Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich glaube nämlich, dass es nicht das letzte Konjunkturpaket gewesen sein wird. Nach allen Erkenntnissen, die wir aus den Gesprächen in den letzten Wochen gewonnen haben, ist die Situation wesentlich dramatischer, als sie in den Beiträgen zu diesem Punkt bisher dargestellt worden ist.

Wir haben seit dem 15. September, als wir noch angenommen haben, es sei der Auftakt einer reinen Finanzmarktkrise, eine dramatische Entwicklung zu verzeichnen. Wir wissen, dass diese Krise jetzt im Frühjahr in der Realwirtschaft angekommen ist. Wir haben Gespräche mit Zulieferern aus dem Automobilbereich, mit Firmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau geführt.

Alle sagen uns, dass die Auftragslage beginnend mit Oktober/November um ca. 30 % eingebrochen ist. Diese Firmen sind mittelständisch geführt, Familienunternehmen. Sie sagten uns, sie könnten mit 30 % weniger Auftragseingängen nicht arbeiten. Sie könnten noch ein halbes Jahr durchhalten, wenn sie all das realisieren, was man an Sparprogrammen durchführen kann. Wenn aber nicht Mitte des Jahres wieder Licht am Ende des Tunnels käme, wüssten sie nicht, wie sie da durchkommen sollen.

Wir haben auch Gespräche mit großen Gewerkschaften geführt, die natürlich auch den Überblick über die Betriebe, den Maschinen- und den Anlagenbau haben. Auch von dieser Seite wird uns gesagt: Alle erwarten, dass sich die Situation Mitte des Jahres dramatisch zuspitzen wird.

Vor dem Hintergrund müssen wir sehen, was tatsächlich gemacht wird, wobei wir zwischen der Automobilindustrie und dem allgemeinen Maschinenbau trennen müssen. Wir haben in der Automobilindustrie tatsächlich eine Strukturkrise. Im allgemeinen Wirtschaftsbereich haben wir jetzt die Wirtschaftskrise so, wie sie sich in den letzten Monaten angedeutet hat. Bei den Automobilzulieferern ist uns deutlich gemacht geworden, dass wir im Automobil

bereich insgesamt Überkapazitäten in einer Größenordnung von 20 % haben.

Weil wir auch immer wieder über Opel reden: Allein Opel hat in Europa Überkapazitäten von 30 %. Das muss man ganz nüchtern zur Kenntnis nehmen. Wenn Opel 1,6 Millionen Autoeinheiten fertigen, aber nur 1,1 Millionen verkaufen kann, dann wird die Lösung nicht sein, wie uns das zurzeit vom Konzern noch vorgegaukelt wird, dass alle europäischen Werke gehalten werden können, sondern dann muss man sich dem ehrlich stellen. Das, was derzeit passiert, ist ein Stück weit auch eine Erpressung seitens der Amerikaner, um einfach an Staatsgelder zu gelangen. Da wird sehr sorgfältig geprüft werden müssen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Außerdem haben uns alle Gesprächspartner unisono gesagt: Die Abwrackprämie ist nur ein Strohfeuer. Da gibt es ja mehrere Betrachtungsweisen. Wenn ich es vernünftig betrachte, kann es eigentlich nicht richtig sein, ein neun Jahre altes heiles Auto kaputt zu machen. Ich schmeiße auch nicht gleich nach dem Vortrag das Glas hier auf den Boden, damit die Glasindustrie wieder Gläser verkaufen kann. Dahinter steckt ein Grundsatz, der eigentlich nicht in Ordnung sein kann.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt aber wird das gemacht. Die Abwrackprämie sorgt im Moment für erhöhte Verkäufe bei Kleinwagen, aber alle Gesprächspartner – Autoindustrie, Gewerkschaften – sagen: Das wird eine kurze Zeit gehen, und danach wird das Loch nur noch tiefer. – Das heißt, das wird auf lange Sicht nicht helfen. Die Autohändler, die jetzt Glück haben, stellen auch niemanden neu ein, sondern fahren die zusätzlichen Verkaufszahlen mit Überstunden.

