Viertens. Das aus meiner Sicht wichtigste Argument für die Zeitarbeit aus Arbeitnehmersicht lautet, dass Zeitarbeit einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit bietet.
58 % der Zeitarbeiter waren zuvor arbeitslos gemeldet, 20 % kommen aus der Langzeitarbeitslosigkeit.
Was Löhne angeht, so ist zu sagen, dass bei erheblichen Lohnsteigerungen sicher mit Massenentlassungen zu rechnen wäre. Zu bedenken ist auch, dass durch die Zeitarbeitstarifverträge außerdem sichergestellt wird, dass die Arbeitnehmer auch in verleihfreien Zeiten das gleiche Entgelt erhalten.
Auch die Forderung nach der Aufnahme ins Entsendegesetz erübrigt sich aufgrund der hohen tariflichen Bindung. Die Tarifvertragsparteien kümmern sich übrigens auch um Fragen der Qualifizierung.
Zur Arbeitszeitgestaltung Folgendes: Viele Zeitarbeitsunternehmen arbeiten schon mit Arbeitszeitkonten. Diese werden in Flächentarifverträgen für die Zeitarbeit festgelegt und auch entsprechend genutzt.
Auch die Forderung der SPD, dass Arbeitnehmer in der Kurzarbeit verstärkt Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch nehmen können, ist inzwischen geklärt. Ab dem 1. Januar 2009 ist die Qualifizierung während der Kurzarbeit möglich. Deren hauptsächliches Ziel besteht darin, Chancen auf eine Beschäftigung für Ungelernte wirklich zu erhöhen. Zu diesem Zweck werden bundesweit der Agentur für Arbeit 50 Millionen € aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung gestellt.
Nun noch einmal zu der Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Ich möchte die Sozialdemokraten fragen: In wie vielen Tarifverträgen außerhalb der Zeitarbeit ist das wirklich verwirklicht? Ich kenne genügend Menschen, die nicht für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn kassieren.
Wenn wir bei der Zeitarbeit und bei den Hochqualifizierten sind: Es gibt mittlerweile auch Ärzte in Zeitarbeit, aber die verdienen ein Drittel mehr, weil sie so flexibel sind.
(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann lassen Sie es uns wie in der Schweiz und in Frankreich machen. Da ist es generell so!)
Zum Schluss komme ich zu der Einschätzung, dass die SPD bezogen auf die Zeitarbeit Forderungen aufstellt, die zum Teil reichlich unrealistisch sind und – das ist das Wichtigste – die Entlassung von Arbeitnehmern nicht verhindern, sondern eher befördern. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Steffens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Romberg, ich glaube, Sie waren bei der Anhörung im Ausschuss nicht da oder zumindest nicht anwesend.
Vorab: Wir begrüßen natürlich diesen Antrag, auch wenn man ihn vielleicht während des Beratungsprozesses in unseren Antrag hätte einfließen lassen können. So kann man nur versuchen, jetzt eventuell an der einen oder anderen Stelle noch etwas zusammenzufügen.
Die kurzfristigen Hilfen – Stichwort: Beschäftigungspool –, die in unseren Antrag keinen Eingang gefunden haben, begrüßen wir selbstverständlich. In unserem Antrag wiederum gibt es ein paar Passagen, die sich mit der grundsätzlichen Problematik befassen und die weitergehend sind, etwa betreffend die Re-Regulierung. Vielleicht kann man das im Laufe des Prozesses zusammenführen.
In der heutigen Debatte findet sich vieles von dem, was uns, dem gesamten Parlament, die Expertinnen und Experten in der Anhörung vor wenigen Tagen ins Stammbuch geschrieben haben. Wir Grüne haben noch am letzten Freitag eine Veranstaltung zu demselben Thema durchgeführt, in der dankenswerterweise Minister Laumann morgens