Nun wird klar, dass hier wieder einmal der marktradikale Schwanz mit dem christdemokratischen Hund wedelt.
Was sagt eigentlich der selbsternannte Arbeiterführer dazu? Nachdem er dem Koalitionspartner schon auf dem CDU-Landesparteitag die Leviten gelesen hat, könnte er doch auch einmal den Unterschied zwischen dem Ordoliberalismus der Freiburger Schule und dem Wirtschaftsmodell der heutigen sogenannten Liberalen erläutern.
Meine Damen und Herren, dieser Antrag leistet weder einen Beitrag zur Problemanalyse, noch trägt er zur Lösung bei. Gut, dass er direkt abgestimmt wird! Die SPD wird nicht zustimmen. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Dr. Bovermann. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Beer das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bovermann, vielen Dank dafür, dass Sie schon explizit beschrieben haben, wo der Ursprung dieses Antrages liegt, und seine Genese ein wenig erhellt haben.
Lassen Sie mich mit einem Wort von Johannes Rau beginnen. Da sich unser Ministerpräsident gerne als Kopie von Johannes Rau versucht, möchte ich ihm dieses Zitat mit an die Hand geben. In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 14./15. Januar 2005 wurde Johannes Rau wie folgt zitiert:
Eine Gesellschaft, die alle Lebensbeziehungen den Gesetzen des Marktes unterwirft, trägt Anzeichen von totalitärer Ideologie, die lebensgefährlich ist für den Staat.
Ich will sehr deutlich erklären, dass dieser Antrag eine falsche Zielrichtung hat. Bevor Sie uns hier etwas zum Thema „soziale Marktwirtschaft“ vorführen, sollten wir doch mehr darüber debattieren – diese Diskussion sollte auch in den Schulen stattfinden –, welchen Stellenwert die soziale Marktwirtschaft beim Handeln von Unternehmen überhaupt spielt und wie sie durch Spitzenfunktionäre in Banken und Wirtschaft ausgehöhlt wird.
Angesichts der Auswirkungen der Finanzkrise, die viele Bürgerinnen und Bürger empfindlich trifft, weil sich ihre Rücklagen durch hoch risikobelastete Finanzprodukte in Luft aufgelöst haben, beantragen Sie nicht etwa, hier über die Auswirkungen des Neoliberalismus und die Auswirkungen der Finanzkrise auf Wirtschaft und Arbeit zu diskutieren.
bei der Zulassung von Lernmitteln der gesellschaftswissenschaftlichen Schulfächer auf die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge – unter Einbeziehung der privaten Eigenvorsorge und des Verbraucherschutzes – zu achten, …
Die private Eigenvorsorge wird neben dem Verbraucherschutz als einziger herausgehobener Punkt dargestellt.
Gegen private Eigenvorsorge ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden. Ihre Alleinstellung und Herausgehobenheit zeigt aber, dass es offensichtlich nicht um eine objektive Darstellung wirtschaftlicher Zusammenhänge gehen soll; denn dann müsste die private Vorsorge auch problematisiert werden.
Wegen einer fehlenden solidarischen Vorsorge und dank einer alleinigen privaten Vorsorge haben in den USA Hunderttausende ältere Menschen ihre Altersvorsorge verloren. Vielen wenig betuchten Menschen – und das werden nach der Weltwirtschaftskrise viel mehr sein als heute –
haben eben nicht die Möglichkeit, privat vorzusorgen. Sollen diese Menschen dann durchs Rost fallen?
Dieser Antrag ist auch in der Tat überflüssig. Denn wir haben hier am 28.05.2008 einen gemeinsamen fraktionsübergreifenden Antrag beschlossen, um die Ernährung- und Verbraucherbildung in den Schulen zu stärken. Das Ministerium hat jedoch seine Hausaufgaben bisher leider nicht gemacht.
In diesem Antrag haben wir auch festgelegt, dass das in der Zusammenarbeit mit der universitären Lehrerausbildung passieren soll. Dazu gibt es einen Standort in Nordrhein-Westfalen. Das ist die Universität Paderborn, die im Übrigen in Kooperation mit dem Ministerium von Herrn Uhlenberg einiges zum Thema „finanzielle Allgemeinbildung“ beiträgt.
In den Bildungszielen und Kompetenzen der Ernährungs- und Verbraucherbildung wird sehr genau ausgeführt, worum es eigentlich geht: Die Schülerinnen und Schüler entwickeln ein persönliches Ressourcenmanagement und sind in der Lage, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Und vor allen Dingen gestalten sie ihre eigene Konsumentenrolle, reflektiert in rechtlichen Zusammenhängen, und dazu gehört dann auch, Verbraucherrechte und -pflichten kennen und bewerten zu können, sie situationsgerecht anwenden zu können, Informationen und Angebote von Institutionen beschaffen, bewerten und kritisch nutzen zu können.
