Protokoll der Sitzung vom 11.02.2009

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion spricht noch einmal Herr Römer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich kann Ihre Aufregung über die Karte verstehen, weil Sie sich mit all Ihren Plänen ertappt fühlen.

(Lachen von Ministerin Christa Thoben)

Ich will gleich noch darauf zurückkommen und werde Ihnen auch sagen, woher diese Karte stammt. – Sie haben im Übrigen, Frau Thoben, gerade vergessen, Herrn Schmoldt auch zum Sockelbergbau zu zitieren.

(Ministerin Christa Thoben: Das mache ich gern!)

Aber das passt Ihnen ja offensichtlich nicht, weil Sie da mit ihm völlig auseinander sind.

(Beifall von der SPD)

Was bedeutet diese Phantomdebatte über die Laufzeitverlängerung von Atomkraftanlagen eigentlich für unser Land? Das ist die entscheidende Frage, um die es heute Morgen geht. Eine Laufzeitverlängerung der Atommeiler außerhalb Nordrhein-Westfalens sichert in Nordrhein-Westfalen jedenfalls keinen einzigen Arbeitsplatz. Deshalb überrascht es auch nicht, dass die Betroffenen die von der schwarz-gelben Landesregierung angezettelte Atomdebatte mit Sorge sehen. Der Bundesverband Windenergie sagte am vergangenen Montag – Zitat –:

Der Weg zurück in die Kernenergie ist ein Irrweg, hinter welchem vor allem die Gewinninteressen der konventionellen Energiewirtschaft stehen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Der erste Befund heißt also schlicht und einfach: Die Atomdebatte gefährdet den Ausbau der erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen. Das kostet uns im Übrigen Arbeitsplätze im Mittelstand und im Handwerk. Frau Thoben, auch darauf gehen Sie nicht ein.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich zitiere aus einer weiteren aktuellen Pressemitteilung, sie stammt von gestern.

In der aktuellen Situation muss der Energiestandort Nordrhein-Westfalen vorrangig durch den Ausbau der dezentralen, umweltverträglichen Energieerzeugung gestärkt werden, fordert Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), im Vorfeld der am Mittwoch geplanten aktuellen Stunde zur Energiepolitik im NRW-Landtag.

Und weiter:

Anstelle einer langwierigen politischen und schwierigen öffentlichen Diskussion über die zukünftige Nutzung der Kernenergie sollte die Landesregierung das Engagement der Stadtwerke

in NRW unterstützen, die in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen in die Modernisierung und den Neubau mehrerer Kraft-WärmeKoppelungs-Anlagen, den Ausbau der Erneuerbaren Energien, aber auch im Kohlekraftwerksbereich planen, erklärte der VKU-Hauptgeschäftsführer.

Weiter heißt es an Ihre Adresse, Frau Thoben:

In diesem Zusammenhang forderte der VKUHauptgeschäftsführer die NRW-Landesregierung auf, das Gemeindewirtschaftsrecht europarechts- und marktkonform zu reformieren, damit Stadtwerke ihrer von der Politik erwarteten Rolle gerecht werden können, als Korrektiv zum Oligopol der Energiekonzerne einen funktionsfähigen Wettbewerb im Energiemarkt zu gewährleisten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

So weit die Pressemitteilung des VKU.

Zweiter Befund: Atomenergie verhindert fairen Wettbewerb. Die schwarz-gelbe Landesregierung behindert die Stadtwerke als Wettbewerber und will mit dem Fummeln am Atomausstieg den vier marktbeherrschenden Konzernen weitere Wettbewerbsvorteile zuschanzen. Fehlender Wettbewerb, meine Damen und Herren, das wissen wir doch, ermöglicht aber erst die Preistreiberei der großen Vier.

Die energiepolitischen Vorstellungen von CDU und FDP konnten wir sehr genau in der Enquetekommission „Auswirkungen längerfristig stark steigender Preise von Öl- und Gasimporten auf die Wirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher in Nordrhein-Westfalen“ erleben. In dieser Enquetekommission fantasierten CDU und FDP munter von der Wiederaufnahme und der Verstärkung der Forschungsbemühungen beim Hochtemperaturreaktor – also, Herr Weisbrich, vom Wiedereinstieg. Diese Technik, so haben Sie damals gesagt, böte einen kostengünstigen Weg, Energie risikoarm zur Verfügung zu stellen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Genau!)

