Auch dieser letzte Entwurf erreichte das Ziel der Verkündung nicht. Das mag auch daran gelegen haben, dass den Ländern im Zuge der Föderalismusreform durch die Änderung von Art. 74 des Grundgesetzes vom 28. August 2006 das Recht zur Regelung des Strafvollzuges übertragen worden ist.
Dem Bund verblieb danach gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Kompetenz zur Regelung des gerichtlichen Verfahrens, jedoch ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs.
Dadurch ist der aus inhaltlicher Sicht zusammengehörende Gesamtkomplex der Untersuchungshaft in zwei Blöcke mit getrennten Gesetzgebungszuständigkeiten aufgespalten worden. Der Bund regelt das Untersuchungshaftrecht, das heißt das Ob der Inhaftierung und Beschränkungen, die zur Abwehr von Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich sind. Die Länder regeln das Wie der gerichtlich angeordneten Untersuchungshaft, das heißt Unterbringung, Verpflegung, Arbeit und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt.
Die Bundesregierung hat inzwischen beinahe zeitgleich den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Untersuchungshaftrechtes vorgelegt, der – das sage ich nicht ohne eine gewisse Befriedigung – die Rechtsgrundlagen und Rechtspositionen des hier vorgestellten Entwurfs nicht nur bestätigt, sondern in wesentlichen Teilen ergänzt. Das gilt zum Beispiel für die danach auch vorgesehene Verpflichtung der insoweit zuständigen Staatsanwaltschaften und Gerichte zur Zusammenarbeit und zum Austausch von Informationen mit den Vollzugsanstalten.
Ein solches für die gesetzmäßige Durchführung und Ausgestaltung der Untersuchungshaft unverzichtbares Miteinander der beteiligten Justizorgane konnte der Landesgesetzgeber nur unvollständig, das heißt nur für die Leitungen der Anstalten unseres Bundeslandes verpflichtend regeln. Entsprechend und im Einklang mit dieser durch die Änderung des Grundgesetzes entstandenen Rechtslage regelt der hier vorgesehene Entwurf in Art. 1 ausschließlich die Gestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft. Er wendet sich an die Anstaltsleitung und enthält keine Regelungen, die das Gericht – wozu auch immer – verpflichten, diesem vorbehalten sind oder sich auf das konkrete Strafverfahren beziehen, das die Grundlage für den Vollzug der Untersuchungshaft bildet; denn dafür ist der Landesgesetzgeber nicht zuständig.
Mit 79 Paragrafen ist der Entwurf knapp gehalten. Auf Verweisungen und Bezugnahmen zum Strafvollzugsgesetz wurde verzichtet. Dieses Strafvollzugsgesetz wird im Zuge der weiteren Gesetzes
Trotz seines ökonomischen Umfangs enthält der Entwurf zahlreiche Regelungen, die die verfassungsrechtlich herausragende Bedeutung der Unschuldsvermutung in den Vordergrund rücken und so die Rechtstellung der Untersuchungsgefangenen maßgeblich verbessern.
Das wird nicht nur die Basis der von den Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleitern zu treffenden Entscheidungen transparenter machen, sondern sich wie ein roter Faden durch die gesamte Vollzugsgestaltung ziehen.
Meine Damen und Herren, der Vollzug der Untersuchungshaft an jungen Menschen stellt an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vollzugsanstalten und auch an uns als Gesetzgeber ganz besondere Anforderungen. Für diese jungen, der Begehung von Straftaten verdächtigen Leute ist die Inhaftierung eine außerordentliche Härte. Diesen Anforderungen gerecht zu werden, war und ist mir ein eigenes und besonders Anliegen. Die Regelungen des Vollzugs der Untersuchungshaft an Jugendlichen ist in einem eignen, dem zehnten Abschnitt des Entwurfs geregelt.