Wenn Sie auf zuverlässige Materialen zurückgreifen wollen – Schulbücher sind gerade hinsichtlich dieses Themas nicht auf dem aktuellen Stand –, dann nehmen Sie doch bitte die Materialien der Verbraucherzentralen an die Hand. Darin werden Sie diese Zusammenhänge der finanziellen Allgemeinbildung auch übersichtlich und entsprechend gut aufbereitet finden.
Darüber hinaus ist es im Augenblick sehr wichtig, in die Zeitungen hineinzuschauen. Die aktuellen Zeitungsartikel bieten nämlich zentrale Anlässe, kritisch über die Zusammenhänge von Marktwirtschaft, von Finanzströmen und von wirtschaftlichen Auswirkungen zu reden.
All das wollen Sie aber nicht. Es ist ein einseitig motivierter Antrag. Wo er hergeleitet ist, haben wir eben gehört. Wir können diesem Antrag so nicht zustimmen. Bitte sorgen Sie besser dafür, dass das Schulministerium endlich seine Hausaufgaben macht. Wir haben einen fundierten gemeinsamen Antrag verabschiedet. Seit einem Dreivierteljahr liegt dieser weiter auf Eis. Wenn dieser Antrag endlich umgesetzt würde, dann hätten wir eine vernünftige finanzielle Allgemeinbildung und ökonomische Bildung, die sich sehen lassen könnte.
Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Als nächster Redner hat Herr Minister Laschet für die Landesregierung das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf auch bei diesem Punkt Frau Schulministerin Sommer vertreten. Während ich gerade der Debatte zugehört habe, habe ich einmal nachgeschaut, ob ich überhaupt den richtigen Antrag in der Mappe hatte. Hier regen zwei Fraktionen an, Zusammenhänge der sozialen Marktwirtschaft stärker in Schulen zu erörtern, unternehmerisches Denken auch in Schulen mit zu vermitteln, und daraus entsteht eine Debatte über Neoliberalismus, über Freiburger Schule, über die Frage, was der Arbeiterführer dazu sagt. Man problematisiert …
Herr Remmel, Sie müssen doch nicht direkt, wenn man das Wort „private Eigenvorsorge“ erwähnt, aus der Hose springen. Das ist eine Grundlage der sozialen Marktwirtschaft.
In dem Antrag steht: Die Schulen sollen über private Eigenvorsorge informieren. – Und hier schreien die Leute nach dem Arbeiterführer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPDFraktion, stellen Sie doch die Tassen wieder in den Schrank, und bleiben Sie bei dem Antrag, anstatt hier solche Scheindebatten zu führen.
Jetzt darf ich Ihnen vortragen, was das Schulministerium bereits zu dem Thema, das hier von den beiden Fraktionen angeregt worden ist, unternommen hat:
Die Vermittlung wirtschaftlicher Kompetenz ist eine wesentliche Aufgabe unserer Schulen, und in dieser Legislaturperiode ist dazu einiges erreicht worden. Das fängt in der Grundschule an: Grundschülerinnen und Grundschüler untersuchen zum Beispiel, wie Werbung ihre eigenen Konsumwünsche beeinflusst. Das ist eine ganz wichtige Frage, die auf den neuen Lehrplänen im Sachunterricht steht.
Im neuen Lehrplan Politik/Wirtschaft für das Gymnasium gibt es das Inhaltsfeld „Chancen und Probleme der Industrialisierung und Globalisierung“. Die Finanzkrise zeigt, wie aktuell dieses Thema ist. Der Lehrplan für das Fach Sozialwissenschaft in der Sekundarstufe II verpflichtet die Gymnasien und Gesamtschulen dazu, das Thema Marktwirtschaft in seiner ganzen Breite zu behandeln, vom Privateigentum über den Wettbewerb als Ordnungselement
Die ökonomische Bildung ist in den Schulen in Nordrhein-Westfalen fest verankert, und unsere Schulbücher nehmen diese Inhalte auf. Eine aktuelle Untersuchung zum Thema Wirtschaft und Unternehmer in deutschen, englischen und schwedischen Schulbüchern hat festgestellt, dass das Thema breite Berücksichtigung findet. Und die verbreitete Vorannahme, Marktwirtschaft und Unternehmertum würden dabei generell negativ dargestellt, hat sich nicht bestätigt.
Über 60 % der weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen haben bereits eine Partnerschaft mit einem oder mehreren Unternehmen geschlossen. Das Schulministerium und das Wirtschaftsministerium haben 2006 das Projekt „Wir wollen: Wirtschaft für Schule in NRW“ auf den Weg gebracht, und an immer mehr Schulen gründen Schülerinnen und Schüler eine eigene Schülerfirma.
Die Berufsorientierung haben wir 2007 insgesamt neu aufgestellt. Das neue Rahmenkonzept des Ausbildungskonsenses versteht die Berufsorientierung als Bestandteil einer individuellen schulischen Förderung. Schüler- und Lehrerbetriebspraktika zum Beispiel vermitteln jetzt ein zeitgemäßes Verständnis von Arbeitswelt und Unternehmertum.