Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

im Glashaus und werfen in die falsche Richtung mit Steinen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Wir kommen zur Abstimmung. Nach der Vereinbarung der Fraktionen soll der Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/8644 an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie überwiesen werden. Wer stimmt der Überweisung zu? – Wer ist dagegen? – Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen.

Wir kommen zu:

3 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit den Europawahlen (KWahlZG)

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8652

erste Lesung

In Verbindung mit:

Verfassung achten – Mehr Demokratie wagen!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8645

Und:

Kommunalwahlzusammenlegungsgesetz verfassungswidrig und nichtig – Innenminister Wolf muss politische Verantwortung übernehmen!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8662

Sowie:

Kommunalwahl durch eigenständigen Wahltermin am 30. August 2009 aufwerten

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/8670

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD der Vorsitzenden Kraft das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Kraft.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! SPD und Grüne haben heute eine Sondersitzung beantragt. Anlass ist das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen zum Termin der Kommunalwahl.

So etwas haben wir in Nordrhein-Westfalen noch nicht erlebt: Ein Landesgesetz wird in einem zentralen Punkt für nichtig erklärt, weil das Demokratieprinzip verletzt wird. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der zweite Anlass ist, dass Sie, Landesregierung und die sie tragende Koalition, die Absicht haben, das Urteil zu ignorieren und weiter zu tricksen. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, meine Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Schauen wir noch mal genau hin! Ursprünglich war der Termin für die Kommunalwahl von Ihnen, Herr Minister, für Anfang Juni angesetzt. Das wären zwischen der Wahl und dem Amtsantritt derjenigen, die gewählt worden wären, viereinhalb Monate gewesen. Das hat der Verfassungsgerichtshof aus gutem Grunde untersagt. Jetzt wollen Sie allen Ernstes die Wahl zwei Wochen nach den Sommerferien und vier Wochen vor der Bundestagswahl an einem separaten Termin, am 30. August, durchführen, wissend und in Kauf nehmend, dass dadurch die Wahlbeteiligung nach unten geht, und wissend und in Kauf nehmend, dass das 42 Millionen € Mehrkosten verursachen wird. Meine Damen und Herren, das geht nicht!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Diese Zahl, die Sie sicherlich gleich angreifen werden, hat der Steuerzahlerbund genannt und ist auch interessanterweise von Ihnen in der Anhörung beim Verfassungsgericht angeführt worden. In Vertretung war dort Frau van Dinther. Sie haben diese Zahl selbst genannt.

Wahlrechtsfragen sind immer besonders sensible Fragen. Parteien, Regierung und Fraktionen werden zu Recht aufmerksam beobachtet und sollten sorgfältig prüfen und begründen. Deshalb hatten wir in Nordrhein-Westfalen eine gute, eine lange Tradition, solche Entscheidungen nach Möglichkeit im Konsens zwischen Opposition und Regierung herbeizu

führen. Uns ist das bei der Einteilung der Landtagswahlkreise gerade gelungen. Bei allen Fragen des Kommunalwahlrechts dagegen sind Sie im Alleingang und im Konflikt mit der Opposition vorweg marschiert. Da waren die Abschaffung der Stichwahl, die Wiedereinführung der Sperrklausel, die Sie nicht wollen, und das Vorziehen des Kommunalwahltermins. Das zeigt, dass Sie den Konsens mit uns überhaupt nicht gesucht haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs ist richtungsweisend. Ich wünsche mir, dass die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung eine politische Einsichtsfähigkeit entwickeln und die Bedeutung des Urteils anerkennen. Herr Stahl, ich hätte mir auch gewünscht, Sie hätten mit Ihrer Reaktion zunächst die Begründung des Urteils abgewartet. Ich fand es unangemessen, wie Sie das Gericht kritisiert haben.

