Daher muss es auch aus dem Berufsleben heraus verstärkt möglich sein, sich durch ein Universitätsstudium oder Fachhochschulstudium weiterzuqualifizieren. Die in den 70er-Jahren postulierte „Illusion der Chancengleichheit“ besteht allerdings noch immer. Sie wird auch eine Illusion bleiben, je mehr diese Landesregierung an Selektion und an der Verhinderung von Durchlässigkeit im Schulsystem festhält.
Die Ziele der 70er-Jahre haben an Aktualität nichts verloren. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang drei zentrale Kernforderungen meiner Fraktion zur Hochschulpolitik ansprechen:
Erstens. Wir müssen die Bildungspotenziale bildungsferner Schichten stärker mobilisieren. Nordrhein-Westfalen steht bei der Partizipation von Kindern aus bildungsfernen und einkommensschwachen Elternhäusern an der Hochschulbildung besser da als der Bundesdurchschnitt. NordrheinWestfalen nimmt hier auch dank 39 Jahren SPDRegierung
Aber auch in Nordrhein-Westfalen muss dieser Anteil noch weiter gesteigert werden, um insgesamt dem Mangel an akademischem Nachwuchs zu begegnen. Auch im nordrhein-westfälischen Bildungssystem müssen die sozialen Schranken endlich beseitigt werden, um noch mehr Bildungspotenziale zu mobilisieren.
Zweitens. Wir brauchen mehr Chancengleichheit, denn der familiäre Hintergrund hat wieder entscheidendere Auswirkungen auf den Bildungsweg junger Menschen gewonnen. Mit einem Anteil von 15 % aus den sogenannten bildungsfernen Schichten an der Zahl aller Studierenden in Nordrhein-Westfalen ist diese in der Bevölkerung wesentlich stärker vertretene Gruppe in der Studierendenschaft immer noch die absolute Minderheit. Bildungschancen
Immer noch bestehende soziale und finanzielle Zugangshürden im Hochschulsystem müssen abgebaut werden. Chancengleichheit betrifft insbesondere die Studiengebühren.
Drittens. Wir brauchen eine sichere Studienfinanzierung. Studienerfolg hängt in erster Linie von gesicherter Studienfinanzierung ab. Dies gilt umso mehr, wenn man die Hochschulen auch für Studieninteressierte mit beruflicher Qualifikationsvoraussetzung öffnet.
Ich möchte an dieser Stelle darauf verweisen, dass Studienabbruch, Fachwechsel und Studienunterbrechung häufig weniger mit Orientierungsproblemen, als vielmehr mit fehlender Absicherung der Studienfinanzierung zusammenhängen. Die Erhöhung des BAföG auf Bundesebene war deshalb schon der richtige Schritt in die richtige Richtung.
Gerade auf diesem früher „zweiter Bildungsweg“ genannten Weg werden besonders viele der in Deutschland dringend benötigten Fachkräfte, Ingenieurinnen und Ingenieure, ausgebildet. NordrheinWestfalen war bundesweit bei Angeboten, den Erwerb der Hochschulreife mit beruflicher Bildung zu synchronisieren, immer führend. Um diese Stellung auszubauen, müssen die Hochschulen noch stärker geöffnet werden.
Heute gibt es einen entscheidenden Unterschied zu den 70er-Jahren: Bildungsreformen sind keine Frage der Ideologie. Der Grund lässt sich in einem Wort ausdrücken: PISA. Auch konservative Teile unserer Gesellschaft – ich rede bewusst nicht von Parteien – haben erkannt, dass das Bildungswesen in Deutschland insgesamt reformiert und sozial geöffnet werden muss. Das ist keine reine Menschenliebe; vielmehr sind die sozialen Folgen des Ausschlusses ganzer Bevölkerungsschichten für die Zukunft unseres Gemeinwesens schlicht nicht mehr tragbar.
Dieser Ausschluss hat auf dem Arbeitsmarkt bereits zu einem erheblichen Fachkräftemangel geführt. Fachkräftemangel ist auch bei unserem Antrag das entscheidende Stichwort. Es sollte auch die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen bewegen, mehr zu tun. Was wir brauchen, ist eine klare Regelung, wie wir die Hochschulen in NordrheinWestfalen insgesamt sozial noch stärker öffnen und wie wir insbesondere die Durchlässigkeit zwischen Beruf und Hochschule erhöhen können.
Dazu müssen wir Akteure aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Hochschulen, Schulen und der Ausbildung an einen Tisch holen. Das wollen wir gerne
gemeinsam mit Ihnen tun. Der jüngste Beschluss der Kultusministerkonferenz deutet auch darauf hin, dass hier im Grundsatz Einigkeit besteht.
