Das ist das, was ich Ihnen vorwerfe. Insoweit ist das, was Sie heute veranstalten, wieder einmal nichts anderes als ein Beispiel dafür, dass es Ihnen um Ideologie geht und nicht um die Kinder.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fand es wirklich schön zu erleben, in welch bestechender Offenheit Frau Schäfer und Frau Beer deutlich gemacht haben, wie sie dieses Thema ideologisch weiter reiten wollen.
Dabei geht es immer wieder um dasselbe Thema ohne neue Erkenntnisse. Sie betreiben die Reideologisierung der Bildungspolitik und niemand sonst.
Deshalb ist es doch ganz schön, sich die Zahlen in der Praxis anzuschauen. Ich habe mir die Entwicklung in meinem Wahlkreis angesehen, in meiner Stadt Essen mit immerhin 600.000 Einwohnern.
In dieser Stadt gab es beim Anmeldetermin vor zwei Jahren zum Schuljahr 2007/2008 1.557 Anmeldungen, im Schuljahr 2008/2009 1.482 Anmeldungen und aktuell für das Schuljahr 2009/2010 1.428 Anmeldungen. Diese rückläufige Entwicklung,
die die „Neue Ruhr Zeitung“ zu Recht mit dem Titel „Gesamtschule weniger gefragt“ bezeichnet, kann man nicht unmittelbar als den großen Boom interpretieren.
(Sören Link [SPD]: Sie haben doch über- haupt keinen Wahlkreis, Herr Witzel! – Achim Tüttenberg [SPD]: Wie viele Prozent haben Sie denn in Ihrem Wahlkreis bekommen?)
71 – das Ganze bei einer Plankapazität von 145 Plätzen. Nicht einmal jeder zweite Platz an dieser Gesamtschule kann überhaupt von dem von Ihnen vielfach beschriebenen Elternwillen her besetzt werden. Über Maßnahmen der Schulverwaltung werden Kinder aus dem gesamten Ruhrgebiet an diese Gesamtschule gekarrt, die ansonsten ihre Kapazitäten verfallen lässt, damit wenigstens noch ein Teil der Plankapazität aufgefüllt werden kann. Damit kommt man zwar nicht auf die vorgesehenen 145 Schüler, die in der Schulentwicklungsplanung vorgesehen sind, schafft es aber vielleicht gerade so in den dreistelligen Bereich. Diese Realitäten gibt es in diesem Land auch, wenn man sich einmal differenziert damit beschäftigt.
Ungeachtet dessen ist richtig, dass es in dieser Legislaturperiode schulrechtlich die Möglichkeit zur Einrichtung weiterer Gesamtschulen gibt. Sie kennen die Beschlussfassung als Willensbildung innerhalb der FDP, das für die nächste Legislaturperiode nicht mehr vorzusehen. Wenn das Frau Beer inspiriert, hier über niedersächsische Modelle zu reden,
die Christian Wulff dort schulrechtlich entwickelt hat, können wir das gerne für zukünftige Legislaturperioden diskutieren. Wir halten Wort: Für die laufende Legislaturperiode besteht für alle Schulformen die Möglichkeit zu Neugründungen.
mit der Sie diese Diskussion hier verbinden, frei nach dem Motto: Wenn Arbeitgeber wenig Interesse an der Beschäftigung von Gesamtschülern haben, müssen wir wenigstens als Landtagsopposition ein bisschen der Schulform huldigen. Sie sollten sich eigentlich mit der Frage beschäftigen, wie die Qualität der Ausbildung aussieht und welche Chancen die Schüler nachher haben. Schauen Sie sich bitte auch bei Ihnen vor Ort, in Ihren Wahlkreisen, einmal an, wie die Quoten des Übertritts in weitere Bildungsgänge und in den Arbeitsmarkt aussehen!
Betrachtet man die Seite der Abgänger, die Abschlüsse an Gesamtschulen machen, kommt man zu einem ganz anders gearteten Bild, wenn man im Interesse der Schüler argumentiert, sicherlich aber nicht zu der Auffassung, dass die Gesamtschule vom Kind mit Lernbehinderungen bis zum Hochbegabten automatisch als Einheitsschule für alle der beste Förderort ist, so wie in Ihrer Vorstellung. Dafür spricht schulpädagogisch in der Tat nichts.
Sie haben sich Hoffnungen gemacht: Die Regierung hat gesagt, dass Gesamtschüler leistungsschwächer sind. Deshalb wird das Abitur dort auch zukünftig erst nach 13 Jahren abgelegt. Es müsste nun
also einen Run auf die Gesamtschulen geben. – Das hat sich aber nicht bewahrheitet: Es gibt keinerlei wachsenden Überhang, sondern einen Rückgang. Vor allem haben wir auch keinen Einbruch bei den Anmeldungen zum Gymnasium.
Insofern gibt es keine Gymnasialflucht in NordrheinWestfalen und keinen Grund zur Beunruhigung. Wir werden die Schulpolitik für ein differenziertes Bildungswesen mit unterschiedlichen Bildungsgängen in diesem Land auch zukünftig so gestalten, wie wir das bislang getan haben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Laschet, ich danke für die freundliche Replik und möchte nur nachtragen, was man Ihnen nicht aufgeschrieben hat: Seit 2005 gibt es in mittlerweile über 30 Kommunen die ernsthafte Diskussion über die Neueinrichtung von Gesamtschulen. Das hat etwas mit der schwarz-gelben Bildungspolitik zu tun. Denn sie hat das deutlich darauf fokussiert.
Kinder verdienen Förderung. Das haben Sie zu Recht gesagt. Es geht um die Kinder. Deswegen wollte ich Ihnen die zusätzliche Frage stellen, Herr Laschet: Wie interpretieren Sie denn, dass die Kinder, die eine Hauptschulempfehlung bekommen und bestimmte Lernbedarfe haben, einen Ganztagszuschlag erhalten, wenn sie an einer Hauptschule angemeldet werden, nicht aber an einer neu gegründeten Gesamtschule?
Herr Stahl, ich finde es sehr gut, dass Sie persönlich Ihre Kinder an einer Gesamtschule in Bonn haben unterbringen können, die den zweiten Platz beim Deutschen Schulpreis belegt hat, und zwar unter anderem wegen der Inklusion des gemeinsamen Unterrichts und ihrer Leistungsfähigkeit. Sie waren schön mit dabei.
Sie haben überhaupt keine Antwort darauf gegeben, wie es im Land zum Beispiel mit der unterschiedlichen Verteilung der Schulformübergänge aussieht. Sie haben verschwiegen, dass wir in Bonn und Aachen längst Schulformempfehlungen zum Gymnasium von über 50 % und manchmal bis zu 60 % haben. Hier gibt es schon ganz andere Maßgrößen, und jetzt wollen Sie den Gesamtschulen wieder den Schwarzen Peter in die Schuhe schieben. Dazu haben Sie sich überhaupt nicht geäußert.
Ich finde es auch wirklich unverschämt – das muss ich deutlich sagen –, den Gesamtschulleitungen den Schwarzen Peter zuzuschieben und ihnen zu unterstellen, sie benachteiligten Kinder in diesem Land. Denn genau die Aufnahmeverfahren an Gesamtschulen werden wie kein anderes Schulaufnahmeverfahren gerichtlich und von der Schulaufsicht überprüft, ob alles nach den entsprechenden Kriterien passiert, weil sich viele Eltern nach Ablehnung einklagen wollen. Das sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen.
Ich sage Ihnen noch einmal genau, was passiert. Warum sollen die Gesamtschulen überproportional zu dem Schnitt …