Protokoll der Sitzung vom 30.01.2009

(Christian Lindner [FDP]: Sind wir auf einmal verantwortlich für Ihre Politik?)

Herr Lindner, Sie sind immer verantwortlich für das, was Sie sagen.

(Christian Lindner [FDP]: Aber doch nicht für Ihre Entscheidungen!)

Das reklamiere ich auch überhaupt nicht. Ich erkläre Ihnen gerade, wie das war.

(Heike Gebhard [SPD]: Sie haben doch die Abschaffung der Fachhochschulen gefor- dert!)

Ich finde es schön, dass die Debatte lebendig wird. Es scheint ja irgendwo anzukommen. Denken Sie noch einmal über Ursache und Wirkung nach. Ich bedauere es sehr und würde mir wünschen, dass wir einen anderen Weg gehen könnten.

Deshalb sind wir Sozialdemokraten – das gilt auch für die Grünen hier im Landtag – der Meinung, dass wir den Zugang sowohl zu den Universitäten als auch zu den Fachhochschulen anders und viel offener gestalten müssen. Dann tun wir insgesamt mehr, als jetzt eine Scheinlösung anzubieten und mit Krokodilstränen einer Geschichte nachzuweinen. Das ist auch nicht ehrlich gemeint.

Ich sage noch einmal: Lesen Sie die Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf genau. Sie versuchen auszusortieren und mehr Studierende in die Fachhochschulen zu bringen, um dann kleinere Universitäten zu haben. Das ist Ihre Zielsetzung. Lesen Sie den Text, dann werden Sie sehen, was ich meine. Wenn Sie es klarstellen wollen, nehmen Sie es aus der Begründung des Gesetzestextes heraus! Darüber würde ich mich sehr freuen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Für die CDU-Fraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Henke gemeldet.

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich nicht gemeldet, um diese Diskussion fortzusetzen, denn ich habe einen Hauch das Gefühl, dass sie von der eigentlichen Frage, über die wir reden, wegführt.

(Karl Schultheis [SPD]: Überhaupt nicht!)

Doch, sie führt davon weg. Sie soll davon ablenken, dass jetzt diese Regierung und diese Koalition die Entscheidung trifft. Sie sind ja dazu eingeladen und haben als SPD auch gesagt, dass es im Moment auf eine Enthaltung hinausläuft; vielleicht wird noch mehr als eine Enthaltung daraus. Nur Frau

Seidl sagt: Das machen wir auf keinen Fall mit. Sie als SPD sagen: Wir können uns das vorstellen.

Der entscheidende Punkt ist doch, dass es jetzt zum Ausbau der Fachhochschulen in NordrheinWestfalen kommt, dass dieser Minister und diese Regierung das Fachhochschulausbaugesetz einbringen und wir damit eine Steigerung der Studierendenzahl in den MINT-Fächern erreichen, wie wir sie uns wünschen.

Jetzt komme ich zu dem Punkt, warum ich mich gemeldet habe: Ich möchte wissen, welche ungewollten, unbewussten, unerwünschten Wirkungen und Nebenwirkungen Sie mit Ihrem neuen Beitrag erzeugen wollen. Ich meine die Ankündigung, vor der eigentlichen Anhörung über das Gesetz zum Ausbau der Fachhochschulen im Ausschuss noch eine weitere, vorgeschaltete Anhörung zu veranstalten, bei der wir den Kommunen, Antragstellern und Initiatoren von Anträgen, die in der Auswahl der Jury nicht zum Zuge gekommen sind, die Möglichkeit geben, ihre Enttäuschung, Sorge und möglicherweise auch nachvollziehbare Verletztheit zum Ausdruck zu bringen. Es ist also gewissermaßen eine Instrumentalisierung der Enttäuschung für die Zwecke der SPD-Fraktion

(Karl Schultheis [SPD]: Oh!)

mit dem Ziel, einen allgemeinen Unmut an die Stelle der Zufriedenheit mit dem Gesetzentwurf zu bringen.

Frau Seidl hat da eine andere Strategie.

(Widerspruch von Dr. Ruth Seidl [GRÜNE])

Frau Seidls Strategie ist komplett anders. Sie sagt, wie es die Regierung mache, sei es unwirtschaftlich; die Grünen hätten gar keine neuen Standorte geschaffen, sondern nur auf vorhandenen Standorten aufgebaut; es sei schädlich, überhaupt neue Standorte zu identifizieren.

Herr Schultheis sagt allerdings das völlige Gegenteil. Im Grunde genommen sagt er: Wir haben zu wenige neue Standorte, die zum Zuge kommen. Ich möchte den anderen gerne Gelegenheit geben, ihre Enttäuschung und Trauer darüber hier noch einmal ausführlich zu artikulieren. Dafür bietet die SPDFraktion in einer eigens anberaumten Anhörung des Wissenschaftsausschusses den Verliererstädten – ich glaube, so haben Sie es formuliert – die Möglichkeit, dies in einer Art Standortdebatte vorzutragen.

Wohin könnte das führen, wenn wir Pech haben? Es kann nur dazu führen, dass Sie neue Unsicherheit schaffen. Auf diese Art und Weise unterminiert man doch die Planungen, die auf der Grundlage des vorgelegten Fachhochschulausbaugesetzes jetzt in Gang kommen, und sät Zweifel daran, ob es bei diesen Zusagen bleibt. Denn Sie sprechen sich zwar gerne für eine Standortgarantie aus, lassen aber die Frage völlig offen, woher Sie die Plätze

nehmen wollen, damit noch zusätzliche Standorte zum Zuge kommen können.

(Karl Schultheis [SPD]: Fragen Sie doch ein- mal den Minister! Er hat das doch gerade an- gekündigt! Das ist doch lächerlich!)