Die Frage ist: Was von dem Konjunkturprogramm ist geeignet, um dauerhaft auch eine gewisse Sicherheit bei den Arbeitsplätzen zu schaffen? – Das Fazit ist: Die Situation spitzt sich zu und das Konjunkturprogramm soll ein Teil der Lösung sein. Der Ministerpräsident hat im Dezember noch gesagt, dass man in einer beginnenden Rezession schnell und entschlossen handeln muss.

Da will ich auch ein paar kritische Töne zu dem Konjunkturprogramm sagen: Von 50 Milliarden € sind nur 13 Milliarden € investiv. Nur 13 Milliarden € werden jetzt tatsächlich – 10 Milliarden auf die Länder, 3 Milliarden nimmt der Bund – auf die Gemeinden umverteilt. Der Innenminister hat die ganze Technik beschrieben. Ich habe keine Kritik an der Verteilung, an dem Verteilerschlüssel. Das ist für mich nicht der Punkt.

Was ich vermisse – das ist ein ganz entscheidend – sind irgendwelche eigenen additiven Elemente oder Ideen der Landesregierung,

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

wie denn in dieser konjunkturellen Krise tatsächlich vorgegangen werden soll, um Arbeitsplätze zu stabilisieren oder auch neue zu schaffen. Da kommt überhaupt nichts. Wenn uns alle Gesprächspartner sagen, dass die Situation dramatisch ist, dass diese Abwrackprämien-Strohfeuerelemente nur kurzfristig halten, müsste dies doch von der Landesregierung diskutiert, müssten Ideen in die Debatte gebracht werden, wie man das auffangen könnte. Dazu hören wir jedoch überhaupt nichts.

Wenn sich die Situation im Sommer richtig dramatisch zuspitzt – davon müssen wir ausgehen – und dieses Strohfeuer der Abwrackprämie erloschen ist, wird doch sofort die Frage kommen: Was ist mit dem Konjunkturpaket II? – Dann werden wir erste Wirkungen aus diesem Paket verspüren. Das ist gut und richtig so. Das wird in der Bauindustrie ankommen. Aber wir müssten darüber diskutieren – diese Frage zu beantworten wird uns niemand abnehmen – was wir an längerfristigen Programmen haben, um nicht nur ein Strohfeuer zu entfachen, sondern um längerfristig wirkende Maßnahmen ins Werk zu setzen.

Wir haben hier mehrfach die Frage der Gebäudesanierung diskutiert, sollten dies jedoch nicht unter dem Aspekt, dass es ein oder zwei Jahre helfen könnte, tun, denn ein solches Konjunkturprogramm hilft nicht wirklich.

Ich kann von daher nur noch einmal eine weitergehende Diskussion anbieten; ich habe auch bei den sozialdemokratischen Kollegen immer Entgegenkommen bei dieser Frage verspürt. Wir müssen es unter einem Ansatz diskutieren, den auch die Ministerin in die Diskussion eingebracht hat.

Wir sanieren derzeit 1 % der Gebäude jährlich. Wir brauchen 100 Jahre, um den Gesamtbestand zu sanieren. Die Ministerin hat 3 % jährlich vorgeschlagen und gesagt, das wären 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze – ich beziehe mich auf Ihre Zahlen in den Pressemitteilungen.

Wir meinen, wir brauchten noch einmal – ich habe das schon mehrfach vorgetragen, aber ich bleibe dabei, dass das der richtige Weg wäre – so etwas wie eine nationale Kraftanstrengung zur Gebäudesanierung. Wir müssten die Sanierungsrate vor dem konjunkturellen Hintergrund auf mindestens 4 % pro Jahr erhöhen. Das sind 150 000 neue Arbeitsplätze. Und wir müssten fraktionsübergreifend signalisieren, dass das nicht für ein oder zwei Jahre ist, sondern dass wir bereit sind, im politischen Konsens Zusagen für fünf oder zehn Jahre zu geben, damit Bauindustrie und Bauhandwerk sowie Baustofflieferanten tatsächlich Kapazitäten aufbauen und erhalten können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das wäre eine richtige Maßnahme, um das, was in der Autoindustrie unvermeidlich wegfallen wird, auszugleichen. Da sollte sich niemand etwas vormachen: Da wird ein Stück weit etwas wegfallen.