Um es einmal ganz drastisch zu sagen, meine Damen und Herren: Alles wirres Zeug, völlig irrelevant für Nordrhein-Westfalen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Christian Weisbrich [CDU]: Sagen Sie!)

In dieser Debatte, Herr Weisbrich, muss auch in Erinnerung gerufen werden, welches Gesamtkonzept CDU und FDP verfolgen. In der Landtagsenquetekommission haben Sie eine marktradikale Ideologie vertreten, wollten die Förderung der erneuerbaren Energien abschaffen und predigten die Lehre vom freien Energiemarkt.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Das alles ist nicht vom Himmel gefallen. Bereits Anfang dieses Jahrtausends hatten CDU und FDP im Deutschen Bundestag noch deutlicher gesagt, wohin die Reise mit ihnen gehen würde. In der Enquetekommission „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“ hatten CDU und FDP ein umfangreiches Minderheitenvotum abgegeben – damals im Bundestag übrigens Prof. Pinkwart, und damals Berater der CDU Prof. Schmidt, der auch Sie hier im Landtag beraten hat!

(Dietmar Brockes [FDP]: Wir haben kein Min- derheitenvotum abgegeben!)

Die Enquetekommission des Bundestages hat damals verschiedene Szenarien für die Energiezukunft in Deutschland betrachtet. CDU und FDP hat das nicht gereicht. Sie haben damals ein Sondergutachten zu einem nuklear-fossilen Energiemix, Frau Thoben, in Auftrag gegeben. Der Gutachter hat berechnet, dass nach dem CDU-FDP-Konzept im Jahre 2050 in Deutschland 60 Atomkraftwerke in Betrieb sein müssen. Diesen Unsinn, Frau Thoben, hat die SPD bis heute verhindert, auch in der Großen Koalition. Dabei wird und dabei muss es auch bleiben, denn sonst kommt der nächste Schritt.

(Beifall von der SPD)

Auch hier suchen CDU und FDP doch schon nach geeigneten Standorten. Ich zeige Ihnen dazu gleich eine Karte. Die Suche nach geeigneten Standorten für Atomkraftwerke in Deutschland war Bestandteil dieses Gutachtens, Herr Prof. Pinkwart,

(Der Redner zeigt das Gutachten.)

das Sie damals mit in Auftrag gegeben haben.

(Ministerin Christa Thoben: Das ist eine Frechheit!)

Aus diesem Gutachten geht hervor, welche Standorte in Nordrhein-Westfalen vorgesehen sind. Sie können einen Blick auf die Karte werfen.

(Der Redner zeigt eine Karte.)

Darauf sieht man, wie das Land mit Atomkraftwerken zugepflastert werden müsste, wenn der Vorstellung nachgegangen würde, die Sie damals in Auftrag gegeben haben.

(Ministerin Christa Thoben: Das ist eine Un- verschämtheit, Herr Römer!)

Ich gönne Ihnen das Vergnügen! In NordrheinWestfalen sind in diesem Gutachten folgende Standorte vorgesehen: Rees im Kreis Kleve, Datteln, Gelsenkirchen-Scholven, Leverkusen, Hamm, Paderborn, Würgassen, an der Landesgrenze Grohnde, Hannoversch Münden, Salzbergen. Also: Sagen Sie nicht, das alles sei eine Erfindung von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Das ist Bestandteil des von Ihnen in Auftrag gegebenen

Gutachtens und damit selbstverständlich auch von Ihnen zu verantworten.

(Christian Weisbrich [CDU]: Von wem?)

Auch dazu können Sie hier Stellung nehmen. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Römer. – Für die CDU spricht nun Herr Lienenkämper.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Kollege Römer, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie uns eben einen kleinen Einblick in Ihre Traumwelt ermöglicht haben, indem Sie gesagt haben, wir seien eigentlich schon die Koalition von gestern. Ich muss Ihnen sagen: Wenn ich wie Sie Energiepolitik von vorgestern machen würde, würde ich nicht wagen, uns als Koalition von gestern zu bezeichnen.

(Beifall von der CDU)

Sie haben mit Ihrem Antrag vorgegeben, die Position der Landesregierung und die Position der sie tragenden Fraktionen zur Zukunft der Atomkraft erfahren zu wollen.

(Heiterkeit von Ministerin Christa Thoben)