Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

Die zweite Lesung, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann aber nicht enden, ohne dass die Frage aufgeworfen wird, die Sie und Ihre Kollegen aus der Koalition immer und immer wieder nicht verstehen: Wie kann es sein, dass Sie ohne Not im Rahmen der von Ihnen zu vertretenden Politik ratsuchende Arbeitslose ins Abseits stellen?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Dass Sie der Kollegin Kieninger nicht hinreichend beantwortet haben, warum beim Wegfall von 40 % ESF-Mittel Sie um 100 und nicht um 40 kürzen, zeigt Ihren uneingeschränkten Willen, diese funktionierenden Einrichtungen aufrechtzuerhalten, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie bei allen tränenreichen Darlegungen über die gekürzten ESFGelder im Haushalt 2009 rund 6,2 Millionen € mehr an ESF-Einnahmen ausweisen als im Vorjahr. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Handelnden in den Arbeitslosenzentren, ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen. Damit werden Sie sicherlich negativ in die Geschichtsbücher der Arbeitsmarktpolitik eingehen.

(Beifall von der SPD)

Es bleibt wie im letzten Jahr beim gleichen Fazit: An Ihrer Passivlinie hat sich nichts geändert. Sie stehen in der Arbeitsmarktpolitik nicht schützend an der Seite der Menschen, Sie stehen nur schützend an der Seite des Finanzministers zur Konsolidierung des Haushalts, indem Sie nur dadurch etwas beitragen, dass Sie nichts tun, aber den Menschen in diesem Land – insbesondere den Arbeitslosen – schaden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die CDU-Fraktion erhält jetzt der Abgeordnete Brakelmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmeltzer, ich habe Ihrer Rede sehr aufmerksam zugehört und festgestellt: Zum Haushalt haben Sie relativ wenig gesagt, dafür aber wieder eine ganze Reihe über den Mindestlohn. Diese Debatte können wir immer und überall führen. Es kommt nichts Neues. Zeitlich haben Sie das wieder sehr gut gemacht.

Außerdem haben Sie versucht, den Arbeitsminister Scholz, den ansonsten keiner kennt, hier öfter zu nennen, damit man weiß, dass das der Bundesarbeitsminister ist.

(Heike Gebhard [SPD]: Sie müssen Ihre schwarze Brille absetzen, dann erkennen Sie ihn auch!)

Sie haben es nötig. Das stimmt. Den kennt niemand. Das ist so. Sie haben es wenigstens versucht. Das ist der Unterschied zwischen unserem Arbeitsminister und Ihrem: Laumann kennt man in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland, und er macht gute Politik. Das ist der Unterschied, Herr Schmeltzer.

(Beifall von der CDU)

Als wir uns im Ausschuss am 24. September vergangenen Jahres zum ersten Mal mit dem Haushalt 2009 befasst haben, standen die Zeichen in der internationalen Finanzwelt schon auf Sturm. Trotzdem gingen wir zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass sich der Landeshaushalt auf Konsolidierungskurs befindet und die Neuverschuldung insgesamt weiter nach unten gefahren werden kann, damit wir letztendlich einen ausgeglichenen Haushalt erzielen. Konsolidierung ist ein Ziel, zu dem alle einzelnen Haushalte beitragen müssen. Schließlich haben wir uns vorgenommen, nicht die Politik von Rot-Grün fortzusetzen und ständig Haushalte zu verabschieden, mit denen wir mehr Geld ausgeben, als wir einnehmen.

Dass die weltweite Wirtschaftskrise solche Ausmaße annehmen würde, dass auch NordrheinWestfalen gefordert ist, im Rahmen der Konjunkturpakete deutlich mehr Geld als vorgesehen ausgeben zu müssen, treibt die Neuverschuldung leider wieder in die Höhe. Aber noch ist sie wesentlich niedriger als in den Jahren der rot-grünen Koalition, und das ohne Krise. Wir werden das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes langfristig dennoch nicht aus den Augen verlieren.

Der Einzelplan 11 für den Bereich Arbeit, Gesundheit und Soziales ist dabei jetzt schon auf dem richtigen Weg: Der Entwurf sieht insgesamt Ausgaben von 2,88 Milliarden € vor. Das sind 215 Millionen €

weniger als im Haushalt 2008. Diese Absenkung ist in erster Linie auf geringere Bedarfe im gesetzlichen Bereich bzw. bei der Umsetzung von EUProgrammen zurückzuführen.

Sie wissen sicherlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Einzelplan 11 eine Besonderheit aufweist: Fast 90 % des ansehnlichen Volumens von knapp 3 Milliarden € sind durch gesetzesvollziehende Aufgaben gebunden. Wir reden damit über etwa 10 %, also rund 288 Millionen €, über die wir politisch entscheiden können. Damit ist es uns aber gelungen, auch für das Jahr 2009 wichtige Akzente zu setzen.

