Herr Laschet, das wissen Sie doch genauso gut wie ich. Sie brauchen doch nicht so eine Frage zu stellen. Wenn die Kommune danach nachweisen kann, dass man mit einem solchen Modell erfolgreich die Menschen erreicht, Obdachlosigkeit vermeiden kann, dann wird die Kommune das weiter finanzieren. Das wissen Sie genauso gut wie ich.
Aber es ist ein Experiment, ein Versuch, bei dem man am Anfang nicht weiß, wo man am Ende ankommt. Man muss auch einmal einen Versuch und ein Experiment wagen, womit man vielleicht keinen Erfolg hat. Wir müssen es ausprobieren. Es sind ganz unterschiedliche Zielgruppen.
Ein weiterer Punkt: Wir haben in dem Bereich der SGB II beziehenden Jugendlichen zunehmend das Problem, dass Jugendliche kein Zuhause mehr haben. Diese Jugendlichen sind zu Hause herausgeflogen, weil sie nicht bereit sind, mitzuarbeiten, zu kooperieren, weil es Stress gibt. Die stehen auf der Straße. Die Jugendhilfe schreit und gibt Alarm wegen der Matratzenhoppingkids. Wir brauchen dafür Programme. Sie sind doch auch für Kinder und Jugendliche zuständig. Da gibt es Angebote und Überlegungen. Hinsichtlich der Frage, wie man diese Jugendlichen erreichen kann, gibt es Kompetenzen. Und Sie sagen: Wir brauchen keine neuen Modelle. Wir haben genug Erfahrung.
Nein, jegliche Experten und auch Ihre Studie, über die wir heute aufgrund des Eilantrags reden, sagen Ihnen: Wir brauchen neue Ansätze, neue Ideen, neue Programme, damit sie von allen Kommunen in Nordrhein-Westfalen, wenn sie erfolgreich sind, umgesetzt und übernommen werden können. – Sie sehen es nicht, Sie wollen es nicht sehen. Ich habe immer noch Hoffnung, dass man bis zur dritten Lesung des Haushalts ein Stückchen bei Ihnen bewegt bekommt, wenn Sie diese Studie auch einmal Ihrer Fraktion geben. Denn in Ihrer Fraktion gibt es
genug Mitglieder, die finden, dass dieses Programm wichtig und sinnvoll ist. Vielleicht hören Sie einmal auf die Menschen in Ihrer Fraktion, die wissen, wovon sie reden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden ja heute nicht über die Studie, sondern über einen Eilantrag der Sozialdemokratischen Partei.
Diese hat im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales gehört, dass es eine Studie gibt. Einer der Experten, Herr Dr. Busch-Geertsema von der Gesellschaft für Innovative Sozialforschung und Sozialplanung e. V., ist dabei auf einen von ihm selbst gefertigten Bericht zu sprechen gekommen. Dieses Material habe ich bereits den beiden Kollegen gegeben. Die anderen können es auch haben. Das ist keine Geheimstudie. Die ist auch schon mit der gesamten Wohlfahrtspflege erörtert worden und liegt seit Oktober 2007 vor.
Der Autor dieser Studie hat uns geschrieben – das hat er auch im Ausschuss gesagt –: Der methodische Ansatz lässt keinen Anspruch auf Repräsentativität der Ergebnisse zu. – Aus diesem Grund ist das für uns ein Arbeitsinstrument, wie wir viele Arbeitsinstrumente haben. Sie versuchen jetzt einen kleinen Skandal daraus zu machen. Schauen Sie sich diese nicht repräsentative Studie an. Daraus können Sie auch nicht zitieren, weil sie eben, wie er selbst sagt, nicht repräsentativ ist. Dann werden Sie merken, dass das, was wir tun, sehr klug und durchdacht ist.
Die Ergebnisse der Studie werden wir im Handbuch veröffentlichen. Die Kommunen, die das Geld bekommen haben, sind doch gar nicht in der Haushaltssicherung. Das ist doch alles Unsinn, was Sie hier vorgetragen haben. Die 130 Modelle, die wir haben, auch Ihr Beispiel „Underdog“, kann jede Kommune jetzt umsetzen. Dafür gibt es ein Handbuch. Die werden das auch tun. Die Ergebnisse dieser Studie fließen ebenfalls in dieses Handbuch ein.
hier. Frau Steffens kann lesen. Wenn sie sie gelesen hat, dann wird sie hier nicht mehr so einen Unsinn erzählen.