Diese Maßnahme wäre geeignet, an einer anderen Stelle etwas sinnvoll aufzubauen, zu stabilisieren und zu halten. Gerade im Bauhandwerk wäre angesichts der rückläufigen Entwicklung im Neubau – weil auch da bestimmte Investitionen nicht da sind – ein Programm über fünf oder zehn Jahre, das tatsächlich von allen getragen wird, von langfristiger Wirkung. Darüber werden wir reden müssen.

Das ändert nichts daran: Das Gesetz geht jetzt seinen Weg. Die Fraktionen werden es in den nächsten Wochen auf den Weg bringen. Aber es ändert nichts daran, dass sich uns die Frage nach weiteren Programmen und weiteren Maßnahmen in aller Dringlichkeit im Mai, im Juni in aller Schärfe stellen wird, und dann müssen wir darüber reden. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Ich habe als nächsten Redner Herrn Kollegen Börschel auf der Liste, bin aber nicht sicher, ob er noch sprechen will.

(Martin Börschel [SPD]: Nein!)

Sie wollen nicht sprechen. – Dann habe ich keine weiteren Redner mehr auf der Liste. Wir sind am Ende der Debatte.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Herr Becker will noch reden!)

Herr Becker hat sich jetzt gemeldet. Herr Becker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich melde mich insbesondere deswegen noch einmal, weil der Herr Kollege Rasche eben den Eindruck erweckt hat, die FDP wäre besonders an einer schnellen Umsetzung interessiert. – Herr Kollege Rasche, da müssen wir Ihnen, nachdem Sie die Fragen nicht beantwortet haben, die Ihnen meine Kollegin Löhrmann gestellt hat, doch noch einige Hinweise geben, wie sich die Sache wirklich verhält.

Zunächst einmal: Unsere Fraktion hat ganz ausdrücklich angeboten und im Übrigen auch beantragt, das Haushaltsverfahren für das Jahr 2009 um zwei bis drei Wochen aufzuschieben – so unser Antrag –, und zwar mit dem Ziel, dass damals bereits die Konjunkturmittel hätten eingestellt werden können und wir bedeutend früher in der Lage gewesen wären, den Kommunen die Konjunkturmittel auch vonseiten des Landes auszureichen. Das hat Ihre Fraktion – da Sie von Gemeinsamkeit geredet haben – zusammen mit der CDU abgelehnt.

Zweitens. Sie wollen jetzt eine noch stärkere Beschleunigung als die bis zum April, und zwar für ein Verfahren, in dem Sie im Rahmen eines Nachtrags

haushalts, bei dem noch ganz andere Dinge beraten werden, auch das Konjunkturprogramm beraten. Das heißt, Sie wollen sozusagen huckepack etwas draufladen, was in der Sache nicht dazugehört. Das können Sie nicht wollen, jedenfalls nicht von der Opposition. Sie können sehr wohl von uns wollen, dass wir das beschleunigen, was für die Kommunen und das Konjunkturpaket nötig ist; aber Sie können nicht von uns verlangen, dass wir hier auch alles andere im Schweinsgalopp – um das deutlich zu sagen – durchmarschieren lassen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wenn ausgerechnet die FDP, die hier in den letzten Monaten an allen Stellen, die wichtig waren, ein gemeinsames Vorgehen blockiert hat – Sie wissen ganz genau, wo Ihre Fraktion das gemacht hat, namentlich unter der Führung insbesondere der Herren Papke, Lindner und Witzel –, nun ein gemeinsames Vorgehen will, dann ist das nichts anderes als ein Treppenwitz.

Es ist natürlich auch ein Treppenwitz – das muss man ganz deutlich sagen –, wenn Sie ein Stück weit versuchen, mit einer vernünftigen Durchreichung – die Quote dessen, was Sie hier durchreichen, ist vernünftig; ich stehe nicht an, das anders zu sagen – den Eindruck zu erwecken, Sie seien – Sie haben das, glaube ich, eben auch gesagt – eine kommunalfreundliche Landesregierung.

Das ist ein absoluter Irrwitz vor dem Hintergrund, dass Sie den Kommunen in den letzten Jahren strukturell in der Tat 1,35 Milliarden € jährlich entzogen haben, dass Sie den Kommunen in der Tat einmalig fast 400 Millionen € entzogen haben und dass Sie den Kommunen obendrein Aufgaben aufgebürdet haben, die ganz erheblich sind und wo Sie nicht gemäß dem Konnexitätsprinzip die entsprechende Finanzausstattung bereitgestellt haben. Ich erinnere beispielhaft an den Streit – teilweise Klagen – im Zusammenhang mit der Verlagerung der Umweltverwaltung und der Verlagerung der Versorgungsverwaltung. Beides Fälle, wo Sie kommunalfeindlich gehandelt haben!