(Beifall von SPD, GRÜNEN und Rüdiger Sa- gel [fraktionslos])

Die Begründung hätte Ihnen Anlass geben müssen, über eigene Fehler nachzudenken. Stattdessen war Ihre Stellungnahme von Selbstgerechtigkeit geprägt. Nicht nur deshalb hat Bert Gerhards vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ gestern „Arroganz der Macht“ getitelt. – Das ist dabei zum Ausdruck gekommen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wahltermine darf man nicht zum Spielball parteipolitischer Interessen machen, besonders nicht in dieser Zeit. Herr Kollege Wüst, damit wende ich mich ganz bewusst an Sie. Ihre Kritik, dass wir uns in dieser Wirtschaftskrise ausgerechnet nur mit Wahlterminen beschäftigen, weise ich zurück. Wer auch nur den Verdacht nährt, er wolle das Wahlrecht manipulieren, setzt das Vertrauen der Menschen in die Demokratie aufs Spiel. Das passiert hier, Herr Kollege Wüst. Aber das haben Sie in Ihrer politischen Tradition offensichtlich noch gar nicht begriffen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wenn das Vertrauen in Demokratie weiter absinkt, Herr Kollege Wüst, darf das nicht von dem, was sich im Moment an Vertrauenskrise auf den Weltmärkten abspielt, getrennt werden. Sie wollen dieses Vertrauen weiter unterminieren, und das werden wir nicht zulassen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Franz Müntefering hat recht; er hat am Wochenende von Beugung der Demokratie gesprochen. Die Äußerungen aus Ihren Kreisen bestätigen das. Zum Beispiel sagt interessanterweise der FDPVorsitzende aus Bochum in „Ruhrnachrichten.de“ vom 24. Februar – ich zitiere –:

Bei drei Wahlen in einem Jahr werden die Bürger müde sein. Hierdurch sind die kleineren Parteien in der Vergangenheit immer begünstigt worden.

Herr Innenminister, sagen Sie hier und heute: Geht es Ihnen darum, oder um was geht es Ihnen mit diesem Wahltermin, den außer Ihnen keiner will – außer den Herren, die hier vorne sitzen?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ich habe heute Morgen beim Amtseid des Kollegen Lienenkämper gut zugehört:

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ich auch!)

Ich schwöre, dass ich meine ganze Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten werde.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das hat er heute Morgen geschworen. So haben Sie alle Ihren Amtseid abgelegt.

Umfragen, Berichte und Kommentare sprechen eine deutliche Sprache. Sie sind erkannt. Es wird erkannt, dass Sie getrickst haben. Schauen Sie sich die Umfragen genau an! Nehmen wir die des WDR: 68 % der Menschen in diesem Land sind dafür, beide Wahlen zusammenzulegen. Interessant ist doch der Blick darauf, was CDU-Anhänger und FDP-Anhänger davon halten. Bei der CDU sind es 67%, Herr Vorsitzender, Herr Ministerpräsident Dr. Rüttgers, und bei der FDP sogar 73 %, die das wollen. Folgen Sie doch denen, die Sie parteipolitisch unterstützen, und kehren Sie endlich in dieser Frage um!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Der Verfassungsgerichtshof hat einen Weg gewiesen. Sie müssten in die Begründung schauen. Er hat das, was Sie in der Begründung in Bezug auf die Zusammenlegung der Wahlen angegeben hatten, dass dadurch die Wahlbeteiligung ansteigen kann, ausdrücklich positiv gewürdigt. Ihre Argumentation wird übernommen.

Ich zitiere noch einmal aus Ihrem Gesetzentwurf aus dem Jahre 2008:

Ein dritter Wahltermin im Jahr 2009 nach der Sommerpause ausschließlich für die allgemeinen Kommunalwahlen, zusätzlich zur Europawahl und zur Bundestagswahl birgt die Gefahr einer für die Demokratie unerfreulich geringen Wahlbeteiligung und ist wegen der damit verbundenen zusätzlichen Belastungen nicht vertretbar.