Im Anschluss an die Inhalte des Jugendstrafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen werden auch hier die jugendspezifischen Eigenheiten mit besonderer Aufmerksamkeit registriert und die alterstypischen Erfordernisse und Bedürfnisse der inhaftierten Jugendlichen und Heranwachsenden in zeitgemäßer Weise berücksichtigt.
Insbesondere werden die jungen Untersuchungsgefangenen nicht sich selbst und einem pädagogischen Vakuum überlassen. Ihnen werden zum Beispiel ständige Ansprechpartner aus dem Kreis der Mitarbeiter der Vollzugsanstalt als Schrittmacher auch für ihre Alltagsprobleme zur Seite gestellt. Wir bieten zahlreiche Hilfestellungen an, die ihre Entwicklung fördern und bei der Bewältigung von Problemen helfen. Der Angebotscharakter ist der Unschuldsvermutung geschuldet, doch werden die Anstalten ausdrücklich dazu aufgerufen, die Untersuchungsgefangenen zur Annahme dieser Angebote zu motivieren.
Durch diese Sonderregelungen führt der hier vorgelegte Entwurf zu einer Harmonisierung mit den Vorschriften des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Jugendstrafvollzugsgesetzes unseres Landes.
Meine Damen und Herren, mit dem Ausbau der Angebote an alle Untersuchungsgefangenen wird allen ermöglicht, ihre Haftzeit sinnvoll und nutzbringend zu gestalten.
Durch die Schaffung einer eigenen Vorschrift über den Täter-Opfer-Ausgleich für geständige Untersuchungsgefangene wird die hohe kriminalpolitische Bedeutung dieses Instituts zur Schadenskompensation unterstrichen und eine förderliche Übernahme von Verantwortung ermöglicht. Gleichzeitig werden dem Opfer einer Straftat das gebotene Mitgefühl und die notwendige Achtung für das Erlittene gezollt. Das sind auch wir als Gesetzgeber den Opfern von Straftaten schuldig.
Lassen Sie mich einige Schlagworte der Eckpunkte aufzeigen, um zu verdeutlichen, wie das Gesetz einen zeitgemäßen, humanen und an der Unschuldsvermutung orientierten Vollzug der Untersuchungshaft sichert:
Schutz der Intim- und Privatsphäre durch grundsätzliche Einzelunterbringung, strikte Trennung von jungen und erwachsenen Untersuchungsgefangenen, Schaffung der Grundlagen für die Zusammenarbeit der Anstalt mit Gericht und Staatsanwaltschaft, Verdoppelung der Mindestbesuchsdauer auf zwei Stunden pro Monat, Erweiterung von Hilfsangeboten auch durch Einbindung externer Organisationen – zum Beispiel zur Haftvermeidung –, Hervorhebung von Bildungsangeboten, Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum, Verzicht auf die Arbeitspflicht für junge Untersuchungsgefangene als besondere Ausprägung der Unschuldsvermutung, Förderung junger Untersuchungsgefangener nach den verbesserten Standards des Jugendstrafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen.
Meine Damen und Herren, mit der in Art. 2 enthaltenen Regelung zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten wird erstmals eine tragfähige rechtliche Grundlage für die Zulassung von Mobilfunkblockern geschaffen. Der Justiz wird dadurch ermöglicht, auf dem Gelände der Vollzugsanstalten unerlaubte Telekommunikation zu unterbinden, die eine ganz erhebliche und zunehmende Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in Vollzugsanstalten darstellt. An dieser Stelle seien nur genannt: fortdauernde Organisation von Drogenhandel, Bedrohung und Beeinflussung von Zeugen und deren Angehörigen, Organisation von Fluchthilfe bis hin zur Vorbereitung von Geiselnahmen. Dieser Gefahr kann wirksam durch eine technische Unterdrückung des Mobilfunkverkehrs begegnet werden, auf die nicht verzichtet werden kann. Dies ist durch den Betrieb sogenannter Mobilfunkblocker möglich.
