Protokoll der Sitzung vom 11.02.2009

(Heiterkeit von Ministerin Christa Thoben)

Die Position kennen Sie schon längst. Sie können sie beispielsweise in den Beschlüssen des Landesparteitages nachlesen, die Christian Weisbrich eben dankenswerterweise zitiert hat. Sie können auch, wenn Sie eine Aussage aus jüngerer Zeit haben wollen, im integrierten Energiekonzept der Landesregierung nachlesen. Sie können im integrierten Energiekonzept der CDU-Fraktion nachlesen. In all diesen Konzepten haben wir uns transparent und offen zur Zukunft der Atomenergie geäußert. Das tun wir nicht erst seit 2004, sondern auch schon vorher im sicheren Bewusstsein, dass es das richtige Konzept ist. Sie, Herr Kollege Römer, haben außer zunehmender Entfernung von den Industriearbeitern energiepolitisch nichts zu bieten.

(Widerspruch von Norbert Römer [SPD])

Sie haben als Ihren wesentlichen Grund zitiert, warum Sie am Ausstiegsbeschluss festhalten: Wir stehen zu unserer Entscheidung. – Das ist genau das Problem.

(Lachen von Svenja Schulze [SPD])

Sie stehen noch zu viel zu vielen Entscheidungen, deretwegen Sie 2005 abgewählt worden sind. Auch dieses Festhalten an diesen Entscheidungen ist falsch!

(Vereinzelt Beifall von CDU und FDP – Nor- bert Römer [SPD]: Enthusiastischer Beifall!)

Zur Energiepolitik insgesamt möchte ich Folgendes wiederholen: Es bleibt dabei, dass wir Energie wollen, die sicher ist, die sauber ist und die bezahlbar ist. Sichere Energieversorgung brauchen wir in Nordrhein-Westfalen schon deswegen, weil wir angesichts des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine gesehen haben, welche Auswirkungen Versorgungsunsicherheit auch auf dieses Land haben kann. Wir brauchen Versorgungssicherheit.

Und wir brauchen saubere Energie. Deswegen bekennen wir uns ausdrücklich zu den Zielen des Klimaschutzes. Wir haben immer wieder gesagt, dass wir den Anteil der regenerativen Energien in Nordrhein-Westfalen deutlich erhöhen müssen. Dazu liegen die Konzepte vor. Ihre Konzepte dazu habe ich bisher noch nicht gesehen.

Wenn wir Klimaschutz und CO2-Reduktion wollen, können wir nicht gleichzeitig aus der Atomkraft, aus der Braunkohle- und der Steinkohleverstromung nach dem Motto aussteigen, der Strom käme ohnehin aus der Steckdose.

Uns wurden die Anteile eben von Frau Ministerin Thoben zitiert. Wer darüber auch nur eine Sekunde nachdenkt, muss feststellen: Wenn die Braunkohle- und die Steinkohleverstromung weitergehen sollen – das wollen wir – und wenn wir gleichzeitig Klimaschutz wollen, müssen wir Technologien zur Abscheidung von CO2 entwickeln. Das geht aber in großindustriellem Maßstab ganz bestimmt nicht bis 2020, sondern das wird deutlich länger dauern.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Die ersten großindustriellen Anlagen sollen nach den Planungen von RWE und anderen erst 2020 auf den Markt kommen; und das sind schon ziemlich ambitionierte Planungen.

Wer gleichzeitig aus der Atomenergie aussteigen will, leistet weder einen Beitrag zum Klimaschutz noch zur Versorgungssicherheit. Wer Klimaschutz will, muss auch die sichere Atomenergie als Brückentechnologie wollen.

(Beifall von CDU und FDP – Widerspruch von Svenja Schulze [SPD])

Deswegen haben wir uns schon früh für die Beibehaltung von Forschungskapazitäten ausgesprochen. Es kann nicht sein, dass Deutschland als in der Atomforschung immer führend gewesen plötzlich aus der Forschung aussteigt. Wir müssen in diesem Bereich weiterhin sowohl für die ausländischen Märkte als auch für die bestehenden inländischen Atomkraftwerke forschen. Deswegen war die Entscheidung der Landesregierung völlig richtig, in Jülich den entsprechenden Lehrstuhl weiterzuführen.

Ich teile Ihnen zum Abschluss gern noch einmal unsere Position mit. Ich zitiere aus dem letzten Beschluss des Bundesparteitages – das können Sie dann hinterher im Protokoll zu dieser Sitzung nach

lesen –: Auch in Deutschland kann auf den Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung bis auf Weiteres nicht verzichtet werden, da sich ein Ausstieg entsprechend dem Ausstiegsszenario bis 2020 klimaneutral nicht bewältigen lässt. Wir streben eine Verlängerung der Laufzeiten von sicheren Kernkraftwerken an, bis neue, noch klimafreundlichere, ressourcenschonende und wirtschaftliche Energieträger in ausreichendem Umfang verfügbar sind.