Sie bringen dieses Thema doch auf. Über die Diskussion im Ausschuss wollen Sie offensichtlich noch einmal zu einer prinzipiellen Debatte kommen. An der Stelle der Jury-Debatte wollen Sie noch eine eigene Debatte im Wissenschaftsausschuss führen. Das kann doch nur sinnvoll sein, wenn es auch mit dem Ziel geschieht, in der Standortfrage noch einmal eine grundsätzliche Revision vorzunehmen. Es kann nur dann sinnvoll sein, wenn Sie beabsichtigen, die getroffenen Entscheidungen noch einmal zu modifizieren.

Als Aachener würde ich Ihnen raten, in dieser Frage ein bisschen vorsichtig zu sein und die 500 Plätze, die in dem Ausbauprojekt für die Fachhochschule Aachen vorgesehen sind, durch eine solche Revisionstour nicht noch einmal völlig infrage zu stellen. Damit würde ich sehr vorsichtig sein.

(Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Das ist ja nur ein gut gemeinter kollegialer Ratschlag. Mir war es wichtig, diesen guten Ratschlag so zu platzieren, dass Sie ihn auch vernehmen und hören können, damit Sie nicht in irgendeine …

(Frank Sichau [SPD]: Er ist ja so schwerhörig, dass man das im Plenum machen muss!)

Der entscheidende Punkt scheint mir jedenfalls zu sein: Aus unserer Sicht kann man auf diese zusätzliche Anhörung gut verzichten und stattdessen eine Anhörung zum Fachhochschulgesetz durchführen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Henke. – Für die Landesregierung hat sich noch einmal Herr Prof. Pinkwart zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch zwei Punkte kurz ansprechen.

Erstens. Herr Schultheis, in Ihren Ausführungen gibt es einen Widerspruch in sich. Auf der einen Seite fordern Sie eine Standortgarantie. Auf der anderen Seite sprechen Sie sich dagegen aus, das Ziel, dass, um in eine sinnvolle Struktur zu kommen, nach 2020 40 % der Studierenden an Fachhochschulen und 60 % an Universitäten studieren, wie es in erfolgreichen Bundesländern heute schon der Fall ist, dadurch erreichen zu wollen, dass wir die heute sehr stark belasteten Universitäten mengenmäßig an die internationalen Standards anpassen. Dies ist für alle Standorte aber die nachhaltigste Strategie.

Auf der einen Seite fordern Sie Garantien. Auf der anderen Seite wollen Sie den Universitäten diese Anpassung langfristig nicht gewähren. Das finden wir bemerkenswert – beispielsweise mit Blick auf die RWTH Aachen, der im Rahmen der internationalen Begutachtung durch die Exzellenzinitiative gesagt worden ist, bei ihrer Größe sei es mit Blick auf die steigenden Studierendenzahlen auf Dauer sehr schwierig, eine solche Leistung zu erbringen, wie sie diese Hochschule Gott sei Dank erbringt und auch im nächsten Jahrzehnt erbringen will. Ihr die Perspektive zu öffnen, sich auch in Größenordnungen verändern zu können, die ihre Wettbewerber weltweit schon heute erreicht haben, ist eine ganz zentrale Notwendigkeit.

Zweitens. Sie haben eben gesagt – und das tut mir wirklich leid –, Sie hätten seinerzeit, als Sie in der Verantwortung standen, auch auf Wünsche aus der damaligen Opposition reagiert. Sie hätten aber doch die Folgen Ihres Handelns bedenken müssen. Sie haben bewusst in Kauf genommen, dass dadurch ein Zugangsweg erschwert wird, anstatt parallel mehr Kapazitäten aufzubauen. Darum ging es uns in der heutigen Debatte doch. Hätten Sie damals bei der Umwandlung wenigstens neue Fachhochschulen gegründet, dann hätten Sie im Sinne der jungen Menschen verantwortungsvoll gehandelt, die die Zugangsberechtigung dafür haben. Das haben Sie aber damals versäumt.

Wir tun das jetzt. Deswegen hatte ich gehofft, dass Sie wenigstens an dieser Stelle bei uns sind und sagen: Prima, dass Sie diesen jungen Menschen endlich etwas in Aussicht stellen, was wir damals leider versäumt haben. – Darum ging es in dieser Debatte. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Pinkwart. – Wir sind am Ende der Debatte.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/8290 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Wer stimmt der Überweisung zu? – Wer ist dagegen? – Enthält sich jemand? – Alle sind für diese Überweisung.

Damit kommen wir zu:

4 Gesetz zur Förderung der politischen Partizipation zugewanderter Bürgerinnen und Bürger in den Gemeinden – Änderung des § 27 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8329

erste Lesung

Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Asch das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen ausdrücklichen und herzlichen Gruß richte ich an die Vertreterinnen und Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen, die an diesem Thema besonders interessiert sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Anlässlich der Haushaltsberatungen habe ich in einem Fazit der Integrationspolitik des Landes gestern feststellen müssen, dass aufseiten des Ministeriums viel guter Wille vorhanden ist. Ich möchte das ausdrücklich betonen und bedauere sehr, dass der Integrationsminister heute nicht anwesend ist, wenn wir diesen Punkt beraten, aber die konkreten Maßnahmen bei der Integration ausbleiben oder nicht zum Erfolg geführt werden.

Um einen solch klassischen Fall von Nichtstun aufseiten von CDU und FDP handelt es sich auch bei dem Thema der politischen Teilhabe von Migrantinnen und Migranten in den Kommunen, das heute zum zweiten Mal in kurzer Folge auf der Tagesordnung steht.

Meine Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, hat einen Gesetzentwurf eingebracht, um auf Ebene der Gemeinden die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen des politischen Engagements von Migrantinnen und Migranten zu verbessern.