Meine Damen und Herren, mit diesem vorgelegten Gesetzentwurf löst die Landesregierung ihr Versprechen ein, das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung ernst zu nehmen und die Untersuchungsgefangenen ihrem rechtlichen Status entsprechend zu behandeln.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf liegt inzwischen vor, wenn er auch früher avisiert worden war. Insofern können wir mit der weiteren Diskussion beginnen.
Es ist ein relativ schlankes Gesetz. Es beinhaltet dennoch eine Fülle von Regelungen. Sie haben vorhin, Frau Ministerin, exemplarisch zu einigen davon Stellung genommen. Ich möchte mich in diesem Beitrag auch auf einige wenige Punkte konzentrieren. Herr Kollege Stotko wird insbesondere auf die weitere Diskussion eingehen. Alles andere ist Sache des nachfolgenden Verfahrens.
Der Artikel bezüglich der Sicherheit durch Mobilfunkblocker hat natürlich nur mittelbar mit einem Untersuchungshaftvollzugsgesetz zu tun. Wir gehen davon aus, dass die Wirksamkeit exakt geprüft wird. Einige Experten gehen nämlich von der Unwirksamkeit solcher Blocker im Strafvollzug aus. Sie halten solche Mittel eher für fehlinvestiert. Das muss geprüft werden.
Der Entwurf bewegt sich sehr nah an dem von uns im Jahr 2008 bereits vorgelegten Entwurf. Sie haben schon etwas über die Quellen gesagt. Allerdings gibt es auffällige Unterschiede. Auf einige davon will ich zu sprechen kommen. Auf der einen Seite geht es um den Hintergrund der Unschuldsvermutung. Auch das haben Sie immer wieder ins Feld geführt, Frau Ministerin. In diesem Zusammenhang geht es insbesondere um die Stellung der Verteidigung als Organ der Rechtspflege. Von daher wären Durchsuchungen nach unserer Auffassung rechtlich nicht möglich, es sei denn, es liegt eine entsprechende Beweislage vor. Da ist aus unserer Sicht dringend eine Korrektur erforderlich.
Für problematisch halten wir die Sollvorschriften bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten. Sie haben einen Strauß von Möglichkeiten dargestellt. Wir sind der Auffassung, es muss Mindeststandards für alle Anstalten geben, damit es in der Praxis kein Auseinanderdriften gibt. Im Vorfeld haben Sie dargelegt, dass das Ganze kostenneutral ist. Dies erscheint uns etwas verdächtig; denn solche Behandlungsmaßnahmen kosten natürlich auch Geld, wenn es sich nicht nur um eine Sollvorschrift handelt.
Problematisch sind auch die Sicherungsmaßnahmen, insbesondere was den Arrest betrifft. Hier bedarf es nach unserer Auffassung verbindlich des Richtervorbehaltes. Es geht um die Unschuldsvermutung, um die Untersuchungshaft.
Für das weitere Gesetzgebungsverfahren werden wir eine Anhörung beantragen. Die jüngst gemachten Erfahrungen im Rechtsausschuss lassen uns zu dem Schluss kommen, dass diese nicht zusammen
Im weiteren Verfahren spielt natürlich auch der 12Länder-Entwurf eine Rolle. Nordrhein-Westfalen ist neben Bayern und Baden-Württemberg sowie Niedersachsen nicht dabei. Dort sind weitere Normierungen an knapp 40 Punkten vorgesehen. Dabei geht es auch um Jugendliche und junge Gefangene. Das ist in Ihrem Entwurf im Unterschied zu Ihren Ausführungen von gerade doch etwas knapper dargestellt. In dem 12-Länder-Entwurf geht es auch um Fortbildung. Sie spielt in dem jetzigen Entwurf kaum eine Rolle.
Die konkreten Normierungen entsprechen alle dem Transparenzgrundsatz und auch dem Freiheitsgrundsatz unserer Verfassung, mit dessen Einschränkung nach unserer Auffassung gesetzlich ausgesprochen sensibel und präzise umgegangen werden muss.