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, ich möchte auch ganz deutlich darauf verweisen, dass in Bezug auf die Frage, wie das jetzt mit den Nothaushaltskommunen ist, auch Licht und Schatten vorhanden sind. Es freut uns, dass Sie die Regelung zu § 82 GO, also zur vorläufigen Haushaltsführung, so interpretieren wollen, dass auch die Kommunen mit Nothaushalt die Mittel annehmen und investieren können.

Es stellt sich allerdings die Frage, was damit gemeint ist, dass die Investitionsmaßnahmen dann unzulässig sind, wenn die Folgekosten ihre Entlastungswirkungen für künftige Haushalte übersteigen. Jede und jeder, die oder der sich mit NKFHaushalten auskennt, stellt sich die Frage, ob unter Folgekosten nach dieser Definition nicht auch die

Abschreibungen zu subsumieren sind. Wenn die Abschreibungen dort zu subsumieren wären, dann hätten die Nothaushaltskommunen an dieser Stelle ein erhebliches Problem. Ich fordere die Landesregierung auf, da sehr schnell für eine Klarstellung zu sorgen – wenn wir denn tatsächlich alle zusammen daran interessiert sind, dass auch die Nothaushaltskommunen die entsprechenden Investitionen leisten können.

Ich will darauf verweisen, dass dem Innenministerium nach meiner Kenntnis inzwischen rund 15 Seiten mit Fragen aus den Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden bezüglich der Interpretation vorliegen. Natürlich ist ein Innenministerium, das kommunalfreundlich handeln würde, aufgerufen, diese Klärung sehr schnell herbeizuführen und uns alle daran teilhaben zu lassen, wie diese Klärung aussieht.

Ich will beispielhaft Fragen nennen: ob Neubauten zulässig sind, wenn sie wirtschaftlicher als eine Sanierung sind; in welchem Umfang Vorhaben freier Träger zu berücksichtigen sind; ob und welche Energieeinsparverordnungen einzuhalten sind; wie das Risiko etwaiger Rückforderungen des Bundes einzuschätzen ist, wenn die Investitionsvolumina aus der Referenzperiode 2006 bis 2008 unterschritten werden.

Meine Damen und Herren, wir sind bereit, jetzt, da Sie unseren Hinweisen, wie man das alles hätte beschleunigen können, nicht gefolgt sind, zügig die notwendigen Beratungen fortzusetzen und auch dafür zu sorgen, dass das Verfahren Anfang/Mitte April über die Bühne gegangen sein wird. Aber wir fordern Sie auf, die Fragen, die ich genannt habe, und die vielen weiteren Fragen aus den Kommunen zu klären, und zwar nicht so, wie wir das aus der Vergangenheit bei anderen Gelegenheiten von diesem Innenminister und der Kommunalaufsicht gewöhnt waren: Die Klärungen sind nämlich in der Regel kommunalfeindlich gewesen, insbesondere für die Kommunen mit Haushaltssicherungskonzept und mit Nothaushalt. Das war insbesondere für diese Kommunen immer mit besonderen Auflagen verbunden. Das darf in diesem Fall nicht sein. Darum bitten wir Sie, und dazu fordern wir Sie auf.

In diesem Sinne sind wir zu einer weiteren konstruktiven Beratung bereit. Es bedarf also nicht der Aufforderung durch die FDP. Wir fordern Sie umgekehrt auf: Lassen Sie die Spielchen, wie Sie sie in den letzten Monaten gemacht haben!

(Zurufe von CDU und GRÜNEN)

Da jetzt noch Zwischenrufe kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich auch noch Folgendes sagen: Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte das Land im letzten Jahr einen Aufschlag gemacht. Dann hätten Sie in diesem Jahr mit dem Haushalt 2009 die Dinge auf den Weg bringen können. Das alles haben Sie nicht gemacht. Insofern sitzen Sie

im Glashaus und werfen in die falsche Richtung mit Steinen.