Damit kommen wir zur Abstimmung über den Eilantrag Drucksache 14/8362 der Fraktion der SPD. Wer schließt sich dem Inhalt dieses Eilantrags an? – SPD und Grüne. Wer ist gegen diesen Inhalt? – CDU und FDP. Enthält sich jemand der Stimme? – Nein. Damit ist der Eilantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Zur Einbringung des Gesetzentwurfes erteile ich für die eine antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Lux von der CDU das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem eingebrachten Gesetzentwurf kommen die Fraktionen von CDU und FDP einer Verpflichtung durch das Urteil des Landesverfassungsgerichtshofes vom 16.12.2008 zum Kommunalwahlgesetz nach, und zwar das Grundmandat betreffend.
Der Verfassungsgerichtshof in Münster hat in seinem Urteil vom 16.12. Folgendes festgestellt: Das gewählte Zählverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers ist völlig in Ordnung. – Dieses Verfahren wird auch als Divisorverfahren mit Standardrundung bezeichnet. Die Einführung eines Grundmandats sieht jedoch eine Abweichung innerhalb dieses Zählverfahrens hinsichtlich der Standardrundung vor. Der erste Sitz soll nicht bereits mit 0,5 Sitzanteil, sondern erst ab 1,0 Sitzanteil erreicht werden.
Der Verfassungsgerichtshof sieht diese Abweichung als eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl an, die nicht durch ein überwiegendes Interesse gerechtfertigt ist. Als solches überwiegendes Interesse käme nach Ausführung des Verfassungsgerichtshofes eine flächendeckend zu befürchtende Funktionsunfähigkeit der Räte in Betracht. Da eine solche Gefahr im Gesetzgebungsverfahren nicht hinreichend nachgewiesen wurde,
Im Übrigen will ich nur am Rande darauf hinweisen, dass das Gericht in seiner Begründung auch für die Einführung einer Sperrklausel, und zwar unabhängig von der Höhe dieser Sperrklausel, den Nachweis einer tatsächlichen Funktionsstörung bzw. unfähigkeit der Räte und Kreistage fordert.
Warum hatten wir die Änderung des Kommunalwahlrechts beschlossen? – Nachdem mit Urteil von 1999 der Verfassungsgerichtshof Ihre Fünf-ProzentSperrklausel kassiert und für verfassungswidrig erklärt und in diesem Urteil die Hürden für eine Sperrklausel sehr hoch gelegt hatte, haben wir mit der Einführung des Grundmandates versucht, die Ungleichheit beim Erfolgswert der Stimmen für Splittergruppen ein wenig abzumildern wie auch einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit der kommunalen Räte entgegenzuwirken, die wir mit zunehmender Zersplitterung der Räte durch immer mehr fraktionslose Ratsmitglieder als gegeben ansehen.
Nun sind wir mit diesem Versuch nicht erfolgreich gewesen, weil der Verfassungsgerichtshof die Hürden für dieses geplante Grundmandat ebenso hoch gehängt hat wie für Sperrklauseln. Wir sehen derzeit nicht, mit welchem Verfahren wir unser Ziel erreichen können, den Erfolgswert von Wählerstimmen anzugleichen, und sehen keine Chancen, die drohende und zum Teil bereits stattfindende Funktionsgefährdung der kommunalen Räte in einer vom Verfassungsgerichtshof geforderten Art zu belegen.
Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass es in keinem Bundesland in Deutschland heute noch eine Sperrklausel für Kommunalwahlen gibt, weil die meisten dieser Sperrklauseln von den Verfassungsgerichten kassiert worden sind. Vor diesem Hintergrund sehen wir derzeit auch nach externer verfassungsrechtlicher Beratung keine Chance, eine wie auch immer gestaltete Sperrklausel für Kommunalwahlen gesetzlich so zu fassen, dass sie den Anforderungen des Verfassungsgerichtshofes genügen würde. Sollte es neue, überzeugende Erkenntnisse geben, werden wir natürlich gerne in einen neuen Diskussionsprozess eintreten. Denn das Ziel bleibt, jede Funktionsgefährdung der Räte zu verhindern.