Ich möchte abschließend noch eines erwähnen: Bevor wir uns an ein Landesstrafvollzugsgesetz machen, sollten wir uns auch noch auf ein Jugendarrestvollzugsgesetz konzentrieren. Auch hier ist der Freiheitsentzug nicht gesetzlich geregelt. Der Überweisung stimmen wir natürlich zu. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf gehen die Koalition und die von ihr getragene Landesregierung einen weiteren Schritt in der konsequenten Politik, den Vollzug in Nordrhein-Westfalen auf eine neue, humane und rechtstaatliche Grundlage zu stellen und weiter zu modernisieren. Neben mehr Personal und vielzähligen baulichen Verbesserungen gehört hierzu die Trias von drei gesetzlichen Regelungen, die Schritt für Schritt in Kraft gesetzt werden.
Zunächst hat die Landesregierung den Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes erarbeitet und in den Landtag eingebracht. Ihn haben wir intensiv beraten und das Gesetz verabschiedet. Nun legt die Landesregierung mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf Regelungen zur Untersuchungshaft vor. Als dritter Schritt wird ein nordrhein-westfälisches Strafvollzugsgesetz folgen, das die bisherigen Regelungen des fortgeltenden Bundesrechts ablösen wird.
Die Landesregierung hat die gesetzlichen Regelungen für den nordrhein-westfälischen Strafvollzug Schritt für Schritt wohlbegründet und abgewogen in den Landtag eingebracht und dabei die Erfahrungen
des vorherigen Gesetzgebungsverfahrens sowie die ersten Praxiserfahrungen mit den neuen gesetzlichen Regelungen berücksichtigt.
Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet Regelungen zum Untersuchungshaftvollzugsrecht, nicht aber zum Untersuchungshaftrecht. Dafür hat weiterhin der Bund die Gesetzgebungskompetenz.
Mit seinen Regelungen wird der Gesetzentwurf einem zeitgemäßen und humanen sowie – das ist bei der Untersuchungshaft besonders wichtig – an der Unschuldsvermutung ausgerichteten Untersuchungshaftvollzug gerecht.
Die Justizministerin hat eben wichtige Stichpunkte genannt. Diese möchte ich nicht alle wiederholen. Wir werden dies in den Ausschussberatungen vertiefen können.
Wir meinen aber, dass die Einführung der Mobilfunkblocker und die rechtliche Grundlage für die Nutzung derselben ein wichtiger Beitrag zur Unterbindung potenzieller Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in den Justizvollzugsanstalten ist. Mit diesen Inhalten hebt sich der Gesetzentwurf der Landesregierung deutlich von dem seinerzeitigen und vom Kollegen Sichau angesprochen Gesetzentwurf der Fraktion der SPD ab, der, wie wir wissen, überhastet eingebracht worden war.
Er hatte schwere inhaltliche Fehler, Herr Kollege Stotko, selbst wenn Sie die heute noch nicht nachvollziehen können. Aber es ist so. Das können Sie alles im Protokoll nachlesen. Wir haben das bereits vor einem Jahr hier im Plenum erörtert.
Ich freue mich auf die Ausschussberatungen, in die wir sicherlich auch noch einmal die positiven Erfahrungen mit dem Jugendstrafvollzugsgesetz einfließen lassen wie auch – das ist natürlich wichtig – die jüngste einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Regelungsbereich. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der späten Stunde möchte ich mich – da wir über den Gesetzentwurf noch mehrfach beraten werden – sehr kurz halten und für unsere Fraktion feststellen: Es handelt sich um einen sehr modernen Entwurf, der vor allen Dingen die Persönlichkeitsrechte schützt, der der Unschuldsvermutung Raum gibt, besonderen Schutz für Jugendliche bietet und die Einzelunterbringung bringt. Das sind aus unserer Sicht alles
sehr wichtige Bausteine. Wir können die Details, die im Gesetzentwurf stecken, im Ausschuss beraten.