Meine Damen und Herren, das ist unsere Position. Diese Position ist bekannt. Ich bedanke mich für die Gelegenheit, sie Ihnen heute noch einmal vortragen zu dürfen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Lienenkämper. – Für die FDP spricht nun Herr Dr. Papke.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Der Innovationsminister, Prof. Pinkwart, hat am Wochenende eine Debatte neu angestoßen, die für manche unangenehm sein mag, der wir uns aber in Deutschland stellen müssen. Das gilt insbesondere für das Energieland Nummer eins, also für Nordrhein-Westfalen.

Herr Kollege Römer, das ist beileibe keine Phantomdebatte. Dieser Begriff, den Sie in der Überschrift Ihres Antrags zu dieser Aktuellen Stunde verwendet haben, passt nicht zu einer Diskussion, die in Europa, in allen Staaten der Europäische Union und weltweit intensiv geführt wird. Man kann doch nicht so tun, als sei das eine Gespensterdebatte, aus der wir uns isoliert ausblenden sollten.

(Beifall von FDP und CDU – Frank Sichau [SPD]: Gespenster gibt es überall! – Gegen- rufe von CDU und FDP)

Das ist eine Form der Realitätsverdrängung, die politischer Verantwortung nicht entspricht, Herr Kollege Römer.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Dazu gehört auch – dabei passt der Begriff Phantom allerdings –, dass Sie mit irgendeinem zusammengebastelten Kartenmaterial herumfummeln, um den Menschen zu suggerieren, es gäbe Geheimpläne der Landesregierung, das ganze Land mit neuen Kernkraftwerken zu überziehen.

(Heiterkeit von Ministerin Christa Thoben)

Ich weiß nicht, ob Sie in den letzten Tagen zu tief in Ihre Harry-Potter-Bücher geschaut haben, Herr Kollege Römer.

(Norbert Römer [SPD] hält ein Dokument hoch.)

Das ist fernab einer seriösen parlamentarischen Debatte, sodass ich Sie sehr herzlich bitten möchte, diesen Weg nicht weiter zu verfolgen.

(Beifall von FDP und CDU – Norbert Römer [SPD]: Das war aus Ihrem Gutachten!)

SPD und Grüne haben große Schwierigkeiten – das ist in der Debatte deutlich geworden –, sich überhaupt den Sachargumenten zu stellen. Sie – leider auch die SPD, die sich nach einem jahrelangen Prozess den Grünen 1:1 angeschlossen hat – wollen aus ideologischen Gründen diese Debatte ausblenden, ohne die Fakten zu berücksichtigen.

(Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Ich will gerade mit Blick auf zwei Aspekte einige wenige Bemerkungen ergänzen. Wenn man die deutschen Kernkraftwerke, meine Damen und Herren, wirklich abschalten würde, wie es Rot-Grün durchgesetzt hat – das geschah nicht im Konsens mit der Industrie, sondern das war ein Diktat, wie auch jeder weiß –, würden die CO2-Emissionen um 150 Millionen t zunehmen. Das heißt, die CO2Emissionen in Deutschland würden zwischen 17 und 20 % erhöht.

Weltweit betrachtet – wenn die ganze Welt den Deutschen auf diesem Weg folgen würde, was Sie ja hoffen, meine Damen und Herren von der Opposition – ersparen die derzeit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke der Atmosphäre jährlich rund 2,5 Milliarden t CO2-Emissionen.

(Beifall von der FDP)

Man muss sich das klarmachen: Das ist fast ein Drittel der gesamten weltweiten CO2-Emissionen. Im Klartext heißt das, meine Damen und Herren: Wer die Klimakatastrophe verhindern will,

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

darf nicht zugleich CO2-freie Kernkraftwerke abschalten wollen.

(Beifall von der FDP)

Das ist ein fundamentaler logischer Widerspruch.

Herr Kollege Priggen, das ist auch die alte Lebenslüge der Grünen – ich muss Ihnen das so deutlich sagen. Sie versuchen, den Bürgerinnen und Bürgern diesen Widerspruch als stringente ökologische Politik zu verkaufen. Das lässt sich mit dem gesunden Menschenverstand und den Regeln der Logik nicht vereinbaren.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Damit können Sie vielleicht ein paar Altvordern von Ihnen aus der Traditionskompanie der „Freien Republik Wendland“ beglücken. Aber die Menschen in Deutschland kaufen Ihnen das schon lange nicht mehr ab; da können Sie sich sicher sein.

(Zurufe von Sylvia Löhrmann [GRÜNE] und Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Nein, Frau Kollegin Löhrmann, deshalb will ich das auch so deutlich sagen: Das ist ein ganz zentraler Punkt. Denn damit verabschieden sich die Grünen doch letztlich aus einer ernsthaften Ökologiedebatte.

(Beifall von der FDP – Lachen von den GRÜNEN – Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist doch wohl lächerlich!)

Herr Remmel, Sie müssen nicht gleich wieder toben.

Wenn wir uns des Themas Klimakatastrophe wirklich annehmen wollen, lautet eine seriöse Antwort: Wir können auf CO2-freie Kernenergie nicht verzichten – ob Ihnen das gefällt, Herr Kollege Remmel, oder nicht.

(Beifall von der FDP – Ralf Witzel [FDP]: So ist das!)