Deshalb kündige ich zum Abschluss für meine Fraktion schon einmal an, dass wir im Landtag zu diesem Thema eine Anhörung beantragen werden, die dazu dienen soll, diese grundsätzliche Übereinstimmung für die Menschen in unserem Lande in konkrete Ergebnisse umzumünzen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Weckmann, so oft, wie Sie die 70er-Jahre erwähnt haben – ich glaube, es war mindestens sieben Mal in Ihrer Rede –, so oft, wie Sie auf die 70er-Jahre rekurrieren, wird klar, dass Sie mit Sehnsucht auf die 70er-Jahre zurückblicken.
Sie verkennen dabei, dass die Probleme der 70erJahre völlig andere waren als die Probleme heutzutage,
geschweige denn von den Lösungsinstrumenten her, die auch völlig andere sind und die Sie gerne verschweigen.
Es ist schon bemerkenswert, Herr Weckmann, Frau Altenkamp, dass Sie nach einer langen Zeit, in der Sie die Regierungsverantwortung in NordrheinWestfalen mitgetragen haben, wieder einmal Entwicklungen beklagen,
an denen Sie gut und gern viele Jahre konstruktiv zur Lösung hätten beitragen können. Jetzt legen Sie uns Antrag um Antrag vor.
Wir haben in diesem Haus an verschiedenen Stellen schon intensiv über die Frage der Durchlässigkeit des Bildungssystems und darüber diskutiert, wie hoch der Stellenwert der Durchlässigkeit ist. Ich denke, darüber sind wir uns einig.
Fachhochschullandschaft, den Sie massiv bekämpfen, wobei Sie Anhörungen initiieren, um den Fachhochschulausbau noch zu diskreditieren, erfolgreich vorangetrieben. Die 11.000 neuen Studienplätze bringen Studierenden auch aus den Gruppen, die Sie ansprechen wollen, real etwas.
Auffällig ist auch, dass die Forderungen in Ihrem Antrag einer tatsächlichen Grundlage entbehren. Es ist Tatsache, dass bereits jetzt schon beruflich Qualifizierte an den Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen willkommen sind. Es ist Fakt, dass sie in Nordrhein-Westfalen fast jedes Hochschulstudium aufnehmen können.
Meisterinnen und Meister, Fachwirte und Fachkaufleute können zum Beispiel ohne weitere Prüfung an einer Fachhochschule studieren. Auch die Anrechnung beruflicher Kompetenzen ist bereits möglich. Studieninteressierte mit beruflicher Vorbildung können sich ihre Kenntnisse im Rahmen einer Einstufungsprüfung anrechnen lassen. Wir alle, die mal eine Ausbildung, eine Lehre gemacht haben und dann studierten, wissen, dass dort Scheine anerkannt werden. Im Übrigen gab es vor den Ärztekammern die „Ankomm-Projekte“, wo genau die ECTS-Punkte evaluiert worden sind, die man auf eine Ausbildung anrechnen kann.
Ich habe bei den ganzen Hearings von Ihrer Fraktion niemanden gesehen, aber die Debatte läuft in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus breit in der Gesellschaft. Zugegebenermaßen passiert dort noch wenig, vielleicht auch zu wenig – das ist ja richtig –, aber es gehört natürlich zur Ehrlichkeit der Debatte, zu sagen, dass sich jemand, der einen ordentlichen Hochschulabschluss erreichen will, auch den Anforderungen in voller Breite stellen muss.
Weil Sie in Ihrem Antrag immer wieder die alte Leier gegen die Studienbeiträge anstimmen, möchte ich an dieser Stelle noch einmal sagen: Die Pauschalunterstellung, dass Studierwillige durch Studienbeiträge vom Studium abgehalten werden, ist nicht zutreffend und lässt sich real und empirisch auch nicht halten.
Die amtliche Statistik belegt schließlich steigende und keine sinkenden Studienanfängerzahler, wie Sie gerne in der Presse suggerieren. Das machen Sie an verschiedenen Stellen. Die Wahrheit ist anders. Sie behaupten, dass der Aufwuchs größer sein müsste, aber wir haben real einen Aufwuchs an Studienanfängern. Das können Sie nicht bestreiten.
Dazu trägt bei, das Nordrhein-Westfalen – auch das ärgert Sie – ein sozialverträgliches Studienbeitragsmodell ausgearbeitet hat und im Grunde – das wissen Sie – Studenten im Nachhinein nicht vom
Geldbeutel der Eltern, sondern von ihrer eigenen Leistungsfähigkeit abhängig sind, weil die Rückzahlung dem entspricht, was jemand nachher verdient.
Liebe Abgeordnete der SPD, ich komme zum Schluss, weil ich den Ausführungen des Präsidenten an dieser Stelle folgen will.
Die von Ihnen im Antrag aufgeführten Forderungen sind zum großen Teil bereits nordrhein-westfälische Realität.