Meine Damen und Herren, ich finde es ein wenig merkwürdig, dass heute auf der anderen Seite des Parlaments große Freude aufkommt. Ich denke, man sollte an die Geschichte denken, zumal Frau Steffens eben davon gesprochen hat, hier keine Geschichtsklitterung zu betreiben. Denken Sie bitte daran, dass Sie mit Ihrer Fünfprozenthürde gescheitert sind und dass Sie, seit dieses Gesetzgebungsverfahren durch die Landesregierung eingeleitet worden ist, keinerlei Versuch unternommen haben, mit einer alternativen Planung unser gemeinsames Ziel, die Funktionsfähigkeit von Räten zu erhalten, hier zu belegen.
Im Übrigen weise ich darauf hin, dass das Verfassungsgericht deutlich festgestellt hat, dass die übrigen Teile des Kommunalwahlgesetzes natürlich verfassungsgemäß sind. Deswegen sind wir gespannt, welche Alternativvorschläge von Ihnen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gemacht werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Lux. – Für die zweite antragstellende Fraktion, die FDP, spricht der Kollege Engel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 16. Dezember 2008 hat der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof entschieden, dass die chancengleiche Teilnahme an den Kommunalwahlen durch § 33 Abs. 3 Satz 1 des Kommunalwahlgesetzes verletzt wird.
Parteien bzw. Wählergruppen werden bei der Sitzverteilung unberücksichtigt, wenn diese nicht mindestens die Zahl 1,0 für den ersten Sitz erreichen. Die Regelung bewirkt eine Ungleichgewichtung der Wählerstimmen.
So das Gericht. – Deshalb heben wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die verfassungsrechtlich unzulässige Mindestsitzklausel auf. Hierzu wird § 33 Abs. 3 Kommunalwahlgesetz gestrichen.
In den vergangenen Tagen ist ein Streit darüber entbrannt, ob eine Sperrklausel von 2 % oder etwas darüber wieder eingeführt werden soll. Hierzu hat der Innenminister eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben. Dieser Meinung schließt sich die FDP-Fraktion an, und auch der Verein „Mehr Demokratie“ ist dieser Meinung.
Um eine Sperrklausel plausibel zu rechtfertigen – Kollege Lux hat das schon erwähnt –, bedarf es einer Funktionsstörung der Arbeit von Räten und Kreistagen. Dafür gibt es in Deutschland keine Beweise. Selbst in Bayern ist in den letzten 60 Jahren nach Wegfall der Sperrklausel keine Funktionsunfähigkeit in den kommunalen Gremien eingetreten.
Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus in seinem Urteil vom Februar 2008 festgehalten, dass es nicht ausreicht, eine Erleichterung für die Beschlussfassung in unseren kommunalen Gremien durch weniger Fraktionen zu erreichen. Genau diese Ansicht teilen und respektieren wir. Wahlgleichheit und Chancengleichheit sind hohe Güter.
Und eine Forderung nach einer Sperrklausel unterhalb der Fünfprozenthürde im Lichte dieser Rechtsprechung ist nicht seriös. Bundes- und Landesverfassungsgerichte setzen unmittelbar geltendes Recht. Der Spielraum für Sperrklauseln ist daher null. Für die demokratische Auseinandersetzung mit Worten und Argumenten ist der Spielraum hingegen beinahe unendlich groß.
Übrigens: Die Grünen haben sich in RheinlandPfalz im vergangenen Jahr energisch für die Abschaffung der Sperrklausel eingesetzt. Am 14. Mai 2008 war es so weit: Mit den Stimmen von SPD und FDP ist dort die 3,03-%-Hürde gefallen.
Als letztes Flächenland hat sich auch das CDUregierte Saarland von seiner Sperrklausel verabschiedet. Es gibt bundesweit kein Flächenland mehr mit einer Sperrklausel. Ende der Durchsage. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lux, Sie kennen den Hintergrund, warum wir heute hier dieses Thema beraten. Ich sage Ihnen ganz offen: Die Aufforderung an uns, eine Alternative vorzulegen, ist scheinheilig. Denn Sie wissen aus den Gesprächen, zu denen Sie uns aufgefordert haben, dass wir sehr wohl einen Lösungsweg aufgezeigt haben. Dass sozusagen durch Ihren Wortbeitrag hier zu ignorieren, zeigt nur eines, nämlich dass Sie zukünftig mit solchen Gesprächswünschen nicht mehr auf uns zuzukommen brauchen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir befassen uns heute mit der Änderung des Kommunalwahlgesetzes aus zwei Gründen.