Der seit März 2006 anhaltende Aufschwung hat bis zum Herbst vergangenen Jahres zu einem ausgesprochen positiven Trend bei den Arbeitslosenzahlen geführt. Nach Jahresdurchschnitten von deutlich oberhalb 1 Million Menschen im Jahr 2005 und im Jahr 2006 sank die Arbeitslosenzahl bis Ende 2008 deutlich auf 759.000 ab. Die Arbeitslosigkeit lag damit auf dem niedrigsten Stand seit 2001. Damit ist es erstmals seit den 70er-Jahren gelungen, die Zahl der Arbeitslosen am Ende des Aufschwungs deutlich unter den Ausgangspunkt am Ende des vorhergehenden Abschwungs zu drücken. Angesichts der nun auch in Nordrhein-Westfalen drohenden Rezession müssen wir alles tun, um die für den Arbeitsmarkt zu befürchtenden Konsequenzen so gering wie möglich zu halten. Wir müssen Beschäftigung erhalten.

Arbeitsminister Karl-Josef Laumann hat es treffend formuliert. Ich zitiere: Wir wollen Arbeitsplätze finanzieren und nicht Arbeitslosigkeit. Wir wollen Beschäftigung finanzieren und nicht Beschäftigungslosigkeit. – Ein Mittel dafür ist die Kurzarbeit. Zahlreiche Unternehmen in NRW haben bereits dazu gegriffen. Derzeit sind es mindestens 4.000 Betriebe mit mehr als 110.000 Arbeitnehmern.

Aber gerade kleine und mittlere Betriebe können Kurzarbeit nicht längerfristig finanzieren, weil sie für sie ein sehr teures Instrument ist. Deshalb danke ich Minister Laumann ganz besonders dafür, dass er die Bundesregierung davon überzeugt hat, dass der Staat die Sozialversicherungsabgaben bei Kurzarbeit übernehmen soll. Das ist in das Konjunkturprogramm II übernommen worden. Ganz entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer nicht entlassen wird, sondern im Unternehmen beschäftigt bleibt. Zu begrüßen ist auch, dass Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zur Qualifizierung von Kurzarbeitern mit dem Konjunkturpaket II ausgeweitet werden.

Im Übrigen rechnet sich die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge letztlich auch für die Arbeitsagenturen, weil sie im Falle der Entlassung von Beschäftigten mit Anspruch auf ALG I ohnehin mit den noch höheren Kosten der Arbeitslosigkeit belastet wären.

Trotz des Instrumentes Kurzarbeit müssen wir auch in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen. Die Agentur für Arbeit geht von einem Jahresdurchschnitt von ca. 810.000 Arbeitslosen aus. Wir müssen jetzt alles dafür tun, bestehende Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.

Mit dem Haushalt 2009 werden wir dazu einen wirksamen Beitrag leisten. Wir werden die in der Vergangenheit geleistete gute Arbeit fortsetzen und einige Schwerpunkte bilden. Insgesamt steht 2009 ein Neubewilligungsbescheid über insgesamt 154 Millionen € zur Verfügung, knapp 20 Millionen € mehr als 2008.

Die Jugend- und Berufsausbildung wird auch 2009 zentrales Anliegen der nordrhein-westfälischen Arbeitsmarktpolitik sein. Trotz deutlich zurückgehender ESF-Mittel werden wir hier das hohe Niveau halten.

Das Werkstattjahr hat sich zu einem Erfolgsmodell bei der Vorbereitung auf Ausbildung und Beruf entwickelt. Über 5.000 Jugendliche haben sich bislang für das neue Jahr gemeldet. Im Schuljahr 2007/2008 konnten 4.750 Werkstattplätze besetzt werden. Dieses Erfolgsmodell werden wir fortsetzen und dafür ca. 24,2 Millionen € bereitstellen.

3 Millionen € fließen in den Bereich Betrieb und Schule. Für die Verbundausbildung, durch die jedes Jahr zusätzliche Ausbildungsstellen im Land gefördert werden – und das mit wachsendem Erfolg; 2008 waren es 1.000 Stellen –, sind 3,5 Millionen € eingeplant.

Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung in Handwerk und Industrie unterstützt das Land wieder mit 14,6 Millionen €.

11,5 Millionen € stehen im Haushalt 2009 für den zweiten Durchgang im „3. Weg in der Berufsausbildung in NRW“ bereit, der im Herbst 2008 gestartet wurde. Rund 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten so die Chance auf einen dualen Berufsabschluss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Qualifizierung der Arbeitnehmer von morgen muss immer oberste Priorität haben; denn – und das hat der Arbeitsmarkt in den vergangenen Monaten gezeigt – gut ausgebildete Fachkräfte werden händeringend gesucht. Mit diesem Haushalt tragen wir dazu bei, dass die Jugendlichen von heute nicht die Hartz-IVEmpfänger von morgen sind.

Neben der Qualifizierung von Berufsanfängern ist es sicherlich ein Anliegen der NRW-Arbeitsmarktpolitik, Arbeitnehmer weiterzubilden und so für den Arbeitsmarkt fit zu halten, besonders wenn sie, wie oben erwähnt, derzeit mit Kurzarbeit leben müssen.

Für die Unterstützung von Beschäftigten bei der beruflichen Weiterbildung wollen wir auch weiterhin den höchst erfolgreichen Bildungsscheck einsetzen.

2009 werden wir dafür rund 20 Millionen € zur Verfügung stellen.

(Beifall von der CDU)

Bevor ich zum Schluss komme, lassen Sie mich noch kurz etwas zu den Menschen sagen, die besondere Probleme bei der beruflichen Integration haben. Auch ihnen werden wir neue Chancen durch eine Arbeitsmarktpolitik bieten, die von der EU mit finanziert wird.

Ein besonderer Schwerpunkt des Landes liegt dabei in der Unterstützung von Behinderten; denn Arbeit bedeutet ganz besonders für diese Gruppe die Grundlage für soziale Sicherung, Selbstbestimmung, Chancengleichheit und Anerkennung. Das Thema Arbeit ist eine der vier Säulen unseres Programms „Teilhabe für alle“.

Wir werden mit diesem Haushalt bewährte Ansätze konsequent fortführen. Dazu gehört die Unterstützung eines bedarfsgerechten Ausbaus der Werkstätten für behinderte Menschen. Dafür stehen 8,2 Millionen € zur Verfügung.

Darüber hinaus hat die Landesregierung 2008 das neue Förderprogramm „Integration unternehmen!“ aufgelegt. Damit sollen rund 1.000 neue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen in Integrationsunternehmen geschaffen werden. Hierfür stellt das Land für einen Zeitraum von drei Jahren insgesamt 10 Millionen € zur Verfügung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Haushaltspolitik mit dem grundsätzlichen Ziel eines ausgeglichenen Haushalts dient den Arbeitnehmern von heute und natürlich auch denen von morgen. Wir müssen immer daran denken: Was wir heute ausgeben und über Schulden finanzieren, müssen kommende Generationen bezahlen. Das können wir auf Dauer nicht zulassen – auch wenn wir uns 2009 in einer Ausnahmesituation befinden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brakelmann. – Herr Dr. Romberg, jetzt haben Sie das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie es aussieht, wird das viel beschworene Krisenjahr 2009 seinem Ruf tatsächlich gerecht. Nach dem Einbruch auf den Finanzmärkten hat der Abschwung die Wirtschaft und somit dann auch den Arbeitsmarkt erreicht. Die heutigen Zahlen beweisen dies. Danach geht die Nachfrage nach Arbeitskräften inzwischen deutlich zurück.

Es ist gut, dass die Ausgangslage in NordrheinWestfalen nicht ganz so dramatisch ist wie in den anderen Bundesländern. Bei uns – Kollege Brakel

mann hat es schon erwähnt – konnte die Zahl der Arbeitslosen ab Mai 2005 um immerhin 335.000 gesenkt werden. 370.000 neue sozialversicherungspflichtige Jobs sind in der Zeit entstanden.

Eine weitere positive Meldung vom Dezember 2008 ist die gute Quote bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen, deren Zahl im Jahr 2008 erneut bei rund 130.000 lag. Diese ermutigende Zahl wurde im Übrigen ohne den Einsatz staatlicher Förderprogramme erreicht.

Ich bin sicher, dass sich dieses Engagement der nordrhein-westfälischen Betriebe als Investition in die Zukunft auch auszahlen wird; denn gut ausgebildete Fachkräfte haben auch in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs einen hohen Stellenwert. Die Qualität von Produkten und Dienstleistungen wird immer ein Wettbewerbsvorteil bleiben und eine zentrale Voraussetzung sein, um die Rezession zu überwinden.

Auch Kurzarbeit ist keine Lösung auf Dauer; denn sie ist teuer, insbesondere für die mittelständischen Betriebe, und sie wirkt sich auf die Rentenbezüge negativ aus.

Ebenso wenig sind Konjunkturpakete allein hilfreich, besonders nicht bei doch sehr problematischen Maßnahmen, die vom Bund initiiert worden sind. Damit sie nicht völlig wirkungslos verpuffen, bedarf es zugleich struktureller Maßnahmen, um Investitionsanreize und die Konsumbereitschaft gleichermaßen zu stärken.

Hier ist es aus unserer Sicht wirklich wichtig, dass gerade die steuerliche Entlastung von Gering- und Mittelverdienern

(Zuruf von der CDU: Die Zahlen sind doch keine Steuern!)

stärker forciert wird, als das seitens der Bundesregierung bisher erfolgt ist.

(Beifall von der FDP)